Kitabı oku: «Martin André Steinert – der lange Weg zu mir selbst», sayfa 3
Meine „ausgelöschten“ Jahre – Die Zeit zwischen 2000 und 2015
In meiner stabilsten „Phase“ wurde ich im Jahr 2000 vergewaltigt.
Nüchterne, trockene Worte für ein Ereignis, dessen Folgen ich bis heute nur schwer in Worte fassen kann. An dieser Stelle soll das Geschehen von mir auch nicht weiter beschrieben werden. Es wird im Kapitel „2016 – Das Jahr der Kontaktaufnahme“ von mir zweimal intensiv aufgegriffen, weil ich es solange tief in den Trümmern meiner Seele geheim hielt. Ich möchte daher bewusst in diesem Kapitel darüber „schweigen“ und auf meine Briefe weiter hinten verweisen.
Die Folgen für mich waren immens. Ich war zutiefst geschockt, gelähmt und körperlich sowie psychisch schwer gezeichnet. Meine Gefühle waren wie zementiert, und alles in mir schien zerstört, zerfetzt in tausend Stücke. Ich war keine Person mehr, sondern ein „Nichts“. Die letzte leise Stimme meines „gefangenen Ichs“ wurde vollends erdrückt und verhallte in mir. Meine Gedanken verliefen sich in dunklem Nebel, der mich immer weiter in die Tiefe zu drücken schien. Alles unterhalb meiner Gürtellinie war wie taub, und ich befand mich in einem gefühlten „Vakuum“, das mich immer weiter zusammenzog. Meine Umwelt verschwand hinter dem grausamen Film vor meinen Augen, der keinen realen Blick mehr erlaubte. Und ich hatte riesige Angst. Eine Panik, die mich nicht nur zu absolutem Schweigen zwang, sondern mich in die Flucht trieb. Ein Lauf von mir weg ohne Ziel, angetrieben von unbeschreiblichem Selbsthass und einer neu entfachten Selbstzerstörungswut.
Meine einzige Beruhigung fand ich in einem starken Schmerzmittel, einem Betäubungsmittel „Valoron“, das mir der Frauenarzt in der Not verschrieb, weil er mich nicht einmal richtig untersuchen konnte.

Bericht 1 – Mitteilungsblatt vom 16.11.2000
Fortan rannte ich von mir weg, und das Mittel dazu war mein Sport. Das Training wurde zu einem mörderischen Plan gegen meinen Körper. Doch nicht um mich dabei umzubringen, sondern erneut um mir von außen Anerkennung zu erkämpfen.
Aus meiner heutigen Sicht rettete mir der Ausdauersport zu diesem Zeitpunkt mein Leben. So provokativ diese Aussage auch klingen mag. Aber ohne meine sportlichen Wettkämpfe hätte ich mir wahrscheinlich sogar aus Verzweiflung das Leben genommen.
Ich lernte durch den Sport mich immer mehr auf einem Grat zu bewegen, den ich noch so breit „ausbaute“, um dabei nicht ganz abzustürzen. Vor allem wollte ich unbedingt meine letzten Kraftreserven möglichst lang für meine Leistung und den Erfolg aufrechterhalten.
Dass sich mein Körper dann zu einem viel späteren Zeitpunkt, ab dem Jahr 2005, rächen würde, konnte ich, 2001, Gott sei Dank noch nicht erahnen!
So tragisch meine sportliche Karriere begann und so sehr die Erfolge auch im Schatten meiner Flucht sowie Anorexie standen: Ich wurde immer besser und mutete mir im Jahr 2000 und 2001 einen Wettkampf nach dem anderen zu, deren Resultate für sich sprachen. Wenn auch nur auf Kreis- und Landesebene.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen chronologischen Abriss der Höhepunkte meiner „kurzen“ sportlichen Laufbahn einfügen, weil sie für mich unbeschreiblich wertvoll waren. Sie schenkten mir ein letztes Gefühl von „Leben“, wenigstens für einen kurzen Moment zwischen meiner „Trainingsqual“ und meiner Flucht am Limit:

Baden-Marathon Karlsruhe (Halbmarathon), 17.09.2000, Zeit: 1:23:40 Std., WHK, Rang 1

Bericht 2 – Stuttgart-Halbmarathon vom 01.06.2001

Stuttgart-Halbmarathon vom 01.06.2001
Meine ersten Wettkämpfe absolvierte ich schon im Jahr 1999. Im Juni dieses Jahres lief ich meinen ersten Halbmarathon beim „Stuttgart-Lauf“ und belegte als guten Einstieg Rang 4 in der Klasse „Frauen W20“ in einer Zeit von 1:32:20 Std. über die Distanz von 21,1 km.
Das Jahr 2000 verlief für mich dann noch weitaus erfolgreicher. Ein Bericht aus dem Wochenjournal meines Heimatortes zum Ende dieses Jahres beschreibt am besten eine kurze Zusammenfassung meiner Wettkämpfe:
Mit einem besonderen Höhepunkt in diesem Jahr:
Dann allerdings folgte das Wettkampfjahr 2001 mit einem ganz anderen Hintergrund. Mein Kalender war vollgespickt von Wettkämpfen, ich gönnte mir keine Pausen mehr und versuchte wie in „Trance“ alles Leid hinter mir zu lassen:
Baden-Württembergische Crossmeisterschaften, Bad Liebenzell, 3.02.2001, Frauen, Mannschaft, 4 km, MEISTER (Tina Walter, Susanne Niemeyer, Martina Steinert), im Trikot der DJK Schwäbisch Gmünd
Baden-Württembergische Straßenlaufmeisterschaften, St. Leon-Rot, 11.03.2001, Frauen, Mannschaft, 10 km, MEISTER (Tina Walter, Susanne Niemeyer, Martina Steinert), Gesamtzeit: 1:50:21 Std.
Bezirks-Waldlaufmeisterschaften, Heroldstatt, 07.04.2001, 4650 m, Zeit: 00:18:43, Rang 2
Göppinger Berglauf, 29.04.2001, 8 km, Zeit: 00:36:55 Std., W20, Rang 1
Oberschwaben DUATHLON (7-km-Lauf/31 km, Rad/4-km-Lauf), Blitzenreute, 05.05.2001, Gesamtzeit: 1:42:05 Std., TW21, Rang 2
BW-DUATHLON-Meisterschaft (6 km/36 km/3 km), Aidlingen, 20.05.2001, Gesamtzeit: 1:54:16 Std., AK21, Rang 8
Trossinger Summertime-DUATHLON (12 km/50 km/5,5 km), 16.06.2001, Gesamtzeit: 2:51:52 Std., Frauen, Rang 3
Adelberger Klosterlauf, 22.06.2001, Zeit: 00:41:49 Std., Frauen, Rang 1
8. Stuttgart-Lauf (Halbmarathon), 01.07.2001, Zeit: 1:23:12 Std., W20, Rang 1, Frauen Gesamt, Rang 2, mein Höhepunkt:
Dieser größte Erfolg sollte zugleich auch mein letzter sein. Denn einen weiteren durfte ich nicht mehr feiern.
Meine sportliche Karriere endete, bevor sie eigentlich richtig beginnen durfte.
Mein Lauf fing im Sturm an und endete in einem Orkan, dem ich mich nicht mehr widersetzen konnte!
Im Hochsommer 2001 brach ich nach einem Lauf eines Teamwettkampfes zusammen und musste für kurze Zeit ins Krankenhaus.
Das Ende aller Wettkämpfe und einer Zeit, in der ich mich von meinem geliebten Sport endgültig trennen musste. Ein schwerer Schritt, der zwar notwendig war, aber die Dunkelheit und meine Verzweiflung noch verstärkte. Ein Abschied, der mich auch nicht heilen konnte. Lediglich die Momente blieben …
Denn meine sportlichen Ereignisse waren auch die einzigen, an die ich mich noch richtig erinnern konnte. Wahrscheinlich weil ich für diese Augenblicke des Erfolgs noch lebte, meinen Körper, zumindest meine Beine noch spüren konnte.
Sie verhalfen mir zu einem äußeren Lächeln, obwohl meine Seele in mir ungehört weinte. Doch ich musste mich nach außen so gut wie möglich verstellen, damit man nicht hinter meine schmale Maske sehen konnte …
Der Inhalt der anderen Erlebnisse meines Lebens zwischen dem Jahr 2001 und 2015 ist in meinem Kopf ausgelöscht. Ich kann mich an sie nur erinnern, wenn ich davon Fotos sehe, Berichte lese oder mir meine Eltern erzählen, was in welchem Jahr war. Aber mein eigenes Handeln, meine Gefühle in diesen Jahren sind für immer verloren. Ich weiß heute, dass der Grund dieser für mich bis heute schlimmen Erkenntnis meine posttraumatische Belastungsstörung war. Ein typisches Symptom, das nach einem Trauma, meiner Vergewaltigung, als Folge auftreten kann und einen psychologischen Schutzmechanismus darstellt, wobei das eigentliche „Erlebnis“ häufig wie eingebrannt erhalten bleibt.
Insbesondere wenn keine spezielle Psychotherapie auf den Vorfall folgt. Weil ich über alles schwieg und niemandem davon erzählen konnte, war eine Therapie natürlich auch nicht möglich. Im Gegenteil: Das schreckliche Erlebnis wurde von mir ganz tief in einen „unzugänglichen“ Raum eingesperrt. Doch seine Gewalt war so groß, dass es auch noch meine Seele, meine wahre Identität, vollends unter sich erdrückte.
Aus diesem Grund verstärkte sich meine Anorexie stark. Ein mittlerweile doppelter Hilfeschrei meiner Seele, den ich durch den Auftrag meiner körperlichen Selbstzerstörung als einzige Lösung zum Schweigen bringen wollte.
Mein einzig verbleibendes Gefühl für mich. Die Kontrolle über meinen Körper, dessen Identität ich nicht (mehr) kannte.
Ich bewegte mich wie in „Trance“ durch diese Jahre. Aus meinem Leben wurde ein „Dasein“. Ein Versuch, mich permanent an einem Limit zu halten. Meine neue Aufgabe, eine Gratwanderung zu beginnen, weil ich doch zunehmend die Kontrolle verlor und nach neuen Wegen suchen musste. Denn ab dem Jahr 2005 war es mein Körper, der zurückschlug, der sich rächte und nun das Kommando übernahm.
Mein Studium fiel mir zu diesem Zeitpunkt immer schwerer. Denn die Fächer des Hauptstudiums entsprachen immer weniger meinen Interessen. Ich versuchte zwar nach dem Grundstudium doch noch zu den Ernährungswissenschaften überzuwechseln. Aber es war unmöglich, weil ich wegen zahlreicher fehlender Praktika ins erste Semester zurückgestuft worden wäre. Dazu hätte ich keine Nerven mehr gehabt, vor allem aber schwanden zunehmend meine körperlichen Kräfte. Denn ab dem Jahr 2005 bekam ich Schmerzen im ganzen Körper, insbesondere jedoch immer stärkere Magen- und Darmbeschwerden. Mir wurde häufig nach nur einem Bissen übel, und die Anzahl an Durchfällen stieg von Woche zu Woche an. Es waren zunächst nur schleichende Anzeichen, doch ich konnte sie immer weniger ausblenden. Das Hunger- und Durstgefühl war mir schon länger abhandengekommen, was mich nicht sonderlich störte, da ich nur dann etwas trank und aß, wenn es unbedingt notwendig war.
Aber meine zahlreichen „Schwächeattacken“ und das Gefühl, immer weniger verdauen zu können, beunruhigten mich sehr. Ich bekam eine neue Angst dazu, die ich seither noch nicht kannte, und ich spürte, dass ich von Tag zu Tag immer mehr das Regiment über meinen Körper verlor und er zurückschlug, indem er begann, jetzt mich zu quälen. Ich musste nach einer Lösung suchen, wie ich meinen verzweifeltes „Dasein“ weiter erhalten konnte, ohne aber leiden zu müssen. Meine einzige Rettung sah ich darin, zu versuchen, meine schwere Erkrankung mit ihren spürbaren Folgen selbst zu analysieren.
Wie konnte ich mir noch weiterhelfen? Ich begann mich mit Fragen der Humanmedizin, Sportmedizin, vor allem aber der Ernährungsmedizin intensiv in einer Art Eigenstudium zu befassen. Während ich immer mehr Vorlesungen meines eigenen Studiengangs ausließ, besuchte ich zahlreiche der Ernährungswissenschaften. Aus diesem Grund zog sich mein Studium der Agrarbiologie bis ins Jahr 2005, in dem ich es trotz der Qualen mit der Note 1,6 erfolgreich abschließen konnte.
Doch so sehr ich mich auch bemühte, meinen weiteren Krankheitsverlauf in den Griff zu bekommen – der weitere organische „Zerfall“ in Form einer immer geringeren Funktionsfähigkeit meiner inneren Organe war nicht mehr aufzuhalten. Volle 16 Jahre hatten sie bislang meine Anorexie schon „schweigend“ ertragen. Jetzt sollte Schluss sein.
Mein „Dasein“ wurde zu einem täglichen Kampf am Abgrund. Ein jeder Schritt musste gezielt gesetzt werden, denn mein Grat, auf dem ich mich bewegte, wurde immer schmaler. Ich stürzte aber nur deshalb nicht ganz ab, weil mir meine eigene Sucht ab dem Jahr 2010 zu viel wurde. Der Kampf mit meinem Körper kostete mich zu viel Kräfte, die ich immer weniger aufbringen konnte. Also versuchte ich verzweifelt „auszusteigen“, indem ich meine Ernährung so anpasste, dass mein Magen-Darm-Trakt das Notwendigste verdauen konnte und immer etwas Energie für mich übrigblieb. Mein „Dasein“ ähnelte zu diesem Zeitpunkt dem eines Kolibris. Nach jedem kurzen Flug musste er wieder nachtanken, um zu überleben. Hätte er nur einmal nicht genug Nahrung aufgenommen, wäre er vor dem Erreichen seiner nächsten Energiequelle unweigerlich abgestürzt.
Doch aus meiner heutigen Sicht ist mir klar, dass der Versuch, von meiner Sucht loszukommen, damals noch nicht funktionieren konnte. Denn wenn ich es tatsächlich geschafft hätte, auch nur ein paar Kilo weiter zuzunehmen, hätte ich sofort wieder selbst die Notbremse gezogen, weil ich mich unter keinen Umständen weiter zu einer Frau entwickeln konnte. Das ungelöste Grundproblem war die eingebrannte, unüberwindbare Blockade!
Ich suche bis heute verzweifelt in meiner Erinnerung nach den Bildern, wie ich meinen Leidensweg, die schlimmen chronischen Folgen meiner Anorexie jeden Tag aufs Neue durchgehalten habe. Aber ich sehe nur Dunkel. Ich muss mich wie blind, schwankend auf meinem steinernen Pfad entlangbewegt haben. Vor allem haltlos ohne Ziel und Zukunft. Jeden Tag zu überstehen war schon viel.
Denn meine Talfahrt schritt ab dem Jahr 2010 unaufhörlich voran. Selbst die Ärzte hatten mich eigentlich schon aufgegeben, ich war im Grunde genommen austherapiert. Ende 2016 wog ich gerade noch 30 kg, und mein Körper glich einem einzigen organischen „Trümmerfeld“. Meine Psyche verlor sich in einer schwersten Depression. Die Kombination meiner Anorexie und posttraumatischen Belastungsstörung stellte die Grundlage für meine weitere Folgeerkrankung dar, die in kein medizinisches Muster mehr passte.
Erst im Jahr 2016 wagte ich einen neuen Versuch, meine Erkrankung in vielen Details zu erklären. Ich möchte daher an dieser Stelle auf meine „Erfahrungsberichte“ im Kapitel „2016 – Das Jahr meiner Kontaktaufnahme“ verweisen.
Mein beruflicher Werdegang wurde infolge meiner Erkrankung zu einem beruflichen „Suchgang“. Denn alle Versuche gingen nur so lange gut, wie es mein Körper und meine Psyche zuließen und meine Kräfte durchhielten.
Meine längste berufliche Phase war dabei meine halbe Stelle als chemisch-physikalische Laborantin der Qualitätssicherung bei einer Firma für Naturfarben in der Zeit zwischen 2007 und 2010.
Ein weiterer Versuch, meinem Wunschberuf näher zu kommen, bildete mein Fernstudium zur staatlich anerkannten „Lehrerin für Fitness“ ab dem Jahr 2010, das ich Ende 2011 sehr erfolgreich abschloss.
Aber mein Wunsch, meine Ausbildung in eine berufliche Karriere als qualifizierte „Personal Trainerin“ übergehen zu lassen, blieb ein unerfüllter Traum.
Zu groß war mein eigener Identitätskampf, der zudem komplett in den sichtbaren und unsichtbaren Folgen meiner schweren Erkrankung unterging.
Mein Körper und meine Psyche waren nicht mehr bereit, den Anforderungen meiner Außenwelt zu entsprechen.
Und meine „Welt“ war mittlerweile eine ganz andere. Eine unbeschreibliche, unfassbare, die mich immer weiter zu erdrücken schien. Nicht mehr nur meine Gedanken, die im Dunkel umherirrten …
Doch in meiner qualvollen Suche nach Erinnerungen sah ich plötzlich einen hellen Schein am finsteren Horizont erstrahlen, der mich in seinen Bann zog und von dem ich mich in meinen Gedanken nicht mehr lösen konnte. Ich war überzeugt davon, dass es das Licht meiner Rettung sein würde.
Doch mit dieser nicht fassbaren Erscheinung in meinem Kopf war mein Leidensweg noch immer lange nicht zu Ende.
Mein schmaler, enger Pfad drängte mich in einen „Raum der Extreme“, indem ich noch weitere 4 Jahre ausharren musste, bis ich endlich mit meinen letzten Kräften die Tür zu neuem Leben aufstoßen durfte.
Was ich mir wünsche
Ich wünsche mir einen Menschen, der mich gernhat,
der mir verzeiht und mich tröstet,
der mich versteht und zu mir hält,
der mit mir und nicht über mich spricht,
der mir zuhört und mit mir schweigt,
der mir die Wahrheit sagt,
der mich annimmt,
der mir Geborgenheit schenkt,
der Frieden stiftet.
Ich wünsche mir ein solcher Mensch zu sein.
(Quelle unbekannt)
2016 bis 2020 – Die härtesten und entscheidendsten Jahre meiner Selbstfindung
Die Zeit zwischen 2001 und 2016 war für mich eine Zeit, an die ich mich nur noch schemenhaft erinnern kann. Sie war geprägt von großem Leid mit kleinen Hochphasen, die gefühlsmäßig nur Momente waren, die mir wie Sand durch meine Finger rieselten und nicht festgehalten werden konnten.
Nach meiner Vergewaltigung im Jahr 2000 schien die Zeit manchmal in einem dunklen Tunnel ohne Ende stehen geblieben zu sein.
Ich suchte verzweifelt nach einem Halt, nach Zielen, vor allem aber suchte ich mich. Mein Körper war zwar da, aber gespalten in einzelne Bereiche, von denen ich eigentlich nur meine Beine zum Laufen und meinen Kopf zum Denken mochte und akzeptieren konnte. Alles andere meines Spiegelbilds, hasste ich zutiefst. Wer war dieses Kind, das als weibliche Person geboren wurde und, noch ganz tief verborgen in seinem Innern, so gern ein Junge sein wollte?
Ich flüchtete in meine Anorexie, um meinen Körper „voll“ unter Kontrolle zu halten. Alle weiblichen Formen wurden schon im Keim erstickt, indem ich nur das Notwendigste aß und dabei mein Training für den Ausdauersport immer mehr steigerte. Ich wollte mich bewusst an einem Limit halten, auf einem ganz schmalen Grad bewegen, aber (noch) nicht sterben. Ich wollte wie eine Maschine funktionieren, Leistung erbringen, um von meiner Umwelt Lob und Anerkennung zu erhalten. Nur durch diese äußere Kraft wurde ich, mein Körper zusammengehalten, während ich innerlich immer mehrzerfiel.
Wo blieben meine Gefühle? Sie verloren sich in meinen Blackouts, die durch meine Traumatisierung verursacht wurden.
Ich denke heute, es waren die Jahre zwischen 2000 und Anfang 2016, in denen ich mich vollends von mir selbst entfernte, besser zu entfernen versuchte.
Nur mit diesem Hintergrund ist das „Wunder“ zu erklären, das für mich ab dem Jahr 2016 begonnen hat, obwohl mein eigentlicher Lebenskampf bis zum absoluten Limit erst noch vor mir stehen sollte …
Im Jahr 2010 noch hatte ich mich unsterblich in eine Frau verliebt, die nicht nur mein Herz, sondern auch alle meine Sinne eingenommen hat. In einer Form, die für mich bis heute unbeschreiblich bleibt und den Anfang meines Wegs zu mir selbst und den Kernpunkt meiner Biografie darstellt.
Weder die Erzählung meiner Kindheit noch meiner Jugendzeit bis zu meinem 23. Lebensjahr ist für diese Biografie und für den Beginn meines neuen Lebens entscheidend. Es sind allein die Jahre von 2016 bis 2020, die wie ein Märchen klingen, die aber die wundervolle Realität darstellen und auch mit tausend Seiten nur schwer in Worte zu fassen sind.
Ich wage es trotzdem, obwohl ich das „Wunder“ nicht mit Verstand zu erklären versuche, sondern den „magischen Raum dahinter“, das „Unfassbare“ beschreiben möchte.
Meine Liebe im Jahr 2010 wurde durch tragische Weise, durch Schicksal, erdrückt. Einerseits wurde ich in meiner Gefühlswelt durch meine Vergewaltigung so tief bis in mein Herz verletzt, dass selbst diese Liebe lange Zeit nicht mehr von mir wahrgenommen werden konnte. Anderseits durfte und konnte diese Liebe nicht gelebt werden, weil die Realität es zu diesem Zeitpunkt anders wollte und sich unsere Wege trennen mussten.
Auch eine Aussprache meiner Gefühle änderte nichts an der harten Realität.
So verloren sich meine Gefühle lange Zeit in großem körperlichen Leid und psychisch totaler Leere.
Mein Zustand verschlechterte sich trotz psychotherapeutischer Hilfestellung von Tag zu Tag, weil zu dieser Zeit noch niemand auf meine Hauptproblematik ganz tief in mir kam. Jeder Versuch, den ich machte, über meine Probleme zu reden, sie überhaupt auszusprechen, wurde in allen, unzähligen Therapien seit meinem zwölften Lebensjahr niedergeschmettert. So gewöhnte ich mir immer mehr an, zu schweigen und mich letztendlich selber zu verleugnen.
Bis zu diesem Tag Anfang 2016, an dem ich eine „himmlische Eingebung“ bekam. Allerdings zunächst in Form eines unbeschreiblich tiefen Schmerzes in meinem Herzen. Plötzlich konnte ich in meinem Herzen wieder ein Gefühl verspüren von großer Liebe. Es war die Liebe zu dieser Frau vor sechs Jahren, meiner ehemaligen Therapeutin, weshalb sich unsere Wege damals trennen mussten … Doch in meinem jetzigen Zustand flammte dieses Gefühl wieder so stark und in einer für mich völlig anderen Dimension auf. Dabei muss ich vor allem betonen, dass diese Liebe fernab von körperlichen Bedürfnissen stand. Die „Magie“ dieser Liebe möchte ich mit keinen Worten zerstören und zu erklären versuchen. Aber dennoch muss ich an dieser Stelle betonen, dass ich zu diesem Zeitpunkt aus bis heute nicht vollständig geklärten Gründen fast ohne weibliche Hormone lebte, besser gesagt überlebte, was ich erst im Jahr 2020 erfahren sollte!
Aber ich war wie gefesselt, konnte an gar nichts anderes mehr denken als an diese „faszinierende Person“. Innerlich getrieben, von einer unbeschreiblichen Panik, sie nie mehr wiedersehen zu können, musste ich versuchen, sie unbedingt wieder aufzufinden. Meine Trauer und der Schmerz, sie für immer verloren zu haben, trieben mich voran. Verzweiflung, Trauer und meine eigenen Schmerzen wechselten sich ab. Ich war vielfach den Tränen nahe, meinte zu ersticken und wurde wie in einen Sog gezogen, fernab meiner Umwelt um mich herum. Ich sah nur noch ihr Bild vor meinen Augen, konnte mich nur noch auf dieses einzige wunderbare und doch so schmerzliche Gefühl konzentrieren.
Mein Körper rebellierte, und der Aufschrei meiner Psyche, der Schrei nach ihrer, meiner so tief gefühlten letzten Hilfe für mein Überleben wurde immer größer.
So groß, dass ich alles unternahm, sie zu finden. Ich recherchierte und fand sie als Therapeutin im Internet wieder. Also lebte sie! Und ich verspürte eine solch unbeschreibliche Kraft und war erfüllt von einer alles übertönenden Stimme in mir, dass sie mein letzter Rettungsanker ist!
Doch ich war auch von großen undefinierbaren Ängsten geplagt, wollte sie und meine Gefühle erstmals in Briefform niederschreiben. Und ich tat es. Obwohl mich meine damalige Psychotherapeutin von einer Kontaktaufnahme abbringen wollte, war der Schrei meines Körpers und meiner Psyche so stark, dass sie weitere gesundheitliche Gefahren für mich nur durch die Kontakteinleitung zu meinem Engel ausschließen konnte. Ich war am Ziel und bekam einen ersten Telefontermin, der erste Schritt in meine weitere wundervolle Heilung …
Die folgenden vier Jahre sollten zum „Schlüssel“ meines „wahren Ichs“ werden.
Doch vor allem stand mir ein harter steiniger Weg bevor, der bis heute härteste in meinem Leben. Die weitere Zusammenarbeit mit meinem Engel war ein Prozess, der mich bis zum „Limit“ fordern sollte und auch von meiner Therapeutin alles abverlangte. Mein Kopf und meine Psyche waren wie beflügelt, um den Kampf gegen meinen Körper, der sich schon nah am Abgrund befand, zu gewinnen.
Im Folgenden möchte ich diese vier Jahre erzählen, obwohl viele der Ereignisse, Eindrücke, Empfindungen und Erfahrungen nicht mit Worten beschrieben, sondern nur „gefühlt“ werden können.
Ich wollte möglichst jeden Tag schreiben, um mich immer mehr zu öffnen, den inneren Druck endlich zu lösen, den täglichen Kampf anzunehmen und vor allem um meine einmalige „wundervolle Gefühlswelt“ in riesiger Dankbarkeit meinem Engel gegenüber auszudrücken.
Was mir an dieser Stelle noch sehr wichtig ist: Das Pseudonym, das ich für meine Therapeutin gewählt habe, „mein Engel“, soll niemals als „besitzergreifend“ ausgelegt und verstanden werden! Es beschreibt lediglich meine gefühlte Verbundenheit zu ihr.
Liebe Leser/innen, beginnen wir die Reise. Folgen Sie dem größten Spiegel meiner Seele und meines Körpers im folgenden Wechsel meiner Erfahrungsberichte, Gedichte, Briefe und E-Mails an meine Therapeutin, die durch wichtige Kommentare aus meiner heutigen Sicht ergänzt werden:
2016 – Das Jahr der Kontaktaufnahme
Sekunden
Es waren nur Sekunden,
ein kurzer Blick,
eine flüchtige Entschuldigung.
Wir lächelten uns an.
Es waren nur Sekunden,
die meine Gefühle aufwühlten.
Sekunden,
die mich aus dem Gleichgewicht brachten.
Sekunden,
die mich verwirrten.
Sekunden,
die mein Herz schneller schlagen ließen.
Sekunden,
die ich nie vergessen werde.
(geschrieben von Martina Steinert im Jahr 1997)
Im März 2016
Mein erster Brief als E-Mail an meine Therapeutin, den ich noch vor einem ersten Telefontermin mit ihr und ihrer Entscheidung schrieb:
„Lieber Engel,
eigentlich weiß ich gar nicht, was ich schreiben soll, da Gefühle einfach schwer in Worte zu fassen sind. Vielleicht habe ich auch nur Angst, dass Dich diese Worte nie erreichen werden und Du den Brief überhaupt nicht lesen möchtest und ihn ablehnst.
Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen. Äußerst schwere Jahre. Als wir uns zum letzten Mal gesehen hatten und ein „nettes“ Gespräch führten, war dies erst der Anfang meiner schweren Erkrankung. Dennoch war dieses letzte Treffen sehr wichtig für mich, wenn auch „schmerzhaft“. Als ich Dich nach einer gewissen Zeit noch mal angerufen habe, wollte ich dich absolut nicht belästigen und vor allem nicht verletzen! Ich habe eingesehen, dass Du eine andere Neigung hast, und ich kann das auch akzeptieren. Gerade weil Du mir so viel bedeutest, wünsche ich mir, dass Du glücklich bist. Allerdings habe ich gehofft, dass eine „normale“ Freundschaft nach einer bestimmten Zeit trotzdem möglich wäre.
Wenn ich jetzt diese Zeilen schreibe, dann sind schon viele, zu viele Jahre vergangen, in denen ich schwer krank bin und eine Marionette meiner Schmerzmittel. Ich kann nicht einfach rausgehen, mir nach Freundschaften suchen, weil ich eine Gefangene meiner Krankheit bin. Sie diktiert meinen Tagesablauf und bestimmt, wie ich zu fühlen habe. Ich bin eine Maschine, die funktioniert, um zu überleben. Echte Gefühle für einen Menschen habe ich nur für Dich.
Selbst mit „Valoron“ gibt es einen Menschen, für den ich empfinde wie für niemanden, und ich kann dies nicht in Worte fassen: Es ist Deine Art, Dein Aussehen, Dein Ambiente. Doch diese Gefühle wurden bislang durch das Schmerzmittel stark begraben und unterdrückt. Im Leid und den „Rest“-Schmerzen der Erkrankung wird man „hart“, umgeht Gefühle, auch seine eigenen. Dennoch habe ich immer wieder an Dich gedacht.
Nur jetzt, da ich dachte, endlich dieses Mittel absetzen zu können, merke ich, wie ich eigentlich fühle, und da warst wieder Du, ganz heftig in meinem Kopf. Ich musste mich nach Deinem Wohnort erkundigen. Im Internet habe ich Dich wiedergefunden, in München. Es war wie ein Schock! Irgendwie kommt es mir vor, ich hätte Dich für immer verloren. So verloren, wie schon so viele Freundschaften und berufliche Neuanfänge tragisch zu Ende gingen. Ich fühle mich unendlich einsam und verlassen. Hilflos meinen Gefühlen gegenüber und meiner Erkrankung. Dabei möchte ich doch vor allem verstanden werden!
Ich würde Dich heute nie mehr „belästigen“ wollen, weil Du mir so viel bedeutest. Aber ich würde alles dafür geben, Dich wiederzusehen, mit Dir (am Telefon) zu sprechen.
Obwohl eine Fahrt nach München aus gesundheitlichen Gründen für mich fast unmöglich ist, würde ich für Dich diesen Versuch gleich morgen wagen. Würde meine Trinknahrung mitnehmen, mich ins Auto mit einem Fahrer setzen. Es wäre mein schönster Tag!
Ich glaube, ich könnte dadurch meinen Schmerz überwinden, diese Trauer annehmen und vor allem diese Schuldgefühle loswerden, Dich verletzt zu haben.
In meinem jetzigen Leid wäre auch nur eine Freundschaft so unendlich wertvoll und das Gefühl, dass Du trotzdem da bist und Verständnis für mich hast, sodass weitere Gedanken für mich schon gar kein Thema mehr wären.
Ich glaube, dass ich für Dich sogar glücklich wäre, wenn Du einen lieben Partner gefunden hättest. Aber dieser tiefe Schmerz, Dich ganz verloren zu haben, bringt mich fast um!
Gib mir doch bitte die Chance und antworte mir. Es gibt doch ein Telefon oder zumindest E-Mail.“
Damit meine Therapeutin zusätzlich einen tiefen Einblick in meinen Krankheitsverlauf der vergangenen sechs Jahre und vor allem meine zu diesem Zeitpunkt sehr schlechte psychische als auch physische Verfassung bekam, fügte ich noch zwei Erfahrungsberichte hinzu:
Erfahrungsbericht der Erkrankung von Martina Steinert
„Meine chronische Darmerkrankung (Malassimilationssyndrom) begann vor gut 6 Jahren eher mit schleichenden Symptomen. Einer der Hauptgründe war höchstwahrscheinlich meine Anorexie, Magersucht, die schon seit meinem zwölften Lebensjahr bestand. Im Jahr 2010 spitzte sich mein Gesundheitszustand immer mehr zu. Damals befand ich mich in meiner Ausbildung zur Lehrerin für Fitness (BSA), hatte viel Stress, mehrere Impfungen, zwei schwere Magen-Darm-Grippen im selben Jahr … Jedenfalls versagte meine Verdauung fast komplett; hatte schwere Durchfälle, extreme Magen-Darm-Schmerzen und verlor innerhalb kurzer Zeit sehr viel Gewicht. Die Diagnose war ein extremer Verdauungsenzym-Mangel (Malassimilationssyndrom), dessen genaue Entstehung jedoch bis heute noch unvollständig geklärt ist. Bei dieser Symptomatik ist sowohl die Verdauung als auch die Aufnahme von Nährstoffen im Darm gestört. Ich versuchte ernährungstechnisch mit Einbeziehung von Medikamenten alles, da ich ja Diplom-Agrarbiologie studiert habe und in Eigenregie mein Studium durch Ernährungswissenschaft, Sporternährung sowie -medizin erweitert habe. Zu meinen schweren Verdauungsproblemen kamen noch Glieder- und Gelenkschmerzen (Polyneuropathie). Am Anfang ignorierte ich die immer wiederkehrenden Entzündungen durch unverdaute Nahrungsbestandteile, da ich diesen warmen, zehrenden Bauchschmerz noch nicht einordnen konnte. Zudem bin ich als ehemalige Ausdauer-Leistungssportlerin hart im Nehmen. Doch die ständigen Entzündungen führten natürlich zu vielen „Mikro“-Löchern im Darm, die die Darmschleimhaut weiter zerstörten, die Darmflora weiter ausdünnten und zu einer noch geringeren Enzymbildung führten. Außerdem bekam ich ein weiteres Problem: eine labortechnisch nachgewiesene Allergie vom Typ 3 (Allergie mit Spätreaktion gegen bestimmte Nahrungsmittel). Die Ursache waren die Darmlecks, die zu viele unverdaute Nahrungsbestandteile ins Blut übergehen und dadurch mein Immunsystem gegen sie Alarm schlagen ließen. Die Folge waren noch heftigere Schmerzen und Durchfälle und vor allem eine weitere Einschränkung der Lebensmittel, die ich noch essen konnte. Wegen der Malassimilation, also meiner Grunderkrankung, muss ich schon auf Fleisch, Fisch, Nudeln, Kartoffeln, Reis, Hülsenfrüchte, viele ballaststoffhaltige Obst- und Gemüsesorten sowie auf Fertiggerichte und zu viel Salz verzichten. Auch alles „Fettige“ mit gesättigten Fetten kann ich nicht essen. Seit der weiteren Folgeerkrankung, der Typ-3-Allergie, vertrage ich auch keine frische Kuhmilch, Eier, keinen Dinkel und Hafer mehr.
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