Kitabı oku: «Demokratie? Frag doch einfach!», sayfa 4
Welche Idealtypen von Staatlichkeit gibt es?
Von einer weniger ideengeschichtlichen und mehr systematischen Perspektive aus lässt sich die Entwicklung der modernen demokratischen Staatlichkeit idealtypisch rekonstruieren. Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass die Entwicklung tatsächlich so stattgefunden hat. Geschichte, auch die der Demokratisierung, verläuft nicht linear, sondern in Form von revolutionären Umwälzungen, von Brüchen und Sprüngen, in Konflikten und Widersprüchen und mitunter auch Rückschritten und Rücknahmen historischer Errungenschaften. Daher spricht man in der Forschung von KontingenzKontingenz. Dies bedeutet nicht reine Willkür oder bloßen Zufall, wohl aber die Nicht-Notwendigkeit historischer Entwicklungen. Zudem lassen sich heute die verschiedenen Dimensionen in demokratischen Staaten wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, so doch gleichzeitig auffinden. Idealtypisch entwickelte sich also aus dem Bedürfnis und der Forderung nach Sicherheit der so genannte Schutzstaat, der die Gemeinschaft vor feindlichen Angriffen schützen, den Frieden im Inneren sichern und die bestehende Eigentumsordnung im Sinne der (männlichen) Besitzbürger garantieren sollte. Mit den verstärkten Forderungen nach → Freiheit entwickelte sich der Schutzstaat dann zum RechtsstaatRechtsstaat weiter, der auf Basis einer Rechts- und Verfassungsordnung für die Garantie und den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte zu sorgen hat und dies in Form spezieller Institutionen, zum Beispiel Verfassungsgerichten, leistet. Mit dem politischen Ruf nach → SolidaritätSolidarität entwickelte sich der Rechtsstaat zum Sozialstaat weiter, der nun also auch für die Gewährleistung sozialer Rechte und für die Schaffung ökonomischer → GleichheitGleichheit zuständig ist, so dass die sozialen und ökonomischen Bedingungen dafür geschaffen werden, dass alle Menschen in angemessener Weise am öffentlichen Leben teilhaben können. Die Forderung nach Gleichheit schließlich führte zur Herausbildung des demokratischen Staates, der das Prinzip der Volkssouveränität in die Wirklichkeit umsetzen sollte und dies über die Institution des allgemeinen und freien Wahlrechts sowie die prinzipielle Öffnung der Zugänge zu politischen Ämtern und unterschiedlichen institutionellen Möglichkeiten der Teilhabe am politischen Leben gewährleistet. Schließlich entwickelte sich der demokratische Staat zum Kulturstaat weiter, der die Bildung für alle Bürger*innen, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und die Schaffung von Gerechtigkeit im internationalen Kontext, etwa in Fragen des Friedens und der Ökologie, voranbringen soll. Gegenwärtig lassen sich zudem die Auswirkungen eines bereits länger laufenden Wandels der demokratischen Staatlichkeit hin zu einem nationalen Wettbewerbsstaat als historisch neuem Typus kapitalistischer Herrschaft beobachten. Dieser muss sich laut dem Politikwissenschaftler Joachim HirschHirsch, Joachim (*1938) im globalen Wettbewerb um die besten Investitionsbedingungen für das internationale Kapital gegen konkurrierende Staaten durchsetzen, woraus ein enormes Bedrohungspotenzial für den liberalen Rechtsstaat erwächst, insofern dieser als Investitionshemmnis und damit Hindernis für die Finanzströme gesehen und entsprechend bekämpft wird.
Literaturtipp | Über das Verhältnis von Staat und Kapitalismus schreibt J. Hirsch in seinem Buch Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, ID-Verlag 1995. Die Notwendigkeit eines Staats als Korrektiv gegenüber den Märkten beschreibt R. Voigt in Der Januskopf des Staates. Warum wir auf den Staat nicht verzichten können, Franz Steiner Verlag 2009.
Was sind mögliche Alternativen zum Nationalstaat?
Der Sozialphilosoph Daniel LoickLoick, Daniel (*1977) erforscht die Bedeutung der von ihm so genannten Subalternen Sozialitäten, also der Lebenszusammenhänge von sozialen Gruppen, die gegenüber der privilegierten Mehrheitsbevölkerung benachteiligt werden und aus dem berechtigten Gefühl der Ohnmacht heraus alternative Lebensformen jenseits des klassisch nationalstaatlichen Rahmens entwickeln. Hierunter fasst er zum Beispiel queere Gemeinschaften, die sich in bewusster Abgrenzung von heterosexistischen Geschlechterverhältnissen und der bürgerlichen Kleinfamilie politisch und auch demokratisch organisieren. Ebenso zählt er diasporische Communities von Migrant*innen und Geflüchteten in Großstädten und Lagern dazu, die sich von den hegemonialen Subjektivierungsformen der bürgerlichen Gesellschaft emanzipieren und in einer so genannten präfigurativen Praxis mögliche zukünftige Alternativen zur nationalstaatlichen Demokratie experimentell vorwegnehmen. In diesen alternativen und aktivistischen Kontexten, etwa auch im Rahmen der Platzbesetzungen, Protestcamps und der radikalen Ökologiebewegung der jüngeren Vergangenheit (siehe hierzu auch die Frage zu den Protestbewegungen), wird aus der Kritik an den negativen Aspekten nationalistisch und kapitalistisch organisierter demokratischer Gemeinschaften heraus versucht, alternative Verständnisse von Arbeit, neue Identitäten und damit verbunden auch neue Institutionen und solidarischere Formen des Miteinanders zu entwickeln. Für Loick stellen die Erfahrungen von Migrant*innen in der Diaspora, denen seitens der Nationalstaaten vollwertige Staatsbürgerschaften verwehrt werden, sowie ihre Fähigkeiten, Verbindungen über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg zu knüpfen, also die Möglichkeit bereit, Demokratie jenseits des Nationalstaates vorwegzunehmen. Statt weiter vergeblich auf die Anerkennung durch Politik, Verwaltung und Mehrheitsgesellschaft der Nationalstaaten zu hoffen, ziehen sie sich aus den etablierten vertikalen Machtverhältnissen zurück und formieren Gegengemeinschaften, deren Mitglieder sich horizontal, also gegenseitig anerkennen und dadurch subalterne Handlungsfähigkeit ausbilden.
Kann die Stadt eine Alternative zum Nationalstaat sein?
Der Politikwissenschaftler Paul SörensenSörensen, Paul (*1983) hat soziale Bewegungen analysiert, die sich auf die Stadt als den Ort emanzipatorischer und progressiver politischer Bestrebungen konzentrieren, etwa die Recht-auf-Stadt-Initiativen, das Solidarity-City-Netzwerk, die Sanctuary-Cities in den USA und Großbritannien oder die munizipalistischen Bewegungen im Anschluss an die Platzbesetzungen 2011 und 2012 in Spanien. Er deutet diese Interventionen, die ganz zentral die Stadt als den Ort politischer Transformationsprozesse begreifen, als Praktiken eines transnationalen WiderstandsWiderstandtransnationaler, der jedoch nicht einfach nur rein negativ gegen den Nationalstaat gerichtet ist, sondern diesen in einer welterschließenden Absicht transformieren möchte. Anstatt also nur dem Staat den Gehorsam zu verweigern, geht es auch hier zentral darum, alternative Formen von Sozialität und SubjektivitätSubjektivität vorzuleben und neue Ordnungen zu erschaffen, die dereinst das Modell des Nationalstaats ablösen könnten. Einmal im Sinne einer alternativen Globalisierung der Vernetzung von politischen Akteur*innen über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg und zum anderen in Form der Infragestellung des staatlichen Monopols auf territoriale SouveränitätSouveränität, was vielleicht den Weg für eine post-territoriale Form der Bürger*innenschaft bereiten kann.
Literaturtipp | Vier Literaturtipps zum Thema Widerstand und Bürger*innenschaft, in denen es u.a. darum geht, welches emanzipatorische Potenzial urbane Protestbewegungen haben und wie sich deren Erstarken deuten lässt: Harvey, D.: Rebellische Städte. Vom Recht auf Stadt zur urbanen Revolution, Suhrkamp 2013; Loick, D.: Wir Flüchtlinge. Überlegungen zu einer Bürgerschaft jenseits des Nationalstaats, in Leviathan 45, 2017, S. 574–591; Loick, D.: Subalterne Sozialität. Zur normativen Struktur von Gegen-Gemeinschaften, in Jahrbuch Praktische Philosophie in globaler Perspektive 4, 2020, S. 105–134. Sörensen, P.: Widerstand findet Stadt. Präfigurative Praxis als transnationale Politik ‚rebellischer Städte‘, in Zeitschrift für Politische Theorie 1, 2019, S. 29–48.
Welche demokratischen Regierungsformen gibt es?
Es existieren unterschiedliche Arten und Weisen, das Prinzip der Volksherrschaft im Rahmen des Nationalstaats und gemäß dem Prinzip der GewaltenteilungGewaltenteilung umzusetzen. Jede kann dabei als eine Antwort auf die grundlegenden Fragen der Demokratie verstanden werden: wer zum demosdemos gehört und in welcher Art und Weise dessen Herrschaft organisiert wird. In den politischen Systemen sowie Regierungsformen drücken sich also spezifische politisch, historisch, sozial, ökonomisch und kulturell bedingte Interpretationen von Demokratie aus, denen eine Struktur und ein Regelwerk gegeben wurde. Eine der zentralen Grundfragen war dabei seit jeher das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten, das von einer unterstellten IdentitätIdentität, etwa in den Theorien direkter Demokratie, bis hin zur größtmöglichen DifferenzDifferenz in eher konfliktorientierten Demokratietheorien reicht, die dann in der Praxis auf das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation zurückgreifen. Die demokratischen Regierungsformen werden dann danach unterschieden, wie sie die Bestellung und Legitimation der Regierung, also der Spitze der Exekutive, organisieren. Hier unterscheidet man vor allem präsidentielle von parlamentarischen Systemen und danach, ob die Institutionen im Einzelnen sowie das System als Ganzes eher auf Konfliktvermeidung, Konsens, oder aber auf Streit und die offene Austragung von KonfliktenKonflikt ausgerichtet ist. Im ersten Fall spricht man in der Forschung von Konsens- oder Konkordanzdemokratien, im zweiten Fall von Mehrheits- oder Konkurrenzdemokratien. In der Realität sind die Demokratien Mischformen und die Modelle daher als Idealtypen zu verstehen. Konkurrenzdemokratien zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie Macht und GewaltGewalt sehr stark konzentrieren und die Durchsetzung politischer Programme über die Herstellung parlamentarischer Mehrheiten befördern. Konsensdemokratien setzen hingegen auf das Prinzip der Machtteilung und bemühen sich um einen möglichst hohen Grad an InklusionInklusion unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Gruppen. Konkurrenzdemokratien werden zudem meist durch Einparteienregierungen in Zweiparteiensystemen angeführt, das Wahlsystem wird über ein Mehrheitswahlrecht organisiert und dem Parlament kommt die Letztentscheidung in der Legislative zu. Konkordanzdemokratien setzen demgegenüber auf Koalitionsregierungen in einem Vielparteiensystem und greifen auf das Verhältniswahlrecht zurück. Zudem kontrollieren Verfassungsgerichte letztinstanzlich die parlamentarische Gesetzgebung. Als Vorteile der Konkurrenzdemokratie gelten gemeinhin die hohe Effizienz der Regierung, da diese auf einer stabilen Mehrheit im Parlament aufruht. Außerdem können Entscheidungen hier angeblich schneller, weil relativ unabhängig von den Parteien getroffen werden. Als Nachteil gilt, dass die Perspektiven und Interessen von Minderheiten unter Umständen weniger berücksichtigt werden. Demgegenüber gelten Konkordanzdemokratien als weit repräsentativer, gleichzeitig aber wenigstens im Konfliktfall als weniger effizient, insofern Entscheidungen mitunter eben nicht so schnell getroffen werden können. Empirische Forschungen zur Demokratie haben jedoch ergeben, dass diese Vorannahmen nicht immer haltbar sind. Mit Blick auf die Problemlösungsfähigkeit sind auch die präsidentiellen Systeme den parlamentarischen also nicht unbedingt überlegen, ebenso wenig die Konkurrenzdemokratien den Konkordanzdemokratien. Laut dem Politikwissenschaftler Arend LijphartLijphart, Arend (*1936) sind Verhandlungsdemokratien zum Beispiel wirtschaftlich gleichrangig zu Mehrheitsdemokratien und auf den Gebieten des Umweltschutzes und der Sozialpolitik sogar überlegen. Als ein Beispiel für eine Konkordanzdemokratie kann das politische System der Schweiz gelten, wohingegen das britische Westminstermodell den Idealtyp der Konkurrenzdemokratie darstellt.
Was bedeutet repräsentative Demokratie?
Unter einer repräsentativen Demokratie versteht man eine Art der Herrschaftsform, die ganz zentral auf das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation zurückgreift, um verbindliche politische Entscheidungen vorzubereiten, zu legitimieren und zu treffen. Anstelle eines unmittelbar die Gesetze gebenden oder diese gar ausführenden Volkes, wie es in der griechischen Antike in Teilen verwirklicht war, werden hier also Repräsentant*innen oder Abgeordnete per WahlWahl und nur für eine bestimmte Zeit vom souveränen (Wahl-)VolkVolk damit beauftragt, mittelbar den Willen eben dieses Volkes umzusetzen, etwa in Form der Gesetzgebung, Verfassungsgebung, oder -änderung. Die gewählten Volksvertreter*innen finden sich in der Regel in ParteienParteien und diese im ParlamentParlament zusammen, weswegen repräsentative Demokratien auch parlamentarische Demokratien genannt werden, was aber nicht mit dem parlamentarischen Regierungssystem verwechselt werden darf. Mit der Entwicklung des modernen NationalstaatsNationalstaat hat sich die Praxis der Repräsentation für moderne Demokratien weitestgehend durchgesetzt, wenngleich es in den meisten repräsentativ organisierten Demokratien auch plebiszitäre, also direktdemokratische Elemente gibt (siehe hierzu die Frage zur direkten Demokratie). Der repräsentativen Demokratie wird der Vorteil zugeschrieben, die Interessensartikulation und Entscheidungsfindung großer und vor allem pluralistischer Bevölkerungen auf zudem großflächigen Territorien bestmöglich umsetzen zu können. Zudem wird im Prinzip der RepräsentationRepräsentation von dessen Befürworter*innen ein Sperrriegel gegen den angeblich leicht aufzuwiegelnden unmittelbaren VolkswillenVolkswillen gesehen, was der antidemokratischen Stoßrichtung der liberalen Tradition gemäß als ein wesentlicher Garant für die Stabilität und Rationalität der politischen Ordnung der Demokratie sowie der in ihr getroffenen Entscheidungen gilt (siehe dazu die Frage zur liberalen Demokratietheorie). Da das Prinzip der Repräsentation zudem in der Lage ist, gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen MinderheitenMinderheiten Gehör zu verschaffen, wird es auch als eine Absicherung gegen die „Tyrannei der MehrheitTyrannei der Mehrheit“ angesehen. Dank der IntegrationIntegration der Erfahrungen und Interessen von Minoritäten in den Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess trägt es zudem zur Qualitätssteigerung des demokratischen Outputs bei (siehe dazu die Frage zur deliberativen Demokratietheorie). Unter Effizienzgesichtspunkten wird der repräsentativen Demokratie außerdem zugutegehalten, die dauerhafte Einbindung und Professionalisierung von Expert*innenwissen zu ermöglichen. Die gewählten Repräsentant*innen handeln dabei zwar im Namen des Volkes bzw. vertreten dieses, sind jedoch nicht in Form eines imperativen Mandates an einen ohnehin nicht unmittelbar gegebenen Volkswillen gebunden, sondern meist nur ihrem Gewissen, ihrer Urteilskraft, der Verfassung und in einigen Fragen auch ihrer Fraktion gegenüber verantwortlich. Die Abgeordneten demokratischer Parlamente üben also in der Regel freie Mandate aus, im Gegensatz etwa zu Rätesystemen. Die Repräsentant*innen gesellschaftlicher Gruppen wiederum müssen nicht unbedingt formell ernannt sein, sondern können im Zuge demokratischer Proteste sich selbst ermächtigender marginalisierter Gruppen mit informeller Legitimation ausgestattet werden.
Was bedeutet direkte Demokratie?
Eine idealtypische direkte Demokratie, die auch als identitäre Demokratie bezeichnet wird, geht von der Deckungsgleichheit der Herrschenden und Beherrschten, beziehungsweise der Regierenden und Regierten aus. Alle Bürger*innen wären hier also gleichermaßen an der Gesetzgebung, der Ausübung der Gesetze sowie der Rechtsprechung beteiligt. In der Realität findet sich allerdings nirgends ein reines direktdemokratisches System. In den meisten repräsentativen Demokratien werden jedoch direktdemokratische oder plebiszitäre (von lat. Plebiszit = Volksbeschluss) Elemente für besonders legitimierungsbedürftige, hoch umstrittene oder symbolisch herausragende Fälle vorgesehen. Das StaatsvolkStaatsvolk trifft dann als Gesamtheit die grundlegenden politischen Entscheidungen unmittelbar, etwa im Rahmen von VolksabstimmungenVolksabstimmungen, Volksbegehren, Volksentscheiden, in Verfassungsreferenden oder mittels der Wahl der Staatsoberhäupter. Oft wird RousseauRousseau, Jean-Jacques als Urheber der Idee direkter Demokratie genannt, was auch mit der Rezeption seiner Schriften in Carl SchmittsSchmitt, Carl (1888–1985) Souveränitätslehre zusammenhängt. Diese Lesart ist zwar in Teilen berechtigt, im strengen Sinne jedoch nicht korrekt. Denn Rousseau hat selber betont, dass er eine reine Demokratie im Sinne der Identität von Regierenden und Regierten für weder möglich noch wünschenswert hält. Darin ist ihm insofern zuzustimmen, als die Deckungsgleichheit von Herrschenden und Beherrschten, sei sie faktisch existent oder seitens der Machthabenden nur behauptet, eine große Gefahr für die individuelle FreiheitFreiheit und den Schutz der Privatsphäre darstellen kann. Das belegt auch Schmitts Lesart der Schriften Rousseaus, der diese zu einer Befürwortung der DiktaturDiktatur als Ausdruck demokratischer Willensbekundung herangezogen hat. Die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts jedenfalls bauten ihre Gewalt- und Terrorherrschaften auch auf der behaupteten Einheit von Regierenden und Regierten auf. Jedoch gibt es auch demokratische Alternativen zur → RepräsentationRepräsentation durch gewählte Abgeordnete, die versuchen, sich dem Ideal der direkten Demokratie anzunähern, um so die Schattenseiten repräsentativer Systeme, zum Beispiel die Möglichkeit der Korruption, abzufedern. Hierzu zählt etwa das Rätesystem, welches Abgeordnete vorsieht, die von einem Rat in die nächsthöhere Ebene abgesandt und mit einem imperativen MandatMandat, imperatives ausgestattet werden. Sie sind also zwingend an den zuvor demokratisch ermittelten Willen des sie entsendenden Rates gebunden. Direktdemokratische Elemente finden jedoch nicht nur in der Politik Berücksichtigung, sondern auch im Arbeitsleben, etwa klassisch in Form von Arbeiter*innen- und Betriebsräten, wie sie die sozialistische Gesellschaftstheorie als konkreten Institutionenentwurf für die Umsetzung demokratischer Selbstbestimmung entworfen hat. Für die politische Theorie und Praxis moderner Demokratien stellt das Ideal der direkten Demokratie also ein wichtiges kritisches Instrumentarium dar, um Verletzungen der Prinzipien der Gleichheit und Freiheit innerhalb bestehender Herrschaftsverhältnisse in den Blick zu bekommen und anprangern zu können.
Literaturtipp | Der Klassiker zum Thema: Bermbach, U. (Hrsg.): Theorie und Praxis der direkten Demokratie, Westdeutscher Verlag 1973.
Was unterscheidet parlamentarische von präsidentiellen Regierungssystemen?
Ein parlamentarisches Regierungssystem ist neben dem präsidentiellen Regierungssystem eine der zwei hauptsächlichen Typologien, mit denen die Vergleichende Regierungslehre arbeitet. Mittels dieser Typologien wird die real existierende Vielzahl an unterschiedlichen Formen von Regierungssystemen gebündelt, um so vergleichend untersuchen zu können, wie und mit welchen Vor- und/oder Nachteilen jeweils das spezifische Verhältnis zwischen Staatsoberhaupt, Regierung und Parlament geregelt ist. Als Vorlage für die beiden Modelltypen dient das britische Westminstermodell für die parlamentarische und das US-amerikanische politische System für die präsidentielle Demokratie. Laut dem Politikwissenschaftler Winfried SteffaniSteffani, Winfried (1927–2000) ist die Möglichkeit der Abberufung der Regierung durch das Parlament aus politischen Gründen das wichtigste Unterscheidungsmerkmal präsidentieller und parlamentarischer Regierungssysteme. Alle Regierungssysteme, deren Parlamente über ein Abberufungsrecht aus politischen Gründen verfügen, gehören für ihn zum Typus des parlamentarischen Regierungssystems, alle anderen zum Typus präsidentielles Regierungssystem, wo eine Abberufung nur aus verfassungsrechtlichen Gründen möglich ist. Weitere Unterscheidungsmerkmale, auf welche in der Forschung zurückgegriffen wird, sind die Frage nach einer doppelten Exekutive, bestehend aus Präsident*in oder Monarch*in sowie Premierminister*in in der parlamentarischen, oder einer geschlossenen Exekutive in der präsidentiellen Demokratie, wo die Staatspräsident*in zugleich Regierungschef*in ist. Parlament und Regierung stehen im präsidentiellen Regierungssystem eher unverbunden nebeneinander und werden zur Kooperation gezwungen, während sich die Gewalten im parlamentarischen Regierungssystem eher verschränken und die Parlamente die Regierung bestellen, sprich aus ihrer Mitte heraus bestimmen. Im präsidentiellen System hingegen wird das Staatsoberhaupt mehr oder weniger direkt vom Volk gewählt. Die Parlamente in präsidentiellen Systemen legen den Fokus daher auf die Gesetzgebungsfunktion und die Kontrolle der Regierung, was im parlamentarischen System die OppositionOpposition innerhalb des Parlaments gegenüber der aus der Parlamentsmehrheit hervorgegangenen Regierung übernimmt. Im parlamentarischen System ist laut Steffani zudem die Vereinbarkeit von Regierungsamt und Parlamentsmandat möglich, was im präsidentiellen System ausgeschlossen ist. Wo die Regierung im parlamentarischen System das Parlament prinzipiell auflösen kann, ist dies der Präsident*in im präsidentiellen System nicht möglich. Hier ist zudem die Fraktionsdisziplin weit geringer ausgeprägt als im parlamentarischen System. Wie alle Modelle offenbart auch diese Dichotomie ihre Grenzen und Schwächen bei der Anwendung auf die empirische Vielzahl an existierenden Systemen, so dass ausgehend von den zwei Grundtypen weitere Kategorien gebildet worden sind. Hierzu zählt etwa das semi-präsidentielle Regierungssystem als Mischform des parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystems, wozu zum Beispiel Frankreich gerechnet wird.
Literaturtipp | Weitere Einblicke in die verschiedenen Regierungssysteme geben die beiden folgenden Einführungen: Lauth, H.J.: Vergleichende Regierungslehre. Eine Einführung, Springer VS 2010 und Steffani, W.: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie. Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien, Opladen. 1979.
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