Kitabı oku: «Frankenstein oder Der moderne Prometheus », sayfa 10
Kapitel 16
Verfluchter, doppelt verfluchter Schöpfer! Warum mußte ich auch leben? Warum erlosch damals nicht der Funke, den du leichtfertig und frevelhaft entfachtest? Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich nicht verzweifelte, sondern daß die Gefühle der Wut und der Rachsucht überwogen. Ich hätte am liebsten das Haus und seine Inwohner vernichtet und mich an deren Todesangst und Schmerzgeheul ergötzt.
Als es Nacht wurde verließ ich mein Asyl und wanderte in den Wald. Und nun, da ich die Entdeckung nicht mehr fürchtete, machte ich meinem Weh in lautem Brüllen Luft. Ich war wie ein wildes Tier, das die Stäbe seines Käfigs zerbrochen hat. Ich rannte wie ein Stück Wild durch den Wald und zerstörte alles, was mir in den Weg kam. Es war eine entsetzliche Nacht, die ich da draußen verbrachte. Die eiskalten Sterne funkelten, als wollten sie mich verhöhnen, und die Bäume schüttelten ihre nackten Arme über mir. Zuweilen ertönte der Schrei eines Vogels durch die Stille. Alles war ruhig und friedlich außer mir selbst, denn ich trug, wie der böse Feind, eine ganze Hölle in meiner Brust. Und da ich nirgends Liebe finden konnte, so sehnte ich mich danach, Zerstörung und Verwüstung rings um mich zu verbreiten und mich dann, auf den Trümmern sitzend, darüber zu freuen.
Aber diese Gefühle waren zu mächtig, als daß sie von allzulanger Dauer hätten sein können; ich war auch körperlich zu sehr ermüdet. Ich sank auf den feuchten Boden nieder und grübelte über mein Elend nach. Unter den Millionen Menschen war nicht einer, auch nicht einer, der mir geholfen oder auch nur Mitleid mit mir gehabt hätte, und ich sollte gegen meine Feinde mild und gut sein? Nein! In diesem Augenblick erklärte ich dem ganzen verruchten Geschlecht Krieg bis aufs Messer, und besonders dem, der mich gebildet und an all dem unsäglichen Leid Schuld trug.
Nach Sonnenaufgang hörte ich Menschenstimmen in der Nähe des Hauses und ich wußte, daß ich diesen Tag wohl nicht mehr in meinen Schuppen würde zurückkehren können. Ich versteckte mich deshalb in ein wirres Dickicht und beschloß, die kommenden Stunden mich ganz der Betrachtung meiner Lage hinzugeben.
Der helle Sonnenschein und die reine Luft gaben mir einigermaßen wieder das Gefühl der Ruhe. Und wenn ich mir so überlegte, was in de Laceys Hause vorgefallen war, konnte ich mir den Vorwurf nicht ersparen, daß ich zu voreilig mit meinen Schlüssen gewesen war. Jedenfalls hatte ich recht unklug gehandelt. Offenbar hatte die Unterhaltung mit mir dem alten Manne gefallen und es hätte gar keine Eile gehabt, mich den Blicken der Jungen auszusetzen. Ich hätte erst versuchen sollen, den alten de Lacey an mich zu fesseln und mich dann den jungen Leuten zu entdecken, wenn sie genügend auf mein Kommen vorbereitet waren. Aber ich meinte, daß der Fehler wieder gut zu machen wäre, und beschloß nach reiflicher Überlegung, zu dem Hause zurückzukehren, den Alten aufzusuchen und ihn durch meine eindringlichen Worte mir geneigt zu machen.
Diese Gedanken beruhigten mich und am Nachmittag versank ich in tiefen Schlaf. Friedliche Träume wollten mir allerdings nicht nahen, dazu war mein Blut noch zu erregt. Die schrecklichen Bilder des vorhergehenden Tages schwebten mir immer noch vor Augen. Ich sah, wie die Frauen flüchteten und Felix mich vom Vater wegriß. Ich erwachte, von Grauen geschüttelt. Da es schon Nacht geworden war, kroch ich aus meinem Versteck und begab mich auf die Nahrungssuche.
Nachdem ich meinen Hunger gestillt, lenkte ich meine Schritte auf wohlbekannten Pfaden zu dem Hause de Laceys. Dort war es still. Ich kroch in den Schuppen und erwartete mit Bangen die Stunde, zu der die Familie sich gewöhnlich zu erheben pflegte. Diese Stunde war nun längst vorüber. Die Sonne stieg höher und höher, aber von den Hausbewohnern ließ sich niemand blicken. Ich zitterte an allen Gliedern und die bange Frage quälte mich, ob denn da kein Unglück geschehen sei. Im Hause war es finster und nicht das geringste Geräusch war zu vernehmen. Die Ungewißheit verursachte mir gräßliche Qualen.
Plötzlich kamen zwei Landleute des Weges. Sie blieben vor dem Hause stehen und begannen, heftig gestikulierend, eine aufgeregte Unterhaltung. Ich konnte sie nicht verstehen, da sie sich in der Sprache des Landes unterhielten, die ja eine ganz andere war, als die meiner Freunde. Einige Zeit später kam Felix mit einem Begleiter. Ich war darüber sehr erstaunt, denn ich wußte, daß er das Haus heute noch nicht verlassen hatte, und konnte es kaum erwarten, aus seinem Gespräche zu erfahren, was da eigentlich vorgegangen sei.
»Bedenkt Ihr denn nicht,« sagte sein Begleiter zu ihm, »daß Ihr die Miete für drei Monate umsonst zu zahlen habt und außerdem aller Eurer Gartenfrüchte verlustig geht? Ich will mich nicht ungerecht bereichern und bitte Euch, noch ein paar Tage die Sache zu überlegen.«
»Es ist ganz zwecklos,« erwiderte Felix, »wir können nie und nimmermehr dieses Haus bewohnen. Das Leben meines Vaters ist seit jenem schrecklichen Ereignis, von dem ich Euch berichtet, in äußerster Gefahr, und mein Weib und meine Schwester haben sich noch nicht von ihrem Entsetzen erholt. Ich bitte Euch, nicht weiter in mich zu dringen. Ergreift wieder Besitz von Eurem Eigentum und laßt uns von diesem Platze fliehen.«
Felix zitterte an allen Gliedern, während er so sprach. Er und sein Begleiter begaben sich in das Innere des Hauses. Ganz kurze Zeit blieben sie darin und gingen dann zusammen fort. Seitdem habe ich niemand mehr von der Familie de Lacey gesehen.
Den Rest des Tages verbrachte ich in meinem Schuppen und gab mich der tiefsten Verzweiflung und dumpfem Schmerze hin. Meine Beschützer waren fort und hatten so das einzige Band zerrissen, das mich an die Welt fesselte. Es war das erste Mal, daß Gefühle der Rachsucht und des Hasses in meiner Brust Raum fanden, und ich gab mir keine Mühe sie zu unterdrücken. Ich ließ mich von dem Strome tragen, der mich zu Verbrechen und Mord hinführte. Der Gedanke an meine Freunde, an die milde Stimme des Greises, die schönen Augen Agathes und an den Liebreiz Safies verdrängte immer wieder auf kurze Zeit meine bösartigen Gefühle. Aber wenn ich mir überlegte, daß sie mich vertrieben, mich geschlagen hatten, dann kehrte die Wut wieder, eine maßlose Wut; und da kein menschliches Wesen da war, an dem ich meine Raserei hätte austoben können; stürzte ich mich auf Unbelebtes. Als es Nacht wurde schleppte ich alles Brennbare, dessen ich habhaft werden konnte, in der Nähe des Hauses zusammen und zerstörte im Garten jede Spur der pflegenden Menschenhand. Dann wartete ich, bis der Mond unterging, um mein Werk zu vollenden.
Ein frischer Wind kam aus dem nächtlichen Walde und zerstreute die Wolken, die am Himmel hingen. Ich ergriff einen trockenen Ast, zündete ihn an und tanzte dann wie ein Toller um das dem Verderben geweihte Haus. Immer wieder blickte ich nach dem westlichen Horizont, hinter dem der Mond schon zum Teil versunken war. Und als der glutrote Ball gänzlich untergetaucht war, warf ich mit lautem Schrei den Brand in die aufgehäufte Streu. Prasselnd schlugen die Flammen auf, umfluteten bald das ganze Gebäude und leckten, gepeitscht vom rauschenden Winde, mit ihren spitzen, zerstörenden Zungen an den Wänden hinauf.
Ich wartete nur so lange, bis ich erkannt hatte, daß keine Macht der Erde auch nur das Geringste noch zu retten vermochte, und verkroch mich dann in den Tiefen des Waldes.
Die weite Welt lag nun wieder vor mir, aber wohin sollte ich meine Schritte lenken? Jedenfalls wollte ich weit, weit fort von der Stätte meines Mißgeschickes, denn für mich, den Ausgestoßenen und Gehaßten, war es ja gleich, welches Land mich aufnahm. Schließlich aber dachte ich an dich. Ich wußte aus deinen Papieren, daß du mein Erzeuger, mein Schöpfer seist, und wem konnte ich mich wohl mit mehr Vertrauen nähern als dem, der mir das Leben gegeben? Der Unterricht, den Felix an Safie erteilt hatte, hatte sich auch auf Geographie erstreckt, und so hatte ich erfahren, welche Lage die Länder der Erde zu einander einnahmen. Ich hatte in deinen Aufzeichnungen gelesen, daß deine Heimatstadt Genf sei, und beschloß, zunächst dorthin die Wanderung anzutreten.
Es war sehr schwer für mich, mich zurechtzufinden. Ich kannte weder die Namen der Städte und Ortschaften, die ich zu passieren hatte, und durfte auch nicht damit rechnen, von einem menschlichen Wesen unterwegs Auskunft zu erhalten. Aber ich wußte ja, daß ich immer nach Südwesten zu gehen hätte, und die Sonne war meine Führerin. Du warst der Einzige, von dem ich noch Hülfe erwarten konnte, wenn ich auch gegen dich nichts empfand als den bittersten Haß. Herzloser! Grausamer! Du hast mich mit Gefühlen und Empfindungen ausgestattet und dann warfst du mich auf die Straße, jedermann zum Spott und Entsetzen. Von dir allein hatte ich Mitleid und Hülfe zu erwarten und du allein konntest mir das geben, was ich von jedem anderen Wesen in Menschengestalt umsonst gefordert hätte.
Meine Reise war lang und Schweres hatte ich zu erdulden. Die Jahreszeit war schon weit fortgeschritten, als ich dem Erdenfleck, wo ich so lange gehaust, den Rücken wandte. Ich wanderte nur zur Nachtzeit, um keinem Menschen zu begegnen. Die Natur hatte sich schon zur Ruhe begeben und die Sonne hatte keine Kraft mehr. Regen und Schnee fielen nieder und die Bäche waren zu Eis erstarrt. Die Erde war hart, kalt und nackt und bot nichts, um mein müdes Haupt hinzulegen. O Erde, wie oft habe ich dir geflucht und dem, der mich schuf! Meine natürliche Gutmütigkeit war dahin und hatte sich in Gift und Galle verwandelt. Je näher ich deiner Heimat kam, desto heißer erwachte die Sehnsucht nach furchtbarer Rache. Schnee und Eis hielten meinen Schritt nicht auf. Im großen und ganzen war es wohl nur Zufall, daß ich mich zurechtfand. Mein Wunsch, dir gegenüberzutreten, ward immer heftiger und beschleunigte meine Schritte, und jedes Hindernis, das sich mir in den Weg stellte, gab meiner Wut und meinem Zorn nur noch mehr Nahrung. Und ein Abenteuer, das ich erlebte, als ich die Schweizer Grenze erreichte – es war schon wieder warm geworden und die Erde hatte ihr grünes Kleid angelegt – war besonders geeignet, meine Bitterkeit und meine Wut aufs höchste zu steigern.
Wie ich schon erwähnte, pflegte ich nur des Nachts zu wandern und des Tages zu ruhen, um ungesehen zu bleiben. Eines Morgens aber entschloß ich mich doch, meinen Weg weiter fortzusetzen, da er, wie ich bemerkte, durch dichtes Holz führte, so daß ich das Antlitz des Tages nicht zu scheuen hatte. Es war ein herrlicher Frühlingstag und selbst ich empfand wohltuend den warmen Sonnenschein und die milde Luft. Und ich fühlte sogar Freude und Behagen, die ich in mir vollkommen gestorben wähnte. Halb überrascht davon, gab ich mich ihrem Zauber hin und wagte es, meine Einsamkeit und Häßlichkeit vergessend, glücklich zu sein. Lindernde Tränen rannen mir die Wangen herab und ich erhob dankend meinen Blick zu der lachenden Sonne, die das Wunder in mir gewirkt hatte.
Ich wand mich vorsichtig auf den Waldwegen dahin, bis ich an eine Schlucht kam, durch die ein wilder Bach dahinbrauste. Die Uferbäume hingen ihre sprossenden Zweige in die klare, frische Flut. Ich blieb einen Augenblick stehen, um mir zu überlegen, wie ich weiter käme als ich Stimmen vernahm. Rasch verbarg ich mich unter einem dichten Baum. Kaum war das geschehen, als ein junges Mädchen in vollem Laufe dahereilte. Sie lachte laut und herzlich, als spotte sie eines Verfolgers. Sie lief dann am Ufer entlang. Plötzlich glitt sie aus und stürzte in die Fluten. Ich sprang aus meinem Versteck ihr nach und brachte sie mit großer Mühe aufs Trockene. Sie war bewußtlos und ich bemühte mich, sie wieder ins Leben zurückzurufen, als sich ein Landmann näherte, wahrscheinlich der, vor dem sie geflohen war. Kaum hatte er mich erblickt, so drang er schon auf mich ein, riß das Mädchen aus meinen Armen und zog sich eilig mir ihr tiefer ins Gehölz zurück. Ich rannte ihm nach, warum weiß ich heute noch nicht. Als der Mann bemerkte, daß ich ihm folgte, riß er seine Flinte von der Schulter, zielte auf mich und schoß. Ich sank zu Boden und sah meinen Gegner gerade noch im dichten Walde verschwinden.
Das also war der Lohn für das Gute, was ich getan! Ich hatte einen Menschen vor dem sicheren Tode gerettet; dafür hatte ein Geschoß mein Fleisch durchbohrt und einen Knochen zerschmettert. Die Schmerzen, die meine Wunde verursachte, ließen mich rasch die frohen Gefühle vergessen, die ich noch kurz vorher gehegt, und in mir erwachte wieder eine höllische Wut, die meine Zähne knirschend aufeinanderpreßte. Gepeinigt von gräßlichen Schmerzen schwor ich dem ganzen verhaßten Geschlecht der Menschen ewige Rache.
Einige Wochen führte ich ein elendes Dasein in den Wäldern, bemüht, meine Wunde zu kurieren. Die Kugel war in die Schulter eingedrungen und ich wußte nicht, saß sie da noch fest oder war sie hindurchgegangen. Jedenfalls hatte ich keine Möglichkeit sie zu entfernen. Am meisten schmerzte es mich, daß es Undank und Ungerechtigkeit waren, denen ich diese Leiden zu verdanken hatte. Mein Wunsch nach Rache, nach furchtbarer, tödlicher Rache wuchs von Tag zu Tag. Umsonst wollte ich diese Kränkungen und Qualen nicht erduldet haben.
Es dauerte einige Wochen, bis meine Wunde geheilt war; dann setzte ich meine Wanderung fort. Auch die liebliche Sonne und das milde Wehen des Frühlingswindes waren nicht mehr imstande, die Glut meiner Rachegefühle zu besänftigen. Alles Liebliche schien mir wie ein Hohn, der mich mit Verzweiflung erfüllte und mich nur noch mehr fühlen ließ, daß ich nicht zur Freude auf dieser Erde war.
Allmählich näherte ich mich meinem ersehnten Ziele. Nach etwa zwei Monaten hatte ich Genf erreicht.
Es war Abend, als ich ankam, und ich suchte mir sogleich ein Versteck, in dem ich darüber nachdachte, wie ich mich dir am besten bemerkbar machen könnte. Ich litt Hunger und Durst und war viel zu müde und elend, um mich an dem schönen Abend und der Pracht des Sonnenunterganges zu erfreuen.
Ein wohltuender Schlummer hatte sich meiner bemächtigt und mich von meinen qualvollen Gedanken erlöst, als ich plötzlich wieder aufgeschreckt wurde. Ein hübsches Kind kam auf den Platz zugelaufen, wo ich mich verborgen hielt. Als ich es erblickte, tauchte in mir eine Idee auf. Das Kind war noch ohne Vorurteil und hatte noch zu kurz gelebt, um meine Mißgestalt als etwas Schreckliches aufzufassen. Wenn es mir also gelänge, den Kleinen zu ergreifen und ihn mir als Genossen und Freund heranzuziehen, würde mein Dasein nicht mehr so traurig und ich nicht mehr so allein sein auf der Erde.
Ich ergriff deshalb den Knaben, als er an meinem Versteck vorbeiging, und zog ihn an mich. Kaum hatte er mich erblickt, schlug er die Hände vor das Gesicht und stieß einen schrillen Schrei aus. Ich riß ihm die Hände mit Gewalt von den Augen und sagte: »Mein Kind, was soll das bedeuten? Ich will dir nichts tun; höre mich an!«
Doch er wehrte sich aus Leibeskräften. »Laß mich, du Ungeheuer!« schrie er. »Du häßlicher Mann! Du willst mich auffressen und mich in Stücke zerreißen, du bist ein Menschenfresser laß mich, oder ich sage es Papa!«
»Aber, mein Liebling, du wirst deinen Vater nie wieder sehen, du kommst mit mir.«
»Du greulicher Mensch, laß mich. Papa ist Richter. Er heißt Frankenstein. Er wird dich bestrafen. Du mußt mich loslassen!«
»Frankenstein heißt du? Dann gehörst du also zu meinen Feinden, zu dem, dem ich ewige Rache geschworen. Du wirst mein erstes Opfer sein.«
Das Kind wehrte sich verzweifelt und schleuderte mir Schimpfnamen ins Gesicht, daß mein Herz erstarrte. Ich drückte ihm die Kehle zu, um es zum Schweigen zu bringen, und im nächsten Augenblick taumelte es tot zu meinen Füßen nieder.
Ich sah auf mein Opfer und mein Herz klopfte in höllischem Triumph. Ich klatschte in die Hände und rief: »Auch ich kannVerzweiflung säen; meine Feinde sind nicht unverletzlich. Dieser Mord wird ihnen nahe gehen und mit tausend anderen Dingen werde ich sie quälen und vernichten.«
Ich blickte noch einmal auf den kleinen Leichnam und sah an seinem Halse etwas Glitzerndes hängen. Ich griff danach. Es war das Bildnis eines wunderschönen Weibes, dessen Liebreiz mich trotz meiner Wut bestrickte. Einige Augenblicke starrte ich auf die dunklen Augen, die von langen Wimpern beschattet wurden, und auf die frischen, roten Lippen. Ich wußte, daß ich für immer des Glückes entbehren mußte, das solch liebliche Geschöpfe gewähren, und daß das reizende Gesicht, hätte die Trägerin mich sehen können, im nächsten Augenblick den Ausdruck der Angst und des Ekels angenommen hätte.
Brauche ich dir zu sagen, daß dieser Gedanke meinen Zorn von neuem anstachelte? Ich wundere mich selbst, daß ich nicht, anstatt meinen Schmerz durch lautes Brüllen hinauszuschreien, mich auf die Menschheit stürzte, um sie zu vernichten.
Ich verließ die Stelle, auf der der Mord geschehen war, und suchte nach einem anderen Versteck, wo ich vor Entdeckung sicher war. Ich kam zu einem Stall, der mir leer schien. Als ich eintrat, erblickte ich ein Mädchen, das auf einem Strohhaufen schlief. Sie war jung und schön, wenn auch nicht so schön wie das Weib, dessen Bild ich noch in der Hand trug. Aber sie blühte in der ganzen Schönheit und Frische der Jugend. Hier lag eines der beglückenden Geschöpfe, beglückend für alle außer mir. Ich beugte mich über sie und flüsterte: »Wach auf, Süße, dein Liebster ist da, dein Liebster, der sein Leben dafür gäbe, um einen Liebesblick aus deinen Augen zu empfangen, – wach auf.«
Die Schläferin bewegte sich und ein Schauer überrieselte meinen Leib. Sollte ich sie wirklich wecken? Sie hätte jedenfalls bei meinem Anblick furchtbar geschrieen und man hätte den Mörder gefaßt. Der Gedanke machte mich rasend; nicht ich sollte leiden, sondern sie. Ich habe den Mord begangen, weil ich das für immer missen mußte, was sie zu gewähren hatte. Sie selbst ist an meinem Verbrechen mitschuldig und soll die gerechte Strafe dafür erleiden! Aus Felix' Unterricht an seine Geliebte hatte ich von den blutigen Gesetzen der Menschen erfahren und wußte, wie ich Unheil säen konnte. Ich steckte der Schläferin vorsichtig das Porträt in eine ihrer Kleidertaschen, und als sie sich bewegte, floh ich.
Einige Tage trieb ich mich noch in der Umgebung des Platzes umher, wo sich das alles ereignet hatte. Ich wußte nicht, sollte ich es noch versuchen mit dir zusammenzukommen oder meinem elenden Dasein ein Ende bereiten. Schließlich suchte ich Zuflucht in diesen Bergen und durchstreifte ihre tiefsten Schluchten, verzehrt von einer brennenden Leidenschaft, die nur du allein befriedigen kannst. Du wirst diesen Platz nicht verlassen, ehe du mir versprochen hast, meine Bitte zu erfüllen. Ich bin allein und unglücklich. Mit Menschen werde ich nie verkehren können, das habe ich gesehen; aber ein Wesen, das ebenso häßlich und mißgestaltet ist wie ich, wird mir seine Neigung nicht versagen. Meine Genossin muß von derselben Art sein wie ich und dieselben Mängel haben. Dieses Wesen mußt du mir schaffen.
Kapitel 17
Der Dämon schwieg und heftete seine furchtbaren Augen auf mich, meine Antwort erwartend. Ich war so erstaunt und erschreckt, daß ich zuerst gar nicht imstande war, die Tragweite seines Wunsches zu ermessen. Er fuhr fort:
»Du mußt mir ein Weib schaffen, mit dem ich zusammen leben kann. Du allein kannst das und ich fordere es von dir; es ist mein Recht, das du mir nicht versagen darfst.«
Der letzte Teil seiner Erzählung hatte in mir wieder den Haß gegen ihn erweckt, der bei der Schilderung seiner Erlebnisse mit der Familie de Lacey etwas eingeschlummert war und sogar einem gewissen Gefühl der Teilnahme Platz gemacht hatte, dann aber brach ich wütend los:
»Das werde ich nicht, und keine Qual wird je ein Zugeständnis aus mir herauspressen. Du kannst mich verstümmeln und töten, du kannst mich zum elendesten der Menschen machen, aber du wirst es nie so weit bringen, daß ich in meinen eigenen Augen wie ein Schurke dastehe. Ich soll ein solches Wesen schaffen, damit ihr vereint eure verruchte Bosheit auf die Welt loslassen könnt? Aus meinen Augen! Meine Antwort hast du. Martere mich, aber glaube nicht, daß ich deinen Wunsch erfülle.«
»Du bist im Irrtum«, erwiderte der Dämon. »Und anstatt dir zu drohen, bitte ich dich, meinen Vernunftgründen dein Ohr zu leihen. Ich bin nur schlecht, weil ich elend bin. Verfolgen und hassen mich nicht alle, die mich erblicken? Du, mein Schöpfer, du würdest mich frohlockend in Stücke reißen. Sage mir, warum soll ich mit den Menschen mehr Mitleid haben als sie mit mir? Du würdest dich keines Mordes schuldig fühlen, wenn du mich, das Werk deiner Hände, in eine dieser Eisspalten werfen und zerschmettern könntest. Soll ich jemand achten, der mich verachtet? Glaube mir, wenn jemand sich entschließen könnte, gut gegen mich zu sein, ich würde es ihm mit Tränen der Dankbarkeit in den Augen danken und ihm alles Gute tun, was in meiner Macht stünde. Aber das wird ja nie geschehen; die menschlichen Sinne bilden unüberwindliche Hindernisse. Doch gedenke ich nicht, mich ohne weiteres zu fügen. Ich will mich für das Erlittene rächen. Wenn ich nicht Liebe einflößen kann, dann will ich Furcht und Entsetzen verbreiten. Und ganz besonders dir, meinem Schöpfer, meinem Erzfeind, schwöre ich unauslöschlichen Haß. Hüte dich! Ich will an deinem Verderben arbeiten und nicht enden, ehe ich dich so unglücklich gemacht, daß du der Stunde deiner Geburt fluchst.«
Teuflische Wut leuchtete aus seinen Augen, als er dies sagte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer unbeschreiblich schrecklichen Grimasse; aber rasch beherrschte er sich und fuhr ruhiger fort:
»Doch ich hatte ja die Absicht, vernünftig mit dir zu reden. Diese Leidenschaftlichkeit hat keinen Zweck, denn du bist dir ja doch nicht im klaren, daß du alles verschuldet hast. Ein einziger Mensch nur sollte mir sein Wohlwollen beweisen, und um dieses Einen willen würde ich Frieden schließen mit seinem ganzen Geschlecht. Aber ich will nicht in Träumen schwelgen, die doch nie zur Wirklichkeit werden. Was ich von dir fordere ist gerechtfertigt und bescheiden. Ich verlange ein Wesen, das von mir geschlechtlich verschieden, aber ebenso häßlich ist wie ich. Es ist nur wenig, was ich von dir erbitte, aber es ist mir genug. Wahr ist ja, daß wir Ungeheuer sind, die mit der Welt nichts zu schaffen haben; aber umso lieber werden wir einander sein. Wir werden kein glückliches Leben führen, aber wir werden niemand etwas zu Leide tun. O mein Schöpfer, tu mir das zu Liebe; ich will dir für diese eine Wohltat unbegrenzt dankbar sein. Laß mich sehen, daß wenigstens ein lebendes Wesen Mitleid mit mir hat und schlage mir meine Bitte nicht ab.«
Ich war erschüttert; dabei graute mir vor dem Gedanken an die etwaigen Folgen meiner Zustimmung. Aber ich fühlte, daß in seinen Worten eine gewisse Logik lag. Aus seiner Erzählung und aus den Gefühlen, die er mir geoffenbart, konnte ich entnehmen, daß er ursprünglich ein zartes Innenleben besaß. Schuldete ich ihm nicht, nachdem ich ihn einmal geschaffen, auch all das Glück, das ich ihm bescheren konnte? Er merkte, daß ich schwankte, und fuhr fort:
»Wenn du tust, um was ich dich bitte, sollst weder du noch irgend ein anderes menschliches Wesen fürderhin noch etwas von mir hören. Ich will in die weiten Urwälder Südamerikas gehen. Meine Nahrung ist nicht die blutige der Menschen. Ich vernichte nicht Lämmer und Ziegen, um meinen Hunger zu stillen; Nüsse und Beeren genügen mir. Da meine Genossin ebenso beschaffen sein wird wie ich, wird auch sie mit der gleichen Nahrung vorlieb nehmen. Wir werden uns unser Lager aus trockenen Blättern bereiten und die Sonne wird uns ebenso warm scheinen wie den Menschen. Das Bild, das ich dir von unserem künftigen Leben entwarf, ist gewiß ein friedliches und harmloses, und nur in verbohrter Grausamkeit und starrem Eigensinn kannst du mir die Gewährung meiner Bitte versagen. Erbarmungslos warst du bisher gegen mich, aber nun sehe ich deine Augen in einem Schimmer von Mitgefühl leuchten. Laß diesen Augenblick nicht vorübergehen, ohne mir zu versprechen, daß du das tun wirst, um was ich dich bat.«
»Du hast mir ja allerdings versprochen, mit deiner Genossin die Wohnstätten der Menschen zu fliehen und dich in jenen Gegenden niederzulassen, wo nur die Tiere der Wildnis deine Wege kreuzen. Aber wer gibt mir Gewißheit, daß du, der du dich doch so sehr nach der Liebe der Menschen sehnst, es in deinem Asyl aushalten wirst? Du wirst zurückkehren und dich wieder den Menschen zu nähern versuchen und wieder auf ihre Abneigung stoßen. Dein Haß wird von neuem auflodern und du wirst dann nicht mehr allein sein bei deinem Zerstörungswerke. Und das darf nicht sein; gib dir keine Mühe mehr, ich darf nicht ja sagen.«
»Wie unverlässig sind doch eure Gefühle! Eben noch warst du fast gewonnen und nun verschließest du dich plötzlich wieder meinen Bitten. Ich schwöre dir bei der Erde die mich trägt, bei dir selbst, mein Schöpfer, daß ich mit meiner Genossin weit, weit fortgehen werde von den Plätzen, wo Menschen wohnen. Mein Haß wird dann verlöschen, wenn ich einmal nur Wohlwollen gegen mich sehe. Mein Leben wird in Ruhe dahinfließen, und wenn ich sterben muß, dann kann ich dankbar dessen gedenken, der mich geschaffen.«
Seine Worte hatten eine merkwürdige Wirkung. Er tat mir leid und ich hatte das Bedürfnis ihm zu helfen. Aber wenn ich ihn ansah, diese sprechende und wandelnde Fleischmasse, dann ergriff Ekel und Entsetzen mein Herz. Ich versuchte diese Gefühle der Abneigung zu unterdrücken. Dann sagte ich mir, daß ich ihn ja nicht zu lieben brauchte, aber die Verpflichtung hätte, ihn nach meinen Kräften glücklich zu machen. Und es war ja wenig genug, was er forderte.
»Du hast geschworen, niemand mehr etwas zu Leide zu tun,« sagte ich. »Aber hast du denn nicht schon so viel Bosheit gezeigt, daß ich dir mit Recht mißtrauen darf? Kann das nicht eine Vorspiegelung sein, um deine Grausamkeiten nur noch in erhöhtem Maße ausüben zu können?«
»Was soll das heißen? Ich will nicht mit mir scherzen lassen, sondern ich verlange eine strikte Antwort. Wenn ich nicht Liebe finde, ist Haß und Verbrechen mein gutes Recht. Liebe allein vermag das Schlimme, das in mir lauert, zu verhüten, und ich werde ein Geschöpf werden, von dessen Existenz niemand eine Ahnung hat. Meine Verbrechen sind nur Früchte der verhaßten Einsamkeit und meine Tugenden werden dann zur vollen Geltung kommen, wenn ich mit einem Anderen mein Leben teilen kann. Ich werde mit einem fühlenden Wesen zusammen sein und meine Existenz wird ein Glied bilden in der Kette der Existenzen und Ereignisse, wie ich es mir erhofft.«
Ich dachte noch eine Zeitlang über alles nach, was er mir erzählt hatte, und erwog das Für und Wider. Ich war mir klar, daß sein ursprünglich gutmütiges Wesen durch die schlechte Behandlung von Seiten aller, die ihm begegneten, verdorben worden war. Und in meinen Erwägungen spielten seine außergewöhnliche Kraft und die Drohungen, die er ausgestoßen, eine bestimmende Rolle. Ein Wesen, das, wie er, in den Eishöhlen der Gletscher wohnen und sich vor allen Verfolgungen in die unzugänglichsten Schroffen der Gebirge flüchten konnte, durfte nicht unterschätzt werden. Nach längerem Zögern stand dann mein Entschluß fest, mit Rücksicht auf ihn selbst und besonders meine Mitmenschen seinen Wunsch zu erfüllen. Ich wandte mich zu ihm und sagte:
»Ich werde also deinen Willen tun. Aber du mußt mir feierlich versprechen, daß du Europa und überhaupt jede von Menschen bewohnte Gegend sofort verläßt, sobald ich dir das Weib übergebe, das dir in die Verbannung folgen soll.«
»Ich schwöre es dir bei der Sonne, bei dem blauen Himmel und bei der heißen Glut, die in meinem Herzen lodert, daß du mich nimmer sehen sollst, wenn du mein Flehen erhört hast. Geh heim und beginne mit der Arbeit. Ich werde mit Sehnsucht ihren Fortschritt beobachten und erst dann mich wieder bei dir sehen lassen, wenn das Werk vollendet ist.«
Nachdem er das gesagt, eilte er davon, so rasch er konnte, weil er vielleicht eine Sinnesänderung bei mir befürchtete. Er sprang in großen Sätzen zu Tal und verschwand bald in den Schrunden des Eismeeres.
Seine Erzählung hatte den ganzen Tag in Anspruch genommen und die Sonne näherte sich schon dem Horizont, als er mich verließ. Ich wußte, daß ich mich sehr zu beeilen hatte, wenn ich noch vor Einbruch völliger Dunkelheit das Tal erreichen wollte. Aber mein Herz war schwer und meine Schritte langsam. Meine Kniee schmerzten beim Hinuntersteigen auf dem schmalen, gewundenen Gebirgspfad und meine Gedanken beschäftigten sich unaufhörlich mit den seltsamen Ereignissen des Tages. Es war schon Nacht geworden, als ich zu einer Ruhebank neben einer Quelle kam. Ich ließ ich dort nieder, um ein wenig zu rasten. Die Wolken zogen eilends am Himmel dahin und zwischen ihnen blickten freundlich die Sterne. Dunkle Fichten, zwischen denen da und dort zerbrochene Stämme am Boden lagen, erhoben sich vor mir in die klare Nachtluft. Eine feierliche Ruhe herrschte rings um mich und ich fieberte fast vor Erregung. Bitterlich weinend rang ich die Hände und rief aus: »O, ihr Sterne und Wolken und Winde, ihr seid nur da, um mich zu verhöhnen. Wenn ihr wirklich Mitleid mit mir habt, dann raubt mir Gefühl und Gedächtnis; laßt mich zu Nichts werden. Aber wenn ihr das nicht könnt, dann laßt mich allein, ganz allein!«
Wilde Gedanken waren es, die mir mein Elend eingab. Ich kann es gar nicht sagen, wie das Glitzern der ewigen Sterne auf mich einwirkte, und auf jedes leise Säuseln des Windes lauschte ich angstvoll und gespannt, als sei es das Brausen eines glühenden Sirocco, der mich hinwegfegen wollte.
Der Morgen dämmerte herauf, als ich Chamounix erreichte. Ich hielt mich nicht mehr auf, sondern setzte gleich meinen Weg nach Genf fort. Meine Gefühle lasteten mit furchtbarer Schwere auf mir. So kehrte ich heim und begrüßte meine Familie. Mein verstörtes und wildes Aussehen erschreckte sie. Aber ich gab auf alle Fragen keine Antwort; ich konnte nicht sprechen, denn ich stand wie unter einem unheimlichen Banne. Mir war, als hätte ich kein Recht mehr auf ihre Liebe, als dürfte ich nimmer ihrer Gesellschaft froh werden. Und ich liebte sie doch so sehr; nur um sie zu retten hatte ich beschlossen, mich der abstoßenden Arbeit noch einmal hinzugeben. Alles andere war mir wie ein Traum, und nur der Gedanke an das Grauenvolle, was mir bevorstand, starrte mich an wie ein Medusenhaupt.