Kitabı oku: «Traumschloss im Wald»
edition lichtland
© edition Lichtland
edition Lichtland
Stadtplatz 4, 94078 Freyung
Deutschland
Gestaltung:
Edith Döringer, Melanie Lehner
1. Auflage 2013
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN: 978-3-947171-35-4
ISBN der gebundenen Ausgabe: 978-3-942509-27-5
Marita Haller |
Traumschloss im Wald
Das ehemalige Schloss der
Freiherrn Poschinger von Frauenau
Mit Erinnerungen der Schlossbewohner
und warum es 1959 schweren Herzens
abgerissen werden musste.
Am Hang des Rachels steht mächtig und stolz, ein Schloss, umgeben von Tannenholz. Es schaut hinab in die grüne Au, und grüßt das Kirchlein der lieben Frau.
Heimatlied
Egon Löfflmann 1957
geboren 1931 in Frauenau
Vorwort
Schloss Oberfrauenau als einst weithin sichtbares architektonisches Wahrzeichen und Sitz meiner Familie kenne ich nur noch aus Erzählungen und von Fotos. Als ich 1971 zur Welt kam, war das Schloss bereits zwölf Jahre abgebrochen. Umso bedeutender ist vorliegendes Buch, das Geschichte und Geschichten, Zeitzeugenberichte und bislang verschollen geglaubte Fotodokumente sammelt, dem einst imposanten Gebäude ein Denkmal setzt und damit zur Kulturgeschichte des Bayerischen Waldes beiträgt.
Leider musste mein Großvater Hippolyt Freiherr Poschinger das durch die Kriegsfolgen schwer beschädigte Schloss 1959 abtragen lassen – eine mutige und emotional bestimmt sehr schwierige Entscheidung, der ich großen Respekt zolle, hat er doch im Sinne unserer Familie, der Glasmanufaktur wie des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehandelt.
Marita Haller danke ich für ihr großes Engagement und die jahrelangen akribischen Recherchen, die diesen Band erst möglich machten. Ich wünsche dem Buch eine große und interessierte Leserschaft.
Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau
Inhalt
TRAUMSCHLOSS IM WALD DER FREIHERRN POSCHINGER VON FRAUENAU
Der Erbauer des Schlosses
Das Traumschloss im Wald
Der Edelsitz wird zum Übungsprojekt
Die Sprengung des großen Turms galt als „Attraktion“
AUFZEICHNUNGEN VON JOSEF SEDLMEIER
Fast schon makaber
Technische Schlossdaten
Schäden an der Schlossanlage
Bericht des Bayerwald Boten vor dem Abbruch
Bericht der Bayerischen Waldzeitung nach dem Abbruch
HOCHSTEHENDE GÄSTE BESUCHTEN DAS SCHLOSS
Dann soll’n se ihren Dregg alleene mach’n
Kennen Sie mich? Ich bin Ihr König!
Die Zwieseler Kunstmalerin Betty Heldrich
Weitere Einträge im Gästebuch der Freiherrn Poschinger
WAS ALTE WANDERFÜHRER ÜBER DAS SCHLOSS ERZÄHLEN
WAS DIE SCHLOSSBESITZER ERLEBTEN
Geburtstagsfestschießen
Der Spionage verdächtigt
Nachkomme der Hl. Elisabeth
UNENTBEHRLICHE SCHLOSSGEISTER
Die gute Kammerjungfer Lina
Der treue Diener Franz Glas
ERINNERUNGEN VON EHEMALIGEN SCHLOSSBEWOHNERN
Erzählungen von Marianne Ruderer
Das Leben im Schloss zwischen 1948 und 1955
Die Reithalle war scheusam
Das Leben auf dem Schloss im Winter
Mit dem Schlitten über die Freitreppe
Die Wäsche wurde im eisigen Bach gewaschen
Um ein Haar ertrunken
Ein riesiger Adventskranz und Teufelsmasken
Das Leben auf dem Schloss im Sommer
Vergissmeinnicht zum Muttertag und rote Lichter zur Maiandacht
Aus den Steckdosen sprühten Funken
Der Rösselmann und d’Hodern-Kathl
Erntezeit
Stock gegen Unrat
Es wird still im Schloss
Die Zimmer hatten eigene Namen
Die Bediensteten wohnten im Dachgeschoss
Das Schloss
Erzählungen von Gert Abram, Haan
Das Schloss, so wie wir es vorfanden
Meine Mutter fuhr Moped
Furcht einflößende Kreuzottern
Faschingsfreuden
Dampfwalze in Not
Eisstockschießen bei Flutlicht
Motorradunfall beschert gebrochenes Bein
Holzhacken und Holzscheidl knien
Wasserbecken zur Schlossversorgung
Die Turbine brummte Tag und Nacht
Reithalle und Plumpsklo
Obstklau mit Panik
Versteckspielen
Skispringen
Rehe und Hirsche auf Nahrungssuche
Eis sägen
Millwegerl
Feuerwehrübung
Erinnerungen von Barbara (Betty) Hoffmann (+), Frauenau
Erinnerungen von Familie Nachlinger, Frauenau
Erinnerung von Mathilde Bauer, Griesbach-Zwiesel
Erinnerungen von Fini Hackl, Frauenau
Erinnerungen von Christa Steger, Riedlhütte
Erinnerung von Margarete Dötsch, Zwiesel
Erinnerung von Katharina Resch, Spiegelau
Erzählungen von Franz Kerschbaum, Frauenau
Stinkende Geißböcke
Der König von Montenegro
Der Ochsenknecht Keilhofer
I war liaba a Kua
In der Not reich beschenkt
Trinksüchtige Männer wurden bestraft
Die geizige Schlossherrin
Der Wald hat Ohren
Die krampfige Sau
Eine tote Sau als Alibi
ERINNERUNGEN VON STEPHAN FREIHERR POSCHINGER, FRAUENAU
Prunk und Pracht
Nacht des Schreckens
Die neuen Schlossbewohner
Vom Gewissen geplagt
Kunstobjekte im Holzhauer Unterkunftshaus
Lustige Erinnerungen
Erste Erfahrungen mit dem Kindermädchen
Skispringen
Spielplatz im Schlossgang
DIE HÜTTENHERREN ZU FRAUENAU
EHEMALIGE BEWOHNER
WEITERE SCHLOSSANSICHTEN AUF POSTKARTEN
SCHLOSS INNENAUFNAHMEN MIT VERANDA
LEBEN RUND UM DAS SCHLOSS IN FOTOS
PLÄNE SCHLOSSANLAGE
AUTORIN
NACHWORT
Anmerkungen
Traumschloss am Rachelhang – Postkarte Sammlung Monika Nachlinger
Katasterplan vom Neubau des Schlosses aus dem Jahr 1876: Schloss mit Gewächshaus, Verbindungsgang, Stallung, Remise, Kutscherwohnung, Schlosshof und Vorplatz-Vermessungsamt Zwiesel
Traumschloss im Wald
der Freiherrn Poschinger von Frauenau
Einst stand am Rachelhang ein prunkvolles „Märchenschloss“. Schon von weitem sah man es aus dem dunklen Wald herausragen. Selbst Monarchen hat es einst beherbergt. Das Schloss war die Krönung der seit Jahrhunderten äußerst erfolgreich arbeitenden Glashüttenherren von Poschinger, deren Stammsitz noch heute in Frauenau ist. Das Schloss wurde Opfer der schweren Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als Arbeitsplätze kostbarer waren als luxuriöser Besitz.
Der Erbauer des Schlosses
Der Bauherr des Schlosses war Georg Benedikt II. Reichsritter und Edler von Poschinger2. Schon mit 19 Jahren musste er das Erbe seines Vaters antreten, denn dieser war in der heutigen Kreisstadt Regen durch einen tragischen Unfall mit der Postkutsche ums Leben gekommen3. Georg Benedikt II. war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er erwarb sich große Verdienste u.a. um die Verkehrserschließung des Bayerischen Waldes durch die Eisenbahn und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Aufschwung der Glashütten im Zwieseler Winkel.
Der dynamische Reichsrat wohnte im eher schlichten Herrenhaus der Familie, das um 1750 im einfachen Barockstil erbaut worden war. Durch außerordentlich erfolgreiches Wirtschaften nach dem großen Windwurf von 1870 und nach Spekulationsgewinnen aus Wertpapieren gelangte er zu den Mitteln, die es ihm ermöglichten, sich am Hang des Berges Rachel ein Traumschloss zu erbauen.
Reichsrat Georg Benedikt II. von Poschinger (1845 bis 1900) – Pastellbild von Betty Heldrich, Zwiesel/München – Archiv Poschinger
Das Traumschloss im Wald
10 Jahre lang – von 1875 bis 1884 – dauerte der aufwendige Bau des vornehmen Wohnsitzes. Schon die Erstellung des großen Baugeländes am steilen und dicht bewaldeten Rachelhang war äußerst mühsam und kostspielig. Architekt Dr. Albert Schmid aus München, der auch an Entwürfen für die Schlösser des „Märchenkönigs“ Ludwig II. beteiligt war, erarbeitete die Pläne für das im Prunkstil der Neurenaissance erschaffene und eingerichtete dreitürmige Schloss. Zahlreiche Erker und Gauben bestimmten das Gesicht des Gebäudes. Der stolze Schlossbesitzer hielt sich im Schlosshof einen ausgewachsenen Wolf als „Wachhund“.
Beilage zum Operat 106 / 1879: Schlossanlage mit Freitreppe, Verbindungsgang zum Gewächshaus, Stallung, Remise (Wirtschaftsgebäude), Kutscherwohnung, Schlosshof und Vorplatz – Vermessungsamt Zwiesel
Text auf Planentwurf 1876 von Architekt Dr. Albert Schmid, München – Archiv Poschinger „Das genaue Höhenmaß ist in Natur nochmals zu bestimmen, weil die Gangbelege um den Anschlag höher als die Zimmerparqurts zu liegen kommen. Den 15. Januar 1876.“
Kunstmaler Ludwig Lesker4 aus München, der im Jahr 18855 im Auftrag von König Ludwig II. auch das Treppenhaus von Schloss Herrenchiemsee malerisch gestaltete, zeichnete ebenso in Frauenau für die eindrucksvollen Deckengemälde und die großen Wandbilder verantwortlich. Massive Holzpaneeldecken, Parkettböden und massive Flügeltüren aus Holz zierten zudem das Innere des Prachtbaus. Bauleute aus Italien fertigten Treppen aus farbigem Marmor. Fast in jedem der hohen Räume befand sich ein offener Kamin oder ein Kachelofen.
Fontäne Schloss Oberfrauenau, nach Schloss Linderhof die zweithöchste von Bayern – Archiv Poschinger
Innenansicht Festsaal – Sammlung Helmut Schneck, Frauenau
Um das Schloss herum legte der königliche Hofgärtner Carl von Effner einen prächtigen Naturpark mit seltenen Laub- und Nadelbäumen an. Das Prunkstück des Gartens war jedoch eine Fontäne, die nach Schloss Linderhof die zweithöchste in Bayern gewesen sein soll. Die alte Allee, die zum einstigen Schloss führte, beeindruckt noch heute.
Von diesem Prunkbau aus arbeitete der unvermählt gebliebene Adelige unermüdlich für seine Glashütten und den umfangreichen Gutsbesitz. Im Jahr 1900 kam es kurz vor Weihnachten erneut zu einem tragischen Unfall in der Familie. Der erst 55-jährige Schlossherr wurde im eingezäunten Poschinger Hirschgarten von seinem zahmen, aber brunftigen Wapitihirsch getötet. Makaber: Es war sein Lieblingshirsch. Georg Benedikt II. liegt im Mausoleum im Friedhof von Frauenau begraben. Dieses würdige Grabmal hatte ihm sein Bruder und Nachfolger Eduard Ferdinand von Poschinger6 errichten lassen.
Kirche mit Mausoleum der Herren von Poschinger; Postkarte gelaufen 1935 – Sammlung Alois Grassl
Dessen Sohn Eduard Georg Benedikt Reichsrat Poschinger von Frauenau7 – verheiratet mit Elisabeth Gräfin von Bray-Steinburg – erweiterte die Schlossanlage mit einem hohen und hellen Sommersaal im eher schlichten Stil und mit einem wunderbaren Wintergarten8. Die Pläne für die Erweiterung waren bereits unter dem Schlosserbauer entstanden. Im Archiv der Freiherrn Poschinger liegen entsprechende Pläne aus dem Jahr 1882 vor. Eduard Georg Benedikt ließ zudem im Jahr 1925 von Architekt Büttner aus München eine Kapelle mit Familiengruft9 erbauen10 und stattete dieses Gotteshaus seinerzeit mit wertvollen Gemälden aus der Rokokozeit aus. Zusätzlich zu Kachelöfen und offenen Kaminen bekam später das Schloss eine mit Holzkohle befeuerte Zentralheizung.
Mausoleum heute, davor Stephan Freiherr Poschinger – Foto Marita Haller
Schlossanlage erweitert – Archiv Poschinger
Plan für Schlosskapelle 1925 –Architekt Büttner, München – Archiv Poschinger
Eduard von Poschinger gemalt von Carl von Marr – Archiv Poschinger
König Ludwig III. mit Hippolyt von Poschinger (Bub links) – Archiv Poschinger
Der Reichsrat war ein ausgezeichneter Kunstkenner und auch ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Seine besondere Leidenschaft galt alten Skulpturen, die er zahlreich im Schloss aufgestellt hatte. Erst unter diesem Reichsrat wurde das Schloss eine Stätte reicher Gastfreundschaft. Die Poschinger feierten prunkvolle Feste, bei welchen auch gekrönte Häupter wie König Ludwig III. von Bayern und Friedrich August König von Sachsen zu Gast waren11. Adelige Herrschaften, Personen aus der Kunstszene und der Wissenschaft sowie der Wirtschaft und Politik ließen sich gerne im Schloss verwöhnen. Im Dezember 1930 übertrug Eduard Georg Benedikt seinem ältesten Sohn Senator Hippolyt Freiherr Poschinger von Frauenau12 das Gut. Dieser Hüttenherr hatte die Bürde das Glashüttengut durch den 2. Weltkrieg zu führen.
Hippolyt Freiherr Poschinger – Archiv Poschinger
Hippolyt von Poschinger kam in diesem Prunkschloss zur Welt. Es muss ein Schock für ihn gewesen sein, als er am Ende des Krieges (1945) eines Nachts gezwungen wurde, mit seiner Familie das Schloss zu verlassen, um Platz für die Besatzungstruppen und später für die Zwangseinquartierten zu machen. Die Familie zog wieder in das alte Herrenhaus in Oberfrauenau. Nur wenige Tage blieben den Poschinger, um wenigstens Teile ihres Eigentums in das neue, sprich alte Domizil schaffen zu lassen. Baron Hippolyt von Poschinger soll das einstige Traumschloss nie mehr betreten haben. Über das alte Herrenhaus sagte er später immer: „hier in diesem bescheidenen Haus…“.
Die Behebung der Schäden und vor allem auch die anschließende Instandhaltung dieses mächtigen Baus hätten ein Vermögen verschlungen, ohne dass das Schloss wirtschaftlich hätte genutzt werden können. Investitionen in Glashütte und Forst hatten für den Besitzer Vorrang. Als auch der Rettungsversuch gescheitert war, das Schloss an den Staat zu verkaufen, ja selbst zu verschenken, entschloss sich Hippolyt von Poschinger, sein Geburtshaus abbrechen bzw. sprengen zu lassen. Diesen einstigen Prachtbau, das Symbol für äußerst erfolgreiches Wirtschaften der Familie, zu einer Ruine verfallen zu sehen, brachte der stolze Hüttenherr vermutlich nicht über sich.
1959 Sprengung des 32 m hohen Turmes – Sammlung Josef Sedlmeier
Der Edelsitz wird zum Übungsprojekt
Nach Erhalt der erforderlichen Abrissgenehmigung stellte Senator Hippolyt Freiherr Poschinger den einstigen Prachtbau dem Gebirgspionierbataillon 8 aus Degerndorf am Inn als Übungsprojekt zur Verfügung. Unter dem Kommando von Josef Sedlmeier aus Frauenau, der damals Hauptmann und Kompanie-Chef war, traf am 15. Juni 1959 die 50 Mann starke Truppe im Glasmacherort ein.
Ab dem 16. Juni 1959 wurde es in der sonst so friedlichen Waldlandschaft laut. Zwölf Wochen lang schallten Kompressoren, Bohr- und Abbruchhämmer, Motorsägen, Planierraupen und die Detonationen von Sprengladungen durch das Frauenauer Tal. Der Kommandant führte gewissenhaft Buch über die Arbeiten. In der Zeit des „Kalten Krieges“ versetzte dieses Unternehmen die tschechischen Nachbarn in höchste Alarmbereitschaft. Eine Bundeswehreinheit so nah an der Grenze war ihnen nicht geheuer. Laut Sedlmeier störten die Tschechen die Funkverbindungen der Truppe, so dass ständig die Funkfrequenz geändert werden musste.
Für das Bataillon war der einstige Palast ein hervorragendes Übungsprojekt. Der fachgerechte Abbruch bot alle Möglichkeiten des pioniertechnischen Einsatzes. Auf die Erhaltung des Baustoffes wurde größter Wert gelegt. Das ausgebaute Material sollte für weitere Übungszwecke – zum Beispiel den Bau einer Brücke – verwendet werden. In der Degerndorfer Kaserne, in der Nähe der Wendelsteinbahn bei Rosenheim, finden sich noch heute Teile des einstigen Prachtbaus wie beispielsweise die schönen Kassettendecken und die schweren Holztüren. Die Granitsteine des Treppenaufganges wurden in die Mauerumfriedung beim heutigen Gutsgasthof in Oberfrauenau eingebaut.