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Kitabı oku: «Frankenstein oder Der moderne Prometheus », sayfa 15

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Als ich geendet hatte, fügte ich hinzu: »Dies also ist das Wesen, das ich des Mordes anklage und zu dessen Ergreifung ich Sie bitte Ihren ganzen Einfluß aufzuwenden. Es ist Ihre Pflicht als Richter, und ich hoffe und glaube, daß Sie als Mensch meinen Wunsch begreifen und nicht vor der Aufgabe zurückschrecken.«

Diese Aufforderung rief eine gewaltige Änderung im Verhalten des Beamten hervor. Er hatte mir zugehört mit dem halb gutmütigen Glauben, den man solchen Geschichten von Gespenstern und übernatürlichen Vorgängen zu schenken pflegt. Als er aber sich in dieser Weise aufgefordert sah offiziell einzuschreiten, wurde es wesentlich anders. »Ich möchte ja,« sagte er milde, »Ihnen gern in jeder Hinsicht behülflich sein, aber das Wesen, von dem Sie sprachen, scheint mit Kräften und Eigenschaften ausgestattet zu sein, die alle meine Bemühungen vereiteln würden. Wer könnte diese Bestie fangen, die mühelos Gletscher überquert und sich in Höhlen und Schluchten versteckt, die kein Mensch zu betreten wagen darf? Außerdem sind ja Monate verflossen, seit sich das alles ereignet hat, und wer könnte sagen, wohin er sich gewendet hat, wo er sich jetzt aufhält?«

»Ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß er sich in allernächster Nähe aufhält; und wenn er tatsächlich sich in den Gebirgsschluchten verbirgt, so muß man ihn eben verfolgen wie eine Gemse und ihn zur Strecke bringen. Aber ich errate Ihre Gedanken; Sie schenken mir nicht vollen Glauben und haben nicht die Absicht, meinen Feind der Strafe zuzuführen, die er verdient hat.«

Während ich so sprach, mochte es in meinen Augen zornig geblitzt haben, denn der Richter sagte eingeschüchtert: »Sie irren sich. Ich werde bestrebt sein, so weit es in meiner Macht steht, das Ungeheuer zu fangen und es nach seinen Verbrechen zu bestrafen. Aber nach allem, was Sie mir berichtet haben, glaube ich nicht, daß es sich wird ermöglichen lassen, und Sie werden enttäuscht sein.«

»Das ist undenkbar; aber mein brennender Rachedurst läßt Sie ja kalt. Jetzt kann ich es Ihnen ja eingestehen: es ist mein einziger, leidenschaftlicher Wunsch, meinen Feind zu vernichten. In mir empört sich alles, wenn ich daran denke, daß der Mörder, den ich schuf, noch unter uns Menschen weilt. Sie verweigern mir also die Erfüllung meiner Bitte? Gut, ich werde mir dann auch allein zu helfen wissen und mich mit Leib und Seele meiner Aufgabe widmen.«

Ich zitterte vor Erregung. Leidenschaftlich wallte mein Blut und in meinem Verhalten mag etwas von der fanatischen Wildheit gelegen haben, das vor Zeiten den Märtyrern innegewohnt haben soll. Aber für einen Genfer Richter, dessen Seele ja so unendlich weit von dem entfernt ist, was mit Heroismus zusammenhängt, hatte mein Verhalten nichts anderes bedeutet als die Wutausbrüche eines Irren. Er gab sich Mühe, mich zu beruhigen und sprach sanft auf mich ein, wie eine Wärterin auf ein Kind.

»Mensch,« schrie ich, »Ihr seid töricht in eurer eingebildeten Weisheit. – »Schweigen Sie, Sie wissen ja nicht, was Sie reden!« antwortete er.

Wütend stürmte ich aus dem Hause und zog mich in die Einsamkeit zurück, um über mein weiteres Vorgehen nachzudenken.

Kapitel 24

Ich war meiner selbst nicht mehr mächtig. Ich hatte nicht Ruhe, nicht Rast. Der Gedanke, mich zu rächen, erfüllte mich mit Mut und Tatkraft und gab meinem Sinnen die Richtung; er allein ließ mich gefaßt und überlegend erscheinen.

Vor allem mußte ich Genf verlassen, das stand fest. Das Land, das ich in Zeiten des Glücks und des Friedens so heiß geliebt, war mir nun in meinem Jammer verhaßt. Ich nahm eine Summe Geldes und einige Wertsachen, die meiner Mutter gehört hatten, zu mir und reiste ab.

Und nun begann meine Wanderschaft, die erst mit meinem Leben zu Ende gehen wird. Ich habe weite Erdstriche durchzogen und alle Leiden erduldet, die jeder zu ertragen hat, der Wüsten und unbewohnte Länder durchreist. Wie ich gelebt habe, weiß ich heute nicht mehr. Oftmals habe ich meine müden Glieder im Wüstensand gebettet und Gott angefleht, daß er mich zu sich nehme. Aber immer wieder trieb mich der Rachedurst auf und weiter. Ich durfte nicht leben und meinen Feind auf der Erde zurücklassen.

Als ich Genf verließ, war es mein erstes, Anhaltspunkte zu suchen, wohin sich der Dämon gewendet haben könnte. Aber ich hatte keinen Erfolg. Viele, viele Stunden streifte ich in der Umgebung der Stadt umher, unentschlossen, welchen Weg ich gehen sollte. Am Abend stand ich am Eingang des Friedhofes, wo Wilhelm, Elisabeth und mein Vater ruhten. Ich trat ein und näherte mich ihrem Grabstein. Alles war still, nur die Blätter der Bäume flüsterten im Winde. Es war schon sehr dunkel. Die Geister der Verstorbenen schienen sich aus den Grüften erhoben zu haben und unsichtbar, aber wohl fühlbar, das Haupt des einsam Trauernden zu umschweben.

Die tiefe Ergriffenheit wich bald heftigem Zorn und furchtbarer Verzweiflung. Sie waren tot, die da unten schliefen, und ich lebte noch. Aber auch den Mörder trug noch die Erde, und nur, um ihn zu vernichten, mußte ich mein Leben weitertragen. Ich kniete vor dem Hügel nieder, küßte die heilige Erde und rief mit bebenden Lippen: »Bei dem geweihten Boden, auf dem ich kniee, bei den geliebten Schatten, die mich umschweben, bei meinem ewigen, tiefen Leide schwöre ich, und bei dir, du stille Nacht: ich will den Dämon verfolgen und nicht rasten, bis einer von uns beiden im erbitterten Kampfe fällt. Darum allein will ich mein Leben erhalten; und nur um der Rache willen werde ich noch das Licht der Sonne schauen. Und ich rufe euch, selige Geister, und euch, ihr geheimnisvollen Diener der Rache, helft mir und unterstützt mich in meinem schweren Werke. Das verfluchte, höllische Ungeheuer soll in Todesnot röcheln und Verzweiflung soll es erdrücken; eine tiefere Verzweiflung, als sie je mich marterte.«

Feierlich war mir zu Mute nach diesem Schwur und ich wußte, daß die Schatten der Gemordeten ihn gehört hatten.

Durch die Nacht aber erscholl ein grelles, höhnisches Lachen, laut und schrill, daß es an den Bergwänden widerhallte. Als es dann wieder ruhig wurde, vernahm ich die wohlbekannte, verhaßte Stimme nahe an meinem Ohr: »Ich bin nun zufrieden, elender Zwerg. Du kannst weiterleben, wenn du willst, aber ich bin zufrieden.«

Rasend vor Wut sprang ich auf die Stelle zu, von der her die Stimme ertönte; blitzschnell jedoch hatte sich der Unhold meinem Griffe entwunden. Im Scheine des Vollmondes, der sich gerade über den Horizont erhob, erkannte ich die gespenstische, gräuliche Gestalt, wie sie in übernatürlicher Geschwindigkeit dahinfloh.

Ich verfolgte ihn, und seit Monaten nun ist das mein Zweck und Ziel. In den Windungen der Rhone entlang ging sein Weg und ich war ihm auf den Fersen. Bald leuchtete mir das tiefe Blau des Mittelmeeres entgegen und durch einen seltsamen Zufall entdeckte ich meinen Feind, wie er sich gerade auf ein Schiff begab und sich dort versteckte. Das Schiff sollte nach dem Schwarzen Meer in See gehen. Trotzdem ich mit dem gleichen Schiffe fuhr, entkam er mir doch auf rätselhafte Weise.

Durch die Wildnisse der Tartarei und Rußlands führte seine Spur, der ich unermüdlich folgte. Manchmal zeigten mir Landleute, noch erschreckt von seiner Häßlichkeit, den Weg, der er gegangen. Zuweilen aber hinterließ er selbst absichtlich ein Zeichen, vielleicht weil er befürchtete, ich könnte die Jagd aufgeben und mich zum Sterben niederlegen. Als dann dichter Schnee niederfiel und die Erde verhüllte, konnte ich leicht die ungefügen Fußstapfen des Fliehenden erkennen.

Sie treten ja erst ins Leben ein, und Sorge und Leid ist Ihnen fremd; daher werden Sie auch kaum verstehen, was ich fühlte und heute noch fühle. Kälte, Entbehrungen und Erschöpfung waren meine geringsten Leiden; ich war einem bösen Geiste verfallen und trug eine Hölle in meiner Brust. Aber auch gute Engel schwebten um mich und meine Wege. Und gerade, wenn ich am meisten murrte, halfen sie mir über die scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten hinweg. Oftmals, wenn ich von Hunger gepeinigt niedersinken wollte, ward mir in der Wüste eine Mahlzeit bereitet, die mich stärkte und erfrischte. Einfach war sie ja, so wie sie eben die Landleute essen; aber ich hege keinen Zweifel, daß dabei die guten Geister ihre Hand im Spiele hatten, deren Hilfe ich angerufen. Und wenn alles trocken, der Himmel wolkenlos war, dann erschien auf mein heißes Flehen eine kleine Wolke, erfrischte mich mit ihrem Naß und zerfloß wieder.

Wenn irgend möglich, hielt ich mich am Ufer von Flüssen; aber gerade diese vermied der Dämon, weil sich hier die Bevölkerung dichter angesiedelt hatte. Die Wege, die er suchte, führten fernab von menschlichen Wohnstätten. Die Tiere des Waldes und des Feldes, die meine Pfade kreuzten, mußten mir dazu dienen, mein Leben zu fristen. Ich hatte Geld bei mir und gewann mir das Zutrauen der wenigen Menschen, die mir begegneten, durch meine Freigebigkeit. Oftmals auch verfuhr ich in der Weise, daß ich getötetes Wild, nachdem ich meine kleine Portion davon genossen, denen überließ, die mir Herd und Obdach gewährt hatten.

Es war wirklich ein elendes Dasein, das ich da fristete, und nur im Schlafe empfand ich zuweilen noch etwas wie Glück. Gesegneter Schlaf! Wenn ich auch noch so elend war, brauchte ich mich nur zur Ruhe zu legen, um in glücklicheren Sphären zu schweben. Die Schatten meiner Lieben waren es sicherlich, die mir diese glücklichen Augenblicke, oder besser gesagt Stunden, verschafften, damit ich aus ihnen die Kraft schöpfte, die ich zur Durchführung meiner Absicht bedurfte. Wäre mir dieser Trost versagt geblieben, ich wäre sicher unter den unsäglichen Mühsalen zusammengebrochen. Den ganzen Tag schon freute ich mich auf die Nacht, denn dann sah ich wieder mein Weib und meine teure Heimat und das liebe Gesicht meines Vaters. Ich hörte die silberne Stimme meiner Elisabeth und sah meinen Freund Clerval in seiner ganzen Kraft bei mir. Oftmals redete ich mir ein, daß die Mühsale, die ich unterwegs ertrug, nur ein schwerer Traum, die Gesichte der Nacht aber freundliche Wirklichkeit seien. In solchen Momenten erstarb die Rachsucht fast ganz in meinem Herzen und ich folgte dem mir gewiesenen Pfade mehr wie einem mir von oben gegebenen unbewußten Impulse, als einem inneren Bedürfnis.

Was der empfand, den ich verfolgte, weiß ich nicht. Mehreremale fand ich Inschriften von ihm auf Baumrinden oder Steinen,die mir den Weg wiesen und meine Wut von neuem anstachelten. »Meine Herrschaft ist noch nicht vorüber«, so las ich z. B. einmal auf einem Felsblock, »du lebst, und das ist es, was ich will. Komm; ich gehe zu den Regionen des ewigen Eises, wo du unter dem furchtbaren Frost leiden wirst, gegen den ich unempfindlich bin. Du wirst nicht weit von hier einen toten Hasen finden, aber beeile dich; iß ihn, und du wirst dich wieder neu gestärkt fühlen. Komm, mein Feind, wir haben noch um unser Leben zu würfeln, aber noch viel Schmerz und Trübsal wird dir bis dahin zuteil werden.«

Spöttischer Teufel! Wieder schwor ich mir, mein Rachewerk nicht aufzugeben, sondern meinen Peiniger einem grausamen Tode zu überliefern. Lieber wollte ich zu Grunde gehen als meinen Plan aufgeben. Mit welcher Freude werde ich mich mit denen vereinigen, die mir im Tode vorausgegangen waren, und mich entschädigen für all das Leid meines Lebens und die Qualen meiner letzten Fahrt!

Je weiter ich nach Norden kam, desto tiefer wurde der Schnee, desto schärfer die Kälte, sodaß ich oft nicht mehr glaubte sie ertragen zu können. Die wenigen Bewohner dieser Landstriche hielten sich in ihren Hütten verborgen, und nur die kühnsten von ihnen wagten es dem Froste zu trotzen, um das Wild zu fangen, das, von der Kälte erstarrt aus seinen Schlupfwinkeln kam, um Futter zu suchen. Die Flüsse waren von einer festen Eisdecke überspannt, und Fische, von denen ich sonst zum größten Teil lebte, waren nicht zu haben.

Je größer die Mühseligkeiten wurden, die ich zu überwinden hatte, desto lauter triumphierte mein Feind. Eine seiner Inschriften lautete: »Mache dich auf Schweres gefaßt; deine Leiden beginnen ja jetzt erst. Hülle dich vorsorglich in Pelze und sorge, daß dir die Vorräte nicht ausgehen; denn bald kommen wir in Landstriche, wo du so Furchtbares zu dulden haben wirst, daß selbst meine unauslöschliche Rachsucht zufriedengestellt sein wird.«

Durch diese höhnischen Aufforderungen wurde mein Mut und meine Ausdauer immer wieder neu belebt. Ich bat den Himmel um Kraft und durchzog die unendlichen Ebenen, bis der Ozean am Horizont erschien wie eine graue Barriere. O wie anders ist doch das Meer, das im Süden blaut! Mit Eis bedeckt, unterschied es sich vom festen Land nur durch seine Zerrissenheit und Wildheit. Die Griechen weinten einst vor Freude, als sie von der Höhe des Gebirges aus das Mittelmeer erblickten, und jubelten, weil endlich ihre Mühsalen zu Ende gingen. Ich weinte nicht, aber ich sank auf die Kniee und dankte meinem guten Geiste, daß er mich so weit geführt, meinem Feinde zum Trotz, den ich nun bald fassen und niederringen durfte.

Schon einige Wochen war es her, daß ich mir einen Schlitten und Hunde angeschafft hatte, mit denen ich in fliegender Hast die Schneewüsten durchquerte. Ich weiß nicht, ob mein Feind sich derselben Mittel bediente; aber wenn ich bisher immer weiter hinter ihm zurückgeblieben war, so kam ich ihm jetzt doch wieder näher. Als ich den Ozean schaute, war er mir mehr als eine Tagesreise voraus, und ich hoffte, mit ihm zugleich den Strand zu erreichen. Ich spannte deshalb alle meine Kräfte an und kam nach zwei Tagen an einen einsamen Weiler in der Nähe der Küste. Ich fragte die Bewohner nach dem, den ich verfolgte, und erhielt genaue Auskunft. Ein gigantisches Ungeheuer, erzählten sie mir, sei in der vorhergehenden Nacht angekommen. Es sei mit einer Flinte und Pistolen bewaffnet gewesen und habe durch sein schreckliches Aussehen alle in Furcht versetzt, sodaß sie aus ihren einsamen Hütten flohen. Er hatte ihnen ihre ganzen Wintervorräte weggenommen und sie auf einen Schlitten verladen, der mit einer Menge Hunde bespannt war. In der gleichen Nacht sei er dann zur Freude der geängstigten Bewohner in das zugefrorene Meer hinausgefahren, und zwar in einer Richtung, in der kein Land lag. Sie seien der Ansicht, daß er von den berstenden Schollen verschlungen werden oder in der grimmigen Kälte zu Grunde gehen müsse.

Als ich das vernahm, packte mich, wenn auch nur einen Moment lang, die Verzweiflung. Er war mir entwischt und eine endlose Jagd durch die Eisschollen des Meeres stand mir bevor, die sicherlich meinen Tod herbeiführen mußte, denn ich, als Kind eines freundlichen, sonnigen Landes, durfte nicht hoffen, der Kälte Trotz bieten zu können, die selbst jene rauhen Menschen, die diese Gegenden als Pelzjäger aufsuchten, nur kurze Zeit zu ertragen vermochten. Aber der Gedanke, daß mein Feind noch lebte, brachte jedes Bedenken zum Schweigen. Nach einer knappbemessenen Ruhepause machte ich mich wieder auf den Weg, nachdem ich meinen Landschlitten mit einem für die Fahrt über Eis mehr geeigneten vertauscht und mich mit hinreichenden Vorräten versehen hatte.

Wie lange ich seitdem unterwegs bin, weiß ich nicht. Aber die furchtbaren Mühseligkeiten hielt ich nur aus, weil mich der Gedanke an die baldige Rache aufpeitschte. Ungeheure Eisberge versperrten mir oftmals den Weg und unter mir rauschte das Wasser des Ozeans, das mich zu verschlingen drohte. Aber der Frost hielt sie in Banden, sodaß ich sicher darüber hinwegglitt.

Nach dem Verbrauch an Lebensmitteln zu urteilen, war ich etwa drei Wochen unterwegs, und die Verlängerung meiner Qualen preßte mir manchmal heiße Tränen aus den Augen. Ich begann schon die Hoffnung aufzugeben, meine einzige Stütze in all dem Elend. Eines Tages hatten meine treuen Tiere eben den Schlitten einen steilen Abhang hinaufgezogen; eines von ihnen war dann tot zusammengebrochen und ich starrte hinaus in die endlose Weite. Da plötzlich sah ich am dämmerigen Horizont einen dunklen Fleck, der sich rasch vorwärts bewegte. Ich strengte meine Augen an und stieß dann einen wilden Freudenschrei aus. Ich hatte einen Schlitten erkannt und in ihm die mir so wohlbekannte, verhaßte Ungestalt. Wie ein Sonnenstrahl drang es in mein Herz. Heiße Tropfen rannen mir aus den Augen, die ich hastig wegwischte, damit sie mir den Ausblick nach meinem Feind hin nicht verschleierten. Aber immer wieder wurden mir die Augen feucht und schließlich konnte ich mich nicht mehr halten und weinte laut.

Aber jede Minute war kostbar. Ich befreite die Hunde von ihrem toten Genossen und gab ihnen reichlich Futter; und nach einer Stunde Rast, die uns so bitter not tat und doch so verderblich sein sollte, setzte ich die Jagd fort. Der Schlitten war immer noch sichtbar und ich verlor ihn nicht aus den Augen, außer wenn er gerade einmal hinter einer der hohen Eisschollen verschwand. Ich gewann sichtlich an Terrain, und als ich nach weiteren zwei Tagen meinen Feind nur mehr eine Meile von mir entfernt erblickte, jubelte ich.

Aber jetzt, da ich meinte, nur die Hand nach ihm ausstrecken zu müssen, wurden meine Hoffnungen plötzlich vollkommen vereitelt und ich verlor die Spur des Dämons gründlicher als je zuvor. Ich vernahm das gewaltige Brüllen der See unter mir, das immer mehr anschwoll. Ich wußte, was das zu bedeuten hatte, und setzte die letzten Kräfte meiner Tiere ein. Aber vergebens! Ein starker Wind erhob sich, die Eisfläche zitterte wie unter einer mächtigen Erschütterung und mit einem grellen, lauten Klang barst die blendende Fläche. Und wenige Minuten später rollten dunkle Wogen zwischen mir und meinem Feinde. Ich trieb auf einem losgerissenen Eisstück, das zusehends kleiner wurde, davon und machte mich auf mein baldiges grausiges Ende gefaßt.

Schlimme Stunden habe ich da verlebt. Mehrere von meinen Hunden erlagen der grimmigen Kälte und auch ich selbst gab langsam die Hoffnung auf. Plötzlich sah ich Ihr Schiff, das davor Anker lag. Neuer Lebensmut rieselte mir durch die Adern und zugleich dachte ich freudig daran, daß ich mit Ihrer Hülfe vielleicht mein Werk zu Ende führen können würde. Ich hatte ja nie daran gedacht, daß ich so hoch da oben einem Schiff begegnen könnte. Schnell zerschlug ich meinen Schlitten und konstruierte mir ein paar Ruder, mit deren Hilfe ich meine Eisscholle dem Kutter entgegensteuerte. Ich hatte mir aber fest vorgenommen, falls Sie nach Süden abfahren sollten, mich wieder dem Eise anzuvertrauen und keinesfalls meinen Plan aufzugeben. Ich hegte die Hoffnung, daß Sie mir ein Boot zur Verfügung stellen würden, in dem ich die Verfolgung meines Peinigers wieder aufnehmen könnte. Aber Sie fuhren nach Norden, und hier gehe ich meinem Ende entgegen, das ich nur fürchte, weil meine Aufgabe noch nicht erfüllt ist.

Wann wird wohl mein guter Engel mich zur Ruhe betten, der ich so sehr bedarf, wenn ich meinen Dämon vernichtet habe; oder soll ich sterben, wenn er noch lebt? Wenn das eintreten sollte, so schwören Sie mir, Walton, daß Sie die Verfolgung aufnehmen und ihn nicht lebend entkommen lassen. Rächen Sie mich an ihm! Und dennoch, darf ich es Ihnen denn zumuten, das alles zu erdulden, was ich erduldet? Nein! Aber ich bitte Sie, wenn ich tot bin und er kreuzt irgendwo Ihre Wege, geleitet von den Geistern der Rache, ihn zu töten; schwören Sie mir das! Er soll nicht triumphieren über mein Weh und seinen Schandtaten noch neue hinzufügen. Er ist beredsam und seine Worte sind einschmeichelnd; sie hatten ja einst sogar mich betört. Aber trauen Sie ihm nicht; seine Seele ist ebenso häßlich wie sein Leib, voll von Bosheit und fanatischer Tücke. Hören Sie nicht auf ihn; nennen Sie die Namen: Wilhelm, Justine, Clerval, Elisabeth, meines Vaters und den des armen Viktor, und stoßen Sie ihm dann Ihren Degen in die Brust. Mein Geist wird in Ihrer Nähe sein und Ihnen die Klinge führen.

26. August 17..

Du hast diesen seltsamen und furchtbaren Bericht gelesen, und fühlst Du nicht Dein Blut erstarren? Oftmals ergriff den Erzähler die Todesangst, sodaß er aufhören mußte. Dann fuhr er wieder fort mit bebender Stimme das Weh zu schildern, das sein Teil geworden auf Erden. Bald glühten seine schönen Augen vor Zorn, bald wurden sie trüb oder schwammen in Tränen, wenn er so seine Hoffnungslosigkeit und sein Elend schilderte. Zumeist war er Herr seiner Stimme und seiner Geberden; manchmal aber kam doch seine Wut zum Ausbruch und er schleuderte mit den Ausdrucke des wildesten Hasses furchtbare Verwünschungen gegen seinen Feind.

Die Geschichte ist zusammenhängend und wurde mit aller Schlichtheit, wie sie nur der Wahrheit innewohnt, erzählt. Ich gestehe Dir aber, daß mir die Briefe von Felix und Safie und der Anblick des Ungeheuers, das wir ja vom Schiffe aus gesehen hatten, mehr für die Wahrheit bewiesen als alle seine Beteuerungen, denen ich unter anderen Umständen ohne weiteres Vertrauen geschenkt hätte. Also ein solches Ungeheuer trug wirklich die Erde? Ich kann nicht mehr daran zweifeln. Aber staunen muß ich darüber. Oftmals versuchte ich, von Frankenstein Details über seine Entdeckung zu erfahren, aber in dieser Hinsicht war er unerbittlich.

»Sie sind ja wahnsinnig, mein Freund,« sagte er, »oder sind Sie so neugierig? Wollen Sie auch sich und der Welt einen solchen satanischen Feind schaffen? Denken Sie daran, was ich darunter zu leiden hatte, und versuchen Sie nicht, sich selbst solches Elend aufzubürden.«

Frankenstein hatte bemerkt, daß ich mir Aufzeichnungen über seine Erzählung machte. Er bat mich, sie ihm zu zeigen und verbesserte und ergänzte sie an manchen Stellen, besonders wo es sich um das Leben des Dämons und um seine Gespräche mit ihm handelte. »Ich möchte nicht,« sagte er, »nachdem Sie nun doch einmal meine Geschichte der Nachwelt überliefern wollen, daß sie verstümmelt an diese gelangt.«

Eine Woche hatte es gedauert, bis diese Geschichte, die seltsamste, die ich je gehört, ganz erzählt war. Mein Gast hatte mir mit seinen Worten, aber auch durch sein vornehmes Wesen hohes Interesse eingeflößt und ich versuchte ihn zu beruhigen. Doch was half das, wenn ich einem tief Unglücklichen und jeglicher Hoffnung Beraubten Freude am Leben predigte? Nichts; er hatte auch gar keinen anderen Wunsch mehr, als sich in Ruhe und Frieden auf den Tod vorzubereiten. In seinen Träumen hält er Zwiesprache mit seinen lieben Toten und ist fest überzeugt, daß sie selbst es sind, die aus den unsichtbaren Welten herüberschweben und ihm Trost zusprechen. Dies gibt seinen Phantasien einen Schimmer von Wahrheit, der zugleich erhebt und rührt.

Unsere Gespräche beschränken sich aber nicht auf seine Lebens- und Leidensgeschichte. Er ist auf allen Gebieten außergewöhnlich bewandert und von hoher Intelligenz. Er spricht überzeugend und klar. Was für ein prächtiger Mensch muß er in den Tagen des Glückes und der Jugend gewesen sein! Er scheint sich seines einstigen Wertes und der Tiefe seines Sturzes wohl bewußt zu sein.

»Als ich noch jung war,« sagte er, »glaubte ich für etwas Hohes, Erhabenes ausersehen zu sein. Ich hatte eine tiefe Empfindung, dabei aber doch eine Ruhe des Urteils, wie sie nicht alltäglich ist. Dieses Gefühl meines eigenen Wertes stützte mich da, wo andere längst unterlegen waren. Und ich hielt es für ein Verbrechen, in fruchtlosem Grübeln die Talente verkümmern zu lassen, die meinen Mitmenschen vielleicht von Nutzen sein konnten. Wenn ich darüber nachdachte, was ich vollbracht, nämlich die Schöpfung eines lebenden, denkenden Wesens, dann glaubte ich ein Recht zu haben, mich über den großen Haufen der sogenannten Entdecker zu erheben. Aber gerade dieser Umstand ist es, der mich heute am tiefsten niederdrückt. All mein Sinnen und Hoffen war umsonst; und wie jener Erzengel, der dem Allmächtigen Trotz zu bieten wagte, bin ich in eine brennende, ewige Hölle verbannt. Ich trug den Himmel in mir, ich jubelte über meine Erfolge und glühte vor Eifer, noch weiter zu schreiten auf der einmal betretenen Bahn. Von meiner Kindheit an war ich voll stolzer Hoffnungen und voll zügellosen Ehrgeizes. Wie tief aber bin ich heute gesunken! Mein Freund, wenn Sie mich noch gekannt hätten, wie ich früher war, Sie würden mich nicht mehr erkennen. Verzweiflung war mir fremd, und ein großes, hohes Geschick schien mir Flügel zu verleihen, bis ich tief, so tief fiel, daß ich mich nicht mehr erheben kann.«

Muß ich also wirklich dieses liebenswerte Geschöpf verlieren? Ich habe mich so lange nach einem Freunde gesehnt, nach einem Menschen, der mir in Liebe zugetan ist und mich versteht. Sieh, in diesen endlosen Eiswüsten habe ich ihn gefunden; aber ich fürchte, ich habe ihn nur gefunden, um seinen Wert zu erkennen und ihn dann zu verlieren. Ich habe alles versucht, um ihn das Leben wieder lieben zu lehren, aber er will nichts davon wissen.

»Ich danke Ihnen, Walton,« sagte er, » für Ihre freundlichen Bemühungen um mich Armen. Aber glauben Sie nicht, daß mir neue Bande und neue Liebe das zu ersetzen vermöchten, was ich verloren. Kann mir ein Mann je noch das sein, was mir Clerval, oder dein Weib das, was mir Elisabeth war? An den Genossen unserer Jugend hängen wir so fest, daß die Neigungen späterer Jahre sie nicht aus unseren Herzen zu verdrängen vermögen. Und ich habe Freunde gehabt, die mir nicht nur durch Gewohnheit lieb geworden waren, sondern um ihrer selbst willen. Wo immer ich weile, flüstern mir die Stimmen Elisabeths und Clervals an das Ohr. Sie sind tot, und nur eines ist es, was mich in dieser Öde noch an das Leben kettet. Hätte ich noch ein Ziel, das, hoch und erhaben, der Menschheit von Nutzen sein könnte, dann, ja dann könnte ich mich entschließen weiter zu leben. Aber das ist mir nicht beschieden! Ich habe nichts mehr weiter zu tun, als das Ungeheuer, das ich schuf, zu verfolgen und zu vernichten. Dann ist mein Erdenzweck erfüllt und ich kann mich schlafen legen.«

2. September 17..

Liebste Schwester!

Heute schreibe ich Dir, umgeben von den schlimmsten Gefahren, und weiß nicht, ob ich je wieder mein geliebtes England und die teuren Menschen, die mir dort noch leben, erblicken werde. Ringsum türmen sich Eisberge von ungeheurer Höhe, die ein Entkommen ganz unmöglich erscheinen lassen und jeden Augenblick mein Schiff zermalmen drohen. Die braven Burschen, die ich überredet habe, an meinem Unternehmen sich zu beteiligen, schauen stumm und hülfesuchend auf mich. Aber ich kann ihnen keinen Trost gewähren! Es ist ein furchtbar niederdrückendes Gefühl, aber mein Mut und meine Hoffnung sind noch ungebrochen. Es tut mir in der Seele weh, zu wissen, daß ich, wenn wir zu Grunde gehen müssen, mit meinen ehrgeizigen Plänen allein die Schuld trage.

Und wie wird Dir zu Mute sein, Margarethe? Du wirst von meinem Untergange ja nichts erfahren und sehnsüchtig meiner Rückkehr harren. Jahre werden dann vergehen, in denen Du zwischen Hoffen und Verzweifeln schwankst. O liebe Schwester, Dein Leid betrübt mich mehr als mein eigenes Ende. Aber Du hast ja Deinen Mann und Deine lieben Kinder, mit denen Du glücklich sein kannst. Der Himmel segne Dich und sie alle.

Mein unglücklicher Gast fühlt tiefes Mitleid mit mir. Er versucht mich aufzumuntern und spricht, als habe das Leben auch für ihn noch Wert. Er erinnert mich oft daran, wie das Gleiche auch schon anderen Seefahrern vor mir geschehen sei, die in diese ungastlichen Meere kamen, und erweckt in mir Hoffnungen, von denen ich sicher weiß, daß sie trügerisch sind. Auch die Mannschaft unterliegt der Macht seiner Beredsamkeit, ihre Zaghaftigkeit weicht frischer Energie, und er redet ihnen ein, diese Eisberge seien Maulwurfhaufen, die vor der Macht des Menschen in nichts zerfallen. Aber lange hält die gute Stimmung nicht an. Jeder Tag vergeblicher Bemühungen wirkt deprimierend auf ihre Gemüter ein und ich habe mich schon auf eine Meuterei gefaßt gemacht, wenn das noch lange so weiter geht.

5. September 17..

Eben hat sich etwas ereignet, das ich für Dich niederschreiben muß, wenn ich auch nicht hoffen darf, daß dich diese Zeilen je erreichen.

Wir sitzen immer noch fest mitten in den Eisbergen und müssen immer damit rechnen, von ihnen zermalmt zu werden. Die Kälte ist furchtbar, und mancher meiner treuen Genossen hat schon sein Grab unter diesem düsteren Himmel gefunden. Frankenstein wird von Tag zu Tag elender. Fieberglut leuchtet aus seinen Augen. Er ist völlig erschöpft, und wenn er sich auch zuweilen aufrafft, so versinkt er wenige Augenblicke danach wieder in Apathie.

Ich habe schon früher meinen Befürchtungen, es könnte eine Meuterei ausbrechen, Ausdruck gegeben. Heute morgen, als ich am Bett meines armen Freundes saß, der mit halb geschlossenen Augen und schlaffen Gliedern dalag, hörte ich draußen Lärm und Stimmengewirr. Es war ein halbes Dutzend meiner Matrosen, die mich zu sprechen verlangten. Sie traten ein und einer von ihnen ergriff das Wort. Er sagte mir, daß er und die, die mit ihm gekommen waren, von den übrigen Matrosen als Deputation zu mir geschickt worden seien, um eine Bitte vorzutragen, die ich gerechterweise nicht abschlagen könne. Wir seien vom Eis umschlossen und würden ja wohl nie wieder frei werden. Aber sie fürchteten, daß ich, wenn wider Erwarten dieser Fall eintreten sollte, kühn genug wäre, noch weiter nach Norden vorzudringen und sie in neue Gefahren brächte. Sie verlangten deshalb, daß ich ihnen das feierliche Versprechen gebe, meinen Kurs südwärts zu richten, wenn ein gütiges Schicksal uns aus diesen Eismassen befreite.

Diese Worte verwirrten mich. Ich hatte die Hoffnung noch lange nicht aufgegeben; auch hatte ich nie daran gedacht umzukehren, wenn ich wieder freies Fahrwasser hätte. Aber konnte ich es wagen, mich der Forderung meiner Leute zu widersetzen? Ich zögerte noch zu antworten, da erhob sich Frankenstein, der bisher teilnahmslos dagelegen hatte, im Bett. Seine Augen funkelten und über seine Wangen huschte ein flüchtiges Rot. Zu den Mannschaften gewendet, sagte er:

»Was wollt ihr hier? Was verlangt ihr von eurem Kapitän? Seid ihr so wankelmütig? Und das nennt ihr dann eine ruhmreiche Expedition? Und warum war sie ruhmreich? Nicht weil ihr ruhig und friedlich in einem stillen Meere gekreuzt habt, sondern weil sie gefahrvoll und schrecklich war; weil bei jedem neuen Hindernis euer Mut gestiegen ist; weil Not und Tod euch umgaben, denen ihr wacker die Stirn geboten habt. Das ist ein ruhmreiches, ein lobenswertes Unternehmen. Man wird euch preisen als Helden und wird euch verehren, weil ihr zum Nutzen der Menschheit die Ehre dem Tode abgerungen habt. Und nun, bei der ersten ernstlichen Gefahr, bei der ersten Prüfung eures Mutes wollt ihr verzagen und schämt euch nicht als Leute zurückzukehren, die nicht Kraft genug hatten, der Kälte und der Gefahr zu trotzen. Arme, ängstliche Seelen seid ihr, die am liebsten hinter dem warmen Ofen hocken. Dazu hätte es nicht dieser Vorbereitungen bedurft; Schurken seid ihr, wenn ihr euren Kapitän zwingen wollt, unverrichteter Dinge umzukehren. Ich bitte euch, seid doch Männer, stark und unbezwinglich wie Felsen, und bleibt eurem Vorsatze getreu. Dieses Eis ist nicht so fest wie euer Wille und kann euch nicht widerstehen, wenn ihr nur ernstlich wollt. Kehrt nicht zu euren Familien zurück mit der Schande beladen. Kehrt zurück als Helden, die gekämpft und gesiegt und die niemals dem Feinde den Rücken gekehrt haben.«

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
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270 s. 1 illüstrasyon
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