Kitabı oku: «Gate C30»
MATTHEW MOCKRIDGE
GATE C30
Eine Geschichte über wahres Lebensglück
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-798-9
ISBN epub: 978-3-95623-523-8
Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.de Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de Titelbild: Arthur Remacle, Amsterdam Abbildungen: Raffaello Cuccuini, Amsterdam Autorenfoto: Marion Koell
Copyright © 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Das E-Book basiert auf dem 2017 erschienenen Buchtitel "Gate C30" von Matthew Mockridge, ©2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
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Inhalt
Prolog
Die Reise beginnt
1. Begegnung mit Rob – das innere Kind wiederfinden und die Maske ablegen
2. Begegnung mit Maria – die Kraft der Gedanken nutzen und das Drehbuch des eigenen Lebens schreiben
3. Begegnung mit Mel – Disziplin üben und lernen, im Team zu spielen
4. Begegnung mit Rose – den Blick für die kleinen Dinge bewahren und den Augenblick nutzen
5. Begegnung mit Noah – tief ein- und ausatmen und zurück zur Quelle finden
6. Begegnung mit Dilara und Emin – lieben, um zu lieben, und unseren Kindern Vorbild sein
Die Reise endet – und beginnt
Epilog
Danksagung
Der Autor
Inspiriert durch wirkliche Begebenheiten
Prolog
Mein Name ist Jason Cooper und ich muss dir meine Geschichte erzählen, weil ich mit dir teilen möchte, was mir widerfahren ist.
Jedes Leben hält eine bedeutungsvolle Reise bereit, auf die ein Mensch gehen muss, wenn er in der Welt dort ankommen möchte, wo die größten Träume und das glücklichste Herz verborgen sind. Leider machen die wenigsten jemals den ersten Schritt und verbringen oft ein ganzes Leben in trauriger Unzufriedenheit.
Ich jedoch hatte das Glück, eine solche unvergessliche Reise zu erleben, die mich zu unvorstellbar wertvollen Geheimnissen geführt hat, die mein Leben für immer verändert haben. Alles, was ich bei diesem Abenteuer gelernt habe, werde ich dir auf den Seiten dieses Buches eröffnen, sodass auch du dein echtes Glück und deine ehrlichste Erfüllung finden kannst – so wie ich es auch getan habe.
All die außergewöhnlichen Lebensweisheiten, das wertvolle Wissen und die aufregenden Geschichten der Persönlichkeiten, die ich auf meiner Reise kennenlernen konnte, werde ich mit tiefem Respekt und sensibler Ermutigung für deinen ganz persönlichen Weg beschreiben. Unsere gemeinsamen Stunden werden dir ehrliche Inspiration, langfristige Motivation und Lebensfreude, wahre Begeisterung und dauerhaften Mut schenken. Das verspreche ich dir und wünsche es mir von ganzem Herzen für dich.
Bevor ich diese unvergessliche Reise erleben durfte, verlor ich das Gefühl für all die wahre Schönheit in meinem Leben. Ich konnte die einfachen Dinge nicht mehr sehen, obwohl sie oft direkt vor mir waren. Ich suchte, obwohl ich selbst eigentlich nur gefunden werden wollte. Dabei rannte ich immer schneller, ohne zu wissen, ob ich auf dem richtigen Weg bin.
Mein Leben glich einem Bilderbuch, aber meine Seele verharrte in tiefer Sinnlosigkeit. Ich war überall und deswegen war ich nirgends. Als erfolgreicher Unternehmensberater hatte ich jedes Spielzeug, das ich mir wünschte. Ich wohnte in Designer-Hotels, aß in den besten Restaurants der Weltmetropolen und arbeitete mit Firmen zusammen, deren Macht die Gesetze der Gesellschaft schreiben. Ich hatte alles und trotzdem fehlte mir etwas – ich spürte es oft ganz deutlich. Wie eine dunkle Leere tief in meinem Inneren. Es war, als ob ein Stück Leben in mir fehlen würde.
Erst als ich beinahe meine Familie verlor, meine Frau Lizzy, die Liebe meines Lebens, und meine beiden Töchter, verstand ich zum ersten Mal, was wichtig ist. Ein Wunder kam in mein Leben und zeigte sich mir durch sieben fremde Menschen, denen ich begegnete. Weil ich zum ersten Mal wirklich zuhörte, änderten die Geheimnisse und Lebensweisheiten dieser spannenden Persönlichkeiten in der kurzen Zeit, die wir miteinander verbringen konnten, für immer meinen Blick auf die Welt und führten mich zu einem völlig neuen, wirklich erfüllten und glücklichen Leben. Eine Reihe scheinbar zusammenhangloser Ereignisse, die ich zunächst verfluchte, wurden zum wichtigsten Tag meines Lebens. Manchmal bekommst du eben nicht sofort das, was du willst, weil das Leben etwas Besseres für dich geplant hat.
Heute weiß ich, dass der Wind des Lebens immer den richtigen Zeitpunkt findet, um die größten Geheimnisse zu lüften. Du spürst sie ganz deutlich, noch bevor du weißt, dass ihre Kraft dein Leben für immer verändern wird. Die wichtigsten Kapitel des Lebens haben oft noch keine Titel, wenn du anfängst, sie zu erleben, aber vertraue auf den Zauber jedes neuen Anfangs, und die Geschichte schreibt sich selbst – die Worte kommen zu dir. All das Wissen, das dieses Buch dir schenken wird, hat dich gefunden, wie ein Echo aus der Ferne. Heute könnte der erste Tag deines neuen Lebens sein …
Das ist die Geschichte meiner Reise, die ich unbedingt mit dir teilen muss.
Die Reise beginnt
Die schwere Boeing 747 ist machtlos gegen die brutalen Turbulenzen 10 000 Meter über dem Meeresspiegel. Im Augenwinkel erkenne ich Feuer am rechten Triebwerk. Innerhalb von Sekunden übertönen Alarm und Warnsignale die panischen Schreie der Passagiere. Die Sauerstoffmasken fallen von der Kabinendecke und das Licht geht aus. Das Flugzeug beginnt plötzlich steil nach vorn zu fallen und der Nachthimmel dreht sich. Meine ganzer Körper zittert vor Angst und ich greife immer fester in die Armlehnen meines Sitzes, als ich spüren kann, wie der unkontrollierbare Sturzflug auf das schwarz unter uns liegende Meer immer schneller wird. Das ganze Tragwerk der Maschine verzieht sich, ohrenbetäubender Lärm von brechendem Metall. Mein Herz schlägt immer schneller, ich kann nicht mehr atmen, mein Gesicht verzieht sich, ich beiße die Zähne zusammen, Schweißperlen rinnen über meine Stirn und ich fühle, wie unbändige Kräfte immer stärker auf mich einwirken. Der Lärm wird lauter, in wenigen Sekunden wird die Maschine in der Luft zerfetzt werden – und plötzlich reiße ich meine Augen auf.
Der Wecker klingelte. Es war Montag, 4:30 Uhr morgens, und wie jeden Montagmorgen quälte ich mich aus dem Bett im dunklen Schlafzimmer. Meine Frau Lizzy schlief normalerweise einfach weiter, sie hatte sich mittlerweile an diese Routine gewöhnt und wurde nicht mehr wach, wenn ich aufstand. Aber an diesem Montag war es anders, ich sah, dass sie nicht schlief, sie musste meinen Traum bemerkt haben. Ich deckte vorsichtig ihre Schultern zu, setzte mich ans Fußende unseres Bettes und spürte dann ihre Hand auf meiner Schulter. Ich fühlte mich geborgen und gleichzeitig ertappt. »Musst du wirklich wieder nach Doha? Wolltest du nicht zumindest die Auslandsprojekte etwas runterfahren? Die Kinder und ich brauchen dich hier.« Ihre weichen Worte trafen mich an meinen sensibelsten Stellen. Es war, als wären die Menschen, die mir das meiste bedeuten, am weitesten entfernt von mir, auch wenn ich das alles für sie tue. »Nur noch dieser Deal. Doha wird alles ändern. Wenn ich diesen Deal abschließe, Honey, dann wird endlich alles anders, versprochen.« Es fühlte sich an, als hätte ich diesen Satz schon unzählige Male zuvor gesagt, und ich wünschte mir nichts mehr, als dass er endlich zur Wahrheit würde. Ich atmete tief durch, stand auf und ließ Lizzy allein im Bett zurück. Ich wusste, dass es zwischen uns nicht mehr war wie früher, als wir uns kennenlernten.
Mit jedem dieser Morgen vergrößerte sich der Abstand zwischen uns. Es fühlte sich an, als würden wir nebeneinander, aber schon lange nicht mehr miteinander leben. Es tat mir weh, weil ich wusste, dass ich Lizzy wirklich liebte. Auch wenn ich immer wieder ging, blieb die Liebe zwischen uns. Ich wusste nicht, was ich tun könnte, um etwas zu verändern, denn die Arbeit, die uns auseinanderzog, gab uns gleichzeitig die Sicherheit, in der wir lebten. Manchmal wollte ich diese Sicherheit am liebsten gegen echte Freiheit eintauschen, aber mir fehlte der Mut.
Ich hörte Lizzy hinter mir leise sagen: »Es ist so lange her, dass wir als Familie etwas zusammen gemacht haben. Ich vermisse die Abende, die wir mit den Kindern verbracht haben vor dem Kamin mit deinem Lieblingsapfelkuchen mit Zimt und den vielen Rosinen. Komm zurück nach Hause, Jason!« Ich verstand nicht genau, was sie meinte, denn ich war doch noch gar nicht weg. Nur noch ein paar dieser großen Deals, und dann hätte ich hoffentlich mehr Zeit für unsere gemeinsamen Abende. Langsam zog ich die Schlafzimmertür hinter mir zu.
Die Fliesen des Badezimmers waren kalt und die Ruhe bedrückte mich. In der Dusche, unter dem harten Wasserstrahl stellte ich mir wie jeden Morgen die gleiche Frage: Wann kommt das Gefühl von Ruhe und Glück in mein Leben, das ich schon so lange suche, für das ich jeden Tag so hart arbeite? Es ist, als wäre »morgen« die Antwort – jeden Tag.
In dem Moment, in dem ich das Wasser abstellte, verflogen meine Gedanken und der Zeitdruck trieb mich in meinen maßgeschneiderten Anzug und ins Auto zum Flughafen. Ich schnitt eine Schneise durch den dichten Morgennebel und verließ dann den noch leeren orange beleuchteten Highway in Richtung Airport. Check-in, Gepäckaufgabe, Security – diese Prozesse liefen für mich mittlerweile automatisch ab. Ich dachte nicht mehr nach, wenn ich mich am Flughafen bewegte. Ich funktionierte nur. Wie immer kaufte ich mir auf dem Weg zum Abflug zwei Tageszeitungen und einen starken Kaffee. Ich musste informiert sein, und gleichzeitig interessierten mich die Informationen so wenig, dass ich immer wieder Kaffee brauchte, um nicht einzuschlafen. Eine schnelle Zigarette in der Raucherlounge. Seit Jahren stand ich hier immer wieder an der gleichen Stelle und fragte mich, wieso ich nicht damit aufhören konnte. Ich sah Menschen, ich hörte sie auch, aber ich spürte sie nicht. Es war, als würde ich durch jeden einzelnen hindurchschauen, als wäre ich unsichtbar und deswegen immer allein, obwohl ich nichts mehr brauchte als Nähe.
Trockene Nachrichten über den katastrophalen Zustand der Welt, viel zu viel Koffein im Kaffee, blauer Rauch und kalte Schultern. Meine Maschine war fertig zum Einstieg, wir würden gleich starten. Der schwere Sitz in der ersten Klasse des großen Flugzeugs trug mich wie ein Thron zum ersten Zwischenstopp, dem riesigen Flughafen »Istanbul-Atatürk«, einem internationalen Drehkreuz, das Menschen wie mich in die entferntesten Länder führt. Ich stieg aus der Maschine in die kühle Morgenluft. Ich schaute auf mein Ticket und musste weiter zum Gate C30, von hier aus sollte es weitergehen nach Katar.
Noch eine schnelle Zigarette und ich ging in ein Café direkt in der Abflughalle. Der Duft von Kaffee und warmem Gebäck war überall und ich bestellte einen starken Mokka, der in einer silbernen Kanne zubereitet wird.
Als ich am Gate C30 ankam, nutzte ich meine Zeit, um letzte Vorbereitungen für die anstehende Verhandlung zu treffen. Ich flog nach Doha in Katar, um meine Beratung für einen Kunden aus der Rohölindustrie abzuschließen, dessen Unternehmen kurz vor dem Verkauf stand. Wenn alles so laufen würde wie geplant, könnten wir heute oder morgen die Verträge unterzeichnen, mein ohnehin schon reicher Kunde wäre mehrere 100 Millionen Euro reicher und ich würde ein weiteres Riesengeschäft abgewickelt haben. Ich war gut in dem, was ich tat. Es machte mich nicht mehr nervös. Es machte mich aber auch nicht mehr glücklich oder stolz. Ich arbeitete in schwindelerregender Karrierehöhe unter unfassbarem Druck – fast wie eine Maschine. Alles passierte automatisch, nur mein Herz spürte ich ganz deutlich. Es wusste schon lange ganz genau, dass mir etwas fehlt. Meine Schuhe waren eng und der Tag war noch jung.
Die Routine ging ihren Weg, ich folgte dem Protokoll. Eine weitere Zigarette, der nächste Kaffee. Hoch konzentriert studierte ich die vielen Zahlen, die sich aus meinem Laptop über mich ergossen. Ich schaute auf die »Forecast Financial Statements« und fühlte mich dabei wie in einem Tunnel ohne Ausfahrt. Erst die grelle Lautsprecheransage einer jungen Frauenstimme zog mich aus diesem Fokus: »Ladies and Gentlemen, Flight 691, nonstop to Doha, has been delayed for 7 hours.« Meine Damen und Herren, Flug 691, nonstop nach Doha, ist sieben Stunden verspätet.
Was? Das durfte nicht wahr sein, nicht heute! Nicht am Tag der Abschlussverhandlungen! Meine Konzentration war wie weggeblasen und ich geriet außer mich. Verwirrung und Nervosität füllten meinen Körper. Meine beiden Hände hoben sich von der Tastatur und ballten sich zu Fäusten. Seit sieben Monaten arbeitete ich an diesem Projekt. Nur an diesem Tag war es allen Parteien möglich, sich in Doha zur Unterschrift zu treffen. Ich hatte noch nie ein Meeting verpasst.
Ich wollte mich weiter aufregen, nach Lösungen suchen: Gab es andere Flüge? Was wäre, wenn ich gestern schon geflogen wäre? Ich fragte mich, ob ich überhaupt dazu in der Lage wäre, sieben Stunden lang am Flughafen gefangen zu sein. Mir wurde klar, dass meine immer lauter werdende innere Debatte nichts an meiner Situation ändern würde. Flug 691 war der einzige Flug nach Katar an diesem Tag. Meine Fäuste entspannten sich. Es war unabwendbar: Ich würde die nächsten sieben Stunden am Gate C30 verbringen.
Noch 6:59 Stunden bis zum Abflug
Es war, als wäre durch die Verschiebung meines Fluges die Zeit stehen geblieben. Ich befand mich in einem Zwischenraum, einer Art Wartezimmer, in meinem sonst so schnellen Leben. Es gab plötzlich nichts, was ich tun musste, keinen Druck. Ich hatte sieben Stunden Zeit und wusste nicht, was ich mit diesen sieben Stunden tun sollte. Ich fühlte mich deplatziert, verloren und allein. Der riesige Flughafen brachte Menschen in Bewegung zu Orten auf der ganzen Welt, aber für mich bewegte sich nichts mehr.
Ich dachte in diesem Augenblick an die Worte von Angela: »Nimm dir immer, was dir zusteht! Wir machen die Regeln, Jason. Du kannst alles haben, was du willst.« Angela de la Barthe ist die Geschäftsführerin der Unternehmensberatung, für die ich tätig bin. Eine der reichsten und einflussreichsten Frauen der Branche. Sie hat das Unternehmen von ihrem Vater übernommen. Angela ist elegant, professionell, eiskalt und berechnend. Es gibt Gerüchte, sie habe mit 27 Jahren ein Bürogebäude im »Financial District« gekauft, um den Portier zu feuern, dessen Service ihr nicht gefallen hat. Weil ich einer der umsatzstärksten Berater der Firma war, meldete sie sich immer wieder persönlich bei mir. Ich hörte sie auch jetzt wieder wie eine Art Stimme im Ohr: »Nimm dir, was dir zusteht, du kannst alles haben, was du willst!« Das ist gerade wirklich nicht hilfreich, dachte ich mir. Ich sitze fest.
Da merkte ich plötzlich, wie mich jemand anschaute. Ein warmes Lächeln. Eine kleine fröhliche Frau mit dunkelbraunen Locken. Eine der Reinigungskräfte des Flughafens. »Sie sind für die nächsten sieben Stunden also auch unser Gast hier am Gate, ja? Keine Sorge, Señor, ich bin auch den ganzen Tag hier, wenn es Ihnen langweilig wird, finden Sie mich einfach. Ich werde nie weit sein!«, sagte sie lachend und schob ihren Putzwagen vor sich her. »Danke!«, sagte ich leise und etwas ungläubig. Machte sie das mit jedem? War sie einfach nur freundlich oder mochte sie mich etwa? Schade, dass ehrliche Freundlichkeit heutzutage so selten ist, dass man sie leicht mit einem Flirt verwechselt. Was für eine interessante Frau, dachte ich und schaute ihr kurz nach, als sie mit ihrer guten Laune und dem Putzwagen zwischen den Sitzbänken des Gate C30 umherwirbelte und breit lächelte.
Wenn meine Laune auch nur halb so gut wäre, dachte ich mir und konnte nicht ahnen, dass sich meine Situation gleich noch deutlich verschärfen würde. Ich griff in die Tasche meines Jacketts und merkte plötzlich, dass mir etwas sehr Wichtiges fehlte. Mein Pass, meine Tickets und meine Geldbörse. Alles weg. Ein Schauder durchfuhr meinen ganzen Körper. Hatte ich die Sachen vielleicht einfach in meine Laptoptasche gelegt? Ich durchsuchte hastig alle meine Taschen. Nichts. Hatte ich die Sachen im Flieger liegen gelassen? Nein, ich erinnerte mich, dass ich nach dem Aussteigen noch mein Ticket in der Hand gehalten und im Café den Mokka bezahlt hatte. Ich schaute mich sofort um. War ich bestohlen worden? Hatte ich die Sachen einfach nur irgendwo liegen gelassen? Es musste innerhalb der letzten Minuten passiert sein.
»Jason Cooper. Meine Geldbörse und meine Reisedokumente sind weg. Können Sie sich darum kümmern? Schwarze Ledergeldbörse. First-Class-Tickets nach Doha. Ich muss damit zu einem sehr wichtigen Meeting.« Die junge Dame vom Flughafenpersonal wirkte fast erschrocken. »Bitte beruhigen Sie sich, Sir. Ich werde das Sicherheitspersonal verständigen und Ihre Sachen als vermisst melden. Sobald wir etwas finden, geben wir Ihnen Bescheid. Gern können Sie auch selbst schon einmal suchen, vielleicht haben Sie es ja hier am Gate irgendwo liegen gelassen.« »Danke!« Ich agierte wie eine Maschine, schnell und analytisch, wie in den vielen Geschäftsverhandlungen, die ich regelmäßig führte. Wo war ich noch gewesen? Sofort ging ich zurück zum kleinen Café in der Flughafenhalle. Direkt zur Kasse, an der langen Schlange von wartenden Menschen vorbei. »Hey, Sie da! Haben Sie eine Geldbörse und einen Pass gefunden? Schwarzes Leder. Es müssen auch Tickets dabei gewesen sein.« Der junge Mann hinter der Theke schien nicht zu verstehen, wie wichtig diese Dokumente für mich waren, ohne meinen Pass und meine Tickets konnte ich nicht fliegen. »Hey!«, jetzt wurde ich lauter. Ich war ich es gewohnt, sofort zu bekommen, was ich wollte. »Hey, hör mal zu. Ich brauche meine Dokumente. Sie müssen hier sein!« Immer noch nichts. Die lauten Kaffeemaschinen, der zischende Dampf der Milchaufschäumer und die zahllosen Stimmen der wartenden Menschen füllten das kleine Café. Ich verlor die Geduld. »Hey, wo sind meine Dokumente?«, schrie ich den jungen Barista jetzt fast an.
Er stand mit dem Rücken zu mir an einer Kaffeemaschine, ich merkte, wie er sich plötzlich langsam zu mir drehte. »Wir haben hier nichts gefunden. Aber ich kann dir einen Tipp geben.« Hatte er vielleicht etwas beobachtet? Ich lehnte mich zu ihm, um genau hören zu können, was er zu sagen hatte. »Egal, wer du bist, und egal, was du suchst, du wirst es nicht finden, wenn du so fragst. Niemand wird dir helfen, solange du nicht ein bisschen mehr Menschlichkeit zeigst. Viel Glück bei der Suche, ich muss jetzt weiterarbeiten«, sagte er, schüttelte ungläubig den Kopf, drehte sich wieder weg und das Chaos im Café ging weiter, als wenn er nie mit mir gesprochen hätte.
1. Begegnung mit Rob
Das innere Kind wiederfinden und die Maske ablegen
Ich musste anscheinend lernen, mit Menschen umzugehen, ohne sie herumzukommandieren wie die Junior-Berater unserer Firma. Nachdenklich ging ich zurück zum Gate C30, genau den Weg, den ich vorher schon einmal gegangen war. Ich schaute auf den Boden: Waren mir die Dokumente und meine Geldbörse vielleicht aus der Tasche gefallen? Ich fand nichts. Als ich am Gate ankam, sah ich mich kurz um und atmete tief durch.
»Haben Sie eine schwarze Geldbörse gesehen? Ich habe sie und alle meine Dokumente verloren«, sagte ich zu einem Mann, der neben mir am Gate saß, und fügte hinzu: »Na ja, zumindest habe ich jetzt sieben Stunden Zeit, die ich totschlagen kann, indem ich versuche, sie wiederzufinden. Es muss wohl mein Glückstag sein.« Der Mann schaute mich an und sein linker Mundwinkel hob sich zu einem ganz leichten Grinsen, es wirkte, als würde er meinen Kommentar etwas seltsam finden. »Amigo«, sagte er, als ob er mich schon ewig kennen würde, »ich heiße Rob.« Immer noch grinsend, reichte er mir seine Hand. Sofort fiel mir auf, wie gesund Rob aussah. Seine Haut war goldbraun und ganz ohne Falten, wie von einem jungen Mann, obwohl er etwa Mitte 40 war. Seine Arme durchfahren von Adern, drahtig und stark. Zwischen den schulterlangen dunkelblonden Haaren helle Strähnen. Strähnen, die von der Sonne kamen, nicht vom Frisör. Rob trug ein weißes T-Shirt, eine zerrissene Jeans und Flipflops. Um den Hals hatte er ein Lederband, an dem eine kleine Muschel hing. Er trug bunte Armbänder an beiden Handgelenken. Seine wachen blauen Augen funkelten und sein Lächeln war ehrlich und freundlich. Er strahlte eine unterschwellige Erhabenheit und Ruhe aus, die sofort spürbar war.
»Hallo, ich heiße Jason«, erwiderte ich leise. »Jason, du willst also heute Zeit totschlagen?« »Na ja, mir bleibt nichts anderes übrig. Es wäre mir natürlich auch lieber, wenn ich meine Dokumente jetzt wiederfinden würde und wir direkt starten könnten, ohne noch ewig warten zu müssen.« Rob hörte meine Worte und lachte kurz. »Du musst nicht starten, Amigo, du solltest erst mal ankommen.« Dieser HippieSurfer hatte mich wohl falsch verstanden. »Sorry, Rob, aber ich muss nicht ankommen, ich muss wegfliegen. Ich wäre idealerweise schon längst mit dieser Maschine auf dem Weg zu meinem Meeting.« »In der Welt ankommen ist auch starten. Die erste wahre Ankunft ist immer der wichtigste neue Start.« Ich schüttelte ungläubig den Kopf, das war für mich eindeutig zu viel Philosophieunterricht für diesen Morgen. »Ich habe heute einen extrem wichtigen Termin, jetzt fehlen mir meine Dokumente und diese Verspätung raubt mir grade auch noch sieben Stunden meines Tages!« Rob hörte meine Worte, schaute durch die große Fensterfront hinter dem Gate zur aufgehenden Sonne hinter dem endlosen Rollfeld und sagte: »Bevor ich wusste, dass echte Zeit nur im Jetzt existiert, dachte ich auch, dass man sie mir rauben könnte, Amigo. Du musst aufhören zu warten und anfangen zu leben. Aufhören zu suchen und anfangen zu erschaffen.«
»Mehr erschaffen? Ich müsste dir mal meinen Kalender zeigen, ich arbeite auf der ganzen Welt mit wichtigen Kunden, dabei schaffe ich mehr als die meisten. Ich schlafe wenig, ich kämpfe hart für das Leben, das ich führe. Ich habe keine Zeit, mir jetzt auch noch anzuhören, was ich sonst noch alles tun muss.« »Das stimmt. Du hast noch weniger Zeit, als du denkst, Amigo, aber das Gute ist, sie vergeht nicht, sie ist immer hier. Wenn du auf den Moment aufpasst, musst du dir um die Jahre keine Sorgen machen.«