Kitabı oku: «Ein tödliches Komplott», sayfa 5
Sergeant Barber musste nicht lange überlegen. In seiner Stadt gab es nur ganze zwei, die mit derlei Geschäften ihr Geld verdienten, aber so gut wie nie öffentlich bekannt wurden. »Es gibt zwei Leute, die den Drogenhandel in Portland kontrollieren. Im Westen ist das Arthur Antunes und im Osten Kylie Richardson. Den beiden werden sie allerdings nicht das geringste nachweisen können. Die haben sich so abgesichert, dass sie nie auch nur im Entferntesten mit Geschäften dieser Art in Verbindung gebracht werden.«
Cooper Knight fing an zu grinsen, »Wir werden den Herrschaften mal einen Besuch abstatten. Es wäre hilfreich, wenn ihre Truppe mal die bekannten Dealer für einige Nächte auf Staatskosten unterbringen würde. Wenn die Geschäfte nicht mehr laufen, werden die normalerweise nervös und begehen Fehler.«
Der Leiter der Drogenkommission war damit einverstanden und versprach sich, die nächsten paar Tage die größten Dealer der beiden mit allen verfügbaren Mitteln zu jagen. Zumindest würde er ihnen kurzzeitig die Zellen von innen zeigen. Es war kein großes Geheimnis, dass sie nicht lange darin ausharren müssten. Wann immer man sie aufgriff, hatten sie entweder gar keinen Stoff dabei, oder Kleinstmengen, die gerade mal eine Haftzeit von zwei oder drei Tagen rechtfertigten.
5. Kapitel
Vereinigte Staaten, Las Vegas (NV)
Der Las Vegas Boulevard erwachte langsam aus seiner durch künstliches Licht erhellte Dunkelheit. Vor einer Filiale eines großen Burgerbraters gegenüber dem Mandalay Bay stand Evan Watts in der aufgehenden Sonne. Nur langsam erwärmte sich die Stadt. Im April lag die Nachttemperatur noch bei lausigen acht Grad. Im Lauf des Tages stiegen sie erst langsam auf angenehme Werte deutlich über 20 Grad. Watts war schon mitten in der Nacht aus seinem Bett gestiegen, um den Termin nicht zu verpassen. Er hatte erst vor kurzem ein Paket übernommen und es außerhalb der Stadt im trockenen Wüstensand verborgen. Heute sollte er es endlich wieder loswerden.
Es enthielt genug Stoff für etwa eine Woche. Die Geschäfte im Vergnügungspark Las Vegas liefen noch nicht besonders. Die Verkaufszahlen stiegen erst langsam, nachdem sie im Dezember begonnen hatten, in das große Geschäft einzusteigen. Man musste in der Stadt sehr vorsichtig sein, denn die Polizei trieb überall ihr Unwesen. Einen Einstieg zu finden war schon schwer genug und man durfte hier niemandem vertrauen. Hilfreich waren die Kontakte zu Prostituierten, die in der Wüste ihrer Arbeit nur mit erheblichen Schwierigkeiten nachgehen konnten. Offiziell war es ausgerechnet in Las Vegas verboten, diese Dienste anzubieten. Touristen die keine Ahnung hatten das die Prostitution hier illegal war gerieten gerne in eine Falle, den schon die Anstiftung und Verabredung war verboten. Junge Polizistinnen nutzten diesen Umstand und sprachen Männer in Casinos an. Wenn diese dann mit der Beamtin auf das Hotelzimmer verschwinden wollten, klickten die Handschellen.
Trotzdem war dieser Weg weniger Risikoreich für Drogendealer ihren Stoff unter die Bevölkerung zu bringen. Die Damen des horizontalen Gewerbes kannten ihre Stammkunden und wussten, wer davon infrage kam. An die verkauften sie dann ihren Bestand bis eine weitere Lieferung ankam. Die Beschaffungswege mit den Drogenlieferungen bereitete ihnen immer noch Schwierigkeiten. Der Stoff kam über den Hafen von Seattle ins Land und wurden dann über den Umweg Portland bis nach Las Vegas verteilt. Die Lieferungen waren noch viel zu klein und die Nachfrage überstieg langsam das, was sie geliefert bekamen. Diese Woche waren es nur knapp zwei Kilogramm, die aus Portland geliefert wurden. Das reichte einfach nicht, um genug Geld zu verdienen.
Evan Watts war dafür zuständig, die Lieferungen in der Wüste abzuholen und sein Partner, auf den er hier wartete, verteilte die Ware dann an die Ausgabestellen. Das waren ausgesuchte Damen aus dem horizontalen Gewerbe, die dann die Ware unter ihren Kunden verteilten. Erst kurz vor der verabredeten Zeit erschien Roy Cabrera auf der anderen Straßenseite. Er schien extrem nervös zu sein. Alle paar Augenblicke schaute er sich um, ob ihn jemand verfolgte. Roy hatte sich als Tourist getarnt. Um seinen Hals baumelte eine große Digitalkamera und in der Hand hielt er einen kleinen Straßenplan. Auf der Stirn des Mittdreißigers zeigten sich dicke Schweißperlen. Trotz der relativ kühlen Luft an diesem Morgen war ihm aufgrund der Aufregung viel zu warm.
Roy Cabrera war ein ehemaliges Bandenmitglied im Großraum von Las Vegas. Er war eine kleine Nummer im Untergrund der Stadt, der es nie bis nach oben schaffte. Als das FBI das Räubernest ausräucherte, konnte Cabrera über die Grenze nach Tijuana in Mexiko flüchten. Dort verkroch er sich bei einem Drogenkartell bis er nach Las Vegas zurückkehren konnte. In Mexiko suchten ihn die Behörden wegen mehrfachen Mordes. Seitdem lebte er versteckt im Großraum von Las Vegas. Er wurde vom gemeinsamen Chef angeworben sein Projekt zu unterstützen. Cabrera verließ das Haus nie unbewaffnet. Auch heute hatte er irgendwo am Körper mindestens eine Faustfeuerwaffe versteckt.
Evan Watts gab ihm das Zeichen, dass alles okay war und zündete sich eine Zigarette an. Dann setzte er sich auf eine vor dem Restaurant befindliche Bank und streckte die Beine in die ersten Sonnenstrahlen. Cabrera überquerte die noch nicht so dicht befahrene Straße und ging auf den Laden zu. Auch er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich neben den wartenden Evan Watts. Die Übergabe klappte problemlos. Roy nahm die Kamera vom Hals und öffnete das Objektiv. Es war nur eine Attrappe und beinhaltete das zu einem Bündel gerollte Geld. Er übergab es an Watts, der seinerseits ein in dickes Plastikfolie verpackten Umschlag aus seinem Hosenbund zog und es vorsichtig zu Cabera schob. Dann stand er auf, trat seine Kippe auf dem Boden aus und machte sich auf den Weg. Roy blieb alleine zurück. Mit flinken Fingern versteckte er den dicken Umschlag unter seinem Hemd und machte sich wieder auf den Weg.
Seinen Wagen hatte er wenige Ecken weiter in einer Seitenstraße abgestellt. Immer wieder schaute er sich nervös um, ob ihn jemand beobachtete. Er schalt sich selbst so nervös zu sein. In seiner Karriere hatte er schon hunderte Übergaben abgewickelt, trotzdem war er immer noch extrem nervös und aufgeregt. Mehrfach hatte man ihn schon dabei observiert und Zugriffe geplant, aber er war ihnen immer entwischt. An diesem Morgen lief alles glatt und niemand wurde auf ihn aufmerksam. Roy startete den Motor seines Wagens und fädelte sich in den Verkehr ein. Er folgte dem Las Vegas Strip in Richtung Flughafen. Am beleuchteten Ortsschild stand schon um diese Uhrzeit eine große Menge Touristen. Jeder Besucher wollte sich das simple Schild einmal ansehen.
Das Welcome to Fabulous Las Vegas Schild ist ein von Leuchtröhren beleuchtetes Schild auf dem Mittelstreifen des Las Vegas Boulevard. Seit 1959 begrüßte es Besucher von Las Vegas schon auf der Vergnügungsmeile mitten in der Wüste Nevadas. Nachdem Roy das Schild hinter sich gelassen hatte, bog er nach rechts auf einen Feldweg ab. Dort hielt er an, stoppte den Motor und zog das übernommene Päckchen aus seinem Hosenbund. Es war nicht schwer, das merkte er sofort als er es in der Hand hatte. Schon seit Monaten musste er kleinere Mengen unter seinen Angestellten so aufteilen, dass jeder etwas davon bekam. Roy wollte sich darüber beschweren, weil immer weniger ankam, aber er kannte die Lieferkette nicht. Alle seine Lieferungen stammten aus Seattle. Wie sie dann aber den Weg nach Portland fanden, wusste er nicht. Nur eine Kontaktmöglichkeit hatte er bekommen.
Er sollte, wenn es Probleme gab, eine Nachricht in einem Forum schreiben und dann auf einen Anruf warten. Der Anruf kam innerhalb von einigen Stunden auf sein Handy. Der Anrufer ließ aber seine Stimme elektronisch verzerren und die wichtigste Regel lautete: ›Keine Namen!‹.
Die Lieferung war viel zu wenig. Die Nachfrage überstieg das Angebot mittlerweile bei weitem und er brauchte dringend mehr Stoff, um alle Kunden damit zu versorgen. Das durfte so nicht bleiben, das wusste Roy. Entweder bekam er eine auf den Deckel, weil die Einnahmen viel zu gering waren, oder die Kunden besorgten sich ihren Stoff bei den hunderten anderen Dealern, deren Versorgungswege nicht über tausende Ecken verliefen. Er streckte die erhaltene Menge zwar, war allerdings nicht bereit von seinem Verdienst etwas abzugeben. Roy nahm sein Handy zur Hand und wählte sich in das Forum ein. Dort hinterließ er eine kurze Nachricht. Während er auf den Anruf wartete, machte er sich auf den Weg zu seinem Unterschlupf zwei Autostunden von der Stadt entfernt.
Gewissenhaft überprüfte er, ob ihm auch niemand gefolgt war. Erst als er sich ganz sicher war, steuerte er sein Domizil an. Es lag mitten in der Wüste, weit ab von jeglicher Zivilisation und war nahezu perfekt getarnt. Die Hütte besaß nur einen gemauerten Eingang aus hellem Kalksandstein und unterschied sich farblich nicht von dem Sand, der ihn umgab. Strom bezog er über ein kleines Solarpaneel. Das Hauptproblem war Wasser hier draußen. Zu seinem Schutz hatte er hunderte Liter Wasser in Kanistern hergebracht und lagerte sie unterirdisch. Daneben lagen viele Überlebensrationen, wie sie von den Streitkräften verwendet wurden. Er konnte es hier gut und gerne einige Wochen aushalten.
Das Death Valley war dafür hervorragend geeignet. Über tausende Kilometer bekam man keine Menschenseele zu sehen, das Handynetz hier draußen war großflächig gar nicht vorhanden und eine Panne mit dem Wagen war tödlich. Wer nicht unbedingt musste, vermied es sich hier draußen in der tödlichen Sonne aufzuhalten. Roy hatte hier sein Lager untergebracht. Hier war nicht nur er unauffindbar, sondern auch die gelieferten Drogen waren hier sicher.
Roy nahm sich seine kleine Waage zur Hand und setzte sich an den alten abgewetzten Tisch. Er entfernte die Folie in dem der Stoff verpackt war und legte den Inhalt auf die Waagschale. Die Anzeige gab an, dass er exakt zwei Kilo erhalten hatte. Kein Gramm mehr. Das waren ziemlich genau 571 Päckchen zu je 3,5 Gramm. Aber Roy war ein alter Hase im Geschäft. Crystal Meth konnte man mit MDM Kristallen, ein Nahrungsergänzungsmittel wunderbar strecken. So wurden aus den jeweils 3,5 Gramm schweren Tütchen insgesamt 28 Gramm. Wozu sollte man auch leer ausgehen, wenn man schon das Risiko trug und die Konsumenten merkten davon sowieso nichts! Sein Vorrat an MDM Kristallen war allerdings so gut wie aufgebraucht. Bevor er aber wieder in die Stadt fuhr, verbrauchte er den Rest was er noch hatte. Das gestreckte Zeug versteckte er im Reserverad seines Wagens. Einer kurzen Kontrolle durch die Polizei würde das Versteck standhalten. Das musste genügen bis er die Drogen verteilt hatte.
Die zwei Stunden, die er vom Death Valley bis Las Vegas brauchte, vergingen wie im Flug. Seine erste Anlaufstelle war eine alte Bekannte, die sich selbst als die Nuttenkönigin von Las Vegas bezeichnete. Allerdings war sie bereits viel zu alt, um viele Kunden zu bedienen. Deshalb betrieb sie nur noch eine Zentrale und bot Prostituierten einen sicheren Arbeitsplatz. Es war zwar in der Stadt verboten, aber das führte auch nur dazu sich selbst im Untergrund aufzuhalten. Das älteste Gewerbe der Welt fand grundsätzlich immer einen Weg, auch wenn die Politik das versuchte zu vermeiden. Gut betuchte Kunden hatten alle ihre Telefonnummer, um sich so für ein paar Stunden eine junge Dame zu mieten. Offiziell arbeiteten sie als Servicekräfte mit einigen speziellen Aufgaben. Es war nichts anderes als Prostitution und das wussten auch die Staatsbediensteten, konnten aber nicht dagegen vorgehen.
Sie war eine wichtige Kundin für ihn, die ihren Servicekräften immer wieder auf Verkaufstour schickte. Pro Woche konnte er dort schon genug Geld verdienen, um seine Lieferungen zu bezahlen. Ihr Büro lag in einem nicht besonders dicht besiedelten Gebiet der Stadt. Sogar die Polizei hatte kein besonderes Interesse daran dort ihre Zeit zu vergeuden. Für Roy war das Abliefern dort relativ ungefährlich. Seine nächsten Verteiler mussten noch auf ihre Lieferungen warten. Kahina, wie sich nannte, übernahm einen Großteil seiner gesamten Lieferung. Das, was er ihr heute brachte, war zu wenig, aber Roy bat sie um etwas Geduld. Er machte dafür Lieferprobleme verantwortlich. Glücklicherweise lag direkt in der Nähe ein Supermarkt in dem er sich MDM Kristalle besorgte um den Rest seiner Lieferung im Death Valley strecken zu können.
Roy plante direkt am nächsten Morgen erneut die zwei Stunden Fahrt in Kauf zu nehmen und den Rest aufzubereiten. Kahina war zumindest mal für ungefähr drei Wochen versorgt, was ihm ein bisschen den Druck nahm. Allerdings musste die nächste Lieferung aus Portland deutlich höher ausfallen. Als er das Büro der Zuhälterin verließ, klingelte auch schon sein Mobiltelefon. Die elektronisch verzerrte Stimme war ihm schon immer unangenehm. Heute musste er aber trotzdem mit ihr Vorlieb nehmen, um seine Lieferungen zu erhöhen.
»Was gibts?«, fragte die tiefe Stimme.
»Die Lieferungen dauern entweder zu lange oder der Umfang ist zu gering. Der Bedarf ist viel höher als ich decken kann.«
»Das ist uns bekannt«, bekam er als Antwort. »Die Lösung des Problems ist bereits in Arbeit, dauert aber noch ein paar Tage. Wir melden uns, wenn die Liefermenge erhöht werden kann!« Dann war die Leitung tot.
»Blöder Arsch«, murmelte Roy vor sich her, als er das Telefon wieder wegsteckte.
Anstatt eine Lösung zu bekommen, hielt man ihn weiter nur mit billigen Versprechen hin. Er hatte das langsam satt. Der Markt in Las Vegas war geöffnet und er konnte im großen Stil verkaufen, bekam aber gar nicht die Menge an Stoff, die er brauchte. Durch sein Strecken des Stoffs generierte er zwar höhere Einnahmen, trotzdem war es ihm noch viel zu wenig. Die ganzen Jahre in der Versenkung sollten jetzt endlich ein Ende finden und ihn als reichen Mann hervorbringen. Man hielt ihn aber über die Entfernung künstlich klein. Das war einfach nicht mehr zu rechtfertigen. Roy brauchte eine andere Lösung.
Noch am selben Abend in seiner kleinen Wohnung in Las Vegas, abseits des großen Strips, legte er sich eine Strategie zurecht. Er hatte immer noch Kontakte in die Szene von früher und mit einem kleinen Angebot könnte er vielleicht seine Lieferungen deutlich erhöhen. Falls es die Liefermenge nicht nach oben brachte, wäre aber vielleicht eine Erweiterung seines Sortiments möglich. Es war bereits mitten in der Nacht als er seinen alten Kollegen anrief. Die beiden Männer kannten sich noch von seinen Anfangszeiten in dem Geschäft. Sein Leben war fast genauso wie Roys verlaufen. Beide waren sie damals aufgeflogen und mussten sich aus dem Staub machen. Während Roy nach Mexiko flüchtete, bestieg sein Kumpel ein Boot in San Diego und ließ sich nach Kanada bringen. Quellen hatten beide genug.
»Roy, du alter Taugenichts. Lebst du noch?«, fragte er am Telefon.
»Wie du hörst, atme ich noch Paul. Sprachanrufe aus dem Jenseits sind meines Wissens nach nicht möglich.«
»Wie war das Leben zu dir, alter Freund?«
»Es hätte lieber sein können, aber es wird langsam besser. Hör mal Paul, ich habe ein großes Problem mit meinen Lieferanten, hättest du jemanden an der Hand, der mir zusätzlich mehr liefern kann?«, fragte er frei heraus.
»So kenne ich dich Roy, immer gleich auf den Punkt kommen. Die erste Frage ist aber, wo du dich eigentlich herumtreibst.«
Roy huschte ein schwaches Lächeln über die Lippen, »Amerikas Spielplatz.«
Diese zwei Worte reichten aus, um jedem klarzumachen, wo man sich gerade aufhielt. Die Stadt in der Wüste Nevadas bedurfte keiner weiteren Erklärung und sie wurde sofort verstanden.
Paul pfiff durch die Zähne, »Bist du in die Oberliga aufgestiegen?«
»Nur Orts technisch«, gab Roy etwas geknickt zu. »Meine Lieferanten spielen aber immer noch in der Amateurliga und so wie es aussieht ändern sie das die nächsten 200 Jahre auch nicht. Ich brauche mehrere Lieferanten, die genug Kapazitäten aufbringen können!«
Paul atmete hörbar tief durch, »Was brauchst du Roy?«
»Ice, Snow am besten alles was geht!«
»Ich werde sehen, was ich tun kann, Roy, aber das dauert ein paar Tage.«
Die beiden beendeten das Gespräch. Roy hatte ein gutes Gefühl. Auf Paul hatte er sich schon immer verlassen können und das würde sich auch dieses Mal nicht ändern. Nun musste er nur noch warten bis sich sein Kollege mit neuen Lieferanten bei ihm meldet. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg, die MDM Kristalle zu kaufen und dann in seinem Versteck den Rest der Lieferung zu strecken. Er brauchte noch viel mehr Drogen, um richtig in den Verkauf einsteigen zu können. Leider dauerte das noch lange genug. Selbst wenn Paul seine Lieferanten angefragt hatte, dauerte es noch eine ganze Weile bis die Lieferungen bei ihm ankommen würden. Dann könnte Roy endlich anfangen richtig zu verkaufen.
6. Kapitel
Vereinigte Staaten, Portland (OR)
Schon seit Stunden observierte Vivian Burgess nun schon das Hochhaus im Herzen von Portland. Das Paket sollte erst im Laufe des Tages geliefert werden, hatte sie von ihrer Freundin Tiana erfahren. Soeben saß sie im Außenbereich eines kleinen Restaurants und genoss Tagliatelle in einer herrlichen Weißweinsauce. Sie kannte das Lokal noch nicht, fühlte sich von der Speisekarte auch nicht besonders angelockt, aber es war der einzige Standort, von dem aus sie ungefährdet den Eingang des gegenüberliegenden Hochhauses überwachen konnte. Immer, wenn sie dachte, ihr Päckchen würde endlich geliefert werden, stellte sich der potenzielle Agent als Geschäftsmann heraus, der einen Termin wahrnahm.
Den letzten Bissen ihrer Mahlzeit spülte sie mit einem Glas frisches Quellwassers hinunter. Gerade in diesem Moment sah sie einen Mann in zerschlissenen Klamotten das Hochhaus betreten. Sein Anzug schien schon viele Jahre in einem Schrank gelagert worden zu sein. Die Motten hatten einige Löcher in dem Stoff hinterlassen, die notdürftig mit einigen Flicken kaschiert wurden. Der Träger war ein älterer Mann, der seine besten Zeiten schon lange hinter sich haben musste. Seine Bewegungen zeugten von schmerzenden Beinen und er ging etwas gebeugt. Vivian hatte das Gefühl diesen Mann bereits schon einmal gesehen zu haben. Sie konnte sich allerdings nicht erinnern, wo das gewesen sein könnte.
Der etwas ältere betrat das Verwaltungsgebäude, hielt sich aber nicht am Empfang auf, sondern steuerte direkt auf den Aufzug zu. Entweder kannte sich der alte Mann hier aus, oder es war ihr Kurier, dachte sich Vivian. Sie musste ihm folgen, um ihre eigenen Ermittlungen am Leben zu erhalten. Allerdings zweifelte sie ernsthaft daran, dass dieser Mann im Dienst von SNB stand. Seine Tarnung mit dem alten schlechten Anzug und so unvorsichtig wie er zu Werke ging konnte er eigentlich kein Agent sein. Trotzdem lag es jetzt an ihr, diesem Geheimdienst auf die Spur zu kommen. Vivian bezahlte ihr Essen beim Kellner und wartete an der nächsten Straßenecke auf den Besucher.
Kurz darauf kam der Mann mit dem zerschlissenen Anzug wieder aus dem Verwaltungsgebäude und trat in die Frühlingssonne in Portland. Vivian beobachtete ihn aus sicherer Entfernung. Als er seinen Weg antrat, blieb sie hinter ihm und folgte ihm versteckt durch die belebte Großstadt. Sein Weg führte durch die engen Straßenschluchten bis zu einer Bushaltestelle. Vivian hatte nicht damit gerechnet, dass ein Agent mit dem Bus fahren würde. Sie brauchte auf die schnelle eine Idee, wie sie möglichst unerkannt an ihm dranbleiben konnte. Sie entschied sich in die Offensive zu gehen und etwas abseits von ihm auf den Bus zu warten. Während er völlig ruhig und gelassen vor dem Häuschen der Haltestelle stand, pirschte sie sich etwas abseits von hinten an das Häuschen heran und wartete. Sie ließ den alten Mann nicht aus den Augen.
Sein Profil glitzerte in der noch schwachen Sonne. Das Gesicht war mit tiefen Falten durchzogen und die grauen Haare hatten sich wie zu einem Heiligenschein um seinen ansonsten unbehaarten Kopf zurückgezogen. Er trug eine dicke Hornbrille auf der Nase. Vivian konnte erkennen, dass er ohne sein Nasenfahrrad so gut wie nichts mehr erkennen konnte. Das machte ihr Hoffnung unerkannt zu bleiben, wenn sie ihm folgte. Als der Bus ankam, zog er sein Ticket aus der Tasche und wartete darauf, dass der Fahrer die Türen öffnete. Neben ihm standen noch einige weitere Fahrgäste. Vivian bewegte sich ebenfalls in die Warteschlange zum Einsteigen, blieb aber außerhalb seines Sichtfelds. In den Filmen sah das immer leichter aus, jemandem unerkannt zu folgen.
Mit einiger Anstrengung und einem leisen Stöhnen erklomm der Mann die Einstiegsstufe des Busses. Unbedarft zeigte er dem Chauffeur sein Ticket und warf einen Blick in den Fahrgastraum. Nur einige Fahrgäste saßen auf den dunkelgrauen plastiküberzogenen Sitzen. Im hinteren Bereich saßen einige Schüler, die sich vor einem jungen Mädchen betont cool gaben. Der ganz normale Wahnsinn wie in jedem Bus. Als Vivian an der Reihe war, zog sie ihr Portemonnaie aus ihrer kleinen Handtasche und kaufte sich eine Fahrkarte bis zur Endstation. Da sie nicht wusste, wann ihre Zielperson den Bus wieder verließ, wollte sie auf der sicheren Seite sein.
Sie durchquerte den Mittelgang und bewegte sich selbstbewusst an ihrer Zielperson vorbei weiter nach hinten. Seinen Sitz hatte er im vorderen Teil des Fahrzeugs gefunden. Sie setzte sich etwas weiter hinten in das Fahrzeug auf einen freien Sitz auf der gleichen Seite. Um sie zu entdecken, müsste er schon den Kopf um hundertachtzig Grad drehen. Vivian versuchte sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, aber das Adrenalin pumpte in großen Mengen durch ihre Blutbahn. Wenn der alte Mann sie entdecken würde, müsste sie wieder einiges erklären. Allerdings schien der potenzielle Agent nicht weiter auf seine Mitfahrer zu achten. Vivian erfuhr währenddessen einige Beachtung durch die jüngeren Fahrgäste im hinteren Teil. Das junge Mädchen hatte sich Kopfhörer aufgesetzt und achtete nicht weiter auf die Sprüche der Gleichaltrigen. Diese hatten sich jetzt Vivian ausgesucht, um ihre Versuche anzubringen.
Es dauerte nur einige Sekunden bis einer der Testosterongesteuerten Jünglingen mit tausenden Pickeln anfing sie zu bezirzen. Vivian wollte ihn, ohne großes Aufsehen, wieder loswerden, um ihre Zielperson nicht auf sie aufmerksam zu machen. Sie entschied sich für einen besonderen Auftritt dem jungen Gegenüber. Sie bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick und ließ ihn auf seiner Körpermitte einige Sekunden verweilen. Dann setzte sie ein kleines Lächeln auf, beugte sich zu seinem Ohr und flüsterte ihm zu, »Nächstes Jahr, wenn du volljährig wirst, darfst du mich gerne nochmal ansprechen. Ich habe immer Bedarf an neuen Sklaven, die mein Leben finanzieren und sich für ein Leben entscheiden, dass ihnen das Abspritzen verbietet. Wann wirst du denn volljährig?«
Der Junge machte ein erschrockenes Gesicht und verzog sich sofort wieder zurück zu seinen Kollegen. Vivian lächelte, denn kurz darauf begann das Getuschel unter den Jugendlichen auf den hinteren Sitzplätzen. Diese kurze Ansage hatte ausgereicht, um dem Jugendlichen klarzumachen, dass er nicht das geringste bei ihr zu suchen hatte. Das hatte sie in einigen Jahren bereits gelernt. Den jungen ging es nur darum eine hübsche Frau ins Bett zu bekommen. Wenn man ihnen aber direkt klarmachte, was sie mit ihr erwarten würde, verzogen sie sich. Wenn es hieß, nicht mehr ejakulieren zu dürfen, zog sich ihre vergrößerte Libido sofort zurück und versteckte sich. Der Funk unter den Jugendlichen erledigte dann den Rest, denn keiner hatte daran ernsthaftes Interesse. Selbst, wenn konnte er sich im Kreise seiner Freunde nicht leisten darauf anzuspringen.
Die Linie des Busses führte immer weiter aus der Innenstadt von Portland hinaus. Die Häuser an der Straße wurden deutlich kleiner und die Menschen weniger. Ihre Zielperson einige Reihen vor ihr schaute verträumt aus dem Fenster. Immer mehr Grün tauchte an der Straße auf und die großen Bürotürme der Innenstadt verschwanden hinter ihnen im Abgasnebel. Auch die Abstände zwischen den Haltestellen wurden immer größer. Vivian warf einen Blick auf den Streckenverlauf, der als Diagramm über ihr hing. Die Anzeige auf dem Monitor im vorderen Teil hinter dem Fahrer zeigte ihr, dass sie nur noch einige Haltestellen bis zur Endstation hatten.
Erst als die vorletzte Haltestelle auf der Route angesagt wurde, machte sich ihre Zielperson bereit auszusteigen. Sie waren in einer ziemlich spärlich besiedelten Vorstadt angekommen. Die kleinen Häuser am Straßenrand waren allesamt in einem eher erbärmlichen Zustand. Die Farbe der Fassaden war verblasst oder hing schon in langen Fetzen an den Behausungen herunter. Vivian konnte sich noch gut an diese Art zu leben erinnern. Auch sie war erst seit ihrer Ausbildung langsam aus so einer Gegend in die Stadt geflüchtet. Ihre Wohnung war zwar auch nicht gerade eine Mansarde in einem angesagten Viertel der Stadt, aber zumindest war sie ruhig und doch zentral gelegen. Sie hatte sogar den Vorteil eine U-Bahn-Station in ihrer Straße zu haben. So brauchte sie bis in die Innenstadt nur einige Minuten.
Als der Bus anhielt und ihre Zielperson mit einem unsicheren Schritt auf den schmutzigen Asphalt das Fahrzeug verließ, schickte sie sich auch an das Vehikel zu verlassen. Der alte Mann beachtete sie nicht, als er sich in die entgegengesetzte Richtung des Busses auf den Weg machte. Vivian blieb einige Sekunden verwirrt an der Bushaltestelle stehen und sah ihm unsicher hinterher. Das konnte beim besten Willen kein Agent des SNB sein. Trotzdem musste sie an ihm dranbleiben. Der Weg sollte nicht umsonst sein und sie wollte zumindest in Erfahrung bringen, wer das war und was er damit zu tun hatte.
Sie folgte ihm noch eine ganze Weile in sicherem Abstand zu einem verwildert aussehenden Haus in einer schrecklich aussehenden Straße. Immer wieder musste der Alte vor ihr eine kurze Pause einlegen, um den Weg zu überstehen. Er war nicht mehr wirklich so fit auf den Beinen und brauchte die Pausen wohl um Luft zu holen. Das Haus, auf das er zusteuerte, war von einem alten verrosteten Zaun umgeben und die Büsche im Vorgarten schienen seit Jahrzehnten nicht mehr zurückgeschnitten worden zu sein. Sie ragten meterhoch vor der beigen Fassade auf, die einmal in Weiß gestrichen wurde. Der alte Mann zog seinen Schlüssel aus der Tasche seines Anzugs und betrat das Haus. Vivian sah ihm von weitem zu. Das Sideboard, was sie im Flur stehen sah, war genauso abgetakelt wie der Anzug, den ihre Zielperson trug.
Vivian entschied sich nach wenigen Minuten ihrer Zielperson zu folgen und lief an seinem Briefkasten vorbei. Ein Name war nicht darauf vermerkt, aber es lagen einige Briefe darin. Vorsichtig sah sie sich um und als niemand zu sehen war griff sie sich einen der Briefe auf dem die Adresse angegeben war. Auf dem Weg zurück zur Bushaltestelle sah sie sich den Namen des Empfängers an. Das Schreiben war an einen Curtis Chase adressiert. Das war also der Name des Agenten, den sie verfolgt hatte. Während sie auf ihre Fahrgelegenheit in die Stadt wartete, nahm sie ihr Mobiltelefon aus der kleinen Handtasche und schrieb eine Nachricht an ihre Freundin Tiana Nielsen, für die sie diesen Auftrag übernahm. Ihre Freundin sollte am Abend den Namen überprüfen und alles herausfinden, was interessant sein könnte.