Kitabı oku: «Frankenstein oder Der moderne Prometheus », sayfa 3
Kapitel 3
Als ich siebzehn Jahre alt geworden war entschlossen sich meine Eltern, mich auf die Universität Ingolstadt zu schicken. Ich wäre ganz gern auf der Genfer Hochschule geblieben, aber mein Vater hielt es für nützlicher, wenn ich, um meine Erziehung zu vollenden, auch mit den Sitten und Gebräuchen anderer Länder vertraut würde. Der Tag meiner Abreise wurde festgesetzt; aber ehe dieser herankam traf mich das erste Mißgeschick meines Lebens, das mich ergriff wie ein Omen meines kommenden Unglücks.
Elisabeth war an Scharlach erkrankt und schwebte in der äußersten Lebensgefahr.
Wir hatten uns alle Mühe gegeben, meine Mutter zu überzeugen, daß die Pflege der Kranken eine große Gefahr für sie bedeute. Anfangs hatte sie sich unseren Bitten gefügt; als sie aber merkte, daß das Leben ihres Lieblings ernstlich bedroht war, ließ sie sich nicht mehr abhalten. Sie wich nicht vom Krankenbette und ihre Liebe siegte über die tückische Krankheit. Elisabeth war gerettet, aber an ihrer Stelle ergriff das Fieber die treue Pflegerin. Am dritten Tage mußte sich die Mutter legen. Bei den ersten beunruhigenden Symptomen wurde der Arzt beigezogen, aus dessen ernstem Antlitz wir das Schlimmste errieten. Aber selbst auf dem Totenbette blieb diese beste der Frauen tapfer und gütig. Sie legte Elisabeths Hände in die meinen und sagte: »Liebe Kinder! Wie habe ich mich immer gefreut, euch einmal vereinigt zu sehen! Mir ist es ja wohl nicht mehr beschieden, das zu erleben, aber es soll wenigstens der Trost eures Vaters sein. Nun mußt du, liebste Elisabeth, meine Stelle bei meinen kleineren Kindern vertreten. Es tut mir weh, von euch gehen zu müssen, von dem Glück, das mir zuteil wurde. Aber ich will mich nicht diesen Gedanken hingeben; ich will versuchen, dem Tod froh ins Auge zu sehen und mich damit trösten, daß wir uns ja drüben alle wieder sehen werden.«
Sie starb ruhig und gelassen; selbst der Würger Tod war nicht imstande gewesen, die Liebe aus ihren Zügen zu bannen. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie tief wir alle litten, wie öde es in uns war und welche Traurigkeit auf unseren Gesichtern sich ausdrückte. Lange konnten wir es nicht fassen, daß die Frau, die wir alle Tage sahen, nun von uns gegangen sei auf immer, daß ihre lieben Augen uns nun nicht mehr freundlich anblicken, ihre traute Stimme nicht mehr an unser Ohr tönen sollte. Das sind so die Gedanken der ersten Tage. Wenn dann aber die Zeit in ihrem Laufe uns belehrt, daß wirklich alles so ist, dann beginnt der eigentliche, tiefe Gram. Aber wem hat der grausame Tod nicht schon etwas Liebes entrissen und warum soll ich die Schmerzen beschreiben, die jeden schon getroffen haben oder noch treffen müssen? Schließlich kommt die Zeit, da das Leid stiller wird und da man das Lächeln, das sich auf unsere Lippen schleicht, nicht mehr verbannt, wenn es einem auch vorher undenkbar schien, daß das je noch der Fall sein könnte. Meine Mutter war tot, aber wir hatten Pflichten, die wir erfüllen mußten; wir, die Übriggebliebenen durften uns ja glücklich schätzen, daß der Würger wenigstens von dem einen Opfer seine kalte Hand zurückgezogen hatte.
Für meine Abreise nach Ingolstadt, die durch die Verhältnisse aufgeschoben war, wurde nun ein neuer Zeitpunkt festgesetzt. Es gelang mir, von meinem Vater einen Aufschub von etlichen Wochen zu erlangen. Es wäre mir wie ein Sakrileg erschienen, so schnell die Ruhe des Trauerhauses mit dem sprudelnden Leben da draußen zu vertauschen. Und dann wollte ich den Anblick derer nicht missen, die mir geblieben waren; vor allem aber war es mir darum zu tun, meine süße Elisabeth einigermaßen getröstet zu sehen.
Sie verstand es, ihr eigenes Leid zu verbergen und uns alle aufzurichten. Sie nahm das Leben ernst und kam ihren Pflichten tapfer und treu nach. Sie widmete sich ganz denen, die sie als Vater und Geschwister lieben gelernt hatte. Niemals war sie lieblicher, als wenn der Sonnenschein ihres Lächelns uns alle erwärmte und wenn sie, ihren Gram vergessend, uns zur Trösterin wurde.
Schließlich kam aber doch der Tag meiner Abreise heran. Clerval verbrachte den letzten Abend noch bei uns. Er hatte vergebens versucht, seinen Vater zu bestimmen, daß er ihn mit mir nach Ingolstadt ziehen und dort studieren ließe. Aber sein Vater war eine engherzige Krämerseele und betrachtete diese Wünsche seines Sohnes als unnützen Ehrgeiz. Henry empfand es tief schmerzlich, für immer auf eine höhere Bildung verzichten zu müssen. Er sagte wenig; aber wenn er sprach, las ich in seinen glänzenden Augen den stillen, aber festen Entschluß, sich nicht für ewig an den kleinlichen Krämerberuf zu fesseln.
Wir blieben lange beisammen sitzen, denn es schien uns unmöglich einander Lebewohl zu sagen. Und dennoch mußte es schließlich geschehen. Wir gingen auseinander, indem wir vorgaben der Ruhe zu bedürfen, und trotzdem wußte jeder, daß der andere die Unwahrheit gesagt hatte. Als ich dann beim Morgengrauen hinunterging, um meinen Wagen zu besteigen, waren sie alle wieder da: mein Vater, um mich noch einmal zu segnen, Clerval, um mir zum Abschied die Hand zu drücken, und meine Elisabeth, um mir erneut das Versprechen abzunehmen, daß ich ihr fleißig schreiben werde, und um ihrem scheidenden Freund und Spielkameraden noch einige kleine Liebesdienste zu erweisen.
Ich lehnte mich tief im Wagen zurück, der mit mir dahinrollte, und gab mich trübseligen Betrachtungen hin. Ich war nun allein! Auf der Universität mußte ich mir erst Freunde suchen und für mich selbst sorgen. Mein Leben war bisher ein außergewöhnlich zurückgezogenes gewesen und daher mochte es wohl kommen, daß ich einen fast unbezwinglichen Abscheu vor allen neuen Gesichtern hatte. Ich liebte meinen Bruder, ich liebte Elisabeth und Clerval; das waren mir altbekannte, liebe Gesichter; aber ich hielt mich für total ungeeignet, mit Fremden Bekanntschaften anzuknüpfen. Das waren also meine Betrachtungen zu Anfang meiner Reise, aber je weiter ich mich von der Heimat entfernte, desto mehr wuchsen mir Mut und Hoffnung. Ich war von brennendem Lerneifer erfüllt. Ich hatte oft, als ich noch zu Hause war, es bitter beklagt, an diesen kleinen Erdenfleck gekettet zu sein, und gewünscht, die weite Welt zu sehen und den mir gebührenden Platz innerhalb der Menschheit einzunehmen. Nun, da diese Wünsche in Erfüllung gehen sollten, wäre es töricht gewesen, Reue zu empfinden.
Für diese und andere Betrachtungen fand ich auf der langen und ermüdenden Reise nach Ingolstadt hinreichend Muße. Endlich erblickte ich die Kirchturmspitzen der Stadt. Ich stieg an meinem Quartier ab und wurde nach meinem einsamen Zimmer geführt, um dort den Abend nach meinem Gutdünken zu verbringen. Am nächsten Morgen machte ich den hervorragendsten Professoren Besuch und gab meine Empfehlungsbriefe ab. Der Zufall, oder vielleicht auch der Dämon der Vernichtung, der mich umschwebte, seit ich mit zögerndem Schritt aus dem Vaterhause in die Welt getreten war, führte mich zuerst zu dem Dozenten der Naturphilosophie, namens Krempe. Er war ein wunderlicher Mensch, aber unerreicht in seinem Fach. Er stellte mir mehrere Fragen aus verschiedenen Gebieten der Naturphilosophie, um zu sehen, was von mir zu erwarten sei. Ich antwortete freimütig und erwähnte dabei halb verächtlich die Namen der Alchymisten, deren Werke ich zuerst studiert hatte. Der Professor war sehr erstaunt, dann sagte er: »Haben Sie wirklich Ihre Zeit mit diesem Unsinn vertan?«
Ich bejahte. »Jede Minute,« fuhr Herr Krempe ernst fort, »jeder Augenblick, den Sie sich mit jenen Büchern beschäftigt haben, ist unwiederbringlich und für immer verloren. Sie haben Ihr Gedächtnis mit veralteten Systemen und zwecklosen Dingen belastet. In welchem verlassenen Lande haben Sie denn um Gotteswillen gelebt, daß niemand Sie aufmerksam gemacht hat, daß diese Phantasien, mit denen Sie begierig Ihr Hirn vollpfropften, schon tausend Jahre alt und ganz verschimmelt sind? Ich muß gestehen, daß ich in unserm aufgeklärten Jahrhundert nicht erwartet hätte, noch auf einen Jünger des Albertus Magnus und des Paracelsus zu stoßen. Mein lieber, junger Freund, Sie müssen mit Ihren Studien ganz von vorn beginnen.«
Er trat dann an sein Schreibpult und notierte mir eine Reihe von Büchern, die ich mir beschaffen sollte. Dann entließ er mich, nachdem er mich aufmerksam gemacht hatte, daß er vom Beginn der nächsten Woche ab ein Kolleg über Naturphilosophie, und sein Freund, Herr Waldmann, abwechselnd mit ihm ein solches über Chemie lesen werde.
Ich kehrte nach meiner Wohnung zurück, keineswegs enttäuscht, denn auch ich hatte schon seit langer Zeit, wie ich Ihnen schon sagte, die Wertlosigkeit jener Bücher erkannt, die der Professor verdammte. Aber ich hatte mir vorgenommen, trotzdem zu diesen Studien in irgend einer Weise zurückzukehren. Herr Krempe war ein kleiner, untersetzter Mensch mit barscher Stimme und abstoßendem Gesicht. Der Lehrer hatte also nichts an sich, was mich für seine Wissenschaft von vornherein hätte einnehmen können. Als ganz junger Mensch war ich mit den von den Lehrern der Naturwissenschaften erreichten Resultaten niemals zufrieden gewesen. Die Verworrenheit meiner Ideen, die ja wohl meiner großen Jugend zuzuschreiben war, und der Mangel eines geeigneten Führers, brachten mich soweit, daß ich, rückwärts schreitend, die Ergebnisse moderner Forschung gegen die Träume vergessener Alchymisten eintauschte. Sogar eine gewisse Verachtung empfand ich gegen die moderne Naturphilosophie. Es war doch etwas ganz anderes, wenn die alten Meister Unsterblichkeitund Macht anstrebten. Wenn dieses Streben auch unnütz war, so hatte es doch etwas Großzügiges an sich. Aber das heutige Bild war ein anderes. Die Forscher schienen ihren besonderen Ehrgeiz darein zu setzen, all die Fundamente zu vernichten, auf denen jene gebaut hatten. Es handelte sich für mich also darum, Chimären von grenzenloser Großartigkeit gegen winzige Realitäten zu vertauschen.
Das waren meine Überlegungen während der ersten zwei oder drei Tage meiner Anwesenheit in Ingolstadt, die ich hauptsächlich dazu verwendet hatte, um mir einige Ortskenntnisse zu erwerben. Zu Beginn der nächsten Woche fielen mir dann die Weisungen ein, die mir Professor Krempe bezüglich der Vorlesungen gegeben hatte. Und wenn ich mich auch nicht entschließen konnte hinzugehen und diesen kleinen, eingebildeten Menschen von seinem Katheder herab Weisheiten verkünden zu hören, so erinnerte ich mich doch dessen, was er von Professor Waldmann gesagt hatte, den ich noch nicht kannte, weil er bis jetzt auf dem Lande gewesen war.
Teilweise aus Neugierde, teilweise aus Langweile ging ich in den Hörsaal, den Professor Waldmann gleich nach mir betrat. Dieser Herr unterschied sich wesentlich von seinem Kollegen. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein und machte einen außerordentlich wohlwollenden Eindruck. Sein Haar war fast schwarz, nur an den Schläfen war es schon leicht ergraut. Er war von kleiner Statur, hielt sich aber sehr gerade und seine Stimme besaß einen seltenen Wohllaut. Er begann sein Kolleg mit einer Rekapitulation der Geschichte der Chemie und ihre Entwickelung, indem er mit Feuer von den berühmtesten Entdeckern sprach. Dann kam er auf den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft zu sprechen und machte uns mit der Terminologie bekannt. Nachdem er einige einführende Experimente gemacht, hielt er einen Panegyricus auf die moderne Chemie in Worten, die ich nimmermehr vergessen werde:
»Die Alten versprachen Unmögliches und leisteten nichts. Die heutigen Gelehrten versprechen nichts; sie wissen, daß dieMetalle nicht ineinander verwandelt werden können und daß das Lebenselixir eine Chimäre ist. Aber diese Philosophen, deren Hände dazu geschaffen scheinen, im Schmutze zu graben, und deren Augen über den Schmelztiegeln und Mikroskopen trüb werden, haben wahre Wunder vollbracht. Sie gehen der Natur bis in ihre Schlupfwinkel nach und beobachten sie in ihrer geheimsten Tätigkeit. Sie steigen bis in den Himmel. Sie haben den Kreislauf des Blutes entdeckt und die Natur der Luft, die wir atmen, dargelegt. Sie haben neue, fast unbegrenzte Kräfte entfesselt. Wir haben dem Himmel seine Blitze entrissen und machen uns über die unsichtbare Welt mit ihren Schatten lustig.«
Das waren die Worte des Professors – und des Schicksals, das es auf meine Vernichtung abgesehen hatte. Als er wegging, war es mir, als ringe meine Seele mit einem körperlichen Feinde. Alle Register meines Seins wurden gezogen, Saite auf Saite meines Inneren ertönte und ein Gedanke, ein Wunsch, ein Ziel nahm mich gefangen. So viel bis jetzt auch geschehen sein mag – hörte ich die Seele Frankensteins rufen – viel, viel mehr will ich noch vollenden. Als Pionier will ich neue, unbekannte Kräfte entdecken und vor der Welt die tiefsten Geheimnisse der Schöpfung ausbreiten.
In dieser Nacht schloß ich kein Auge. Mein Inneres war in einem Zustande des Aufruhrs und Tumultes. Ich fühlte, daß das wieder gut würde, aber es war mir so rasch nicht möglich mich zu beruhigen. Allmählich, gegen Morgen, vermochte ich dann einzuschlafen. Als ich erwachte waren meine Gedanken von gestern wie ein Traum. Aber die Idee blieb fest haften, daß ich mich wieder meinen alten Studien zuwenden und mich einer Wissenschaft widmen wollte, zu der ich natürliche Anlagen hatte. Am gleichen Tage noch stattete ich Professor Waldmann einen Besuch ab. Er war als Privatmann, wenn möglich, noch zuvorkommender und gewinnender wie in seinem Berufe. Denn während seiner Vorlesungen nahm er eine sehr würdevolle Haltung an, die aber in seinem Heim einer außerordentlichen Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit Platz machte. Ich gab ihm fast denselben Bericht über meine frühere Beschäftigung wie seinem Kollegen. Er hörte aufmerksam meiner Erzählung zu und lächelte, als er die Namen Cornelius Agrippa und Paracelsus vernahm, aber ohne sie so verächtlich zu machen, wie es Krempe getan hatte. Er meinte, daß diesen unermüdlich fleißigen Forschern die modernen Gelehrten viel zu danken hätten. Sie hätten uns die leichtere Aufgabe hinterlassen, den Dingen Namen zu geben, die sie mit größter Mühe erforscht. Die Arbeit eines Genies sei, wenn sie auch momentan auf irrigen Voraussetzungen beruhe, niemals ohne Nutzen für das Menschengeschlecht. Ich lauschte mit hohem Interesse diesen Ansichten, die so ganz ohne Anmaßung und Ziererei ausgesprochen wurden. Ich versäumte nicht zu gestehen, daß seine Vorlesung mein Vorurteil gegen die moderne Chemie behoben habe. Es ist selbstverständlich, daß ich mich der Bescheidenheit in meinen Ausdrücken befleißigte, die dem Schüler seinem Lehrer gegenüber zusteht, ohne aber den Enthusiasmus zu verhehlen, den ich meinen kommenden Studien entgegenbrachte. Ich bat ihn noch um Ratschläge betreffs der zu beschaffenden Bücher, worauf er sagte:
»Ich freue mich, Sie als Schüler gewonnen zu haben. Wenn Ihr Fleiß Ihren Fähigkeiten gleichkommt, zweifle ich nicht an Ihrem Erfolge. Chemie ist der Zweig der Naturwissenschaft, aus dem das Meiste geholt worden ist und noch geholt werden wird. Darum habe ich sie als mein Spezialfach erwählt, ohne aber die anderen Wissenschaften zu vernachlässigen. Ein Mensch würde nur eine sehr traurige Rolle spielen, wenn er sich ganz einseitig auf Chemie verlegen wollte. Wenn Sie wirklich ein Wissenschaftler werden und nicht bloß ein armseliger Experimentator werden wollen, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich mit sämtlichen Zweigen der Naturphilosophie zu beschäftigen, einschließlich der Mathematik.«
Er nahm mich dann mit in sein Laboratorium und führte mir seine verschiedenen Apparate vor. Er zeigte mir auch ihre Handhabung und versprach mir, daß ich sie selbst bedienen dürfte, wenn ich einmal so weit vorgeschritten sei, daß ich nichts daran beschädigte. Er gab mir dann noch ein Verzeichnis der von ihm empfohlenen Bücher und entließ mich.
So endete ein für mich denkwürdiger Tag: er entschied über mein ganzes künftiges Schicksal.
Kapitel 4
Von diesem Tage ab wurde die Naturphilosophie und besonders die Chemie meine ausschließliche Beschäftigung. Ich las mit Leidenschaft die genialen, klaren Werke moderner Forscher. Ich besuchte fleißig die Vorlesungen und blieb in ständiger persönlicher Verbindung mit meinen Lehrern. Ich fand sogar in Krempe einen gesunden Verstand und tiefes Wissen, allerdings verbunden mit abstoßenden Manieren, die meiner Wertschätzung keinen Eintrag zu tun vermochten. In Professor Waldmann hatte ich einen teueren Freund gefunden. Seine Liebenswürdigkeit wurde durch keinen Dogmatismus getrübt und seine Vorlesungen waren so frei und überzeugend gehalten, daß jeder Verdacht pedantischer Auffassung ausgeschlossen war. In jeder Weise machte er mir die mühsamen Pfade der Wissenschaft leichter und verstand es, die schwierigsten Dinge meiner Auffassung zugänglich zu machen. Mein Fleiß war zu Anfang ziemlich unregelmäßig gewesen; aber er wuchs, je weiter ich fortschritt, und wurde schließlich so groß, daß oftmals die Sterne vor dem Morgenlicht verblichen, wenn ich noch in meinem Laboratorium saß.
Es ist verständlich, daß bei diesem außergewöhnlichen Fleiße auch meine Fortschritte groß waren. Meine Studiengenossen wunderten sich darüber, während meine Lehrer ihre Freude daran hatten. Professor Krempe fragte mich öfter mit schlauem Augenzwinkern, wie es mit Cornelius Agrippa ginge, während sich Waldmann in Lobsprüchen über meine Leistungen erschöpfte. Zwei Jahre verbrachte ich in dieser Weise, ohne Genf zu besuchen; ich war mit Leib und Seele bei meinen Erfindungsplänen. Nur wer es an sich selbst erfahren, kann sich einen Begriff machen von den Wonnen, die die Wissenschaft zu bieten hat. In anderen Wissenszweigen kommt man nur so weit, als eben andere vor uns gekommen sind, und mehr ist nicht zu erfahren. Aber hier gibt es immer Nahrung für Bewunderung und Forschung. Ein Geist von mäßiger Forschungsgabe, der sich unbeirrt auf irgend ein Gebiet wirft, muß zweifellos große Fortschritte machen. Ich aber hatte schon von Jugend auf mich mit solchen Dingen beschäftigt und kam deshalb so rasch vorwärts, daß ich nach den zwei Jahren meines Studiums schon wesentliche Verbesserungen an einzelnen Apparaten erfunden hatte, was mir auf der Universität einen außerordentlichen Nimbus verlieh. Als ich auf diesem Punkte angekommen war und ich einen Nutzen von meinem weiteren Studium in Ingolstadt nicht mehr erwarten durfte, dachte ich daran, in meine Heimatstadt und zu meinen Freunden zurückzukehren. Ein Zufall aber verlängerte meinen Aufenthalt.
Eines der Phänomene, das meine Aufmerksamkeit in besonderem Maße erregte, war der Bau des menschlichen Körpers, überhaupt aller mit Leben begabten Wesen. Woher, fragte ich mich oftmals, kommt das Leben? Es war eine kühne Frage, eine von denen, auf die es keine Antwort gab. Und wie manchen Dingen vermöchten wir nicht auf die Spur zu kommen, wenn nicht Feigheit und Unbesonnenheit die Früchte der Studien wieder vernichtete? Von diesem Standpunkte ausgehend entschloß ich mich, mich fernerhin speziell mit den Doktrinen zu beschäftigen, die mit der Physiologie im Zusammenhange stehen. Hätte mich nicht ein mehr als natürlicher Eifer beseelt, wäre mir dieser Teil meiner Studien zu beschwerlich, überhaupt unerträglich gewesen. Um die Ursachen des Lebens zu entdecken müssen wir zuerst wissen, was der Tod ist. Ich machte mich an die Anatomie, aber das war noch nicht genügend; es handelte sich auch noch darum, die natürliche Zerstörung, den Verfall des menschlichen Körpers zu studieren. Bei meiner Erziehung war großer Wert darauf gelegt worden, daß ich nicht durch Schauermärchen ängstlich gemacht wurde. Deshalb kann ich mich auch nicht erinnern, bei irgend einer Gespenstergeschichte gezittert oder mich vor dem Erscheinen eines Geistes gefürchtet zu haben. Die Dunkelheit war mir nicht, wie vielen anderen, die Quelle des Schreckens, und Kirchhöfe waren für mich nichts anderes als Orte, an denen man die ihres Lebens beraubten Körper bringt, die, bisher mit Schönheit und Kraft begabt, nunmehr zum Würmerfraß geworden waren. Nun, da ich mir vorgenommen hatte, die Ursachen und Erscheinungen dieses Verfalles zu studieren, mußte ich ganze Tage und Nächte in Grabgewölben und Beinhäusern verbringen. Meine Aufmerksamkeit richtete sich besonders auf diejenigen Dinge, die sonst dem menschlichen Feingefühl am meisten widerstreben müssen. Ich sah zu, wie die schönen Formen des Leibes verfielen und vernichtet wurden, wie die Greuel des Todes die blühende Pracht des Lebens ablöste, wie die Würmer sich der wundervollen Gebilde bemächtigten, wie sie Auge und Gehirn darstellen. Ich analysierte und prüfte den Übergang vom Leben zum Tode und wiederum vom Tode zum Leben, bis mir mitten in all der Ungewißheit ein Licht aufblitzte, so glänzend und wunderbar und doch so einfach, daß ich, ganz geblendet von dem Anblick, der sich vor mir auftat, zugleich überrascht war, daß unter den vielen genialen Köpfen, die sich mit derselben Wissenschaft beschäftigt hatten, keiner auf das Geheimnis gekommen war, das zu entdecken jetzt mir vergönnt war.
Ich bitte Sie, sich immer vor Augen zu halten, daß es nicht Visionen eines Irren sind, die ich Ihnen berichte. Wenn das, was ich Ihnen nun erzähle, nicht wahr ist, dann gibt es keine Sonne am Himmel. Ein Zufall mag mir ja zu Hilfe gekommen sein, aber die einzelnen Phasen der Entdeckung lagen klar und unzweideutig vor mir. Nach Tagen und Nächten der unglaublichsten Mühen und Anstrengungen war ich den Ursachen des Werdens und des Lebens auf die Spur gekommen, und, mehr noch als das, ich war selbst imstande, toten Dingen Leben einzuflößen.
An die Stelle des Erstaunens, der Überraschung, trat bald eine rasende Freude. Das war der schönste Lohn meiner Arbeit, daß ich mich nun am Ziele meiner sehnlichsten Wünsche befand. Aber so groß und überwältigend war meine Entdeckung, daß alle Schritte, die sie vorbereitet hatten, wie aus meinem Gedächtnis gelöscht waren und ich nur mehr das Resultat erblickte. Was war nun Fleiß und Arbeit der weisesten Männer wert, da ich den Schlüssel der Schöpfung in Händen hielt?
Ich sehe an Ihrer Erregung, an Ihren erstaunten und zugleich erwartungsvollen Blicken, mein Freund, daß Sie hoffen, von mir in das Geheimnis eingeweiht zu werden. Aber das kann ich nicht. Warten Sie geduldig das Ende meiner Geschichte ab und Sie werden begreifen, warum ich mir da Zurückhaltung auferlegen muß. Ich will nicht, daß Sie, wissensdurstig wie einst ich, in Ihre eigene Vernichtung, in Ihr Elend rennen. Erkennen Sie an mir, an meinem Beispiel, wie gefährlich es ist, sich wissend zu machen, und wie viel glücklicher ein Mensch ist, dem seine Heimatstadt seine Welt bedeutet, der nicht größer sein will, als seine Natur es ihm erlaubt.
Nachdem ich mir dieser ungeheuren Macht bewußt geworden war, zögerte ich noch einige Zeit mit der Anwendung, da ich mir noch nicht klar war, in welcher Weise diese erfolgen sollte. Wenn ich auch die Fähigkeit besaß, Leben zu verleihen, so stand mir doch zunächst die ungeheuer schwierige Aufgabe bevor, einen Leib zu schaffen mit all seinen Muskeln, Sehnen und seinem Geflecht von Adern und Nerven. Ich war mir anfänglich im Zweifel darüber, ob ich gleich ein Wesen schaffen sollte, das mir gleich war, oder ob ich mich zuerst mit einem einfacheren Organismus begnügen sollte. Aber ich war durch meine Entdeckung dermaßen kühn geworden, daß ich nicht einsah, warum mir nicht sofort die Herstellung eines Wesens gelingen sollte, das so kompliziert und wundervoll ist wie der Mensch. Das mir zur Verfügung stehende Material schien allerdings noch kaum genügend für die schwierige Aufgabe, aber ich zweifelte keinen Augenblick, daß ich doch schließlich Erfolg haben müßte. Ich bereitete mich auch auf alle Eventualitäten vor; meine Bemühungen konnten unter Umständen immer wieder vereitelt werden, mein Werk unvollendet bleiben. Und wenn auch im Hinblick auf die Bedeutung jedes einzelnen Tages für die technischen Erfindungen durfte ich doch hoffen, daß mir endlich der Lorbeer des Sieges zuteil würde. Die Größe und Kompliziertheit meines Unternehmens war mir noch lange kein Beweis für seine Undurchführbarkeit. Mit diesen Gefühlen machte ich mich dann endlich an die Erschaffung des menschlichen Wesens. Da die Feinheit der einzelnen Teile lange Zeit zu ihrer Nachbildung erfordert hätte, beschloß ich, entgegen meiner ursprünglichen Absicht, dem Wesen eine gigantische Statur zu geben. Das heißt, ich wollte ihm eine Größe von acht Fuß geben. Es dauerte noch einige Monate, bis ich alles Nötige beisammen hatte und beginnen konnte.
Es ist unmöglich die Gefühle zu schildern, die mich wie ein Sturmwind durchbrausten. Leben und Tod erschienen mir zwei Schranken, die ich durchbrechen und einen Strom von Licht über die finstere Welt gießen durfte. Eine neue Art von Menschenwesen würden mich als ihren Schöpfer preisen und manches Gute und Edle sollte seinen Ursprung mir zu verdanken haben. Kein Vater sollte der Dankbarkeit seiner Kinder so wert sein wie ich. Damals kam ich auf die Idee, die ich allerdings dann später als durchaus undurchführbar erkannte, daß es mir, der ich imstande war, leblose Materie lebend zu machen, möglich sein müßte, auch da wieder Leben zu erzeugen, wo der Tod bereits zerstörend eingegriffen hatte.
Diese Gedanken waren es, die mir immer wieder Kraft zu meinem Unternehmen verliehen. Meine Wangen waren bleich geworden und mein Körper der Erschöpfung nahe. Manchmal meinte ich, ganz nahe an meinem Ziele verzagen zu müssen. Aber ich klammerte mich an die Hoffnung, daß die nächsten Tage, die nächsten Stunden schon eine Entscheidung bringen würden. Die Freude meines Lebens war das Geheimnis, von dem nur ich allein wußte, und oftmals leuchtete mir der Mond bei meinen mitternächtlichen Arbeiten, die mich bis an die verstecktesten Winkel des Naturschaffens führen sollten. Ich unterlasse es, Ihnen die Greuel meines einsamen Schaffens zu schildern, wie ich im Unrat von Gräbern wühlte und lebende Wesen zu Tode quälte, um toten Staub zu beleben. Heute zittern meine Knie und es flimmert vor meinen Augen, wenn ich an das alles denke. Aber damals trieb es mich rastlos, rücksichtslos weiter, so daß ich jeden Sinn für anderes verlor. In einem stillen, abgelegenen Zimmer, oder besser gesagt einer Kammer unter dem Dache, von allen übrigen Räumen durch eine Galerie und eine Treppe getrennt, vollbrachte ich mein ekelerregendes Werk. Die Augen traten mir aus den Höhlen vor Erregung und Anspannung. Die Beinhäuser, der Seziersaal und auch die Schlächterwerkstatt lieferten mir mein Material, und oft wandte sich mein Inneres voll Abscheu von dieser Beschäftigung ab, während meine Schöpfung immer mehr ihrer Vollendung entgegeneilte.
Unterdessen waren die Sommermonate dahingeflossen. Es war eine herrliche Zeit gewesen und niemals noch hatten die Felder so reich gesegnet dagestanden. Aber meine Augen waren für solche Reize zu jener Zeit völlig unzugänglich. Und aus demselben Grunde, weshalb ich keine Freude an der Natur mehr hatte, vergaß ich auch der treuen, lieben Menschen, von denen ich so weit entfernt war und die ich schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Ich wußte, daß sie mein Schweigen beunruhigen mußte und erinnerte mich noch recht wohl der Worte meines Vaters: »Wenn du mit dir selbst zufrieden bist, wirst du auch unser in Liebe gedenken und wir werden regelmäßig von dir hören. Du darfst es mir nicht verübeln, wenn ich langes Schweigen deinerseits als einen Beweis dafür ansehe, daß du deine anderen Pflichten in gleicher Weise vernachlässigst.«
Ich konnte mir also gar nicht im Zweifel darüber sein, was mein Vater von mir denken mußte; aber mein Werk hatte mich, so widerlich es an sich war, dermaßen gepackt, daß ich mich nicht mehr losreißen konnte. Ich wollte deshalb alles, was mit Aufmerksamkeit für andere zusammenhing, hinausschieben, bis der große Wurf gelungen wäre.
Ich zieh meinen Vater damals der Ungerechtigkeit, daß er mir Nachlässigkeit vorwarf; aber heute weiß ich gewiß, daß er recht hatte, wenn er mich nicht von Schuld freisprach. Ein vollkommener Mensch muß sich immer die Seele ruhig und friedvoll erhalten und darf keiner Leidenschaft auch keinem vorübergehenden Begehren gestatten, ihn zu verwirren. Ich wage nicht zu behaupten, daß wissenschaftlicher Eifer eine Ausnahme bedinge. Wenn das Studium, dem man sich widmet, die Gefühle der Liebe und Dankbarkeit vernichtet und den Sinn für einfache Freuden tötet, dann ist es sicher nicht nützlich für den menschlichen Geist. Wenn diese Regel immer beachtet worden wäre, dann wäre Griechenland nicht unterjocht worden, Cäsar hätte sein Vaterland verschont und die alten, mächtigen Reiche in Mexiko und Peru wären nicht untergegangen.
Aber eben merke ich, daß ich mitten im interessantesten Teil meiner Erzählung zu philosophieren beginne. Ihre Augen mahnen mich fortzufahren.
Mein Vater machte mir in seinen Briefen keine Vorwürfe wegen meines Schweigens und bekundete nur dadurch sein Interesse daran, daß er sich eingehender als bisher um meine Studien kümmerte. Winter, Frühling und Sommer waren über meiner Arbeit dahingeflossen; aber ich beachtete nicht das Blühen und Sprießen. Früher hatten diese Erscheinungen mich stets mit der größten Freude erfüllt, so tief war ich in meine Ideen vergraben. Und die Blätter wurden welk, noch ehe mein Werk vollendet dastand; aber jeder Tag ließ mich jetzt einen Fortschritt erkennen. Nur war mein Eifer einigermaßen mit Angst gemischt. Ich hatte Gefühle, wie sie ein Sklave hegen muß, der in den Minen zu arbeiten gezwungen wird, nicht aber wie ein Künstler, der sein Lebenswerk schafft. Jede Nacht fieberte ich und wurde entsetzlich nervös; ein Knarren in der Diele ließ mich zusammenfahren und an den Menschen schlich ich vorbei, als hätte ich ein schweres Verbrechen auf dem Gewissen. Und wenn ich mich im Spiegel ansah, erschrak ich über mein Aussehen; nur der eiserne Wille hielt mich noch aufrecht, mein Ziel zu erreichen. Nun war es bald zu Ende und ich konnte dann durch körperliche Übungen und Vergnügungen dem drohenden Unheil Einhalt tun; und das versprach ich mir, wenn ich nur erst meine Schöpfung vollendet haben würde.