Kitabı oku: «Es ist alles ganz einfach», sayfa 4

Yazı tipi:

Wenn die Spieler etwas gut machen, weil sie die Anweisungen befolgen, werden sie mit einem positiven Ergebnis belohnt.

Ich gehe noch einen Schritt weiter zurück. Für all diejenigen, die es vergessen haben sollten, rufe ich in Erinnerung, dass uns im Jahr vor dieser zweifachen Begegnung mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League 2014/15 Borussia Dortmund als Gegner per Los zugeteilt wurde, nachdem wir in der Qualifikationsrunde Gruppenzweiter geworden waren. Sie waren zwei Jahre zuvor ins Finale der Champions League eingezogen, sie waren nun Gruppensieger nach den Vorrundenspielen, doch in der Bundesliga waren sie im Abstieg begriffen. Die Mannschaft wurde von Jürgen Klopp trainiert, es war ganz klar gegen Ende seiner Trainerschaft. Nachdem wir das Hinspiel – bei dem wir das Spiel dominiert hatten und das gegnerische Tor nur einstecken mussten, weil Giorgio Chiellini ausgerutscht war – mit 2:1 gewonnen hatten, waren wir wegen des Rückspiels vor der gelben Wand der Borussia-Fans sehr in Sorge. Nein, ich möchte mich genauer ausdrücken: Es war weniger Sorge, sondern es handelte sich, würde ich sagen, eher um „Versagensangst“. Es war uns sehr bewusst, dass wir gut waren, doch das eine oder andere Jahr, in dem es auf europäischer Ebene schiefgelaufen war, lastete psychisch auf uns.

Patrice Evra hat vor einiger Zeit die Anekdote erzählt – und dabei etwas übertrieben –, doch ich habe bei der Spielvorbereitung tatsächlich so etwas Ähnliches gesagt wie: „Wenn wir dies tun, gewinnen wir!“ Und tatsächlich, auf dem Spielfeld wurde das in die Praxis umgesetzt, was ich von den Spielern verlangt hatte. Dies brachte uns ein großartiges Individualspiel von Carlos Tévez ein, der nach drei Minuten ein Tor schoss. Und damit rückte der Einzug ins Viertelfinale in greifbare Nähe. Wir gewannen das Rückspiel tatsächlich mit 3:0 aufgrund einer großartigen Leistung, die möglich wurde, weil die Spieler demjenigen vertrauten, der sie auf eine bestimmte Art und Weise auf dem Spielfeld aufgestellt hatte. Ich hatte ihnen Anweisungen gegeben, und sie hatten diese umgesetzt. Beim Rückspiel gegen den FC Bayern jedoch wirkte sich der Zwischenfall mit Evras Fehler negativ auf das Vertrauen aus, das ich auf Seiten der Spieler spürte – Fußball ist nun einmal, wie schon gesagt, alles andere als eine exakte Wissenschaft.

Von diesem Beispiel aus der Praxis kommen wir nun zur Regel Nr. 5, die ich folgendermaßen zusammenfassen möchte: „Das Vertrauen der Spieler durch Empathie, Authentizität und Methodik gewinnen.“ Aus diesen drei Begriffen setzt sich Vertrauen eigentlich zusammen. Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gemütsverfassung anderer Menschen hineinzuversetzen. Die Spieler fühlen sich verstanden und spüren, dass der Trainer auf ihrer Seite steht. Außerdem erzeugt die Empathie, die ich ihnen gegenüber zeige, auch das Vertrauen der Spieler untereinander und begünstigt so die Entwicklung des Spiels, da jeder Einzelne von ihnen weiß, was er von seinen Mitspielern erwarten kann. Die Geschlossenheit der Gruppe beim Spiel profitiert also davon.

Der zweite Begriff ist die Authentizität, die wir als Fähigkeit definieren können, sich selbst treu zu bleiben und dafür geschätzt zu werden. Die Spieler nehmen das wahr und geben doppelt so viel, um das in die Tat umzusetzen, was ihnen ein authentischer Mensch geraten hat. Doch auch zwischen den Mitspielern entsteht eine ehrliche Bindung: Keiner blufft, alle strengen sich an und lassen nicht nach in ihrem persönlichen Engagement, da sie wissen, dass genau das wie durch Magie zur grundlegenden Spielregel geworden ist.

Und nun sind wir schließlich beim dritten Begriff angelangt, der mit der Vermittlung von Vertrauen zu tun hat, bei der Methodik. Darunter verstehe ich die Gesamtheit aller Informationen, Anweisungen und taktischen Themen, die den Spielern eine „Richtung“ geben. Sie ist für die Spieler ein bisschen das, was der Stern von Bethlehem für die Heiligen Drei Könige war: Sie wissen, dass sie dieser Richtung folgen müssen, ohne jedoch dafür ihre Kreativität aufgeben zu müssen. Wir sprechen nämlich von Vertrauen und nicht von Unterwerfung! Das Ziel wird zu einer Art Leitgedanken, zu einem „Monogedanken“.

Die Methodik ist für die Spieler ein bisschen das, was der Stern von Bethlehem für die Heiligen Drei Könige war: Sie wissen, dass sie dieser Richtung folgen müssen, ohne jedoch dafür ihre Kreativität aufgeben zu müssen.

Gestattet mir an dieser Stelle, auf die jüngere Vergangenheit zu verweisen: Mir kommt etwas in den Sinn, das uns bei der Champions League 2018/2019 während des Rückspiels in der Qualifikationsrunde passiert ist, als wir auf unserem eigenen Spielfeld in Turin gegen José Mourinhos Manchester United antraten. Bei dieser Gelegenheit fehlte der dritte vertrauensbildende Faktor, nämlich eine einheitliche Vorstellung davon, wie man zunächst mit dem 1:0 und später mit dem 1:1 in der Endphase der Begegnung umgehen sollte.

In den letzten fünf bis zehn Minuten hatten fast alle meiner Spieler zwei verschiedene Gedanken im Kopf und nicht einen einzigen. Kurz gesagt, schuld an der Niederlage war meines Erachtens die Unfähigkeit gewesen, die richtige Einstellung zu diesem 1:1 zu finden. Möglicherweise wurde der hypothetische Monogedanke – „den Sieg heimholen“ – durch einen weiteren Gedanken negativ beeinflusst, etwa so: „Wir haben es eigentlich schon geschafft, es fehlt nicht mehr viel. Und Manchester United war offenbar bislang nicht in der Lage gewesen, uns in Unruhe zu versetzen.“ Das reichte aus, um alles zu vermasseln. Und tatsächlich, zunächst schafften die Engländer den Ausgleich und dann erzielten sie in letzter Minute sogar noch das 2:1 für sich.

Doch bei dieser Gelegenheit sind uns zweierlei Fehler unterlaufen. Nachdem wir das Ausgleichstor kassiert hatten, besaßen wir nicht die Geistesgegenwart, einen neuen Monogedanken zu entwickeln, etwa in der Art: „Wir sind Dummköpfe gewesen, doch auch ein 1:1-Ergebnis nützt uns, da wir uns dadurch schon rein rechnerisch für das Achtelfinale qualifiziert haben. Konzentrieren wir uns auf diesen Gleichstand und versuchen nach besten Kräften, im Ballbesitz zu bleiben.“

Doch das haben wir nicht getan. Stattdessen haben die beiden verschiedenen Gedanken für Verwirrung und dafür gesorgt, dass die Engländer das zweite Tor schießen konnten.

Wie auch bei den bisherigen Regeln möchte ich für Regel Nr. 5 erwähnen, wann sie im Laufe einer typischen Trainingswoche praktisch angewandt werden sollte. Ich habe schon gesagt, dass ich Spiele nicht gerne mit allzu großem Vorlauf vorbereite. Deswegen würde ich die Vertrauensregel am Tag vor dem nächsten Spiel unterbringen: Wenn es sich um eine Woche mit ausschließlich Meisterschaftsspielen handelt, wäre der Freitagvormittag perfekt dafür.

Regel Nr.
6
„Wenn du Talente entwickeln willst, gib den jungen Spielern Gelegenheit, sich in aller Freiheit auszudrücken.“

Ich hatte immer schon die Vorstellung, dass Kinder in ihrer eigenen Dimension leben, die ganz besonders ist, weil sie ihr jeweiliges Alter widerspiegelt. Wenn wir in diese Welt eindringen würden und sie verändern wollten, wären wir für einen der schlimmsten Fehler verantwortlich, den man überhaupt machen kann. Denn den Kindern geht es gut in ihrer Welt, sie haben sie sich als Abbild ihrer bisherigen Erfahrungen geschaffen und würden jeglichen Eingriff von außen so empfinden, als ob jemand ihre Süßigkeiten klauen wollte. Ich habe immer schon massiv kritisiert, dass Kinder dasselbe tun sollen wie Erwachsene: Ich ertrage es schlecht, wenn man von einem „Wunderkind“ spricht und seine Begabung übertrieben herausstreicht. Und deswegen finde ich auch diese Veranstaltungen fast unerträglich, bei denen Kinder Erwachsenendinge machen, wie Erwachsene argumentieren und sich so verhalten, als seien sie 20 Jahre älter, als sie es in Wirklichkeit sind.

Meines Erachtens gilt das auch für den Fußball: Kinder wollen auf ihre Weise spielen und nicht wie Erwachsene. Wenn du ein Kind auf ein Fahrrad für Erwachsene setzen würdest, würdest du dich logischerweise selbst für verrückt erklären, weil das vollkommen unsinnig wäre. Das ist für mich eine der wichtigsten Überlegungen beim Unterrichten der Jüngsten. Sowohl im Sport als auch im Leben. Sehr oft höre ich Leute eines bestimmten Alters sagen: „Es gibt nichts Schöneres als ein kleines Kind.“ Eben, weil diese Lebensphase noch eine absolute Reinheit in allem garantiert, was das Kind tut und denkt. Ein Kleinkind hat noch keine Boshaftigkeit, es kennt noch keinen Groll und es hegt keine Rachegedanken. Seine Handlungen entspringen seinen Gefühlen und seinem Lebenswillen. Ohne jegliche kulturelle oder soziologische Vermittlung. Gerade deshalb darf ein Sportlehrer (oder Erzieher) auf keinen Fall zulassen, dass diese Leichtigkeit im Denken zerstört wird, indem er sie mit Ermahnungen im Keim erstickt oder mit Gesetzen vertreibt, die zum Glück noch nicht zu dieser wunderschönen Dimension des Lebens gehören.

Die „Stärke“ eines Kleinkindes liegt just in seiner Spontaneität. Es ist also angebracht, einem Kind nicht so sehr beizubringen, dass „gewinnen das Einzige ist, was zählt“ (dafür ist später immer noch genug Zeit), oder dass es sein Höchstniveau erreichen, dass es perfekt sein muss. (Das Kind fühlt sich schon perfekt, weil es sich nicht im Vergleich zwischen Perfektion und mangelnder Perfektion verliert.) Stattdessen sollte man es auf seinem Lebensweg unbedingt mit anderen, weniger invasiven Impulsen unterstützen wie zum Beispiel: „Finde deine Einzigartigkeit auf dem Spielfeld!“ oder „Denk daran, frei zu spielen!“

Kinder sind unser Erbe: Sie werden ihrer besten Seite Ausdruck verleihen können, wenn sie sich in ihrem Wachstum und in ihrem unantastbaren Recht, Fehler zu machen, respektiert fühlen. Nur auf diese Weise werden sie ihren Weg erkennen und damit ihre Identität finden können, die sie ein Leben lang begleiten wird.

Bisher habe ich mich, entschuldigt bitte, zu sehr in Theorien verloren, um Regel Nr. 6 vorzustellen. Deshalb erzähle ich euch nun eine Geschichte, die sich erst kürzlich ereignet hat, um an einem Beispiel zu erklären, was ich meine. Ich beziehe mich hierbei auf einen Artikel über die belgische Fußball-Nationalmannschaft, den ich in einer wichtigen italienischen Sportzeitung mit großer Aufmerksamkeit gelesen habe. Gegen Ende der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 erzielten die „Roten Teufel“ das spektakulärste Ergebnis in der gesamten Fußballgeschichte des Landes, das eigentlich eher dafür berühmt ist, außergewöhnliche Radsportchampions hervorgebracht zu haben, allen voran Eddy Merckx. Nun gut, die Fußball-Weltmeisterschaft, die in Russland ausgetragen wurde, gewann Frankreich (unter Didier Deschamps), indem es Kroatien im Finale schlug. Mit dem 3. Platz landete nun tatsächlich erstmals Belgien auf dem Siegerpodest.

Wohlgemerkt, dieses Ergebnis kam sicherlich weder überraschend, noch war es auf eine Reihe von günstigen Umständen zurückzuführen. Wir sprechen von einer Mannschaft, zu der herausragende Talente wie der SSC-Neapel-Stürmer Dries Mertens, Eden Hazard oder Kevin De Bruyne, Romelu Lukaku, Yannik Ferreira Carrasco, Thomas Meunier, Thibaut Courtois, Axel Witsel, Nacer Chadli, Michy Batshuayi und der junge Youri Tielemans gehörten. Eine echte Mannschaft also: eine Mannschaft, die drei Jahre zuvor, also 2015, sogar auf Platz 1 der FIFA-Weltrangliste gelandet war.

Wenn man von europäischem Fußball und von den wichtigsten Ländern spricht, meint man in der Regel die „üblichen Verdächtigen“ wie Deutschland, Frankreich, England, Spanien, manchmal Portugal, früher auch die UdSSR (heute Russland) und Jugoslawien (ebenfalls zersplittert nach dem Balkankrieg). Heute heißt die Wirklichkeit jedoch Belgien, genau das Land, das 2007 noch auf Platz 71 der FIFA-Weltrangliste war und das 2000 in Zusammenarbeit mit Holland die Europameisterschaften in Belgien organisierte und dabei noch in der Vorrunde ausschied. Wie lässt sich eine derart schwindelerregende Entwicklung in wenigen Saisons erklären? Ganz einfach: durch einen präzisen Strategieplan, den Kris Van Der Haegen, Leiter der Technikabteilung des belgischen Fußballverbands, vorgeschlagen hatte und den sämtliche Mitglieder in der Fußballwelt der Roten Teufel akzeptiert hatten.

Was hatte Van Der Haegen erkannt? Dass man unbedingt die Arbeitsperspektive ändern und damit bei der jungen Generation anfangen musste. Der wichtigste Punkt bei diesem neuen Projekt war in etwa folgender: Protagonist im Spiel ist der junge Fußballspieler und nicht die Mannschaft oder der Trainer. Mit den Kleinsten muss man das tun, was ihnen Spaß macht, man muss ihre Fähigkeiten erkennen und den Kontext anpassen. Daraus ergibt sich das Konzept, das der folgenden Regel zugrunde liegt: „Wenn du Talente entwickeln willst, gib den jungen Spielern Gelegenheit, sich in aller Freiheit auszudrücken.“

Mit den Kleinsten muss man das tun, was ihnen Spaß macht, man muss ihre Fähigkeiten erkennen und den Kontext anpassen.

Es ist also völlig absurd, von kleinen Kindern zu verlangen, Elf gegen Elf zu spielen, weil sie glücklicherweise dazu noch nicht in der Lage sind. Es ist besser, fast ausschließlich kleine 1-gegen-1-Spiele oder solche mit einem Spieler gegen einen Torwart zu organisieren, so, wie Fußball Tag für Tag auf der Straße gespielt wird. Und dann richtet man lauter nah nebeneinander liegende Minispielfelder ein und veranstaltet kurze Spiele mit zwei Halbzeiten von je drei Minuten: Wer gewinnt, geht nach rechts, wer verliert, nach links. Auf diese Weise trifft jeder früher oder später auf ebenbürtige Gegner, und das Spiel wird für ihn zu einem wahren Vergnügen und nährt in ihm den Wunsch, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen. Erst ab der Kategorie „Under 14“ kann man Elf-gegen-Elf-Spiele organisieren.

Ein weiterer Punkt ist der Sportunterricht an den Schulen. In Belgien können sich die Kinder die Sportart aussuchen, die ihnen am meisten Spaß macht. Das Konzept der „freien Wahl“ ist grundlegend, damit bei jeder Disziplin die Athleten landen, die mit ganzem Herzen bei der Sache sind. Der Lehrer sagt nie: „Mach dies, mach das!“ Stattdessen: „Macht es dir Spaß?“ Oder: „Spielen ist toll, oder?“ Das Kind will sich an dem freuen, was es tut, und es ist Aufgabe der Lehrer, diese Freude nicht dadurch zu beschneiden, dass man einen Sieger feststellt. In diesem Alter ist gewinnen nicht wichtig!

In Belgien gibt es keine Qualifikationsspiele bis zu den Under 14. Es gibt also weder Sieger noch Besiegte. Es gibt vielmehr nur Gewinner, was etwas ganz anderes ist.

Alle jungen Spieler sind auf dem Spielfeld, sie dürfen sich alle ausdrücken, und auch die sogenannten Spätentwickler, die für die Entfaltung etwas mehr Zeit brauchen, bekommen Aufmerksamkeit und Raum. Lukaku war mit zwölf Jahren ein Trampel mit zwei linken Füßen, bei De Bruyne ist der Knoten erst mit 18 Jahren geplatzt. Alle haben eine Chance bekommen, und man konnte schon nach sieben Jahren positive Ergebnisse sehen.

Belgien hat nach dem Flop bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien eiligst Maßnahmen ergriffen und befindet sich nun auf den obersten Plätzen der Weltrangliste. Andere Länder wie das vielgepriesene Deutschland haben nach einer Phase des Abstiegs in derselben Zeit Ähnliches getan. Oder Frankreich seit 1994. Auch für den italienischen Fußball, der traditionsgemäß eine großartige, hochentwickelte Nationalmannschaft besitzt, wäre es wichtig, mit Entscheidungen, die einen allmählichen, „natürlichen“ Reifeprozess begünstigen, die Zukunft vorwegzunehmen. Lassen wir sie spielen und denken wir vor allem an ihren Spaß! Es wird genügend Zeit und ausreichend Möglichkeit geben, das Talent auszurichten, es in unterschiedlichen Kontexten zu erkennen, jedoch ohne zu früh einzugreifen und den schönsten Aspekt der Kindheit zu zerstören: die Sorglosigkeit.

Wann sollte man diese Regel im Laufe der Trainingswoche anwenden? Die Antwort ist fast zu einfach: an jedem einzelnen Tag. Denn für die Interpretation von Sport als Vergnügen darf es keine Grenzen geben.

Was ich über andere sage

Über Eusebio Di Francesco

„Wenn ein junger Trainer wie er bis zum Halbfinale der Champions League kommt und bis zuletzt bei der italienischen Meisterschaft um den 2. Platz kämpft, bedeutet das, dass er über unbestreitbare Fähigkeiten verfügt.

Doch wir Trainer teilen alle das Schicksal, dass wir ständig infrage gestellt werden, sobald unsere Mannschaft zwei Spiele hintereinander verliert …“

Regel Nr.
7
„Lass dich von deinen Gefühlen leiten – aber nicht, wenn du im Stress bist!“

Ich habe immer gedacht, dass eine meiner Stärken meine Fähigkeit zur Selbsterkenntnis ist. Diese Fähigkeit habe ich vor geraumer Zeit entwickelt, hinzu kam das Bewusstsein, immer meinem Instinkt folgen zu müssen. Bei Letzterem handelt es sich jedoch sozusagen um einen „überlegten Instinkt“. Wenn ich höre, dass jemand über mich sagt: „Allegri ist ein instinktiver Typ“, amüsiert mich das immer etwas, weil ich davon überzeugt bin, dass das so nicht ganz stimmt. Ich würde mich eher als jemanden definieren, der sich selbst kennt und der seinen inneren Impulsen folgt.

Eines der letzten Bücher, das ich gelesen habe, Il potere nascosto dell’ombra („Die verborgene Macht des Schattens“) von Giuseppe Vercelli und Gabriella D’Albertas, spricht von unserer anderen Seite, mit der wir uns befassen müssen, wenn wir uns besser kennenlernen wollen: Wir müssen auch die Aspekte akzeptieren, die wir an uns selbst am wenigsten mögen, die aber unser Leben zweifellos beeinflussen. Der „Schatten“ entspricht also unserer dunklen Seite. Jeder von uns nimmt sie in sich wahr, kaum einer versteht jedoch ihre Dynamiken. Es endet damit, dass wir sie fürchten, als sei sie eine zerstörerische Macht. Das Buch zeigt jedoch, dass unsere Schattenseite in Wirklichkeit Hüterin unserer Integrität und unserer Fähigkeit ist, ein voll und ganz verwirklichtes Leben zu führen. Denn in ihr liegen nicht nur viele unserer in Vergessenheit geratenen wertvollsten Ressourcen verborgen, sondern auch ein großer Teil unserer Kraft und unseres Potenzials. Das Buch zeigt uns einen sehr effizienten Zugang, wie wir unsere verlorenen Qualitäten und Potenziale erkennen und wieder zum Leben erwecken können. Nach der Lektüre dieses Buchs hast du den Eindruck, dass du nun dein verborgenes Potenzial entwickeln und ausdrücken kannst, indem du dich auf eine Person einlässt, die du, nachdem du sie so lange ignoriert hast, auf einmal wiedergefunden hast: Nun, diese Person bist du selbst.

Es ist ein starkes Buch, das wirklich wertvolle Denkanstöße liefert. Ich habe versucht, mir seine Inhalte anzueignen, und folgende Schlussfolgerungen daraus gezogen: Meiner Meinung nach gibt es Menschen, die durch ihre inneren Impulse zu einer Lösung kommen. In meinem Fall ist es dennoch ein überlegter Impuls, auch wenn er sich schneller als bei anderen Menschen materialisiert. Die schnellere Entstehung eines Impulses macht häufig den Unterschied, das ist auch bei Managern eines Unternehmens so. Ein großer Manager ist jemand, der nicht nur Intuition hat, sondern sie auch in kurzer Zeit in die Tat umsetzen kann, und zwar schneller als alle anderen, oder der eine Lösung ausarbeitet, auf die seine Kollegen erst etwas später kommen.

Ein großer Manager ist jemand, der nicht nur Intuition hat, sondern sie auch in kurzer Zeit in die Tat umsetzen kann, und zwar schneller als alle anderen.

Im Fußball läuft es ähnlich. Wenn ich mir ein Spiel anschaue, können mir Ideen kommen, die dem entspringen, was ich überlegten Instinkt nenne: Wenn ich sie im Nu oder zumindest sehr schnell umsetzen kann, kann ich eine heikle oder sogar negative Situation vollkommen verändern. Was ich damit sagen will: Im Fußball genügt manchmal eine Sekunde oder eine Minute, um ein schlecht laufendes Spiel doch noch zu gewinnen oder umgekehrt Spiele, die man dominiert, zu verlieren.

Als Adriano Galliano noch Geschäftsführer beim AC Mailand war, sagte er eines Tages zu mir: „Max, hast du dich je gefragt, warum einer wie ich seit 30 Jahren Seite an Seite mit Silvio Berlusconi zusammenarbeitet? – Weil ich bei ihm ganz genau weiß, wann ein Ja ein Ja ist, wann ein Ja ein Nein ist, wann ein Nein eigentlich ein Ja ist und schließlich wann ein Nein wirklich ein Nein ist.“ Das klingt zunächst nach einem Wortspiel, aber es birgt eine wichtige Wahrheit in sich, die ich folgendermaßen zusammenfassen möchte: Die Fähigkeit, Menschen und Situationen richtig einzuschätzen, ist enorm wichtig, aber man muss das auch mit einer gewissen Sensibilität tun.

Manchmal geschehen scheinbar unerklärliche Dinge. Ich spreche von Dingen, die nur ich höre, sehe oder wahrnehme. Wenn das geschieht, neige ich dazu, auf meine Sensibilität zu vertrauen, auch wenn es mir – obwohl es sich um meine eigenen Sinneswahrnehmungen handelt – schwerfällt, sie zu erklären. Kurz danach frage ich mich: „Wieso geschehen dir diese Dinge, auf die du vertraust, die du aber kaum erklären kannst?“ Ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass sie Teil von mir sind, da ich sie in meinem Inneren wahrnehme. Und dann muss ich schnell reagieren. Ich komme nun zu einem praktischen Beispiel: Anfang 2019 spielten wir von der 1. Mannschaft von Juventus Turin im Achtelfinale der Coppa Italia gegen den FC Bologna, das Spiel fand in Bologna statt. Es war eine harte Begegnung – innerlich wie äußerlich: Wer gewinnt, zieht weiter, wer verliert, scheidet aus dem Wettkampf aus. Die Besonderheit dabei war, dass bei dieser Gelegenheit die Mannschaft, die bislang die meisten Meisterschaften gewonnen hatte, auswärts spielen musste. Irgendwann tauchte in mir ein Gefühl auf und, wie es der Zufall wollte, regte ich mich ab diesem Moment über den Schiedsrichter auf. Einen Moment lang dachte ich dann darüber nach, was mit mir gerade passierte, und ich erkannte plötzlich, dass ich diesmal besser auf das Signal meines Körpers hören musste. Ja, ich hätte mehr darauf achten müssen, doch stattdessen habe ich mich über den vierten Schiedsrichter aufgeregt, auch wenn es durchaus gerechtfertigt war, denn er hatte tatsächlich einen Fehler gemacht. Es war jedoch so, als hätte ich ihm unterstellt, dass er den Fehler absichtlich begangen hatte. Stattdessen hätte ich mich mental auf diese Situation vorbereiten müssen, ich hätte mit emotionalen Reaktionen rechnen müssen. Ich hatte also auf meine Gefühle vertraut, aber in einem Moment, in dem ich im Stress war. Schwerer Fehler! Ich erinnerte mich an einen Satz, den ich einmal in einem Buch gelesen hatte: „Ein Glücksspieler ist jemand, der seinem Siegerinstinkt zu folgen weiß, obwohl seine Mitmenschen eine andere oder sogar gegenläufige Auffassung haben.“

Bei dem Spiel FC Bologna gegen Juventus Turin jedenfalls (das wir dann doch noch gewonnen haben) habe ich jedoch das, was ich für eines meiner größten Talente als Trainer – vielleicht sogar für eine Gabe – halte, nicht eingesetzt, nämlich, eine Situation schnell erfassen zu können. Ich bin niemand, der stundenlang über ein Spiel nachdenkt. Ich sage immer, dass es konstruierte Trainer und natürliche Trainer gibt – ich zähle mich zur zweiten Kategorie. Ich mag es nicht, stundenlang Videos anzusehen. Ich schaue mir das an, was ich sehen muss, und innerhalb einer Viertelstunde verstehe ich, was mir zu begreifen möglich ist. Wenn ich einen ganzen Tag damit verbringe, Videos anzusehen, läuft es letztlich darauf hinaus, dass ich überhaupt nichts verstanden habe.

Sowohl bei der Spielvorbereitung als auch während des Spiels ist es wichtig, dem überlegten Instinkt zu folgen. Deshalb würde ich die Anwendung der Regel, die wir gerade analysieren, sowohl für den Tag des Matchs als auch für die Vorbereitungsphase empfehlen, vielleicht zwei Tage davor oder sogar am Tag vor dem Spiel.

Während einer Pressekonferenz nach einem Auswärtsspiel gegen den CFC Genua zeigte sich ein Journalist sehr erstaunt über meine Worte, dass wir aus einem ganz schlichten Grund verloren hätten: Während der ersten Halbzeit hätten die Gegner 14 Fouls begangen, wir von Juventus Turin hingegen nur ein einziges. Das Ergebnis war dann das 3:0 für die Heimmannschaft! Dasselbe geschah genau genommen auch in der zweiten Halbzeit in Cardiff, als wir im Finale der Champions League 2016/2017 gegen Real Madrid antraten und buchstäblich einbrachen.

Auf eine Niederlage reagiere ich sehr instinktiv, aber auch überlegt.

Auf meinem Tisch landen ganze Materiallawinen, um das entsprechende Spiel im Detail zu analysieren, aber ich beschränke mich darauf, die Zahl unserer Fouls auszuwerten und sie mit der entsprechenden Anzahl der gegnerischen Mannschaft zu vergleichen. Dann mache ich dasselbe mit den Luftduellen, ich schaue, zu wie viel Prozent wir sie gewonnen bzw. verloren haben. Punkt. Mehr mache ich nicht. Denn wenn man ein Foul begeht, heißt das, dass man nahe am Ball ist. Und wo verteidigt man sich im Fußball? Nah am Ball! Wenn man elf Spieler nebeneinander auf der Torlinie aufstellt, werden sie es auf keinen Fall völlig verdecken. Wenn man jedoch ein Foul begeht, bedeutet das, dass man am Ball ist, und folglich, dass man sich verteidigt.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺1.063,70

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
211 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783903376199
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок