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Rundgang A

Durch die Gassen der Altstadt

Peterskapelle – Kapellplatz – Kornmarkt – Rathaus – Am-Rhyn-Haus – Hirschenplatz – Süesswinkel – Weinmarkt – Metzgerrainle – Weinmarktbrunnen – Mühlenplatz

Dauer: ca. 1 ½ Std.

Ein Rundgang durch die Gassen und über die Plätze der Altstadt vermittelt vor allem einen Eindruck der politischen und wirtschaftlichen Geschichte Luzerns. Bereits der alte Name Grossstadt oder auch «meren stat» im Gegensatz zur linksufrigen Kleinstadt oder «minre stat» verweist auf die dominante Stellung dieses Stadtteils im Mittelalter.


Auch Johann Wolfgang von Goethe logierte bei seinem Aufenthalt in Luzern in diesem Hause.


An der Weggisgasse brannte 1444 eine Häuserzeile. Diebold Schilling berichtet (Chronik 1513) von diesem Grossbrand, der andernorts nicht nachgewiesen ist.

In der Grossstadt befanden sich die erste städtische Kirche, die Marktstätten und das Rathaus. Die ältesten Siedlungskerne der Stadt lagen bei der Peterskapelle und rund um den Marktplatz, Zentrum und Herz der werdenden Stadt im südwestlichen Teil des heutigen Weinmarkts. Bereits im 13. Jahrhundert bildete die Grossstadt ein von einer einfachen Befestigung umgebenes, geschlossenes Siedlungsgebiet. Mit dem Bau des zweiten Befestigungsrings ab 1367, der Museggmauer, erreichte die Grossstadt flächenmässig ihre heutige Ausdehnung.

Bis ins 15. Jahrhundert gab es in Luzern nur wenige Steinhäuser. Die meisten Wohnhäuser bestanden aus Holz und entsprechend gross war die Brandgefahr. Die Chroniken berichten immer wieder von verheerenden Feuersbrünsten; eines der verbrannten Tafelbilder der Kapellbrücke zeigte den Brand der Grossstadt von 1340. Mit Subventionen und Verboten förderte der Rat den Bau von Steinhäusern. Seit dem 16. Jahrhundert liessen sich die in fremden Staats- und Kriegsdiensten zu Ruhm und Reichtum gelangten Luzerner Patrizier grosszügige und repräsentative Wohnbauten errichten. Die heute noch nach den Namen der Familien benannten Häuser prägten mit ihrer üppigen Fassadenmalerei, mit architektonischen Verzierungen und bildhauerischem Schmuck die Gassen und Plätze der Grossstadt.

Mit der raschen städtebaulichen Entwicklung Luzerns im 19. Jahrhundert verloren die engen Gassen und die Plätze der Grossstadt ihre Bedeutung als politische, religiös-kultische oder wirtschaftliche Zentren. Viele gewerbliche Betriebe wurden an den Stadtrand verlegt und bauliche Eingriffe wie der Abbruch der Hofbrücke und die Aufschüttung der Uferanlagen, die Schleifung eines Teils der Befestigungsanlagen und der Neubau zahlreicher mehrgeschossiger Wohn- und Geschäftshäuser veränderten das Stadtbild massiv. Zu den wohl schmerzlichsten Verlusten zählt der Abbruch des spätgotischen Hertensteinhauses am Kapellplatz im Jahr 1825; das mit aussergewöhnlichen Fresken der beiden Hans Holbein, Vater und Sohn, geschmückte Haus war das herausragende Beispiel spätmittelalterlicher Fassadenmalerei in Luzern. Immerhin löste der Abbruch die Debatte um Bewahrung und Erneuerung von Alt-Luzern aus. Nachdem die Stadt Luzern als touristische Kulisse entdeckt war, setzten sich die Heimatschutzbewegung und Fremdenverkehrskreise für den Erhalt ihres mittelalterlichen Charakters ein. Zahlreich sind die neugotischen Umbauten um 1900. Mit gotisierenden Giebeln und Erkern sowie historistischen Fassadenmalereien sollte der mittelalterliche Charakter Luzerns im Zeitalter der Modernisierung bewahrt werden.

Heute zeigt sich die Grossstadt als buntes Neben- und Durcheinander von Alt und Neu, von Echt und Falsch. Wertvolle historische Substanz und Neubauten von hoher Qualität stehen neben ausgekernten Bauten mit kaschierenden Fassaden und anderen Bausünden der Nachkriegszeit.

Vom Kapellplatz zum Kornmarkt

Der Rundgang beginnt bei der ältesten innerhalb der Stadtmauern gelegenen Kirche, der Peterskapelle (Nr. 1). Das Alter der erstmals 1178 erwähnten Kapelle ist ungewiss, man nimmt jedoch an, dass hier bereits im frühen Mittelalter eine karolingische Kirche stand. Obwohl die Peterskapelle nie eine eigenständige Pfarrkirche war, bildete sie den religiösen Mittelpunkt der werdenden Stadt. Der Leutpriester war für die Seelsorge der Stadtbevölkerung verantwortlich. Die Peterskapelle diente aber auch als Versammlungsort der weltlichen Gemeinde. Hier schwor die Bürgerschaft jeweils den Eid und wählte den Rat. Nach einer Sanierung und Neugestaltung des Innenraums wird die Peterskapelle seit 2019 als City-Pastoral-Kirche genutzt. Neben den Gottesdiensten finden hier auch kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen statt.

Stilistisch ist die seit dem 12. Jahrhundert immer wieder veränderte Peterskapelle nur schwer einzuordnen. Ihre heutige Form erhielt sie im Wesentlichen durch eine Umgestaltung zwischen 1746 und 1751. An der Südfassade zur Reuss ist ein Steinrelief mit Christus am Ölberg aus dem frühen 16. Jahrhundert eingelassen. Das Innere wird durch die weite, fast quadratische Halle des Schiffs mit einer leicht gewölbten Decke bestimmt. Im kleinen Altarraum stehen drei um 1840 geschaffene klassizistische Altäre mit Gemälden des Stanser Malers Melchior Paul von Deschwanden. Zur Ausstattung gehört ein gotisches Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert und das Arbedo-Gedenkwappen, eine Engelsfigur mit den beiden Wappenschildern Luzern und Uri, die an die Waffenbrüderschaft in der Schlacht um Arbedo 1422 erinnert.

Bei der Peterskapelle, auf dem Kapellplatz (Nr. 2), lag der erste urkundlich erwähnte Friedhof der Stadt. Eine Bestattungsverordnung aus dem 13. Jahrhundert erwähnt Kinder, Unverheiratete, Knechte, Mägde und Fremde, die hier beerdigt wurden. Im 16. Jahrhundert hob der Rat den Friedhof auf und errichtete die Sust, ein Kornmagazin und Warenlager der Kaufleute. Das heutige Erscheinungsbild erhielt der Platz mit dem Abbruch des Sustgebäudes 1862. An den Kapellplatz grenzen verschiedene stattliche Bürger- und Patrizierhäuser. Das Engelbergerhaus (Kapellplatz 2) und das Haus Schwytzer von Buonas (Kapellplatz 3), beide im späten 18. Jahrhundert umgebaut, sind typische Beispiele für das barocke Reihenhaus. Auf der anderen Platzseite befindet sich das zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtete und später mehrmals umgestaltete Balthasarhaus (Kapellplatz 7). Der Fritschibrunnen im Stil der Neurenaissance stammt aus dem Jahr 1918. Er erinnert an die legendäre Fasnachtsgestalt des «Bruders Fritschi» (s. auch S. 60).

Kornmarkt und Rathaus

Durch die Kapellgasse gelangt man zum Kornmarkt (Nr. 3). Dieser fast quadratische Platz hat seinen Namen von den mittelalterlichen Kornhäusern, die sich hier befanden. Mit dem Neubau des Rathauses (Nr. 4) erhielt er sein heutiges Aussehen und wurde zum politischen Zentrum der Stadt.

Bereits vor 1300 besass die Stadt Luzern ihr erstes Rathaus. Das beim Fischmarkt gelegene, 1318 erstmals erwähnte Gebäude war Ausdruck des Selbstbewusstseins der Bürgerschaft und der zunehmenden Emanzipation gegenüber den Stadtherren. Zwischen 1429 und 1447 wurde auf dem Kornmarkt in drei Etappen ein neues, gotisches Rathaus errichtet, das indessen bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts wegen eines mangelhaft ausgeführten Umbaus wieder abgebrochen werden musste und durch den heutigen Bau ersetzt wurde. Dieses zwischen 1602 und 1606 vom Werkmeister Anton Isenmann aus Oberitalien erbaute Rathaus gehört zu den wichtigsten profanen Renaissancebauten der Schweiz. Der repräsentative Bau zeigt eine eigenwillige Verschmelzung einheimischer und italienischer Bautradition; während das weit ausladende, abgewalmte Satteldach und die Raumordnung lokale und vor allem auch bäuerliche Elemente aufweisen, ist der einem Palazzo ähnliche Charakter mit den Rustikaquadern der Sockelgeschosse von der italienischen Renaissance beeinflusst. Die zweigeschossige, zur Reuss hin dreigeschossige Fassade ist reich verziert; Fruchtgehänge und antikisierende Büsten schmücken die Friese über den Fenstern. Im Portal des Treppenturms sitzen, flankiert von zwei korinthischen Säulenpaaren, zwei Relieffiguren als Allegorie der Gerechtigkeit und Mässigkeit – wenn auch nur als Kopien. Ebenfalls eine Rekonstruktion ist das von zwei Löwen gehaltene Luzerner Wappenschild über dem Fries.


Am Fritschibrunnen neben der Peterskapelle (Nr. 1) sind die Masken der Fritschifamilie angebracht.

Das Rathaus war ein Mehrzweckgebäude. Über dem Keller befand sich im Erdgeschoss eine grosse Korn- und Kaufhalle. Diese so genannte Kornschütte wird heute hauptsächlich als Ausstellungs- und Empfangsraum genutzt. Die eigentlichen Ratsstuben befinden sich im Obergeschoss. Der äusseren Erscheinung entsprechend sind auch diese Räume sehr repräsentativ und prunkvoll gestaltet, so der im Stil Louis XVI gehaltene Tagsatzungssaal (um 1785) mit den Porträts der Schultheissen der Stadt Luzern und Gemälden zur Schweizergeschichte, der Rats- und Gerichtssaal von 1605 mit einer aussergewöhnlichen Kassettendecke und prachtvoller Täferung sowie das Vorzimmer zum Ratssaal, einer der bedeutendsten Renaissancesäle der Schweiz, mit prunkvoller Wand- und Deckentäferung. In diesen Räumen, die heute noch von sechs prunkvollen Kachelöfen aus dem 18. Jahrhundert erwärmt werden, tagten bis zum Zusammenbruch des Ancien Régime die verschiedenen Räte der Stadt und des Standes Luzern. Die Verwaltung ist inzwischen längst umgezogen, doch der Rat der Stadt Luzern, der Grosse Stadtrat, tagt heute noch im historischen Ratssaal und im Porträtsaal finden die zivilen Trauungen statt.

Der 41 Meter hohe, mittelalterlich wirkende Rathausturm war noch Teil des alten, gotischen Rathauses und wurde als Wacht- und Beobachtungsturm von 1501 – 1503 auf den Resten eines sehr frühen Steinhauses errichtet. Nach dem Neubau wurde er erhöht und mit einer neuen Kuppel und vier Ausguckerkern für die Feuerwachen versehen. Im obersten Turmgeschoss befindet sich die Rathausuhr von 1788. Das erste Uhrwerk des Rathausturms stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und befindet sich heute im Historischen Museum (Nr. 107). Der Rathausturm war bis ins 20. Jahrhundert mit immer wieder erneuerten Wandmalereien ausgestattet. 1924 wurde auf eine erneute Bemalung verzichtet, der Turm vom Verputz befreit und das Mauerwerk roh belassen. Im Turminneren ist vor allem die 1485 eingerichtete Kanzlei, das so genannte Cysat-Stübli, zu erwähnen, ein fast quadratischer Raum mit einem gotischen Sternengewölbe und barocken Archivschränken. Daran schliesst die neue Kanzlei von 1698 an, ein aussergewöhnlicher Barockraum in der Art einer Klosterbibliothek mit Deckengemälden, darunter einer Allegorie der Leuchtenstadt Luzern.

Im Keller des Rathauses und des angrenzenden Am-Rhyn-Hauses wurde 1998 eine Schaubrauerei mit Restaurant eingebaut. In den eindrucksvollen Gewölben befindet sich heute eine stimmungsvolle Wirtschaft. Das Rathaus-Bier wird über eine unterirdische Pipeline vom Gärkeller an der Eisengasse zugeführt. An dieser Gasse befindet sich auch das Restaurant Magdalena oder «s’Magdi», wie es die Luzerner liebevoll nennen. Die Eisengasse gehört zum ältesten Siedlungsbereich der Stadt, es konnten Spuren eines Steingebäudes aus der Zeit um 1200 nachgewiesen werden. Der Name «Isengasse» lässt vermuten, dass hier im Mittelalter metallverarbeitendes Gewerbe angesiedelt war, was archäologische Grabungen bestätigten. Heute gehört die Eisengasse zur Ausgehmeile der Altstadt und ein Besuch im Magdi lohnt sich. Als eine der wenigen erhaltenen und nicht zu schicken Bars und Restaurants umgebauten Stadtbeizen hat das Magdi seinen Charme mit der historischen Ausstattung und den alten Oberflächen bis heute bewahren können.


Das Luzerner Rathaus (Nr. 4) mit seinem mächtigen Dach ist eines der bedeutendsten Renaissance-Bauwerke der Innerschweiz und sein gotischer Turm gehört zu den ältesten Bauwerken der Stadt.

Unweit des Rathauses, in der Furrengasse, befindet sich das 1616–1618 errichtete Am-Rhyn-Haus (Nr. 5). Die weitgehend im ursprünglichen Zustand erhaltene Renaissancefassade verleiht der schmalen Gasse einen südländischen Charakter: die viergeschossige, einheitliche Fassade sowie das Portal sind nach dem Vorbild des Ritterschen Palasts (Nr. 13) geschaffen. Das Hinterhaus zur Reuss wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts umgebaut und ist durch eine viergeschossige Loggia mit dem Vorderhaus verbunden. Das Vorderhaus verfügt im Erdgeschoss über eine eindrückliche Halle mit grätigem Kreuzgewölbe. Das überaus prachtvoll gestaltete Patrizierhaus demonstriert Macht und Selbstverständnis einer vor allem vom 16. bis 18. Jahrhundert sehr einflussreichen Familie.


Strassenmusikanten auf dem Hirschenplatz (Nr. 6). Im Sommer verwandeln Musiker und Gaukler die Plätze der Altstadt in Theater- und Konzertbühnen.

Fassadenmalerei von Seraphin Weingartner aus dem Jahr 1893 am Hotel Des Balances (Metzgerrainle 7): Die geharnischten Krieger erinnern an das Zunfthaus zu Safran und der Gesellschaft zum Schützen, das sich hier befand.

Vom Kornmarkt zum Mühlenplatz

Nur wenige Schritte sind es vom Kornmarkt bis zum nahe gelegenen Hirschenplatz (Nr. 6), dem ehemaligen Schweinemarkt. Er erhielt seine heutige geschlossen wirkende Gestalt durch den Abbruch zweier Häuser nach einem Brand um 1550. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch der Schweinemarkt vor die Stadttore verlegt. An der Ostseite des Platzes steht das Göldlinhaus (Hirschenplatz 12), ein spätgotisches Bürgerhaus aus dem 16. Jahrhundert mit zwei vorstehenden Erkern und einem viergeschossigen Säulenhof. Beachtenswert ist das reich verzierte Rokokoschild aus vergoldetem Schmiedeeisen beim Gasthaus Hirschen aus dem 18. Jahrhundert. Das Dornacherhaus (Hirschenplatz 7), ein neugotischer Umbau mit manieristischer Freskomalerei – neugotische Ornamentik und historische Kriegerfiguren der Schlacht von Dornach 1499 – nach Entwürfen von Seraphin Weingartner zeigt beispielhaft den Einfluss der Heimatschutzbewegung auf die bauliche Entwicklung Luzerns um 1900. Ein kleiner Abstecher führt durch das Gässchen Zum Eselstall zum stillen Süesswinkel (Nr. 7), der zu seinem Spitznamen kam, weil hier früher der Stallmist gelagert wurde.

Danach geht es weiter zum Weinmarkt (Nr. 8), dem früheren Fischmarkt. Der südwestliche Teil dieses Platzes, das Metzgerrainle (Nr. 9), war lange Zeit der wichtigste Punkt der Stadt. Hier befanden sich das erste Rathaus und der älteste Marktbereich. Gleichzeitig war das Metzgerrainle auch Richtplatz mit Prangersäule, Lasterbank und Gerichtslaube, einer balkonartigen Tribüne, von der jeweils die Gerichtsurteile öffentlich verkündet wurden. Der Name des Hotels zur Linde erinnert möglicherweise noch an die bei mittelalterlichen Richtplätzen übliche Gerichtslinde. Der Weinmarkt war seit dem 15. Jahrhundert auch Schauplatz der berühmten Oster- und Fasnachtsspiele. Bei diesen prachtvoll inszenierten Anlässen handelte es sich um eigentliche Staatsfeste der Bürgerschaft mit Dutzenden von Darstellern und Musikanten. Die Tribüne zog sich rings um den Platz und reichte bis zum ersten Stock der Häuser; bis zu 4000 Personen von nah und fern verfolgten die meist mehrtägigen Spiele. Das Fassadengemälde «Hochzeit zu Kana» (1928) von Eduard Renggli am Haus zur Sonne (Weinmarkt 20) nimmt Bezug auf eine Szene aus diesen Osterspielen. Dargestellt ist eine Tischgesellschaft in einer Bühnenarchitektur des 16. Jahrhunderts, gespielt von Luzerner Schauspielern in Renaissancekostümen (s. Bild S. 20).

Mitten auf dem Platz erhebt sich der 1481 von Konrad Lux geschaffene Weinmarktbrunnen (Nr. 10), der bedeutendste und repräsentativste Brunnen der Stadt. Auf der Spitze des sechsseitigen gotischen Pfeilers steht eine Figur des heiligen Mauritius, die sechs Krieger an den Seiten erinnern an die Harnischschau, einen mittelalterlichen Militärumzug. Bei dem jetzigen Brunnen handelt es sich allerdings um eine Kopie aus dem 20. Jahrhundert, wobei der obere Teil des Brunnenstocks nach einer angenommenen Urform frei nachgebildet wurde. Das Original befindet sich heute im Historischen Museum (Nr. 107).

Zahlreiche stattliche Bürger- und Patrizierhäuser geben auch diesem Platz ein grosszügiges Gepräge. Das Pfyffer-Bell-Haus (Weinmarkt 5) aus dem 16. Jahrhundert besitzt eine dekorative barocke Fassadenmalerei (um 1720) und auf der Rückseite, gegen das enge Fischmarktgässlein, einen gotischen Treppenturm. Am Weinmarkt befindet sich auch das Haus der Metzgerzunft (Weinmarkt 3), wo der Legende nach die Verschwörung der österreichfreundlichen Luzerner, die so genannte Mordnacht von 1333, aufgedeckt worden sein soll (s. Kasten S. 77).

Vom Weinmarkt gelangt man durch die Kramgasse zum Mühlenplatz (Nr. 11). Dieser Platz ist erst im Spätmittelalter durch den Abbruch einer Häuserzeile entstanden und war ursprünglich als «vordere und hintere Mühlegasse» bekannt. Der am Stadtrand gelegene Ort war die eigentliche Verkehrsdrehscheibe der Stadt: hier wurde das Mahlgut für die Mühlen auf den künstlichen Inseln in der Reuss angeliefert und hier befand sich der Parkplatz für Karren und Wagen. Am Mühlenplatz wohnten auch die Stadtmüller. Die Müllerhäuser waren gleichzeitig Wohnhaus, Verkaufsladen und Backstuben. Am westlichen Platzende, beim Kraftwerk, befindet sich der Neptunbrunnen. Der 1718/19 geschaffene Brunnen stellt mit seinen vielen Rokokoornamenten und dem pagodenförmigen Häuschen ein Beispiel für die im Rokoko äusserst beliebte Chinoiseriekunst dar. Auf der Spitze des Brunnenstocks steht eine kleine bronzene Neptunfigur. 1891 wurde der Brunnen vom Hirschenplatz an den Rand des Mühlenplatzes verlegt, weil er am alten Ort den zunehmenden Verkehr behinderte. Ein markanter Bau am Mühlenplatz ist die ehemalige Münz. Der Bau hat seine klassizistische Gestalt von 1783–1785 weitgehend bewahren können, das prächtige Portal weist die ehemalige Münzprägestätte des Standes Luzern als öffentliches Gebäude aus.

Die Mordnacht von Luzern

Als Luzern mit den drei Waldstätten einen ewigen Bund schwor, um die Herrschaft der Österreicher abzuschütteln, war das aber in der Stadt Luzern nicht allen genehm. Manche wären lieber Österreicher geblieben. Diese schlossen miteinander ein Bündnis und bekräftigten es mit Eid und Gelübde. Sie trugen gemeinsame Tracht, damit sie einander erkennen könnten. Sie beschlossen, sich in einer bestimmten Nacht zu sammeln, denen, die Eidgenossen werden wollten, mit Gewalt in die Häuser zu dringen und sie ums Leben zu bringen.


Als sie sich um Mitternacht in der Stadt sammelten, kam ein Knabe dort vorbei. Da er aber die Leute raunen und die Harnische klingeln hörte, erschrak er in der Meinung, es sei ein Gespenst, und wollte fliehen. Da gewahrten ihn einige, liefen ihm nach, fingen ihn und drohten ihm bei seinem Leben, er müsse sofort sterben, wenn er schreie oder sich etwas merken liesse. Der Knabe tat es willig, um nicht gestört zu werden, und als sich immer mehr versammelten, vernahm der Knabe ihren Entschluss, was sie in dieser Nacht verüben wollten. Als sie so untereinander berieten, hatte keiner mehr auf den Knaben Acht, und als dieser das merkte, schlich er ganz leise davon. Er sah in der Metzgernstube noch ein Licht brennen, begab sich hinauf und setzte sich hinter den Ofen. Es waren da aber noch viele Leute, die spielten und tranken. Als der Knabe hinter dem Ofen sass, begann er laut zu reden: «O Ofen, Ofen!» Dann sprach er nichts mehr, denn von den anderen achtete keiner auf ihn. Aber nach einer Weile fing er wieder an: «O Ofen, Ofen, dürfte ich reden!» Das hörten nun die Gesellen, schnauzten ihn an und sprachen: «Was treibst du da für Dummheiten hinter dem Ofen. Was hat er dir getan? Bist du ein Narr oder was bist du?» Da sagte er: «Ach, nichts, nichts, ich sage nichts!» Bald fing er zum dritten Mal an und sprach: «O Ofen, Ofen, ich muss dir klagen, denn ich darf es sonst keinem Menschen sagen. Da sind die Leute, die sammeln sich und wollen in dieser Nacht, wenn es ihnen nicht bald gewehrt wird, ein Morden in dieser Stadt vollbringen. Das ist, o Ofen, die Wahrheit.»

Da die Gesellen das hörten und von dem Knaben die Verschwörung vernahmen, liessen sie ihn stehen. Sie brachen schnell auf und machten das Gehörte überall in der Stadt kund, so dass jedermann gewarnt war und dem Unheil zuvorkommen konnte. Wie es dann denen erging, die ein solches Morden vorhatten, kann man sich leicht denken.

Nach Anton Müller, Sagenhaftes Luzernbiet

Der Mühlenplatz war auch Schauplatz wichtiger politischer Ereignisse. Hier schwor 1798 die Bürgerschaft nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung den Eid auf die neue, helvetische Verfassung und hier fand 1844, während des ersten Freischarenzugs, ein Gefecht zwischen den liberal gesinnten Aufständischen und den Milizen der konservativen Regierung statt. Zwei Häuser am Mühlenplatz stehen heute noch für die wechselvolle Geschichte und das Ringen zwischen den liberalen und den konservativen Kräften um die politische Vorherrschaft im 19. Jahrhundert. Auf der einen Seite das Rüttimannhaus (Mühlenplatz 1), ein um 1800 klassizistisch umgebautes Wohnhaus; hier wohnte Vinzenz Rüttimann (1769–1844), ein von den Ideen der französischen Aufklärung begeisterter Patrizier, der während der helvetischen Bestrebungen eine steile politische Karriere machte, sich aber später der konservativen Bewegung anschloss und massgeblich am reaktionären Staatsstreich von 1814 beteiligt war. Gegenüber, im Feer-Fleckenstein-Haus (Mühlenplatz 10) wohnte der liberale Politiker, Jurist und Historiker Kasimir Pfyffer (1794–1875), ein Gegenspieler Vinzenz Rüttimanns und Vorkämpfer des schweizerischen Bundesstaates.


Der Mühlenplatz (Nr. 11) mit der ehemaligen Münzstätte vorne links.

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