Kitabı oku: «Fioria Band 3 - In Liebe und Hass», sayfa 5

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Kapitel 4

Kein Entkommen

Das Leben in Renia war schön und friedlich. Lloyds und mein Alltag drehte sich um Takuto, unsere Arbeit und die Fiorita. Wir blieben in ständigem Kontakt mit seinen Eltern sowie meinen Freunden. Es ging uns gut. Wir waren in Sicherheit.

Doch nur drei Monate nach unserem Treffen mit Fiona und Nico wurde mir klar, dass die räumliche Distanz zum Krieg in unserer Heimat nicht so viel brachte, wie ich mir gewünscht hatte. Wir waren zwar weit davon entfernt, steckten aber doch mittendrin.

„Sieh mal, Lloyd, sieh mal!“, lachte ich. „Takuto rutscht schon wieder auf dem Hintern durch die Küche.“

Mein Freund lief aus dem Wohnzimmer zu mir und brach ebenfalls in Gelächter aus. „Das ist einfach zu niedlich! Vor allem wenn er nur Windeln trägt! Das muss ich fotografieren.“

„Holst du dann auch seinen Strampelanzug?“, bat ich und rührte die köchelnde Tomatensoße um. „Es ist inzwischen abgekühlt.“ Tagsüber brachte uns der Frühling zwar angenehme Temperaturen, doch abends zog auch ich mir lieber eine Jacke über.

„Mach ich“, stimmte Lloyd zu und verließ die Küche.

Ich wandte mich wieder dem Herd zu. Das Essen musste jede Minute fertig sein. Nudeln, frisches Gemüse und Tomatensoße. Und Grießbrei für unseren Kleinen. Ich pustete mir eine nervige orange-braune Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor ich zu Takuto auf den Boden schaute. „Na, du?“, fragte ich. Er brabbelte etwas, das so ähnlich wie „Mama“ klang, quietschte fröhlich und strahlte mich an, wobei er auf sein Kinn sabberte. Lloyd hatte recht, unser Kind war einfach zu niedlich!

Ich genoss es richtig, dass wir heute Abend beide freihatten und ganz entspannt zu Hause essen konnten. Das kam nicht allzu oft vor.

„Perfekter Schnappschuss!“, jubelte Lloyd, nachdem er mit Kamera und Strampelanzug zurückgekommen war. „Ich ziehe Takuto schnell an. Der Tisch ist ja schon gedeckt.“

„Und dann gibt’s Essen“, ergänzte ich.

„Riecht sehr gut“, merkte er an und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, dann machte er sich daran, unseren Sohn anzuziehen. Mit leicht geröteten Wangen lächelte ich. Ich liebte dieses friedliche Leben. Es war vielleicht nicht so aufregend wie meine Zeit als Ranger, aber es machte mich glücklich. Jeden Tag sah ich aufs Neue, wie Takuto wuchs und dazulernte. Inzwischen war er schon neun Monate alt. Leider fremdelte er noch, doch er konnte schon robben und sitzen.

Nach dem Essen, das Takuto teilweise auf den Tisch gespuckt hatte, brachte Lloyd den Kleinen ins Bett. Ich räumte die Küche auf, wobei mir mein Freund half, nachdem er aus dem Kinderzimmer wieder ins Erdgeschoss gekommen war.

„Wollen wir noch etwas fernsehen?“, schlug er vor, als alles sauber war.

Ich nickte. „Gerne.“

Wir kuschelten uns auf dem Sofa zusammen, Lloyd zappte wahllos durch die verschiedenen Programme. „Irgendwie läuft nichts Gutes.“

„Schade“, seufzte ich. „Was machen wir denn dann?“

„Mir fällt da was ein“, entgegnete er und grinste frech.

Noch bevor ich ihn fragen konnte, was er meinte, verwickelte er mich in einen unwiderstehlichen Kuss. Mit einem glücklichen Seufzen ließ ich mich mitreißen und legte meine Arme um seine Taille. Er küsste sich zu meinem Hals, sein warmer Atem fühlte sich glühend heiß auf meiner Haut an, dennoch bekam ich Gänsehaut.

„Wirklich eine gute Idee“, gab ich leise zu und fuhr ihm mit einer Hand durchs kurze Haar. Seit Takuto auf der Welt war, hatten wir nicht viele Gelegenheiten gehabt, uns näher zu kommen.

„Dachte ich mir“, lachte er und legte seine Lippen wieder sanft auf meine. Er kniete sich hin und drückte mich sanft rücklings aufs Sofa, ohne den Kuss zu lösen. Mit beiden Armen stützte er sich rechts und links von mir ab, bevor er noch schnell zur Fernbedienung griff, um das Gerät abzuschalten. Auch ich blickte kurz zum Fernseher, doch was ich sah, ließ mich erstarren. Im unteren Teil des Bildschirms war ein Schriftzug eingeblendet: Krieg fordert erstes Todesopfer.

„Warte mal!“, rief ich entsetzt. „Ist das nicht Windfeld?“

Lloyd runzelte die Stirn. „Ja, aber das sind Nachrichten. Warum ist Windfeld hier in den Nachrichten?“ Er drehte die Lautstärke etwas höher.

„... als Eskalation bezeichnen lässt“, erzählte der Nachrichtensprecher, der seinen ergrauten Haaren nach schon mindestens 50 Jahre alt war. „Erstmals kam es zu Opfern in den Reihen der Ranger.“

„Was?“, keuchte ich und setzte mich abrupt aufrecht hin. Ich beugte mich vor, die Ellbogen auf meine Knie abgestützt und die Finger fest ineinanderverhakt. Meine zuvor gute Stimmung war prompt umgeschlagen. „Bitte nicht, das kann nicht ...“

„Ein Hinterhalt der Schattenbringer führte zum Tod des dienstältesten Rangers von Windfeld“, fuhr der Mann fort. „Er wurde auf Patrouille mit dem Leiter der Zweigstelle überwältigt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Stationsleiter das eigentliche Ziel des Anschlags war.“

Jedes weitere Wort wurde in meinen Ohren zu einem Rauschen. Ich konnte es nicht fassen. Betäubender Schmerz erfüllte meine Brust, ich zitterte am ganzen Körper. „Viktor“, wisperte ich. „Nein ...“

Lloyd umarmte mich fest, doch er schwieg. Er wusste wohl auch nicht, was er sagen sollte. Nach ein paar Sekunden der Stille schluchzte ich lauthals. Tränen stiegen mir in die Augen, Tränen der Trauer und Verzweiflung. Mein ehemaliger Kollege Viktor war tot. Wegen der Verbrecherorganisation, die mein Vater gegründet hatte.

„Kanntest du ihn gut?“, fragte Lloyd leise und strich mir mit einer Hand die Tränen weg.

Leise schniefend nickte ich. „Seit meinem ersten Arbeitstag in Windfeld. Er war so lieb. Und er hat immer erwähnt, dass er der Älteste ist. Und dass er in unserem Alter ganz anders war, so was eben ...“

Beruhigend rieb er mir über den Rücken. „Es tut mir so leid.“

„Du kannst nichts dafür“, schluchzte ich. „Papa ist es ... Papa ist schuld daran! Es hätte nie so weit kommen dürfen!“

„Die Situation wird immer schlimmer“, murmelte er. „Dass die Schattenbringer wirklich einen solchen Anschlag auf die Ranger geplant haben ...“

„Ulrich!“, fiel mir siedend heiß ein. „Bestimmt ist Ulrich noch in Gefahr, wenn sie es eigentlich auf den Stationsleiter von Windfeld abgesehen haben.“

„Nachdem sie den falschen Ranger erwischt haben, werden sie nicht sofort wieder angreifen“, vermutete mein Freund. „Aber irgendwann wird ...“

Ich klammerte mich an sein blaues T-Shirt, das Gesicht vergrub ich an seiner Brust. „Das ist so grausam!“

Sanft drückte er mich fester an sich. „Ja. Kann ich dir irgendwie helfen? Willst du einen Tee oder so?“

„Nein“, wimmerte ich. „Ich kann es einfach nicht fassen! Viktor ist wirklich ... er ist wirklich ...“ Ich spürte, dass es in meinem Inneren rumorte. Shadow schickte mir eine Warnung, ich solle mich nicht so sehr aufregen. Aber ich konnte mich nicht beruhigen, zu sehr schockierte mich diese Nachricht. Zu groß war die Trauer darüber. Ich schaffte es nicht mal, meine Tränen zu stoppen.

Lloyd machte den Fernseher aus und zog mich auf seinen Schoß, um mich wie ein Kind hin und her zu wiegen. „Es musste irgendwann so kommen. Dass der Krieg eskalieren würde, wussten wir von Anbeginn.“

„Aber warum ausgerechnet einer meiner Kollegen?“, rief ich verzweifelt.

„Wahrscheinlich weil die Zweigstelle Windfeld der größte Dorn im Auge der Schattenbringer ist“, seufzte er.

„Das darf einfach nicht sein!“, schluchzte ich. „Warum Viktor? Das hat er nicht verdient! Er ist so ein guter, lieber Ranger ... gewesen.“

„Das eigentliche ...“ Gedämpftes Geschrei unterbrach meinen Freund. „Takuto ist aufgewacht.“

„Geh zu ihm“, flüsterte ich und stand auf. „Ich bin gerade nicht die Beste, um jemanden zu beruhigen.“ Ich musste mich erst selbst beruhigen. Solange meine Stimme so sehr zitterte, konnte ich nicht mal singen.

„Ich komme gleich wieder“, versprach er und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er aus dem Wohnzimmer lief.

Kurz blickte ich mich in dem Raum um. Klamme Kälte ergriff mich, sodass ich mir über die Arme rieb. Ich sollte mich hinlegen.

Auch wenn ich erst morgen Mittag arbeiten musste, ich sollte ins Bett gehen und zur Ruhe kommen. Lloyds Schicht würde erst abends beginnen.

Schnell löschte ich das Deckenlicht und ging in den ersten Stock. Die Tür zum Kinderzimmer war angelehnt, Licht schien durch den Spalt auf den Gang. Ich hörte, wie Lloyd auf den Kleinen einredete. Takuto schrie aber immer noch.

Dann huschte ich ins Badezimmer, wusch mir das erhitzte Gesicht kalt ab, putzte meine Zähne und zog meinen Schlafanzug an. Ich durfte nicht daran denken, dass Viktor ... Ich musste auf andere Gedanken kommen. Der Krieg betraf mich nicht mehr!

Als ich das Bad verließ, trat auch Lloyd auf den Gang. Er musterte mich überrascht. „Willst du jetzt schlafen?“, wunderte er sich.

Ich zuckte mit den Schultern. „Wäre vielleicht das Beste.“

Mein Freund schloss mich sanft in die Arme. „Mia, du musst nicht so tun, als wäre nichts. Wir können auch aufbleiben und reden.“

„Wenn ich darüber rede, heule ich wieder los“, flüsterte ich und klammerte mich an ihn. „Aber das will ich nicht.“

Leise seufzte er. „Na gut, dann legen wir uns hin.“

Ich war mir sicher, dass Verdrängung die beste Methode war, um mit der aktuellen Situation umzugehen. Doch ich irrte mich. Ich konnte überhaupt nicht verdrängen, was ich aus den Nachrichten erfahren hatte. Ich lag über eine Stunde auf dem Bett im dunklen Schlafzimmer und starrte die Leuchtziffern des Weckers an. Lloyd umarmte mich von hinten, er schlief bereits. Ich hingegen war todmüde und hellwach zugleich.

So ging es nicht weiter!

Vorsichtig wand ich mich aus den Armen meines Freundes und schlich aus dem Zimmer. Kurz sah ich nach Takuto. Der Kleine schlummerte friedlich in seinem Gitterbett. Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich leise zur Treppe ging. Tatenlos herumliegen konnte ich nicht mehr. Ich musste mich mit meinen Verbündeten beraten.

Damit ich niemanden weckte, tapste ich ins Wohnzimmer. „Das Wasser“, fiel mir ein. Schnell holte ich einen Eimer mit Wasser aus der Küche, damit sich Wassergeist Aquamina hineinsetzen konnte. Sie hielt es im Trockenen nur sehr schlecht aus, das wusste ich.

Ich hatte nicht die Ruhe, mich hinzusetzen, darum blieb ich stehen und stimmte das erste Lied an. Einen nach dem anderen rief ich die 13 Dämonen und die 14 Geister. Der Raum wirkte mit den vielen Fiorita völlig überfüllt. Das letzte Mal hatte ich sie alle zusammen kurz nach Takutos Geburt gerufen, ansonsten höchstens drei oder vier gleichzeitig. Doch in dieser Sache musste ich unbedingt jeden Einzelnen von ihnen konsultieren.

„Hallo Leute“, begrüßte ich sie.

„Mia“, antwortete Shadow. Er klang ernst. Er wusste bereits, worüber ich reden wollte. Alle Fiorita spürten es.

Ein lautes Platschen verriet, dass die blaue Aquamina in den Wassereimer gesprungen war. Mit den Vorderpfoten stützte sie sich auf dessen Rand, ansonsten schaute nur ihre Schnauze heraus. Ihr restlicher Körper mit der Schwanzflosse war gänzlich im kühlen Nass verschwunden. „Vielen Dank, dass du an mein Wasser gedacht hast“, merkte sie an.

„Keine Ursache“, winkte ich ab. „Ich muss mich dringend mit euch beraten.“

Venta, die eine entfernt menschenähnliche Gestalt hatte, spielte mit ihrem langen silbernen Haar. „Die Lage im Bezirk der Ranger verschlimmert sich zusehends“, äußerte sich der Windgeist.

„Dieser Krieg wird noch lange wüten“, krähte Gewittergeist Renodon. Mit dem Schnabel putzte er sein dunkelgraues Gefieder. „Jeden Tag beobachte ich es und jeden Tag sorge ich mich mehr.“

Venta lehnte sich an ihn. Die beiden waren ein Paar, seit unzähligen Jahren. Bei den Gewittern, die alle 20 Jahre in Fioria tobten, arbeiteten sie zusammen, unterstützt von Aquaminas Regen.

„Mir geht es genauso“, gestand sie. „Am liebsten würde ich die Ranger und Schattenbringer mit einem gewaltigen Sturm wegfegen.“

„Aber das steht uns nicht zu“, stellte die Anführerin der Geister klar. Luna musterte die anderen ernst. „Die Menschen müssen selbst wissen, was sie tun.“

„Aber sie wissen es offensichtlich nicht!“, schnaubte Sapinos, der Geist der Weisheit. „Dumm und brutal sind sie! Gierig und verlogen!“

Besorgt sah ich die Geister an. Ich hatte sie noch nie so wütend, besorgt und aufgebracht erlebt. Die Lage musste ernster sein, als ich gedacht hatte. Celeps flog ein paar schnelle Runden um mich herum. „Es ist so frustrierend! Die Menschen machen alles kaputt, was sie sich aufgebaut haben. Sogar die Natur leidet sehr unter dem Krieg. Ich muss so viele Pflanzen retten und es sterben trotzdem die meisten.“

Ich nahm den kleinen grünen Geist auf meine Handflächen. Er war erschöpft, das spürte ich deutlich. „Dass es so ausgeartet ist“, murmelte ich. „Ihr habt es nie erwähnt.“

„Weil du dem Bezirk der Ranger den Rücken gekehrt hast“, erklärte Visunerm ruhig. Seine grauen Einzelteile bewegten sich um die runde weiße Mitte. „Du wolltest es doch nicht wissen.“

„Und es tat dir besser, nichts zu wissen“, ergänzte Feuergeist Melamf.

Plötzlich stellte er sein zottiges rotes Fell auf. „Aber wenn ich mir anschaue, wie diese Dummköpfe handeln, ist es kein Wunder, dass sogar die Nachrichten in den äußeren Bezirken voll von diesem Krieg sind.“

„War es ein Fehler, einfach abzuhauen?“, flüsterte ich und drückte Celeps sanft an mich. „Hätte ich bleiben sollen?“

„Nein“, antwortete Luna ruhig. „Du wärst daran zerbrochen.“

„Du brauchtest Abstand“, stimmte ihr Bruder Sol zu und schwebte näher zu mir. „Sonst hättest du das letzte Jahr nicht ertragen.“

„Aber dass es schon so weit gekommen ist ... dass Viktor umgebracht wurde!“, rief ich. „Das ist doch ...“

„Ja, Fioria ist in großer Gefahr“, murmelte Sana. Der kleine rosa Heilgeist watschelte auf seinen kleinen Füßen hin und her. „Die Animalia, die Menschen und die Umwelt leiden.“

Traurig sah ich sie an. „Benötigst du Trost?“, fragte Hefolg, der Geist der Empfindungen. „Vielleicht kann ich dir helfen.“

Ich schüttelte den Kopf, lächelte den türkisfarbenen Geist jedoch an. „Lieb von dir, aber ich komme klar.“ Ich wollte nicht, dass er meine Gefühle jetzt manipulierte. Ich brauchte einen klaren Kopf.

„Eine gute Entscheidung“, lobte mich Lenoan, der Geist der Kraft. Er sah aus wie ein großer brauner Felsen mit Armen und Beinen.

„Was soll das heißen?“, fauchte Hefolg.

„Dass Gefühle überflüssig sind“, lachte Lenoan.

„Was hast du gesagt?!“

„Hey, hört auf damit!“, ermahnte Luna die beiden scharf. Sofort verstummten sie. „Das ist unangebracht.“

„Entschuldigung“, murmelten sie im Chor.

„Also wirklich, nicht mal Aquamina und ich streiten uns gerade“, schnaubte Sol. „Reißt euch zusammen.“

„Wie soll man sich auch mit jemandem streiten, der immer unterlegen ist?“, kicherte der Wassergeist.

„Unterlegen?“, tobte er. „Zähl mal, wie oft die Sonne scheint und wie oft es regnet! Ich bin dir eindeutig überlegen!“

„Du hast doch gar nichts drauf, solange deine große Schwester dir nicht hilft“, stichelte Aquamina. „Wow, du kannst Sonnenstrahlen lenken, aber meistens macht Luna deinen Job.“

„Du verdammte ...“

Ich schlug mir eine Hand gegen die Stirn und blendete das Geschrei aus. Kaum zu glauben, dass Sol und Aquamina jemals ein Pärchen gewesen sein sollten.

„Kein Wort mehr!“, zischte Luna. „Treibt es nicht zu weit!“

„Ja, Schwester“, murmelte Sol.

„Ist ja schon gut“, maulte Aquamina und tauchte im Wassereimer unter.

„Wie soll es jetzt weitergehen?“, brach ich die Stille, die eingekehrt war.

„Wenn du nach Windfeld möchtest, kann ich dich hinfliegen“, bot Martyrios an.

Der Fluggeist ähnelte den Flugvögeln, überragte sie allerdings deutlich und zog unterwegs einen Regenbogen hinter sich her. Er füllte einen Großteil des Wohnzimmers aus. „Dann kannst du dich umsehen.“

„Ich kann nicht einfach mitten in der Nacht mit dir verschwinden“, wandte ich ein. „Außerdem wäre ein Teleport schneller.“

„Das stimmt“, pflichtete mir Visunerm bei. „Doch willst du tatsächlich nachts im Schlafanzug in die Zweigstelle?“

„Natürlich nicht“, brummte ich.

„Was hast du dann vor?“, erkundigte sich Martyrios.

Ich ließ mich aufs Sofa fallen, Celeps flatterte auf meine Schulter. Ich vergrub das Gesicht in beiden Händen. „Ich weiß es nicht“, gestand ich. „Ich bin völlig verwirrt! Viktors Tod ... ein Anschlag auf Ulrich ... Ich weiß nicht weiter!“

„Hey, ganz ruhig“, versuchte mich der Waldgeist aufzuheitern. „Wir finden eine Lösung, bestimmt.“

„Das müssen wir“, flüsterte Luna. „Es muss etwas geschehen oder dieser Krieg wird ganz Fioria verwüsten.“

Mein Kopf schnellte in ihre Richtung. „Das darf nicht passieren!“

„Das wird es allerdings“, entgegnete Shadow. „Dieser Krieg betrifft nicht nur die Ranger und Schattenbringer, sondern sämtliche Lebewesen in Fioria. Die Animalia leben in Angst, die Umwelt vergeht ...“

„Und die Wirtschaft erst!“, rief einer der zwölf kleineren, runden Dämonen.

„Oh ja, das ist verrückt“, stimmte ein anderer zu.

Eine weitere Nebelkugel schwebte auf und ab. „Das hat Meister Shadow gesagt. Und Meister Shadow ist klug.“

„Er hat gesagt, dass die Wirtschaft außer Kontrolle ist.“

„Das ist schlecht!“

„Vor allem für die Bürger!“

„Bald wird es auch Waffen überall geben.“

„Und die Lebensmittel werden unbezahlbar sein!“

„Aber die Schattenbringer kriegen aus der Wirtschaft Unterstützung.“

„Im Gegensatz zu den Rangern.“

„Wie?“, fragte ich und sah das Dämonenoberhaupt verwirrt an.

„Nun, die Schattenbringer haben zahlreiche Wirtschaftsbosse auf ihrer Seite, weil diese genug von den Reglementierungen der Ranger haben“, erklärte Shadow. „Dass die Ranger Feuerwaffen verbannt haben, wird bald nichts mehr bringen. Irgendwann werden die Schattenbringer bestimmt mit Pistolen und ähnlichen Mitteln ausgestattet sein.“

„Außerdem üben manche Konzerne durch Preiserhöhungen Druck auf die Ranger aus, zum Beispiel bei den Lebensmitteln“, ergänzte Luna.

Ich schluckte schwer. Mit solchen Mitteln wurde dieser Krieg also bestritten? Darum gab es bisher so wenige Kämpfe? Das Ganze trug sich vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene aus? „Wie soll das enden?“, murmelte ich.

„Hässlich“, antwortete Shadow nur.

Bedrücktes Schweigen hüllte den Raum ein, niemand wagte es zu sprechen. Ich musste erst mal diese Informationen verdauen. Einige Minuten überlegte ich. Was konnte ich tun? Wie konnte ich verhindern, dass der Konflikt zwischen den Rangern und Schattenbringern Fioria völlig verwüstete?

Nachdenklich blickte ich den Geist der Zeit an, der bisher verdächtig still geblieben war. „Pemorat ...“

„Nein“, unterbrach er mich. „Ich werde die Zukunft nicht verraten.“

„Ich weiß, dass du das nicht machst“, schnaubte ich. „Und du sollst mir auch nicht alles erzählen, ist schon okay. Sag mir nur eins: Kann ich etwas tun?“ Ich zögerte. „Würde es helfen, wenn ich in den Bezirk der Ranger zurückkehre und ... mich einmische?“

Der orange Geist musterte mich lange, bevor er antwortete. „Ja.“

„Das reicht mir“, flüsterte ich. „Dann muss ich zurück. Damit keine weiteren Freunde von mir sterben.“

„Und du bist dir sicher?“, hakte Shadow nach. „Schaffst du das?“

„Ich muss.“ Halbherzig lächelte ich ihn an. „Wenn ich helfen kann, muss ich zurück.“ Mein Gewissen ließ nicht zu, dass ich mich in Renia versteckte, solange meine geliebte Heimat, meine Freunde und sogar die Fiorita in Gefahr schwebten. Ganz Fioria wurde vom Krieg bedroht – und vielleicht breitete er sich irgendwann sogar auf die äußeren Provinzen aus.

Das Dämonenoberhaupt legte mir seine Hände auf die Schultern, sodass alles um mich herum schwarz wurde. „Du kannst jederzeit auf unsere Hilfe zählen“, schwor er. „Ich bin wirklich stolz auf dich.“

„Danke“, flüsterte ich. So schwer mir dieser Schritt fiel, er war die einzig richtige Entscheidung. „Ich sollte mit Lloyd darüber reden.“

„Er wird es verstehen“, beruhigte mich Luna.

Shadow ließ mich los, nun erkannte ich die anderen Fiorita wieder. „Das hoffe ich. Wobei ich mir seine Reaktion kaum vorstellen kann.“

„Wir stehen hinter dir“, versicherte mir die Anführerin der Geister.

„Du schaffst das!“, rief einer der Dämonen.

„Das wissen wir.“

„Du schaffst doch alles!“

„Mia ist die Beste!“

„Sie ist ja auch das Mädchen aus der Legende!“

„Wir müssen sie anfeuern.“

„Mia! Mia! Mia!“

Lauthals lachte ich. „Ihr Spinner! Aber danke. Dann rede ich mal mit Lloyd.“

„Viel Erfolg“, wünschten mir die 27 Fiorita wie aus einem Mund, bevor sie alle mit hellen Lichtblitzen oder im Schatten verschwanden.

Ich atmete tief durch und rieb mir über die vor Müdigkeit brennenden Augen. Nachdem ich ausgiebig gegähnt hatte, stand ich auf. Ich leerte das Wasser aus dem Eimer und stellte ihn wieder in die Küche. Dann lief ich in den ersten Stock, vor der Schlafzimmertür verharrte ich allerdings. Wie sollte ich Lloyd das nur erklären? Erst überredete ich ihn zur Flucht, dann wollte ich zurückkehren. Aber es ging nicht anders.

Ich straffte meine Schultern und öffnete die Tür. Blaues Licht fiel durchs Fenster in den Raum, die Sonne würde in wenigen Stunden aufgehen. Ich hatte mich lange mit den Fiorita beraten.

Leise setzte ich mich aufs Bett, direkt neben Lloyd. Ob ich ihn wecken sollte? Oder sollte ich warten, bis der Wecker klingelte? Nein, das hielt ich nicht aus.

„Lloyd“, flüsterte ich und rüttelte ihn sanft an der Schulter. „Lloyd, wach auf.“

„Mia?“, murmelte er verschlafen. „Ist was mit Takuto?“

„Nein, ich ...“ Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ich muss mit dir reden.“

Er rieb sich über die Augen und setzte sich aufrecht hin. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte er. „Geht es um die Nachricht aus Windfeld?“

„Sozusagen“, stimmte ich zu.

Mein Freund knipste das Nachttischlicht an und hob seine Decke ein wenig an, sodass ich darunterschlüpfen konnte. Nun saßen wir nebeneinander auf dem Bett, in die warme Decke gehüllt. Ich schmiegte mich an Lloyd. „Danke“, wisperte ich.

„Wofür denn?“

Ich lächelte. „Dass du immer für mich da bist, selbst wenn ich dich wecke.“

„Schon gut, das weißt du doch“, winkte er ab. „Also, was ist los?“

„Ich hab gerade mit den Dämonen und Geistern geredet“, begann ich. „Sie haben mir erzählt, was im Bezirk der Ranger los ist.“ Überrascht hob er die Augenbrauen. „Die Lage ist wirklich schrecklich! Die Schattenbringer nutzen ihren Einfluss auf die Wirtschaft, um die Ranger und Bürger fertigzumachen. Selbst die Animalia und die Umwelt leiden unter diesem Krieg. Wenn es so weitergeht, wird das Fioria, das wir kennen, nicht mehr existieren.“

„Klingt übel“, gab er leise zu. „Klingt richtig übel. Aber was willst du mir damit sagen?“

Ich klammerte mich an das Oberteil seines Schlafanzugs. „Ich glaube, wir müssen zurück.“

Augenblicklich versteinerte er. Fassungslos sah er mich an. „D...d...du willst ... du willst wirklich ... zurück?“

„Die Fiorita sind sich sicher, dass etwas passieren muss, um den Krieg zu stoppen. Und angeblich kann ich irgendwas bewirken, doch dafür muss ich dort sein. Ohne dich schaffe ich das aber nicht“, erklärte ich verzweifelt.

„Warte mal.“ Da er mich mit nur einem Arm festhielt, hatte er eine freie Hand, um sich die Schläfen zu massieren. „Du willst unser Leben in Renia aufgeben?“

„Nein, das ... ich weiß nicht.“ Ich biss die Zähne zusammen. „Eigentlich will ich in Sicherheit bleiben. Aber ich will auch nicht, dass so viele Animalia und Menschen leiden. Wir müssen ja nicht für immer von hier weggehen. Machen wir uns erst mal ein eigenes Bild von der Lage.“

„Hast du dir das gut überlegt?“, fragte er viel ruhiger, als ich erwartet hätte.

Zaghaft nickte ich. „Mir fällt keine andere Lösung ein.“

„Und was sollst du bewirken können?“, erkundigte er sich. „Was haben die Fiorita dazu gesagt?“

„Pemorat wollte nichts Genaueres verraten“, seufzte ich. „Er sagt niemandem, was er auf seinen Zeitreisen sieht. Er hat nur bestätigt, dass unsere Rückkehr etwas bewirken würde. Helfen würde.“

Lloyd atmete tief durch. „Dann sollten wir wohl packen.“

Erstaunt starrte ich ihn an. „Wirklich?“

Er nickte. „Ich glaube den Fiorita, dass wir was bewirken können. Immerhin bist du Eriks Tochter. Und ehrlich gesagt habe ich genug davon, mich zu verstecken.“ Ich schniefte vor Rührung, umarmte ihn fest und küsste ihn auf die Wange.

„Danke! Ohne dich würde ich mich das nie trauen.“

Er strich mir zärtlich durchs Haar. „Wir schaffen das“, flüsterte er. „Zusammen. Und sogar mit Takuto.“

Entschlossen nickte ich. „Holen wir die Koffer!“

Prüfend betrachtete ich mich im Spiegel. Meine dunkelbraunen Kontaktlinsen verbargen meine wahre Augenfarbe, meine blonde Perücke ließ meine orange-braunen Haare nicht mehr erkennen. Damit war meine Tarnung perfekt. So erkannten mich die Ranger hoffentlich nicht sofort als die gesuchte Mia Sato.

„Kommst du?“, rief Lloyd von unten. „Die Koffer sind im Auto!“

„Schon unterwegs“, antwortete ich und verließ das Badezimmer. Ich blickte mich genau um, während ich nach unten ins Erdgeschoss ging. Diese Wohnung würde ich eine Weile nicht mehr sehen. „Hast du auch den Kinderwagen eingepackt?“, fragte ich, als ich bei Lloyd im Eingangsflur ankam.

Er trug den Kleinen in einer Kindertrage auf dem Rücken, seinen blauen Mantel hielt er in einer Hand. „Kinderwagen, Gitterbett, Spielsachen, ich hab Takutos ganzes Zeug in den Kofferraum geräumt“, bestätigte er.

„Dann haben wir wohl alles. Unser Gepäck, die Beurlaubung von der Arbeit, Ellys Versprechen, aufs Haus zu achten“, zählte ich auf. Wobei das Ehepaar Hana nicht so begeistert davon war, dass ich mir aus familiären Gründen für zwei Wochen freigenommen hatte.

„Ziemlich gut für nur einen Vormittag“, merkte Lloyd an. „Hat Elly dir eigentlich geglaubt, dass wir spontan in den Urlaub zu Takutos Großeltern fahren?“

Ich nickte. „Ja, sie wird jeden Tag unsere Post holen und ein Auge aufs Haus haben. Es ist echt perfekt.“

„Du siehst ziemlich müde aus“, stellte er fest und strich mir über die Wange.

„Ich hab ja auch fast nicht geschlafen“, seufzte ich. „Aber auf der Fahrt nicke ich bestimmt ein.“

„Wir sind mindestens acht Stunden unterwegs, mit Pausen noch länger. Aber du musst Takuto nehmen.“ Er schnallte sich die Kindertrage vorsichtig ab und reichte sie mir, sodass ich unseren schlafenden Sohn auf die Arme nehmen konnte. „Schnallst du ihn gleich an?“

„Klar. Der Kindersitz ist auf der Rückbank, oder?“, vergewisserte ich mich und streichelte Takutos Rücken.

„Ist er“, bestätigte mein Freund. „Es kann losgehen. Erstes Ziel: Windfeld. Richtig?“

„Ja, in der Zweigstelle bei meinen Freunden werden wir am meisten erfahren und vielleicht was unternehmen können“, murmelte ich. „Ich bin gespannt, wie sie reagieren, wenn sie mich sehen.“

„Bestimmt freuen sie sich“, beruhigte er mich.

Ich verzog das Gesicht. „Da bin ich mir nicht so sicher. Die meisten von ihnen kannten mich nur als Takuto. Sie sind wahrscheinlich sauer, weil ich sie so lange wegen meiner Identität belogen habe.“

Er legte mir einen Arm um die Schulter. „Wart’s ab. Es wird sicher halb so schlimm. Außerdem müssen wir erst mal ohne Verhaftung nach Windfeld kommen, bevor du dir darüber Sorgen machen kannst.“

„Stimmt“, lachte ich und ging gemeinsam mit ihm aus dem Haus.

Lloyd verschloss die Tür und verstaute die Kindertrage sowie seinen Mantel im Kofferraum. Ich setzte Takuto vorsichtig in seinen Kindersitz und schnallte ihn gut an. Dann stiegen wir beide ein. Mein Freund startete den Motor, ich blickte durch das Fenster auf unser Reihenhaus. Es wurde in der Ferne immer kleiner, bis ich es gar nicht mehr sah. Schon bald hatten wir unser neues Heimatdorf verlassen.

„Haben wir genug zu essen dabei?“, fiel mir ein.

„Bis zur ersten Pause auf jeden Fall. Außerdem bin ich zu aufgeregt, um jetzt zu essen.“ Lloyd grinste schief. „Ist ein komisches Gefühl, wieder in den Bezirk der Ranger zu fahren.“

Ich lächelte schwach. „Ich weiß, was du meinst. Mir ist ganz flau im Magen.“

„Dabei kommen wir vor heute Abend sowieso nicht an. Allein wegen Takuto werden wir Dutzende Pausen machen müssen“, meinte er.

„Na ja, vielleicht schläft er die meiste Zeit, immerhin sind wir in Bewegung, wie er es am liebsten hat“, gab ich zu bedenken.

„Stimmt. Nur brauche ich bei so einer langen Fahrt schon ein paar Auszeiten. Und viel Kaffee, ich hab auch nicht allzu lange geschlafen.“

„Kannst du alles haben. Im Notfall übernachten wir unterwegs in irgendeinem Hotel.“ Ich drehte mich nach hinten um, damit ich Takuto auf der Rückbank sehen konnte. „Hoffentlich geht alles gut.“

„Was meinst du?“, fragte Lloyd, als er nach links abbog. „Die Rückkehr nach Windfeld?“

„Nicht nur. Einfach alles“, flüsterte ich. „Ich mach mir Sorgen um Takuto. Wenn er ein paar Tage nicht in seinem gewohnten Umfeld ist und dafür in einer so gefährlichen Umgebung ...“

„Wir passen auf ihn auf, ihm wird nichts passieren“, versicherte Lloyd mir.

Nervös rieb ich meine Hände aneinander, zupfte am Ärmel meines grünen Pullovers. „Ihm darf nichts passieren.“

„Selbst wenn wir Schattenbringern begegnen sollten, wird Erik wohl kaum zulassen, dass jemand seinem Enkel etwas antut“, entgegnete er.

Ich runzelte die Stirn. „Aber Papa weiß nichts davon, dass er einen Enkel hat.“

„Das wird er so oder so bald erfahren.“