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Hans Pfeffer, Scharfrichtermeister zu Braunschweig, wurde im Jahr 1630 in Vorsfelde geboren und starb 1680 in Braunschweig.

Von 1662 an war er ordentlich bestallter Nachrichter für die Ämter Altstadt und Hagen.

Er wohnte zunächst im Hause Echternstraße neben dem Roten Kloster und später auf der Mauernstraße.

Auf dem Modell der Stadt Braunschweig im Altstadtrathaus ist das Gehöft gut zu erkennen.

Hans Pfeffer war verheiratet mit Regina Fröhlich.

Aus der Ehe ist ein Sohn, Conrad Andreas, hervorgegangen, der die Meisterei von seinem Vater später übernommen hat.

Der Name Hans Pfeffer wurde bekannt durch den Prozess gegen Anna Roleffes im Jahre 1663, dem letzten Hexenprozess der Freien Hansestadt Braunschweig.

Adam Fuchs

Hans Pfeffer,
Scharfrichter zu Braunschweig

Wolfenbüttel, Januar 2014

ISBN 978-3-8442-8848-3

veröffentlicht bei epubli Berlin, www.epubli.de

© auf Text und Umschlagbild:

Kalika Häring

Sonnabend, 16. Aprilis Anno Domini 1664

An den Rat der Stadt Braunschweig

.......,“erlaube ich mir nunmehr, für die vollzogene Decollation nebst anschließender Verbrennung der Verurteilten Anna Roleffes am 30ten Decembris 1663, für etliche Male gütliche und peinliche Verhörung sowie Verköstigung der Herren wie der Delinquentin nebst letzter Mahlzeit aus Klößen mit Kraut und Bier, wie auch für Gesellen- und Knechtstunden die Summe von 6 Mark in Rechnung zu stellen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Hans Pfeffer

Carnifex Brunsvicae

Braunschweig, Aprilis Anno Domini 1664

„Die lange Bank ist des Teufels liebstes Werkstück!“

Nicht zum ersten Mal bin ich heute Morgen gemahnt worden, jetzt doch bitte endlich einmal die Rechnung zu schreiben, denn so schwierig könne das ja schließlich auch wieder nicht sein.

Nein, schwierig ist es nicht, aber ich kann es nicht leiden.

Um genauer zu sein: Ich hasse das Schreiben von Rechnungen!

Wenn ich es heute nicht hoch und heilig hätte versprechen müssen, wer weiß, wie lang die Bank noch geworden wäre, auf die ich unangenehme Dinge nun einmal gerne schiebe.

„Das hast du jetzt davon, dir eine Kaufmannstochter ins Haus geholt zu haben“, lachte die, während sie ihre elfenbeinfarbenen Handschuhe aus feinstem Leder zuknöpfte und die kurze grüne Jacke zurechtzog.

Recht appetitlich sah mein Weib wieder einmal aus, wie sie da unten in der Diele stand und sich bereit machte, mit unserem Wolfenbütteler Gast David Voss bei herrlichstem Sonnenschein noch einmal über den Markt zu schlendern und das Eine oder Andere einzukaufen.

Auf Bekleidungsvorschriften nimmt sie wenig Rücksicht und bei der Auswahl der Stoffe achtet sie stets mehr auf die Farbe als auf den Preis.

Nun gut. Sie kann es sich leisten, hat sie doch nicht nur eigenes Vermögen, sondern führt im Hause auch die Bücher, wobei sie sehr streng darauf achtet, keine einzige Forderung an den Rat der Stadt, die Herren oder Bauern in Vergessenheit geraten zu lassen.

So wie meinen Lohn für die Hinrichtung der alten Roleffes, die, kaum zu glauben, auch schon wieder vier Monate zurückliegt.

Und nun sitze ich bei dem schönen Wetter in meiner Stube und quäle mich mit staubigem Papier herum.

Das habe ich davon, eine Kaufmannstochter zu heiraten!

Doch ganz ehrlich:

Was hätte mir Besseres widerfahren können als dieses Weib, das jetzt bereits unterwegs ist mit „unserem David“, wie ich mir inzwischen auch schon angewöhnt habe, ihn zu nennen.

Wenn die Rechnung erst einmal bewilligt und bezahlt ist, wird er natürlich als frisch ernannter Geselle seinen zustehenden Lohn erhalten und ich bin schon gespannt, was er mit dem unverhofften Geldsegen anfangen wird.

So, wie ich ihn kennengelernt habe, sollte es mich sehr wundern, wenn er nicht als erstes zum Gewandschneider laufen und sich ein schönes neues Wams aus feinstem Samt machen ließe.

Ein wenig geckenhaft ist er ja, der „Lütte“, wie sein Stiefvater ihn damals genannt hat, aber ein guter Junge allemal.

Und meiner Frau bereitet es nun einmal große Freude, an seinem Arm durch die Stadt zu spazieren und sich mit dem hübschen blonden jungen Mann zu präsentieren.

Ob ich jetzt neidisch bin?

Gott bewahre! Das ist wirklich nicht nötig.

Er ist ein feiner Kerl, unser David, aber meine herzgeliebte Frau wird wissen, was sie an mir hat.

An mir, Hans Pfeffer, dem Scharfrichter zu Braunschweig.

Vorsfelde, Septembris Anno Domini 1651

Wenn ich da noch an meine erste Frau denke!

Was war ich dankbar, als endlich unser Herrgott ein Einsehen mit mir hatte und dafür sorgte, dass sie jetzt in einer besseren Welt ist, wo sie mit ihrem Vater, Gott hab ihn selig, über ihren zweiten Mann schimpfen kann, ohne dass ich durch ihr Gekeife hier unten auf der Erde belästigt werde.

Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich noch einmal zu einer zweiten Ehe durchringen würde. Ganz sicher war ich gewesen, dass mir so etwas in meinem Leben kein zweites Mal passiert.

Madalena Fröling, Tochter des Meisters der Altstadt, die war ein Besen und ganz freiwillig habe ich sie nicht geheiratet.

Es war vielmehr die Idee von Peter Brauns gewesen, bei dem ich seit meinem sechzehnten Lebensjahr die Lehrzeit absolviert habe und der mich fast wie einen Sohn im Hause aufgenommen hatte.

Er war Witwer und hatte sich nach dem Tod seiner Frau stets geweigert, noch einmal neu zu heiraten.

Mir kam das damals ungewöhnlich vor, war es doch üblich, sich nach Ablauf der Trauerzeit eine neue Frau für die Versorgung des Haushaltes zu suchen, aber bei irgendeiner Gelegenheit hatte er einmal die Bemerkung gemacht, das könne er seiner Emilie nicht antun und ich weiß noch, wie sehr ich mich darüber gewundert hatte, denn solche Skrupel bin ich von den Männern aus meiner Familie eigentlich nicht gewöhnt.

Mein Vater war drei Mal verheiratet und ich glaube nicht, dass er einer seiner Frauen besonders lange hinterher geweint hat.

Meine Mutter ist gestorben, als ich noch sehr klein war, so dass ich mich an sie nicht erinnere und die zwei Stiefmütter, die mich großgezogen haben, hatten nie eine besonders innige Beziehung zu ihrem Ehemann. Man lebte im gleichen Hause und jeder machte seine Arbeit, und so wie ich es empfunden habe, hatte man sich ansonsten nicht viel zu sagen.

So war es auch nicht schwer, mich davon zu überzeugen, nach gerade einmal vier Jahren Lehrzeit die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und mich um die Vorsfelder Witwe zu bemühen.

„Hans“, fing Brauns eines Abends in seiner Schreibstube an, wo wir uns zum Abschluss des Tages einen Roten gönnten.

„Die Stelle in Vorsfelde ist vakant.

Dort sitzt Magdalena Fröling, Tochter des alten Fröling von der Altstadt, die seit drei Jahren Witwe ist. Wenn du dich beeilst und sie zur Frau nimmst, ist dir deine erste eigene Meisterei sicher.

Ich weiß, sie ist keine ganz einfache Frau, das hat sie von ihrem Vater. Die Jüngste ist sie auch nicht mehr, aber wen schert das.

Du hast alles bei mir gelernt und bist ein anstelliger Junge, darum rate ich dir: Halte um ihre Hand an!

Ich werde mich mit dem Bardensleben auf der Wolfsburg ins Benehmen setzen, der bei mir noch was gut hat und dann wollen wir doch mal sehen, ob mein Lehrjunge nicht ein guter Meister werden will!“

Eine eigene Meisterei! Mit gerade mal zwanzig Jahren! Das ist so gut wie unvorstellbar, aber nun, warum nicht.

An einem sonnigen Tag im Mai, als die Straßen schon recht trocken und gut befahrbar waren, saßen wir denn auch auf dem Wagen, mit dem Brauns mich nach Vorsfelde brachte.

Ich erinnere mich noch genau, wie es war, als wir dort eintrafen.

Natürlich waren wir angekündigt und die Frau Fröling wartete auch schon unter der Tür auf uns.

„Du liebe Güte“, habe ich damals gedacht. „Die ist mindestens doppelt so alt wie ich!“

Und damit sollte ich Recht behalten, denn die Witwe war bereits in ihrem sechsunddreißigsten Lebensjahr.

Egal. Es geht nicht um Liebe und Zuneigung, wenn man um eine Frau freit, sondern lediglich um Gewinn und Erhalt der Privilegien.

Und die hatte sie in der Tat zu erhalten!

Es wurde Zeit, einen neuen Meister in das Haus zu holen, wollte sie nicht riskieren, ihre Privilegien aberkannt zu bekommen.

Natürlich hatten auch schon andere Kandidaten vorgesprochen und ich war nicht so vermessen zu glauben, sie habe jetzt ausgerechnet auf mich gewartet.

Andererseits war Frau Magdalena keine Dumme und sie achtete schon sehr darauf, wer in ihrem Hause in Zukunft den Herrn spielen wollte und ob sie das zuzulassen bereit war.

Als sie mich da auf dem Gefährt ankommen sah, muss sie bei sich gedacht haben:

„Ja, der issses!

Jung, unerfahren, breite Schultern und im Bett wahrscheinlich eine erfreuliche Erscheinung.“

 

So hat sie es nie gesagt, Gott bewahre, sie war keine Dirne, aber so, wie sie sich später aufgeführt hat, habe ich manches Mal angenommen, dass diese Gedanken durch ihren Kopf gegangen sind.

Sie strahlte mich an mit einem breiten Lächeln, wobei mir gleich auffiel, dass ihre Zähne nicht mehr ganz vollständig waren, aber nun, seis drum. Ihr Mieder war für meinen Geschmack auch ein bisschen eng geschnürt und selbst das Brusttuch konnte nicht ganz verbergen, dass die Haut darüber doch schon ganz schön zu welken begonnen hatte.

Eine Schönheit war sie in meinen Augen gerade nicht, aber wie mein Meister mir später kichernd hinter der vorgehaltenen Hand erklärte, werde sie mit jeder Abdeckerei, die zum Amt gehörte, ein wenig hübscher.

Und es gehörten einige dazu!

Die Bardensleber sind begüterte Leute und halten verschiedene Ämter in der Hand. Dazu kam die Aussicht auf das Erbe in der Braunschweiger Altstadt, wenn ihr Vater eines Tages das Zeitliche segnen würde.

Der alte Fröling hatte nämlich nur noch diese eine Tochter, alle anderen Kinder waren ihm im Laufe seines Lebens weggestorben.

Als ich ihn später kennenlernte, habe ich mich manches Mal gefragt, ob er vielleicht aus diesem Grunde so mürrisch und so unzugänglich war.

Er lebte in dem großen Haus in der Echternstraße gleich neben dem „Roten Kloster“, wie die fünf Häuschen, in denen die Dirnen ihr Geld verdienen, genannt werden.

Seinen Haushalt versorgte eine mindestens ebenso mürrische Frau Schädrig, die, wie ich später feststellte, mit dem Alten nicht nur das Haus, sondern auch das Bett teilte.

Mit mir konnte er sich nie so recht anfreunden. Ich war für ihn ein unreifer Bengel und seine Tochter viel zu gut für mich.

„Du hättest jeden haben können, Magdalena! Warum musste es ausgerechnet dieser besserwisserische Querkopf sein?“

Solche Fragen stellte er ganz ungeniert beim sonntäglichen Mahl, zu dem wir allwöchentlich zu erscheinen hatten, und es störte ihn nicht im Geringsten, dass ich mit am Tisch saß.

Im Gegenteil! Ich glaube, es hat ihm Freude bereitet, mich auf diese Weise zu kränken.

Und nicht nur mich! Er wollte auch meinen Lehrherrn ärgern, denn die beiden Männer waren ihr ganzes Leben über quer gewesen.

Zu der Zeit waren die einzelnen Teile der Stadt noch streng getrennt und jedes Braunschweiger Weichbild hatte seine eigene Gerichtsbarkeit und damit auch seinen eigenen Henker. Und wie es häufig so ist, entsteht durch zu viel Nähe bei zu geringer Beschäftigung eben gerne einmal Missgunst, was dazu führte, dass die Beiden sich den Schmutz unter ihren Nägeln nicht gönnten.

Dazu kam, dass Peter Brauns eine völlig andere Haltung zu seinem Beruf hatte als Claus Fröling.

Immer und immer wieder hatte er mir gepredigt, die armen Delinquenten, wie er sie nannte, nicht ohne Not zu quälen.

„Sie sind Menschen, Hans, vergiss das nie!

Sie mögen Verbrechen begangen haben, sie mögen der Abschaum sein, aber sie bleiben Menschen. Unsere Aufgabe ist es nicht, zu urteilen oder gar zu strafen.

Unsere Aufgabe ist es lediglich, die Wahrheit aus ihnen herauszuholen, oder zumindest das, was dafür gelten kann.

Die ganze Wahrheit werden wir sowieso nie erfahren, die kennt nur unser Herrgott dort oben. Es ist nicht erforderlich, diese Menschen über Gebühr zu strapazieren, dadurch werden sie auch nicht wahrhaftiger.

Wenn du wirklich gut sein willst in deinem Metier, dann versuche zu ergründen, was sie bewegt.

Versuche zu verstehen, warum sie geraubt oder gemordet oder ihre Kinder in das Wasser geworfen haben und du wirst feststellen, dass selten Bosheit der Antrieb für eine Tat gewesen ist.“

Ein einziges Mal war ich so dumm gewesen, am Frölingschen Sonntagstisch über dieses Thema herumzuphilosophieren.

Meine Güte, was hat der Alte sich darüber aufgeregt!

Einen dummen Schnösel hat er mich genannt, kein Wunder, bei so einem Meister, der schon immer viel zu weich für dieses Metier gewesen ist.

Er habe es immer gesagt, der taugt nicht zum Henker. Der soll in die Kirche gehen und die armen Seelen mit seinem Gequatsche bekehren, aber nicht in den Gewölben hocken und sich das Gejammere und Geklage der Inhaftierten anhören.

„Das sind Verbrecher, mein lieber Schwiegersohn, und die brauchen eine harte Hand! Wo würden wir denn hinkommen, wenn wir sie tätscheln und streicheln wollten, während der vornehme Herr, den sie wegen ein paar Kröten mal eben schnell um die Ecke gebracht haben, kalt und steif auf dem Friedhof liegt!

Hast du darüber einmal nachgedacht, du naseweiser Besserwisser?

Hast du schon mal die arme Witwe erlebt, die plötzlich ohne Mann dasteht und nicht mehr ein noch aus weiß? Und du willst mir erzählen, man müsse Verständnis haben mit den gottverdammten Kerlen?

Oder die Mutter, die das ihr von Gott anvertraute Kleine gnadenlos ins Wasser wirft und ersäuft, damit es ihrem Buhlen nicht im Wege ist.

Was ist mit der?

Soll ich mit der vielleicht noch Mitleid haben und ihre Daumen schonen, indem ich einmal weniger fest die Schrauben zuziehe?

Wo kämen wir denn eigentlich hin, wenn alle so denken würden wie mein lieber Schwiegersohn und sein verquerer Meister?

Ich sage dir, Magdalena, ich werde dich nie verstehen. Du hättest Jeden haben können. Warum musste es ausgerechnet dieser junge Schnösel sein?“

Er konnte sich richtig in Wut reden bei solchen Themen, um dann mitten in der Mahlzeit aufzustehen und sein Mundtuch zornentbrannt auf den Tisch zu werfen. Das wiederum rief sofort Frau Schädrig auf den Plan, die es mir nicht verzeihen konnte, wenn ihr verehrter Herr das mit Liebe gekochte Essen missachtete und einfach in seine Kammer verschwand.

Um es kurz zu machen:

Ich hatte die Frau geheiratet, nachdem sie recht bald zu erkennen gab, dass sie einer Verbindung mit dem jungen Mann, den man in ihr Haus gebracht hatte, nicht abgeneigt sei.

Der Bardensleber wurde auch noch aufgesucht und empfing uns in einer Aufmachung, dass ich ihn zunächst für einen Stallknecht halten musste. Nach einer langen Plauderei über Pferde und deren Malässen und die Behandlung derselben stellte er dann gegenüber meinem Meister fest, dass er einen jungen Mann, der sich so offensichtlich auf den Umgang mit den wertvollen Tieren verstehe, doch sehr gern in Vorsfelde angesiedelt sehen würde.

Im September des Jahres 1651 wurden wir in der Kirche zu Vorsfelde getraut und so mancher wird gedacht haben, ein so junger Mann und eine so alte Frau, was haben die miteinander noch zu bestellen.

Das hatte ich auch gedacht, musste mich aber bald eines Besseren belehren lassen.

Die Witwe war noch sehr fidel und der junge Mann an ihrer Seite gefiel ihr offensichtlich sehr gut, so gut, dass sie keine Gelegenheit ausließ, mich herumzuzeigen und vorzuführen.

Hatte ich über Land zu tun und die Bauern zu besuchen, deren Vieh einzusammeln meine Aufgabe war und denen ich meine Aufwartung zu machen gedacht hatte, schwupps, wer saß da als Erste auf dem Wagen?

War ich auf die Burg bestellt und hatte mit dem Bardensleber etwas zu besprechen, wer war stets an meiner Seite, lächelte hold und mischte sich in die Gespräche ein?

Und wer lag abends in meinem Bett, wenn ich rechtschaffen müde war und meinen verdienten Schlaf zu bekommen hoffte?

Sie war überall und stets als Erste am Ort und keine Minute des Tages ließ sie mich aus den Augen, schimpfte mich auch gar einen „Schlappschwanz“, wenn ich im Bett nicht so rührig war, wie sie sich das vorgestellt hatte und war sich am Ende nicht zu schade, bei ihrem Vater vorzusprechen und sich bei dem zu beschweren, was für einen langweiligen dummen jungen Mann man ihr da in das Haus und in ihr Bett gebracht hatte.

Das war nun wieder ganz nach dessen Geschmack und es dauerte gar nicht lange, bis er mir an einem der verhassten Sonntage erklärte, man erwarte von mir ein wenig mehr Aktivitae im Bett der Holden und die Produktion eines Sohnes, der eines Tages die Altstädter Meisterei übernehmen solle und ich möge mich ein wenig mehr bemühen, als das in der Vergangenheit offensichtlich der Fall gewesen ist.

Wie oft habe ich überlegt, auf welche Weise ich der Situation entfliehen könnte bis dahin, dass ich Gedanken hegte, in das neue, ferne Land, genannt Amerika, auszuwandern, wie man es zu der Zeit häufig hörte von Menschen, die nicht mehr aus noch ein wussten.

Aber dann hatte der Herrgott am Ende doch noch ein Erbarmen mit mir und ließ meine Frau in andere Umstände gelangen.

Soll heißen, sie wurde schwanger.

Was hat sie sich gefreut und was hat sie überall, auf all den Fahrten, auf denen sie mich weiterhin, ungeachtet ihres Zustandes, begleitete, darauf hingewiesen, dass sie jetzt bald Mutter eines Sohnes werden würde.

Und was haben die Bauern gelacht und sich darüber mokiert, dass sie ja auch einiges dazu beigetragen hatte, dass dieser Zustand sich jetzt endlich einstellte.

Meine Güte, wie war mir das alles peinlich zu der Zeit.

Ich auf dem Wagen mit den Zügeln in der Hand, dieses, Entschuldigung, aber doch schon recht alte Weib mit den fehlenden Zähnen neben mir, dieses holde Lächeln und der zur Schau getragene dicke Bauch.

Und die lachenden Bauern, die sich nicht genug darüber amüsieren konnten, dass die Henkerin ihren jungen Bub offensichtlich mal so richtig hergekriegt hatte und sie jetzt in ihrem gesegneten Alter noch einmal Mutter wird.

Ich weiß nicht, wie ich die Zeit überstanden hätte, wäre nicht endlich Hilfe von oben gekommen in der Form, dass die gute Magdalena sich wohl doch etwas übernommen hatte und eines Tages viel zu früh in die Wehen kam.

Alle Mittelchen, die in solchen Fällen angewendet werden, um das Schlimmste zu verhindern, wollten nicht anschlagen und so kam es, dass das viel zu kleine Kindchen, ein Mädchen übrigens, auf die Welt gebracht wurde, wo es noch nicht einmal einen einzigen Atemzug zu tun bereit war.

Und mit dem Kind verschwand eine Woche später auch Magdalena, denn für solche Strapazen war ihr Körper vielleicht doch schon zu verbraucht gewesen.

Ich muss gestehen, ich habe mir auf dem Friedhof keine Tränen herausdrücken können, egal, wie sehr ich mich des Anstandes wegen darum bemühte.

Mein Schwiegervater hatte an jenem kalten, regnerischen Novembertag des Jahres 1653 letztmalig die Gelegenheit, mich nach allen Regeln der Kunst zu beschimpfen und zu beleidigen, denn danach haben wir uns nie wieder gesprochen.

Zwei Jahre war ich mit dem Weib verheiratet gewesen und nachdem sie nun friedlich und still auf dem Friedhof gelandet war, hatte ich beschlossen, dass mir in meinem Leben so etwas nie wieder passieren sollte.

Ich genoss den Frieden in dem behaglichen Haus in Vorsfelde, ging in Ruhe meiner Arbeit nach, besuchte die Bauern, die mich zwar mitleidig betrachteten, insgesamt aber sehr freundlich mit mir umgingen, war häufig Gast auf der Wolfsburg, wohin ich oft eingeladen wurde, um bei Port und Pfeife über die Pferde zu plaudern, besuchte gern am Sonntag meinen alten Meister, den inzwischen die Gelenke plagten und dem ich immer häufiger die Arbeit auf dem Hagen abnahm.

Von meinem Schwiegervater hörte ich die eine oder andere unerfreuliche Geschichte, denn auch er war bereits in die Jahre gekommen oder um genau zu sein, er war wirklich schon ein alter Mann.

Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, die Exekutionen selber durchzuführen, obwohl er kaum noch in der Lage war, das schwere Schwert ordentlich zu führen.

Es hatte offensichtlich Vorfälle gegeben, denn man erzählte sich, dass er einem Delinquenten, anstatt den Kopf mit einem Hieb vom Rumpf zu trennen, zunächst in den Arm und dann in die Schulter geschlagen hatte. Erst im dritten Anlauf war es ihm gelungen, endlich den Kopf herunterzuhauen.

Das führte zu einiger Unruhe und allerorten konnte man die Menschen erbost über diesen Mann und über die Henker im Allgemeinen schimpfen hören.

„Hans“, fing denn auch bei einem meiner Besuche auf dem Hagen der alte Brauns an.

„Der Fröling macht es nicht mehr lange, das prophezeie ich dir heute mal. Und ich bin auch nicht mehr der Jüngste, so dass es eine Frage der Zeit ist, wann unsere Meistereien neu vergeben werden.

Du solltest rechtzeitig zur Stelle sein und dich bewerben. Ich werde mich beim Rat für dich stark machen und ich werde auch darauf hinweisen, dass es nicht angehen kann, wenn in Zukunft weiterhin zwei Henker in einer Stadt tätig sind. Wir wachsen immer mehr zusammen und es ist mehr als überflüssig, hier zwei Leute zu beschäftigen.“

 

Er sollte Recht behalten, der Gute.

Kaum ein halbes Jahr später traf den alten Griesgram in der Echternstraße der Schlag, was dazu führte, dass er fast bewegungslos in seiner Kammer lag und ihm ständig der Speichel aus dem Mund lief.

Frau Schädrig kümmerte sich rührend um ihn, das muss man der unfreundlichen Frau wirklich zu Gute halten, aber eine Hoffnung auf Genesung gab es nicht mehr.

Der Rat tat sich schwer damit, seinen Posten neu zu besetzen, insbesondere nachdem Peter Brauns vorstellig geworden war und erklärt hatte, welch eine Geldverschwendung es doch ist, sich für jeden Teil der Stadt einen eigenen Henker halten zu wollen.

Er selber allerdings sah sich auch nicht mehr in der Lage, all die Exekutionen fachgerecht auszuführen, so dass es auf der Hand lag, den Vorschlag zu machen, ich solle mich im Hause Echternstraße einrichten und von dort aus nicht nur Vorsfelde, sondern auch in Braunschweig die Altstadt und den Hagen mitbetreuen.

„Traust du dir das zu, Hans?

Ich weiß, es ist viel Arbeit, aber mein Gott, du bist jung und überlege mal, irgendwann ist es an der Zeit, da müssen die Ämter neu vergeben werden.

Wenn du schon hier sitzt, wer wollte denn da noch herumsuchen und sich einen unbekannten Menschen nach hier holen wollen. Du hast dir einen guten Ruf erworben und ich habe den Eindruck gewonnen, als sei ein Teil des Rates dir recht wohlgesonnen. Überlege es dir.“

Ich muss gestehen, ich hatte wenig Lust, mit dem sabbernden Greis in einem Haus zu leben, wo es mir doch in Vorsfelde an nichts mangelte.

Andererseits war die Aussicht auf gleich zwei Meistereien, noch dazu in der schönen Stadt Braunschweig, die mir immer schon sehr gut gefallen hat, auch sehr verlockend.

Ich bat mir Bedenkzeit aus und mein nächster Weg führte mich auf die Wolfsburg, denn sicherlich wollte der Bardensleber auch ein Wörtchen mitreden.

Er überraschte mich, als er mir erklärte, dass er sich so etwas Ähnliches schon gedacht hatte.

„Ich habe gehört, was in Braunschweig vor sich geht und Ihr, Hans Pfeffer, seid mit Sicherheit der richtige Mann für die Aufgabe dort.

Ich weiß wohl, dass unser beschauliches Vorsfelde auf Dauer für Euch etwas zu langweilig werden wird und ich würde verstehen, wenn Ihr das Angebot annehmt und Euch in der Stadt niederlassen wolltet.

Meinen Segen habt Ihr! Und so weit fort seid Ihr auch wieder nicht, als dass Ihr nicht auf das eine oder andere Mal bei mir vorbeischauen und über die Zossen plaudern könntet.“

Ich ließ mich überzeugen, verlegte meinen Wohnsitz in das große Haus in der Echternstraße und ertrug die mürrische Frau Schädrig, die ich dort behielt, damit sie mir den Haushalt führen und den Alten pflegen konnte.

Wobei die Haushaltsführung, was meine Person anging, sicherlich eher den kleineren Teil ihrer Arbeit ausmachte.

Ich war so selten zu Hause und so häufig über Land, dass sie sich gelegentlich schon wieder beklagte, wann sie denn überhaupt einmal für mich zu kochen hätte.

Sie war es gewöhnt, zusammen mit ihrem Herrn am fein gedeckten Tisch zu speisen, aber jetzt lag er auf seinem Bett und musste mühsam gefüttert werden, während ich den größten Teil meiner Zeit auswärts unterwegs war.

So musste Frau Schädrig allein in ihrer Küche bei den Mahlzeiten sitzen, was ihr überhaupt nicht gefiel.

Ihre Klagen allerdings waren nutzlos, denn selbst wenn ich häufiger zu Hause gewesen wäre, hätte ich niemals zugelassen, dass die Haushälterin sich zu mir an den gedeckten Tisch setzt, damit wir gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen.

Völlig undenkbar.

Die wenigen Male, die ich da war, ließ ich mir das Tablett in meine Arbeitsstube im ersten Geschoss mit Blick auf die Echternstraße bringen.

Das Speisezimmer nach hinten zur Stadtmauer raus war so gut wie immer verschlossen und eigentlich zu nichts mehr nutze. Gleiches galt für den Salon, für den ich ebenfalls keine Verwendung hatte, da ich nicht der Mensch bin, der Gesellschaften gibt und Gäste im Hause herumlungern haben möchte.

In unserer Familie wird natürlich, wie es in Scharfrichterfamilien üblich ist, recht viel zusammengekommen und miteinander gefeiert.

Allerdings erwartet von mir niemand so recht, dass mein Haus der Ort für solche Zusammenkünfte ist.

Zum einen nicht, weil ich als armer Witwer gar nicht in der Lage bin, Gesellschaften auszurichten, zum anderen, weil ich in der Familie sowieso als Sonderling gelte und mir der Ruf anhaftet, ich sei ein wenig schwierig.

Was genau an mir schwierig sein soll, weiß ich nicht.

Meine Schwester Hanne, die übrigens auch in Braunschweig lebt, beklagt sich jedenfalls gelegentlich über mein Verhalten bei Familienfeiern.

Ich könnte „auch ruhig mal die Zähne auseinander machen“ und „nicht immer da sitzen wie ein Tropf, der nichts zu reden weiß“.

Wahrscheinlich erwartet man von mir, dass ich mich ein wenig interessierter an den lebhaften Gesprächen über Tante Sowieso und Onkel Dortunddort und den Nachbarn hier und den Pfarrer da beteilige. Das würde ich ja sicherlich auch gerne tun, wenn ich denn einerseits über diese Leute etwas zu reden hätte und andererseits bei meiner sehr gesprächigen Verwandtschaft überhaupt einmal zu Wort kommen würde.

So aber verziehe ich mich schon nach kurzer Zeit in irgendwelche stillen Winkel und beobachte von dort aus die Gesellschaft, was wiederum meine Schwester zur Weißglut bringen kann.

Die Feiern jedenfalls fanden bei ihr statt und ich hatte meine Ruhe.

Ich richtete mich nach und nach ein in dem fremden Haus, ließ hier und dort eine kleine und manchmal auch eine größere Verbesserung vornehmen, nicht ohne dass Frau Schädrig dazu bemerkte, für wie überflüssig sie die Veränderungen hielt, machte meine Arbeit und konnte alles in allem mein Leben recht behaglich vor mich hin leben.