Kitabı oku: «WanderStudiumGenerale», sayfa 2
BEGLEICHUNG DER KOSTEN
Durch recht sparsames Verhalten und Planung haben wir es geschafft, die Kosten in einem überschaubaren und für uns finanzierbaren Rahmen zu halten. Zusammengefasst und auf uns fünf Mitglieder aufgeteilt waren die Ausgaben für das WSG tragbar. Die entstandenen Kosten konnten wir begleichen, indem wir uns verschiedene Möglichkeiten überlegten.
Wir machten Straßenmusik: Vom Cello begleitet sangen wir in Einkaufspassagen und an belebten Straßen mehrstimmige Lieder. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich mit dieser Tätigkeit ein Essen finanzieren kann! Auch spielten ein einstudiertes Straßentheaterprogramm, um ein wenig dazuzuverdienen.
Wir alle gaben für das WSG von unserem privaten Geld, was wir konnten – Taschengeld und Angespartes. Von Verwandten und Freunden bekamen wir immer wieder Spenden.
Einen guten Teil unserer Kosten konnten wir dank einer großzügigen Spende der MAHLE-Stiftung decken. Dieser berichteten wir schon sehr früh von unserer Idee und waren sehr erfreut und tief dankbar, als man uns eine Unterstützung zusagte. Wir möchten hier einem zukünftigen WSG sehr ans Herz legen, Stiftungen oder anderen Unterstützern ihr Projekt vorzustellen. Uns hat diese finanzielle Entlastung sehr erleichtert.
ÜBER DIE DOKUMENTATION
Im Laufe der Vorbereitung, wie sie hier skizziert ist, wuchs ein immer größer werdender Kreis von Unterstützern und Interessierten, Freunden und Bekannten, die uns fördern wollten. Wir beschlossen deshalb, eine Möglichkeit zu schaffen, mit deren Hilfe man uns auf dem Weg begleiten konnte. Wir sammelten alle Mailkontakte und schrieben jeweils nach einer Etappe einen ausführlichen Bericht über die jüngste Entwicklung, beschrieben das Gelernte, die Arbeitsatmosphäre, die Gruppendynamik, das Erlebte und Behandelte. Dies eröffnete uns, neben der Idee, unsere Begleiter »mitzunehmen«, die Möglichkeit, die einzelnen Etappen auch selbst noch einmal zu reflektieren und zu verarbeiten.
Abgesehen davon, dass jeder von uns auf individuelle Weise während der gemeinsamen Zeit sein eigenes »WanderStudiums-Buch« führte, wurde uns sehr schnell deutlich, wie wichtig es war, unsere Erlebnisse auch für andere Menschen festzuhalten. Wie aber sähe eine angemessene Dokumentation aus, fragten wir uns.
Bis wir die für uns stimmige Form gefunden hatten, war es ein langer Weg, da sich immer wieder Fragen mit hoher Relevanz für die Gestaltung des gesamten Projekts auftaten:
Wer soll von unserer gemeinsamen Zeit erfahren?
Wie begeistern wir neue Menschen für unsere Idee?
Möchten wir einen öffentlich zugänglichen Blog schreiben?
Wollen wir soziale Medien für die Darstellung nutzen?
Was soll geteilt werden, was ist zu privat?
Einerseits waren wir überzeugt davon, dass wir all die geschenkte Zeit und Erfahrung nicht allein für uns behalten, sondern auch den Menschen den Zugang dazu ermöglichen wollten, die ein Interesse daran haben könnten. Andererseits stand das individuelle Lernen für uns im Fokus, das möglichst nicht durch das Einhalten verpflichtender Formen eingeschränkt werden sollte. Zeitweilig gab es auch die Überlegung, ob einer von uns die Dokumentation für andere Menschen allein übernähme (möglicherweise auch in Etappen wechselnd), damit wir diesem Thema in der Gruppe nicht zu viel Zeit einräumen müssten. Dann wurde uns aber klar, dass die Darstellung unserer Erlebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven ein wichtiger Aspekt war, sodass wir uns schließlich dagegen entschieden.
DIE BERICHTE
Schlussendlich fanden wir eine Form, die uns angemessen und realisierbar erschien: Zu jeder Etappe unserer Reise gab es einen abschließenden Bericht, welcher Auszüge der Aufzeichnungen jedes Teilnehmers enthielt und von einer Person zusammengefasst und geformt wurde. Dieses Amt wechselte mit jedem Bericht. Den Bericht sandten wir von unserer nicht zuletzt für diesen Zweck eingerichteten WSG-Mailadresse an all jene, die ihn erhalten wollten. Ein Blog erschien uns für diese Inhalte zu unpersönlich. Am Ende des Projekts hatten sich über hundert Kontakte in unserem Adressbuch angesammelt. Jeder, der in diesem Verteiler war, hatte direkt (und/ oder persönlich) mit uns Kontakt gehabt und den Wunsch geäußert, die Berichte zu erhalten.
Erst beim Schreiben realisierten wir, wie ungleich viel schwerer es ist, aus fünf oft sehr unterschiedlichen Texten einen runden und aussagekräftigen Bericht zu gestalten. Doch immer wieder wurde uns bewusst, wie viel wir von dem beschriebenen Kurs dadurch mitnehmen konnten, dass wir uns beim Zusammenfassen ganz auf die Darstellung der anderen einlassen mussten. Zu wissen, dass unter diesen Texten unsere fünf Namen ihren Platz fanden, war immer wieder ein Gefühl, das uns mit Glück erfüllte und uns als Gruppe stärkte. So erfuhren wir tiefe Dankbarkeit, diese Berichte mit anderen Menschen teilen zu dürfen, die uns oftmals mit konstruktiver Kritik, Ermutigungen und Lob bedachten und uns dadurch durch unser Projekt trugen.
Doch die eigenen Aufschriebe, also alles, was wir häufig an Material von unseren Dozenten erhielten und die oben beschriebenen Berichte sollten nicht alles bleiben, was dieses Projekt abbildet. Dieses Buch wurde ein weiterer Teil. Wir hätten es wohl kaum gewagt, einen Verlag mit der Frage anzuschreiben, ob wir dort ein Buch über unseren Impuls veröffentlichen könnten. Doch wie an so vielen Stellen kam uns auch hier ein wahres Geschenk zugeflogen: Über Kontakte erfuhr ein Verleger von unserem Projekt und ließ sich in den Verteiler unserer Berichte aufnehmen. Und bald darauf erreichte uns die Frage: »Können wir uns nicht einmal zusammensetzen und über eine mögliche Veröffentlichung nachdenken?«

Wir staunten nicht schlecht über dieses Angebot, hatten aber zunächst auch einige Bedenken und Zweifel an unseren Fähigkeiten und zeitlichen Kapazitäten. Doch die Vorstellung, unsere Erfahrungen in dieser Form weitergeben zu dürfen, beglückte uns so sehr, dass wir der Veröffentlichung eines Buchs zusagten. Aufgrund zeitlicher Hindernisse und der Tatsache, dass es sehr komplex und anstrengend geworden wäre, zu fünft ein Buch zu schreiben, entschieden wir, dass drei von uns diese Arbeit übernehmen würden. In Verbindung damit entstand dann auch die Entstehung unserer Website als Plattform für mögliche nächste WanderStudenten sowie Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften.
REISEÜBERSICHT
Die folgende Übersicht zeigt, wie lange wir an welchen Orten und mit welchen Dozenten an welchen Themen gearbeitet haben.
21. – 27. Mai 2018: Pause
07. – 17. Juni 2018: Unvorhergesehene Pause

So entstand durch unsere Reiseroute auch unser Logo:

DIE ETAPPEN
1. ETAPPE: CLOWNERIE UND SCHAUSPIEL
01. – 07. April 2018: Christiane Zanger,
Figurentheaterregisseurin und Musikerin (Tübingen)
Sich nach der Schule mit bisher Unbekannten auf einen Weg ins Unbekannte zu machen, um gemeinsam dem Impuls, lernen zu wollen zu folgen, wirft ganz zu Beginn viele Fragen auf. Die meisten beantworteten sich auf dem Weg: durch das ständige Miteinander in mehreren unbekannten Städten. Über zwei entscheidende Fragen wollten wir uns direkt zu Beginn Gedanken machen, da sie für das Gelingen einer solchen Bildungsreise entscheidend sind:
1. Wie es möglich ist, sich in kurzer Zeit gut kennenzulernen? Es ist eine Grundvoraussetzung, sich zumindest ein Stück weit vorher zu kennen, wenn man sich darauf einlassen will, über einen längeren Zeitraum eine derart enge Beziehung einzugehen.
2. Zum anderen war uns wie schon erwähnt von Anfang an klar, dass wir uns Gedanken über die Finanzierung des WSG machen mussten. Hier waren eine gute Planung und ein sparsames, überlegtes Wirtschaften gefragt.
Eine Antwort auf diese beiden Fragen war mit unserem ersten Kurs gefunden: Wir folgten unserem Impuls, der Zeit des theoretischen Lernens eine Woche Theaterschauspiel und Clownerie voranzustellen.
Diese Woche verbrachten wir in Tübingen mit unserer ersten Dozentin, der Figurentheater-Regisseurin Christiane Zanger.
Nach Cello- und Schauspielstudien hatte sie begonnen, in verschiedenen Funktionen Theatererfahrungen zu sammeln: als Musikerin, Autorin, Schauspielerin und Regieassistentin. Seit 1993 arbeitet sie freischaffend für verschiedene Figurentheaterensembles und seit 2008 vermehrt auch im soziokulturellen Bereich. 2011 gründete sie »KOBA Initiative für Empathie, Kunst und Theater«. Kinder mit emotionalem und sozialem Förderbedarf, Menschen mit Fluchterfahrung und Menschen mit Behinderung stehen im Zentrum der KOBA-Theaterprojekte. Wir fragten Christiane Zanger, ob sie sich vorstellen könne, uns zu unterstützen, und schilderten ihr unsere Erwartungen an die Theaterarbeit, denn wir hatten eine Idee: Wir wollten in dieser Zeit ein Programm einstudieren, mit dem wir als Gruppe auf der Straße Theater spielen könnten, um damit unsere Kasse aufzufüllen.
An das Straßentheater sind einige Forderungen gestellt: Es muss einfach »auf- und abzubauen«, also möglichst mobil sein. Es muss originell und überraschend sein und die Passanten zum Stehenbleiben einladen, um für eine Weile zum Publikum zu werden. Ein Auftritt auf der Straße darf nicht zu lang und nicht zu kurz sein. Im besten Fall möchte man erreichen, dass das Publikum stehen bleibt und die kurze Darbietung möglichst in voller Länge genießt. Um diese Anforderungen zu erfüllen, erarbeiteten wir kleine Szenen und Sketche. Dank Christiane Zangers Talent wurde unser Programm auch musikalisch begleitet, sie schrieb einen Text für eine Clownshymne und unterstützte uns in unseren Gesangsproben.
Es war eine bunte Woche, in der wir zu Clowns wurden: Zu Charmy mit dem Cello, dem verplanten Trolf, Sonnenschein Klonk, dem selbstverliebten Prachtkerl Bert und der liebevoll verschüchterten Schpusi. Der besondere Charme dieser fünf Clowns liegt in ihren völlig unterschiedlichen Charakteren; die Komik der Szenen liegt in der Regel in den Reaktionen der einzelnen Figuren aufeinander.
Schnell hatten wir einige Grundlagen verstanden: Im Clownsspiel ist alles extrem, überzogen. Mit dem Herauswachsen aus dem Alter, in dem überschwängliche Emotionen völlig normal sind, beginnt der Mensch immer mehr abzuwägen und sich zurückzuhalten. Einer einzelnen Emotion Körper und Geist gänzlich zur Verfügung zu stellen, das übten wir mit Christiane als Clowns während der ganzen Zeit. Und siehe da: Nach dem Überwinden der ersten Hemmschwellen erlebten wir das Eintauchen in die extremen Situationen der Clownerie als überaus befreiend. Man hört auf, sich ständig Gedanken über das Warum zu machen, und Art und Weise des Ausdrucks verlieren irgendwann völlig an Bedeutung.
Unsere Übungen bestanden oft darin, uns in einen Charakter vollständig hineinzuversetzen, mal traurig, mal verliebt, belustigt oder aggressiv zu sein. Die besondere Herausforderung war es, diese Gefühle nicht nur innerlich zu spüren, sondern sie auch im Extremen hemmungslos und übersteigert auszuspielen. Hier schrien wir uns gegenseitig an, da schauten wir einander so lange in die Augen, bis die »Schmerzgrenze« weit überschritten war.
Es war faszinierend zu sehen, wie in diesem künstlich hervorgerufenen Extrem eigene Emotionen, Gedanken und auch Ängste offenbar wurden. Auch wenn man spielt – oder vielleicht gerade dann – wird einem klar, welche Momente mit einer besonderen Überwindung verbunden sind und wann eine große Menge an Vertrauen in die Beobachtenden und vor allem in sich selbst notwendig ist.

»Mir wurde bewusst, dass ich zu manchen Emotionen einen guten Zugang habe und sie leicht zum Ausdruck bringen kann. Andere dagegen ließen sich von mir nur schwer greifen. Deutlich wurde mir aber, dass alle emotionalen Regelungen in mir liegen, und dass es nur förderlich und befreiend sein kann, die ganze Bandbreite der Emotionen und ihre jeweilige Erscheinungsform zu entdecken und zu erforschen.«
Franziska Jauß
Wunderbarerweise kamen wir als Gruppe von Anfang an beim Vorspielen einzelner Szenen völlig ohne Scham und Häme aus. Diese Form des gegenseitigen Respekts, der sich zum Beispiel darin äußerte, wie Spielideen und Rollenverteilungen angenommen wurden und wie vorsichtig wir mit der Kritik untereinander umgingen, war ein großes Geschenk für uns als Gruppe.
In dieser ersten Etappe wurden die Ideen und Wünsche, die wir an die Schauspielzeit gestellt hatten, vollständig umgesetzt und erfüllt. Wir sind in sehr kurzer Zeit durch die Offenheit, die das Schauspiel erfordert, zu einer Gruppe zusammengewachsen, in der man auf den anderen Rücksicht nahm und sich tatsächlich schnell ziemlich gut kennengelernt hat.
»Nasologie
Als die Mitglieder des WSG Quintetts auf mich zukamen, um mich nach einem Clownskurs zu fragen, der der Gruppenbildung und der Einstimmung auf die gemeinsame Reise dienen sollte, da hatten sie schon allerbeste Clownsqualitäten bewiesen:
den Mut, ins Ungewisse aufzubrechen;
die Hartnäckigkeit, den auftretenden Schwierigkeiten mit Fantasie und schöpferischem Humor zu begegnen;
die Zielstrebigkeit, die schier nicht enden wollenden Planungsaufgaben zu verfolgen;
die Respektlosigkeit, sich nicht von »Rang und Namen« einschüchtern zu lassen;
die Freude daran, eigene Potenziale zu entdecken und die Lebenszeit zu nutzen.
Wenn ich Clownsspiel unterrichte, dann fange ich mit dem »basalen Menschen« an zu arbeiten. Dieser basale Mensch äußert seine Empfindungen direkt, körperlich, mimisch, lautlich, »einsilbig« (hier in der Bedeutung von »nicht wortreich«).
Die erste Regel stellt sofort sämtliche Gewohnheiten auf den Kopf: Der Clown sagt strahlend, laut und vernehmlich Ja zu sich selber, zum Da-Sein auf der Bühne und zu allem, was ihm begegnet. Dieses Ja schließt auch Spielvorschläge in Improvisationen mit ein.
Die Rolle, die ich einnehme, ist die eines Chef-Clowns, der laute, paradoxe und anarchische Anweisungen gibt und, Äußerungen imitierend, wie ein Spiegel funktioniert. Dabei setze ich mich genauso der Lächerlichkeit aus, wie jede/r Mitwirkende es im Laufe der Zeit tut. Ohne größere Vorträge gelingt es auf diese Weise, im gemeinsamen Spiel Prinzipien zu verdeutlichen und Prozesse voranzutreiben: Mit Einzelnen, um die individuellen Clowns-Charaktere zu entwickeln, in der Gruppe, um szenisch-musikalische Ergebnisse zu erzielen.
Ein kleiner Katalog von Übfeldern:
Einsatz der kleinsten Maske der Welt, der roten Nase;
zu führen und zu folgen;
impulsiv empathisch zu »spiegeln«, d.h. Gesehenes und Gehörtes unkommentiert zu wiederholen;
die Augen maximal zu öffnen, um das Staunen zu befördern;
große Emotionen nicht zu scheuen;
körperlich »auf Trab« zu kommen;
in starken Konfrontationen zu bestehen (»Ja!« versus »Nein!«);
Lächerlichkeit und Scheitern nicht zu fürchten;
selber nicht zu lachen;
»Niveau« (Lautstärke und Präsenz) zu halten;
keine Selbstzensur zu üben.
Im Verlauf von fünf Arbeitstagen entstand mit dem WSG-Ensemble ein kleiner Parcours von Straßentheater-tauglichen Mikro-Szenen, bei denen die instrumentalen, sängerischen und circensischen Fähigkeiten der Gruppe zum Einsatz kamen und welcher die chorische Rezitation von Bertolt Brechts Gedicht »So bildet sich der Mensch« beinhaltete.
Es war ein riesengroßes, ungewöhnliches Vergnügen, mit diesen jungen Menschen zu arbeiten! Sollten neue WSG-Ensembles Clowns-Betreuung suchen: Ich bin jederzeit bereit, wieder Ja! zu sagen.
Christiane Zanger
2. ETAPPE: PHILOSOPHIE DER MODERNE
09. – 14. April 2018: Dr. Mathijs van Alstein,
Doktor der Philosophie und Pfarrer der Christengemeinschaft (Zeist, Niederlande)
Die Idee eines Studium Generale beschreibt im Wesentlichen eine Zeit, in der eine Basis für später folgende Entschlüsse geschaffen wird. Von dieser Basis aus kann man – wenn alles gut geht – eine Entscheidung treffen, in welche Richtung man sich im Studium spezialisieren möchte. Vor dem Hintergrund einer Zeit, in der man verschiedene Bereiche genauer betrachtet hat, soll diese Entscheidung leichter fallen.
Wenn das WanderStudiumGenerale für uns ein Fundament war, nach dessen Abschluss wir fester auf dem Boden stehen, stellte unsere zweite Etappe, die Auseinandersetzung mit der Philosophie, eine Art inhaltliche Basis dar. Die Philosophie ist ein Wissens- und Gedankenbereich, mit dem man sich in unterschiedlichsten Gesprächen und Fragestellungen konfrontiert sieht. Sie scheint überall im Leben im Hintergrund zu stehen und darauf zu warten, dass man sich ihr von einem der unendlichen Wege, die zu ihr führen, nähert. In der Vorbereitungsphase war die Philosophie eines der ersten Themen, von denen wir sicher waren, dass wir uns näher mit ihnen auseinandersetzen wollten. Sie ist ohne Frage ein sinnvoller Bestandteil eines Studium Generale.
Nach unserer intensiven Gruppenfindungsphase im Schauspiel- und Clownerie-Kurs der ersten Etappe begann nun also für uns die erste theoretische inhaltliche Arbeit. Der starke Kontrast zwischen diesen beiden ersten Stationen war faszinierend und bereichernd, denn in der Arbeit in Zeist in den Niederlanden bei unserem zweiten Dozenten Mathijs van Alstein ging es jetzt darum, das im Schauspiel sozial Erlernte unmittelbar anzuwenden. Zwei Gemeinschaftsprozesse konnten wir hier erleben und beobachten:
1. In einer langjährigen Lerngemeinschaft wie einer Schulklasse ist das Verhalten der Mitschüler in den jeweiligen Unterrichtsstunden in der Regel eingespielt. Meistens weiß man, wer diskussionsfreudig ist und sich beteiligt, und man kennt auch die Themen, die die Mitschüler begeistern oder langweilen. Solche Muster gab es in unserer neu entstandenen Lerngemeinschaft noch nicht. Dieser Findungsprozess fand in unserer zweiten Etappe vor allem im gemeinsamen Gespräch und den Diskussionen statt, die wir immer wieder führten. Diese erste Art von geübter Gemeinschaft war also im weitesten Sinne die einer Lerngemeinschaft.
2. Die zweite, nicht weniger spannende Frage war die nach dem Wie einer Lebensgemeinschaft. Wir waren in dieser Konstellation ja zum ersten Mal gemeinsam unterwegs, und so war alles erst einmal neu für uns. Anfangs verbrachten wir mehr oder weniger den ganzen Tag zusammen: Wir hatten eine gemeinsame Unterkunft, aßen zusammen und verbrachten auch die Zeit der Vor- und der Nachbereitung unseres Kurses miteinander. Diese große Nähe im Alltag konnten wir genießen, da wir sie mit dem Schauspielkurs auf einer anderen Ebene gut vorbereitet hatten. Gleichzeitig mussten wir in Zeist auch lernen, dass wir uns, wenn uns danach zumute war, auch für eine Weile zurückziehen durften, ohne dass ein Zerfall der Gruppe zu befürchten war.

Thema unseres Kurses war die Philosophie der Moderne. Dieser begegneten wir mit Dr. Mathijs van Alstein, der an der Universität Antwerpen Philosophie studiert und gelehrt hat, bevor er Priester der Christengemeinschaft wurde. Seine Fachgebiete innerhalb der Philosophie liegen bei Ludwig Wittgenstein, Søren Kierkegaard und Martin Heidegger, über dessen Werk er promovierte. Nachdem die Philosophie für uns als Etappenthema beschlossen und wir auf der Suche einem Dozenten waren, fragten wir Mathijs van Alstein, da ein Mitglied unserer Gruppe ihn von Vorträgen als Redner kannte und von seiner klaren Art damals sehr beeindruckt war.
Nachdem er uns zugesagt hatte, erhielten wir von ihm eine Aufgabe: Zur Vorbereitung sollten wir Martin Heideggers Text »Gelassenheit« lesen und waren beeindruckt von seinen vorausschauenden, ja prophetischen Gedanken. Er erkannte schon 1959 die Chancen und Gefahren der technischen Entwicklung und ahnte sehr treffend die Abhängigkeit voraus, in der wir uns heute befinden. Unsere Aufgabe, so Heidegger, sei es, sich ohne Wertung mit der Technik zu befassen, uns einen bewussten Umgang mit ihr anzueignen und sowohl Ja als auch Nein sagen zu können. »Wir brauchen die Gelassenheit zu den Dingen und dürfen die Offenheit für das Geheimnis nicht verlieren.«
Wir begannen mit den geschichtlichen Phänomenen, die den Beginn der Moderne im 15. und 16. Jahrhundert beschreiben: Die Trennung der Naturwissenschaften von der Philosophie, das Bewusstsein für die Welt als Globus, den Buchdruck durch Gutenberg und die Reformation in der Kirche durch Luther, ohne die der Mensch den aktuellen Zeitgeist der Moderne nicht hätte erfahren können.
Um die Moderne zu verstehen und sie aus dem Blickwinkel eines Philosophen, Pfarrers und Anthroposophen verstehen zu können, sprachen wir am ersten Tag über das anthroposophische Welt- und Menschenbild, das Mathijs van Alstein in einen Zusammenhang mit der Philosophie und ihrer Geschichte in Verbindung setzte. Durch die Entwicklungsgeschichte der Menschheit anhand der Philosophen, die für van Alstein als Indikatoren den Zeitgeist ihrer Epoche anzeigen, gelangten wir zum Thema der Woche: die Philosophie der Moderne. Dieser näherten wir uns über die drei in seinen Augen relevantesten modernen Philosophen, da ihr Werk jeweils einen bedeutenden Schritt des Bewusstseins der Menschheit darstellt: Hegel, Nietzsche und eben Heidegger.
Von Hegel wird gesagt, er habe die Philosophie »zu einem Abschluss« gebracht. Dies erreichte er, indem er in seinem Begriff des »Weltgeistes«, der sich in den jeweiligen großen Denkern der Zeit äußern will, alle vorherigen Philosophen integriert. Er liefert sozusagen eine Erklärung für alles bis dahin Gedachte.
Auf die Arbeit mit Hegel folgte die am Werk eines der faszinierendsten und einflussreichsten Denker des 19. Jahrhunderts, Friedrich Nietzsche. Wir lernten einen Denker kennen, dessen Zustand der Philosoph und Psychiater Karl Jaspers als »wehrlos in der Modernität« bezeichnete. In ihm begegneten wir einem Nihilisten, der den Tod Gottes verkündete, diesen Gedanken genial ausführte und das Verhältnis zu Gott in einen radikalen Wandel stürzte. Für Mathijs van Alstein griff Nietzsche seiner Zeit Jahrhunderte voraus und durchlebt in seinem Einzelschicksal das, was die gesamte Menschheit in der Moderne durchleben wird. Er glaubt konsequent an eine ewige Wiederkehr des Gleichen und zieht sich zurück in die Einsamkeit seiner Gedanken – er wird wahnsinnig und stirbt nach elf Jahren geistiger Umnachtung. Seine Gedanken haben die moderne Menschheit erschüttert, bewegt und tief geprägt.
In der letzten Phase unseres Kurses begegneten wir noch einmal Martin Heidegger, dessen spätes Werk über die Philosophie hinausgeht, gar nicht mehr als eine solche im klassischen Sinne angesehen werden kann. Seine Texte erscheinen immer wieder poetisch, sogar spirituell. So, als sollten sie nicht gelesen, sondern meditiert werden. Am letzten Tag unseres Kurses wagten wir uns nach intensiver Vorbereitung an seinen Text »Die Frage nach der Technik« aus dem Jahr 1954 – laut Mathijs van Alstein ein für das Verständnis des modernen Menschen unverzichtbarer Text.
Man erlebt nur selten Redner, bei denen man während des Zuhörens das Gefühl entwickelt: Schon beim ersten Satz wissen sie genau, wo ihre Rede endet. Noch beeindruckender ist es, wenn dies nicht nur den Bogen vom Anfang bis zum Ende umspannt, sondern jeder Satz, sogar jedes Wort seinen genauen Platz zu kennen scheint. Der Vortrag von Mathijs van Alstein besitzt diese Qualität: Wie ein Musiker scheint er immer genau zu wissen, an welcher Stelle der Präsentation er sich gerade befindet und wohin sich diese entwickeln wird. Und all das, ohne steif oder aufgesetzt zu wirken, ganz im Gegenteil: Obwohl wir viele Zwischenfragen stellten, auf die er ausführlich und immer verständlich einging, und obwohl der Vortrag sich zwischendurch immer wieder weit von seinen anfänglichen Intentionen zu entfernen schien, spannte er den Bogen immer so, dass das Gespräch schlüssig und rund wurde. Es ist eine große Freude gewesen, diesem begnadeten Denker und Redner zuhören zu dürfen.
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