Kitabı oku: «Die Krimizimmerei»
o
Die Krimizimmerei
Spannende Kurzgeschichten für Kinder
Band 3
Martina Meier (Hrsg.)
o
Impressum:
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de
© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchausgabe erschienen 2020.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Cover gestaltet mit einem Bild von viktoriagam – Adobe Stock lizensiert
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
ISBN: 978-3-86196-866-5 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-303-3 - E-Book
*
Inhalt
Der Einbrecher
Rache ist süß
Der kleine Detektiv
Kommissar Kartuschke und ein Fall, der sich gewaschen hat!
Die verschwundenen Schularbeiten
Die räuberischen Feen
Das Verbrechen um Niklas Wilson
Die Birnenfälscher
Die verschwundene Zeugin
Rätsel um den Mitternachtsdieb
Entführung in der Birkmanstreet?
Entführung in Hollywood
Der Süßigkeiten-Dieb
Die gelöschte Welt
Die tödlichen Klippen
Der gestohlene Pokal
Wenn Liebe zum Verhängnis wird
Die verschwundene Kette
Der gestohlene Diamant
Die mysteriöse Entführung
Land der Bösen
Der akrobatische Dieb
Ein gestohlener Pokal
Träume
Der Feuerteufel
Kommissar Horn löst jeden Fall
Die geheimnisvollen Masken
Angriff in der Mumiengruft
Kriminalfall in Blütenbach
Rache ist teuer
Drajo, Trio und die Goldene Flamme
Rosie
Ben
Die drei Spürnasen und die verschwundenen Tiere
Der geheimnisvolle Alex
Die vertauschten Schularbeiten
Max, Andreas und der verschmutzte Fluss
Detektivbüro Flinke Schnauze: Die Super-Lupe
Escaperoom: Die verschwundene Brieftasche
Tina, Robin und der Spieledieb
Die verschwundene Prinzessin Beatrice
Die gestohlenen Hunde – Detektiv Lex Luther ermittelt
Eine tödliche Safaritour
Officer Jim: Montevideo
Der Traumfänger
Die alte Burg
Die geheimnisvolle Tür
Der Blutstein
Mord oder Unfall, das ist hier die Frage ...
Die Chilis in geheimer Ferienmission
Wer ist der wahre Täter?
Der Besserwisser
Wenn der Chef-Vampir dich zur Leiche freigibt
Der Nordgipfel lebt
Der verfälschte Einbruch
Syloff in Gefahr
Der Erpresserbrief
Pony-Diebstahl
Versteckter Raub
Schulärger
Gestohlen
Die leblose Frau
Laborprobendiebstahl
Gangster Hiltrude
Das Ostfriesenrätsel
Nelly wurde gestohlen
Traumberuf Detektiv
Die gestohlenen Kinder
Sherlock Holmes der Zweite
Die manipulierte Kochshow
Fotos, Gemälde und ein Krimi
Die Black Jackets
Mission T.d.P.
Dalmatiner auf Spurensuche
Der verschollene Diamant
Herr Gurkenzahn wurde entführt
Die zwei Punkte .. und das grüne Amulett
Die Pferde-Detektivinnen
Der Schokoladendieb
Lucys Geheimnis
Eine unerwartete Falle
Der verschwundene Saphir
Der Dieb im Elfenreich
Das entführte Kind
Leo und Mara werden Detektive
Die verschwundenen Sportsachen
Tatort Rieskratermuseum
Der gestohlene Hund
Die Detektivbande Foom ermittelt
Die Zeitmaschine
Die Entführung des Türmers
Der Gelddieb
Inspektor Schlauschwanz und die geklauten Möhrchen
Schattendetektivtagebuch
Mord in Italien
Der verschwundene Sieger
Im Wald des Schicksals
Die Suche nach der verschwundenen Frau
Unsere Schreibwettbewerbe für Kinder und Jugendliche
Unser Buchtipp
*
Der Einbrecher
Jetzt sitzt Axel bereits seit zwei Wochen in diesem – zugegeben – nicht sehr kuschlig wirkenden Krankenhaus. Was ihm fehlt, weiß er selbst nicht mehr genau, Ärzten und seinen Eltern hat er nie wirklich zugehört, als sie ihm die Situation erklären wollten. Eines weiß aber Axel mit felsenfester Überzeugung. Er hält es einfach nicht mehr aus in diesem tristen Zimmer, die einzige Dekoration, die das gänzlich in Weiß gehaltene Zimmer aufhellt, ist der bunte Blumenstrauß aus Plastik, der einsam auf einen kleinen Hocker gestellt wurde.
Axel ist kein Junge, der sich leicht unterkriegen lässt, auch wenn er geschwächt ist und sich manchmal vor Magenschmerzen krümmt – von einem Klinikum lässt er sich nicht langweilen. Und so fasst Axel einen Beschluss: Er verlässt seine weiße Zelle und sucht nach etwas Abwechslung. Na, wenn er nur gewusst hätte, in welches Abenteuer sich da noch stürzen würde ...
Axel war klug genug, sich heimlich in Alltagsklamotten zu werfen, um weitgehend unbemerkt durch die eintönigen Gänge der unüberschaubar großen Klinik zu schlendern. Alles, was der Junge eigentlich wollte, war, einen Weg nach draußen zu finden, etwas spazieren gehen und rechtzeitig zurückkehren, noch bevor jemand sein Wegbleiben bemerke und ihn suchen ging. Der Plan hätte ja sogar aufgehen können, hätte er sich nicht schon nach wenigen Minuten verlaufen. Jetzt raste er schon förmlich durch die Gänge, versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren und ja nicht aufzufallen.
Was jetzt? Jemanden fragen?
Das kam für den mutigen Axel definitiv nicht infrage, schließlich nahm er alles selber in die Hand und ließ sich sehr ungern helfen. Ihm zugutekam das Glück, dass an diesem Dienstag ungewöhnlich wenig los war und er sich so keinem großen Publikum aussetzen musste. Er durchlief Dutzende Türen, hastete durch etliche Gänge, aber kein Ausweg war in Sicht. Die Informationstafeln an jeder Ecke waren auch nicht sehr hilfreich, zu kompliziert die ganzen Wegbeschreibungen. Diese blöde Erwachsenensprache!
Es könnte oft so viel einfacher sein, sich zu verständigen ...
Und dann geschah das, was er erst nicht glauben wollte. Am anderen Ende eines weiteren Korridors stand plötzlich ein in einen riesigen Mantel gehüllter Mann, auf seinem Haupt ein kaffeebrauner Hut mit gigantischer Krempe, mit dem Rücken zu Axel. Als ob das nicht schon verdächtig genug gewesen wäre, hielt der groß gebaute Mann ein Messer, nein, ein Skalpell in seiner linken Hand. Woher er das hatte? Er hatte es offensichtlich geklaut ... Die mysteriöse Gestalt schaute sich zwar um, vergaß aber, nach hinten zu schauen – ein großes Glück für Axel. Allgegenwärtig dachte dieser nämlich nur noch eines: „Verfolgen!“
Axel war ein Meister im unauffälligen Verfolgen, dachte er zumindest. Er ging dem Mann hinterher, Gang für Gang, und dachte, nicht bemerkt worden zu sein, doch dann bliebt der Mann ganz plötzlich stehen und unserem Junior-Detektiv gefror das Blut in den Adern. Ob ihn seine Schritte, die vielleicht doch nicht so leise gewesen waren, wie er gedacht hat, verraten hatten?
Der Mann drehte sich ganz langsam um. Zum Vorschein kam ein durch eine große Sonnenbrille verhülltes Gesicht, die Hutkrempe bis in die Stirn gezogen. Ein grauer Stoppelbart wuchs rund um den ungewöhnlich roten Mund des Unbekannten, der sich jetzt mit langsamen Schritten auf Axel zu bewegte, während unser mutiger Patient in Jeans und T-Shirt wie angewurzelt noch immer auf haargenau demselben Platz stand.
Der Fremde vermochte eine ganz gewisse Kraft auszuüben, eine, die Axel zu versteinern wusste. Doch dann kam der rettende Gedanke. „Lauf!“, schoss es ihm durch den Kopf, während der Koloss bereits die Hand, in der er das Messer hielt, hochhob. Eine Verfolgungsjagd begann, die der geschwächte Axel sicherlich nicht für sich hätte entscheiden können, wäre da nicht plötzlich ein ordentlicher Aufprall und ein metallenes Klirren zu hören gewesen. Unser verzweifelter Axel blieb zwar stehen, konnte sich aber unter keinen Umständen umdrehen.
Stille.
Diese wurde von einer warmen, aber sehr tiefen Stimme unterbrochen „Axel Juranek?“
Wusste der gefährliche Unbekannte etwa auch schon, wie Axel hieß? Reflexartig drehte sich der mutige Junge um und ... erblickte den im Mantel umhüllten Mann auf dem Boden, überwältigt von einem Polizisten, hinter dieser Szenerie eine Krankenschwester mit einem weiteren Polizisten.
„Wir haben ihn überwältigt, stellen ihn an der Wache ab“, raunte der zweite Polizist in seine Jacke. „Glückwunsch, kleiner Ausreißer.“
Axel konnte nur staunen.
„Dank dir sind wir einer heißen Spur auf die Schliche gekommen.“
Die Sonnenbrille des Fremden wurde vom ersten Polizisten abgenommen, erboste, tiefblaue Augen schauten Axel erzürnt an. Schließlich brach Axel zusammen, die Besinnung verlierend ...
Später sollte sich herausstellen, dass der Fremde Markus Achter war, ein von der Polizei gesuchter Verbrecher, berüchtigt für seine gefährlichen und fahrlässigen Taten, etwa ein geplanter Mord an einem der Ärzte in einer unscheinbaren Klinik, an einem ebenfalls so ordinären Dienstag ...
Ernad, aus Linz, Österreich
*
Rache ist süß
Krachend schlug die Schlafzimmertür zu. Benji Joel Klows Schädel brannte wie Feuer, denn Taro, sein Opa, hatte ihm zuvor einen kräftigen Schlag mitten ins Gesicht verpasst, bevor er ihn rückwärts zu Boden stieß. Benji Joel Klow hatte nämlich seit zwei Tagen den Haushalt nichts mehr gemacht. Nun lag er da wie ein toter Vogel, der aus dem Nest gefallen war, und bewegte sich kaum. Der fahle Mondschein sickerte durch das Dachfenster und im Mondlicht konnte man deutlich den großen Lindenbaum im Garten erkennen. Da ertönten zwölf Glockenschläge der Kirchturmuhr.
Ding, Dong, Ding, Dong … Es war Mitternacht. Irgendwo draußen hörte man ein leises Rascheln und der Wind blies durch das offene Fenster und ließ es klappern. Es war bitterkalt.
Nachdem er sich von dem Schrecken erholt hatte, stand Benji Joel Klow langsam auf. Er taumelte rückwärts über den knarrenden Holzboden und stolperte dabei aus Versehen über etwas Hartes. Benji Joel Klow rappelte sich blitzschnell wieder auf und landete direkt in dem Ehebett, das einmal seinen Eltern gehört hatte. Seine Mutter Lilith Antong wurde nämlich aufgrund psychischer Probleme in eine Irrenanstalt eingewiesen und saß dort schon 13 lange Jahre, und das nur, weil sie so um ihren verstorbenen Ehemann Livian Klow trauerte, der wegen eines schweren Autounfalls gestorben war.
Benji lag immer noch mucksmäuschenstill im Bett und rieb sich den Schädel. „Hoffentlich keine Gehirnerschütterung oder Schlimmeres“, jammerte er leise vor sich hin.
Plötzlich krachte die Eingangstür ins Schloss. „Wer kann das um die Zeit noch sein?“, fragte sich Benji ratlos.
„Wo warst du, Yara?“, brüllte Taro.
Entsetzt wirbelte Yara zum Wohnzimmer herum. Dort saß Benjis Opa Taro gemütlich ihn einem Armsessel. In der rechten Hand hielt er seinen Kaffee und trank genüsslich ein paar Schlückchen, wobei ihm ein bisschen auf sein Hemd tropfte. In der linken Hand hielt er seinen schwarzen, alten Gehstock. Taro starrte Yara mit großen Augen an. Irgendwie sah es so aus, als würde er sie gleich auffressen. Mit seinem dicken, roten Pullover und seiner weiten, schwarzen Schlabberhose sah er aus wie ein zusammengefallener Sack.
Yara schluckte. Sie suchte nach einer Ausrede, doch sie brachte kein einziges Wort heraus. Schließlich war sie es nicht gewohnt, angeschrien zu werden, und sie hatte auch ein wenig getrunken.
„Du kannst in Benjis Zimmer übernachten, ich denke, er schläft schon, aber ihr könnt euch ja morgen kennenlernen. Wir reden morgen wieder und ich werde es deinen Adoptiveltern weiterleiten, dass du so lange unterwegs warst! Übrigens, sein Zimmer ist gleich um die Ecke, dann die Treppe rauf.“
„D…daankke“, stotterte Yara. Sie war völlig überrascht, dass Taro so launisch sein konnte.
Benji hatte alles belauscht, doch wer war diese Person? Langsam wurde es ihm ein bisschen unheimlich, schließlich würde in wenigen Sekunden irgendeine fremde Person in seinem Zimmer schlafen. Benji beschloss, einen Plan auszudenken, doch dafür war es zu spät. Langsam, ganz langsam bewegte sich die Türklinke und die Tür glitt auf.
Im Mondschein konnte er ein wunderschönes Mädchen mit vielen Locken erkennen, aber Benji hatte trotzdem riesige Angst, denn wer wusste schon, was diese Person mit ihm anstellen würde. Also schloss Benji die Augen und tat so, als schliefe er schon längst. Sekunden später war er so müde und kaputt, dass er tatsächlich tief und fest einschlief.
Morgens um sechs Uhr rüttelte der Wecker die beiden unangenehm aus dem Schlaf. Yara gähnte laut und stand langsam und müde auf. Benji streckte und reckte sich, und da er noch nicht richtig wach war, erschrak er zuerst, als er Yara sah.
Sie jedoch griff gleich ein und räusperte sich: „Keine Angst, ich werde dir das alles erklären.“
„Allerdings, das solltest du“, antwortete Benji verängstigt.
„Du musst mir aber versprechen, dass du dich nicht erschreckst, verstanden?“, fragte Yara.
„Verstanden“, äußerte sich Benji.
„Also, machen wir es kurz. Unsere Eltern, Lilith Antong und Livian Klow haben uns getrennt. Du bist mein Zwillingsbruder Benji!“, erklärte Yara ganz ruhig und einfühlsam.
Eine halbe Minute war vergangen und Benji konnte es immer noch nicht fassen, dass er eine Schwester hatte – und noch dazu eine Zwillingsschwester. Aber was wäre, wenn Yara lügen würde, was, wenn sie und Opa Taro unter einer Decke steckten? Diese und noch viel mehr Fragen rasten Benji in Sekunden durch den Kopf.
Fest entschlossen blickte er zu ihr hoch und erklärte: „Wenn du meine Zwillingsschwester bist, musst du auch am selben Tag geboren sein, es tut mir leid, aber ich kann dir erst glauben, wenn …“
Ohne zu zögern, holte sie ihren Reisepass heraus und unterbrach ihn: „Natürlich, das kann ich völlig verstehen, an deiner Stelle hätte ich auch totale Angst. Hier, schau, 19. Juni 2004 wie du, oder?“
Benji war baff. Es stimmte alles bis aufs kleinste Detail. Das Datum, der Geburtsort N.Y.C., einfach alles. Das war seine Schwester, seine Schwester, die er seit 13 Jahren nicht gesehen hatte. Auf einmal schwirrte ihm eine Frage durch den Kopf.
„Du Yara?“, fragte er wissbegierig.
„Ja“, nuschelte sie.
„Weißt du eigentlich, warum Mum und Dad uns getrennt haben?“, erkundigte sich Benji.
Yara hatte sich gerade umgezogen, kam nun zu Benji, setzte sich auf die verknuddelte Bettdecke und fing an zu erzählen: „Ja, meine Adoptiveltern haben mir alles an meinem Geburtstag vor zwei Tagen erklärt. Früher sagten sie immer, meine richtigen Eltern wären bei einem Autounfall gestorben und ich hätte keine Verwandten mehr. Ein Teil davon stimmte ja, Livian, unser Dad, ist ja bei einem Autounfall gestorben, doch der Rest war völliger Schwachsinn. Als ich an meinem 13. Geburtstag von meinen Adoptiveltern erklärt bekam, dass Lilith, unsere Mum, in einer Irrenanstalt ist und dass ich einen Zwillingsbruder in L.A. habe, bin ich völlig ausgerastet, habe die Telefonnummer von unserem Opa Taro herausgefunden, ihn angerufen und gefragt, ob es okay wäre, wenn ich euch mal besuchen würde. Dann bin ich mit dem nächsten Flieger nach L.A. geflogen. Taro wusste schon Bescheid, bevor ich angerufen habe, doch er hat dir nie etwas erzählt, oder?“
„Nein“, verkündete Benji, „hat er nicht.“
„Ich hatte nie die leiseste Ahnung, dass es dich gibt. Meine Adoptiveltern haben mir dann erzählt, dass unsere Eltern gar nicht wussten, dass es Zwillinge werden, und als wir dann kamen, wurde es ihnen zu viel und sie gaben ein Kind zur Adoption frei. Schließlich kamen sie ja nicht einmal mit einem Kind zurecht, und als Dad starb und Mum in die Irrenanstalt musste, gaben sie dich an Opa Taro weiter. Sie alle beschlossen, es mir am 14. Geburtstag zu erzählen, weil ich dann schon alt genug wäre. Ich kann es einfach nicht fassen, dass sie uns getrennt haben. Ich bin so wütend auf unsere Eltern“, fauchte sie.
„Das kann ich ja verstehen. Ich bin auch total wütend auf Taro und unsere Eltern, aber sieh es doch mal so. Wenigstens haben wir uns jetzt kennengelernt und nicht erst in zehn Jahren oder später“, erwiderte Benji.
„Ja, du hast ja recht, Bruderherz. Gehen wir ins nächste Café, trinken einen heißen Kakao mit extra viel Schlagsahne, das ist nämlich mein Lieblingsgetränk? Dann können wir uns die ganzen Geschichten erzählen, die wir erlebt haben“, meint Yara.
„Ja, ich liebe Kakao und Schlagsahne! Ich kenne ein gutes gleich um die Ecke, da war ich mit Mum immer am Sonntagnachmittag, als es ihr noch besser ging“, entgegnete Benji.
Die beiden rannten um die Ecke in das Café, bestellten für jeden drei Portionen heißen Kakao mit extra viel Schlagsahne und plauderten den ganzen langen Tag bis zum späten Abend hin. Seit diesem Tag schworen sich die beiden, sich nie mehr trennen zu lassen, egal, was passieren würde, denn sie würden die dicksten Freunde, die man sich nur vorstellen könnte.
Gegen neun Uhr abends schloss das Café und Yara und Benji mussten nach Hause. Als sie aus dem Café rauskamen, war es schon stockdunkel, eiskalt und sehr nebelig, dabei war es erst Juni. Sie liefen rasch die engen, kleinen Gassen entlang und bogen dann um die Ecke. Außer ein paar Autos, die auf der Straße fuhren, und den Bäumen, die im kalten Wind rauschten, war nichts zu hören.
Plötzlich flackerte das Licht von ein paar Straßenlaternen und die beiden konnten gerade noch sehen, wie eine dunkle, unheimliche Gestalt neben ihnen durch die Lichter huschte. Die Person hatte schwarze Kleidung an, dunkles, gelocktes Haar und in der rechten Hosentasche konnte man die Umrisse einer Pistole erkennen. Im Licht der Straßenlaternen erschien es, als bestünde dieser Mensch nur aus Nebel. Yara und Benji blickten noch einmal nach hinten, und als die Gestalt die beiden plötzlich bemerkte und ihnen folgte, rannten Yara und Benji, so schnell sie konnten, in die Richtung ihres Schlosses. Sie bogen um die Ecke ab und da schrie Yara unerwartet auf: „Aaaahhhhh!“
Benji drehte sich hektisch um. Yara war gestolpert. Sie saß am Boden wie ein verkrüppeltes Irgendetwas und umklammerte ihren Fuß. „Ich denke, er ist gebrochen!“, stammelte Yara.
„Komm, Yara, streng dich an! Wir müssen weiterlaufen, wenn uns diese unheimlich gruselige Gestalt mit der Pistole erwischt, dann sind wir dran!“, quasselte Benji hilflos.
Yara versuchte vergeblich, aufzustehen, doch sie fiel immer wieder hin. Benji unterstützte sie verzweifelt an den Armen, aber sie kamen nur ganz langsam voran. Nun waren es geschätzt nur mehr zehn Meter, bis die furchtbare Gestalt sie eingeholt hatte. Benji nahm Yara huckepack und rannte mit ihr los. Nach wenigen Sekunden war Benji schon im Garten seines Opas angelangt. Er rannte durch die Autowerkstatt und knallte die Türe hinter sich zu. Sie waren in Sicherheit! Eines wussten sie jetzt schon, dass diese Figur nichts Gutes im Schilde führte.
Später, als sie sich beruhigt hatten, saßen sie mit ihrem Opa Taro auf der gemütlichen Couch und aßen Pommes mit Ketchup zum Abendessen. Die schwarz gekleidete Person mit der Pistole in der rechten Hosentasche hatten sie schon längst wieder vergessen. Sie plauderten über die Eltern der Zwillinge.
Neugierig fragte Yara: „Opa Taro, weißt du eigentlich, wie unser Dad Livian ausgesehen hat?“
„Ja, und zwar bis ins kleinste Detail. Wisst ihr, euer Vater war mal im Gefängnis, er hat nämlich jemanden unschuldigen und nur aus Lust gefoltert und dann ermordet. Und ich habe ihn an die Polizei verraten. Nun hasste er mich und sagte, es gäbe Rache, doch bis jetzt ist nichts passiert. Aber seht es euch selbst an“, nuschelte Opa Taro und übergab ihnen ein Fotoalbum von Livian.
Yara und Benji flitzten blitzschnell in ihr Zimmer und schlugen das verstaubte Fotoalbum auf. Auf der ersten Seite stand:
Fotoalbum von Livian-Peter Klow.
Das Papier war schon so dreckig und verstaubt und die Schrift so verschnörkelt, dass es sehr schwer zu entziffern war. Keiner der beiden hatte gewusst, dass Livian mit zweitem Namen Peter hieß. Sie blätterten weiter, sahen viele nette, dunkelhaarige Livian-Peters, doch auf einer Seite fanden sie die Sterbeurkunde von Livian Peter. Sie waren kurz davor, weiterzublättern, als Yara zufällig etwas ins Auge stach.
„Sie mal da!“, sagte sie und las lauthals vor: „Sterbeurkunde von Livian-Peter Klow. Sterbedatum: Kann man nicht genau sagen, vermutlich der 17. Juni 2005, Grund: Im Moor mit Auto versunken, Leiche war nicht auffindbar.“
Benji brachte nur ein paar Worte heraus und stotterte: „Ddd…as heißt also unser Ddd…aad könnte iiiii…mmer noch leben?“
„Haarnadelscharfgenau“, bemerkte Yara.
Benji drehte das Buch um und da fiel plötzlich ein Blatt Papier heraus. Es war ein Zeitungsartikel. Eine Vermisstenanzeige aus dem Jahre 2005. Die Schlagzeile war:
Wer hat diesen Mann gesehen?
Darunter klebte ein Bild von einer schwarzen Gestalt. In der rechten Hosentasche konnte man die Umrisse einer Pistole erkennen und die Person trug schwarze herabfallende Kleidung. Genauso hatte der Mann ausgesehen, den sie heute gesehen hatten.
Eine lange Weile fragten sie sich, wer diese Gestalt nur sein konnte. Dann liefen sie schnell sie die alte und fast zusammenbrechende Treppe runter und waren auf dem Weg ins Wohnzimmer, um zu fragen, ob Opa Taro mehr über diese Gestalt wusste. Schon kurze Zeit später hörten sie einen Schuss. Mutig, aber erschrocken schlichen sie den weißen, langen Korridor entlang. Es ertönte noch ein Schuss und kurze Zeit später noch einer. Zum Schluss schrie jemand so schrill, dass es ihnen eiskalt über den Rücken lief und sie Gänsehaut bekamen.
Langsam gingen sie den Gang weiter entlang und blickten um die Ecke. Was sie sahen, ließ sie blass werden. Yara war die Mutigere von beiden. Sie hielt Benji an der Hand und rannte um die Ecke und kniete sich hin und klagte: „Nein, nein, nicht Taro, nicht Taro!“ Vor ihnen lag Taro tot auf dem Wohnzimmerboden. Er lag da, seine Augen waren weit geöffnet. Von der brüchigen Decke tropfte Wasser herab und ihm strömte Blut aus seinem Hinterkopf. Taro fühlte sich kalt an und sein Herz pochte nicht mehr. Blut überschwemmte den Wohnzimmerboden. Jeder, der Opa gekannt hatte, wusste, dass er nicht besonders gläubig gewesen war und deswegen auch nicht an die Hölle und den Himmel glaubte. Doch irgendwie sah es jetzt so aus, als würde seine Seele in den Himmel steigen.
Obwohl es erst gestern gewesen war, dass Yara Opa Taro kennengelernt hatte, kam es ihr so vor, als kannte sie ihn schon ihr ganzes Leben. Ein leichter Strahl wie von einem roten Scheinwerferlicht drang durch das Fenster auf die Leiche. Es war Vollmond. Blutvollmond.
Yara, immer noch mit Benji an der Hand, trauerte um ihren Opa. Tränen über Tränen platschten auf den blutverschmierten Wohnzimmerboden nieder. Benji lehnte sich über seinen Opa, als er dabei etwas Hartes, Langes hinter Opa Taros Kopf bemerkte. Benji zog es hervor und zeigte es Yara. Es war eine Pistole. Eine schwarze, lange Pistole. Er nahm sie in die Hand und untersuchte, ob irgendetwas Verdächtiges auffiel. Doch er konnte nichts finden.
Schritte unterbrachen die Stille. Wenige Sekunden später tippte jemand Yara auf die Schulter. Sie wollte schreien, doch eine unsichtbare Hand schien ihren Hals zu würgen, sie brach kein Wort über die Lippen, also atmete sie zweimal tief ein und aus und drehte sich dann blitzschnell um.
Inzwischen hatte auch Benji gemerkt, was passiert war, und drehte sich um. Yara fiel in Ohnmacht. Benji konnte sie gerade noch halten und legte sie sanft auf den Teppich, der im Flur lag. Er beschloss, nicht gleich in Panik auszubrechen. Doch dann geschah etwas unglaublich Komisches.
Die Person griff nicht an oder tat sonst irgendetwas in der Art, sondern fiel rückwärts zu Boden und krächzte nur kaum hörbar: „BENJI JOEL!“
Benji traute sich nicht, eine Bewegung zu machen. Zum Glück kam nun Yara wieder zu sich und ging zu Benji hinüber. „Lebt er noch?“, fragte sie.
„Ich glaube nicht“, antwortete Benji. Benji blieb ganz plötzlich der Mund offen und er starrte nur auf einen Punkt.
„Was ist denn, Benji?“, fragte Yara verzweifelt.
Lautlos zeigte er mit nur einem Finger auf die Jackeninnenseite des Mannes, denn ein kleines Stückchen der Jacke war umgeklappt, als die Gestalt umfiel. Dort stand in einer kleinen Ecke gut sichtbarer und von Hand geschriebenen Buchstaben: J.P.K..
Und als sie in der stockdunklen Nacht durch das Fenster plötzlich einen Regenbogen erkennen konnten, wussten sie: Das war nicht das Ende ...
Anja, 12 Jahre, aus Götzis, Österreich.