Kitabı oku: «Lob des Fatalismus», sayfa 2

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Warum der Fatalismus einen schlechten Ruf hat – nicht ganz zu Unrecht

Der Fatalismus hat es schwer in der Öffentlichkeit. Eigentlich kommt er, ist von ihm die Rede, nur als Negativfolie vor. Er ist die Eigenschaft der Mutlosen und Resignierten, auch der bildungsmäßig und sozial Abgehängten: Die da oben machen, was sie wollen, sich zu bemühen hat keinen Sinn, ich werd’ sowieso Hartz IV. Den Ausruf: Jetzt wünschte ich mir, ein Fatalist zu sein! hört man so selten wie: Die haben es gut, die Fatalisten! Fatalismus ist, solange es das Wort gibt, ein Kampfbegriff. Im 17. Jahrhundert tauchte er zum ersten Mal auf, und mit ihm machten die fortschrittlichen Vertreter der Lehre vom freien Willen des Menschen und von der Offenheit der Geschichte jene Konservativen madig, die davon ausgingen, dass die Geschichte vorherbestimmt und der Wille des Menschen nur begrenzt frei und autonom ist. Wer so denkt, so die Vertreter der Willensfreiheit, ist ein übler Fatalist: vorschnell resignativ, verantwortungslos, einer, dem die Verbesserung der Welt egal ist.

Das hat sich so bis heute gehalten. Dabei zieht sich die Frage, wie frei der Mensch in seinen Entscheidungen ist und wie sehr er in Wahrheit lernen muss, sein Schicksal zu akzeptieren, durch die Geschichte der Philosophie und der Theologie – und keineswegs sind die Fatalisten immer die Dummen, Bösen und Reaktionären. Für Platon und Aristoteles ist die Geschichte offen und der Geist des Menschen gestaltet die Welt mit: Alles, was innerhalb der Menschheitsgeschichte geschieht, existierte vorher als Idee, als Bild; es hatte also die Möglichkeit, zu sein oder nicht zu sein, zu entstehen oder nicht zu entstehen, getan zu werden oder zu unterbleiben. Deshalb ist die Geschichte vom Menschen beeinflussbar. Deshalb ist es auch nicht gleichgültig, was die Menschen in dieser Geschichte tun oder nicht tun – sie beeinflussen damit den Lauf der Welt. Wenn denn der Lauf der Welt vorherbestimmt wäre, erklärte zum Beispiel Aristoteles, hätte der Satz „Morgen wird eine Seeschlacht sein“ die gleiche Bedeutung wie „gestern war eine Seeschlacht“; tatsächlich aber gebe es nun am Tag vor eine solchen Schlacht die Möglichkeit, dass sie tags darauf nicht stattfinde. Cicero, der begnadete römische Polemiker, höhnte zwei Jahrhunderte später gegen alle, die von der Vorherbestimmtheit des Menschen redeten: Wenn sowieso schon alles im Leben feststehe, dann könnte der Kranke sich gleich das Geld für den Arzt sparen. Das war gemein gegenüber den Stoikern – aber ziemlich wirkungsvoll.

Gemein deswegen, weil die Geschichte komplizierter ist. Die Stoa, die ihren Namen von der bemalten Säulenhalle (Στοά) in Athen bekam, in der um 300 vor Christus ihr Gründer Zenon von Kition lehrte, vertrat keine Philosophie der Resignation und Wurstigkeit – soweit man das rekonstruieren kann, denn von Zenon sind keine eigenen Werke überliefert. Die Stoiker waren aber skeptisch gegenüber der Polis, der alles bestimmenden Gemeinschaft der Bürger mit ihrer platonisch-idealistischen Staatsphilosophie. Die griechischen Stadtstaaten waren zu Zenons Zeit in der Krise, sie mussten sich des Königreichs Makedonien erwehren, das zur bestimmenden Macht in Griechenland wurde und die attische Demokratie einfach abschaffte. Damit war auch die bestimmende platonische Philosophie in der Krise, gab es Platz für neue Deutungen. Der Mensch ist für die Stoiker Teil eines Kosmos, der nach einer strengen, unveränderlichen Logik funktioniert; diesen Lauf der Welt kann er nicht ändern oder beeinflussen. Sehr wohl aber kann der Mensch sein Verhältnis zu diesem Kosmos bestimmen: Er kann an sich arbeiten und sich vervollkommnen, tugendhaft leben und Gutes tun, seine Leidenschaften bändigen, gelassen und zufrieden das Leben leben. Ein Determinismus ist das nicht in dem Sinn, dass jede einzelne Handlung des Menschen festgelegt ist und es egal ist, was er tut und lässt. Historisch gesehen ist die Stoa eine Individualisierungs-Philosophie: Der Kosmos ist unabänderlich, der kleine Mensch aber kann das Seinige tun, um ein gutes Leben zu führen. Der Weg von den Stoikern zu einer schlichten Ich-Optimierungs-Philosophie ist also durchaus möglich – aber er ist nicht zwangsläufig.

Auch die Christen misstrauten über Jahrhunderte den Fatalisten. Die Gnadenlehre des Kirchenvaters Augustinus ging zwar davon aus, dass der Mensch nicht uneingeschränkt frei sei, sondern der Gnade Gottes bedürfe und auch aus dieser ewigen Gnade heraus lebe – seine innerweltlichen Angelegenheiten aber könne er durchaus frei regeln. Die junge Kirche verwarf die Lehre der Gnosis, wonach die Menschen unentrinnbar einer Schicksalsmacht ausgeliefert seien; im Mittelalter galt die Vorstellung eines vorherbestimmten und vorherbestimmenden Schicksals überwiegend als Häresie. Wie sollte auch die Sündenlehre der Kirche funktionieren, den Ablass eingeschlossen, wenn die bösen Handlungen des Menschen gar nicht seinem freien Willen entspringen? Das hinderte das Mittelalter hindurch natürlich niemanden daran, zur Wahrsagerin zu gehen oder zum Astrologen. Der Schicksalsglaube war an den Rand und in den Untergrund gedrängt, verschwunden war er nie. Ohnehin begegneten die reisenden Christen – und auch die Kreuzfahrer – dem Fatalismus dort, wo die Araber und Mauren herrschten, in Spanien und Nordafrika, im Orient: als unabwendbarem Schicksal, das ein unergründlicher und mit menschlichem Verstand nicht zu begreifender Gott dem Menschen zugedacht hat, dem er sich gläubig zu unterwerfen hat. Dass die Muslime ans Schicksal glaubten, machte es den Christen nur noch suspekter.

Es war dann ausgerechnet eine kirchliche Erneuerungsbewegung, die, an Augustinus anknüpfend, den Glauben an die Vorbestimmtheit des Menschen ins Christentum zurückbrachte. Martin Luther verwarf die Vorstellung vom freien Willen des Menschen: „Der freie Wille nach dem Sündenfall ist nur noch eine Bezeichnung, und wenn er tut, soviel ihm möglich ist, tut er Todsünde. Der Wille ist ein Gefangener und ein Sklave der Sünde. Er ist nur frei zum Bösen“, erklärte der Reformator 1518 in der „Heidelberger Disputation“ vor der dortigen theologischen Fakultät. Sechs Jahre später zerbrach darüber die Freundschaft mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam. Der Mensch kann in Freiheit ein gutes und richtiges Leben führen, argumentierte Erasmus, weil er ein freies Wesen ist. Luther hielt dagegen: Der Mensch kann aus eigener Kraft nicht zum Heil gelangen, er muss in seiner Unvollkommenheit scheitern. Er ist, wie frei er sich auch wähnen mag, nicht mehr als ein Tier, das entweder vom Teufel oder von Gott geritten wird. Noch weiter ging wenig später der französisch-schweizerische Reformator Jean Calvin in Genf: Gott hat von Anbeginn der Welt einige Menschen zum Heil vorherbestimmt, aus eigener Kraft könne der Mensch nichts zu seiner Erlösung tun. Gott allein erwähle zum Heil; den Erwählten blüht die ewige Seligkeit, die Verworfenen erwartet dagegen die ewige Verdammnis – daran sei nichts zu ändern. Diese Lehre von der „doppelten Prädestination“ war schon zu Calvins Zeiten heftig umstritten: Verdammt Gott von Anfang an einige Menschen, egal, was sie tun? Soll Jesu Kreuzestod nicht die ganze Welt erlösen? Und ist Gott tatsächlich für das Böse verantwortlich, das er dann bekämpft? Die katholische Kirche stellte sich in der Folge klar gegen jede Prädestinationsvorstellung: Der Mensch ist frei, die Gnadengaben Gottes anzunehmen oder nicht.

Die Aufklärer stritten weiter. Baruch Spinoza schloss im 17. Jahrhundert jegliche Willensfreiheit aus. Selbst Gott, sagte er, habe seiner göttlichen Natur folgend gar nicht anders gekonnt, als die Welt zu gründen. Um einiges später nannte Friedrich Heinrich Jacobi Spinoza einen Fatalisten – damit war der Begriff in der Welt. Solche Spekulationen führten zum Nihilismus, kritisierte er Spinoza. Zustimmung fand er bei Immanuel Kant und besonders bei Johann Gottlieb Fichte: Der Fatalismus hebe „alle Moral völlig auf“, schrieb Fichte; das Individuum könne und müsse sich frei fürs Sittengesetz entscheiden.

Seitdem waren die Fatalisten in der Defensive. Sie galten als Konservative, deren Welt so bleiben solle, wie sie ist, oder als zynische Defätisten, die davon ausgingen, dass die Welt so oder so nicht änderbar sei. Die Fatalisten wurden zu Dissidenten und Oppositionellen. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling sah den Fatalismus als eine Art dritten Weg zwischen atheistischer und religiöser Weltdeutung: Ein blindes Schicksal bestimmt die Geschichte und das individuelle Leben. Arthur Schopenhauer sah die Taten eines Menschen als notwendige Folge seines Charakters. Daran wiederum knüpfte Friedrich Nietzsche an: Die Größe eines Menschen bestehe darin, sein Schicksal anzunehmen, zu bejahen – das Unvermeidliche nicht einfach hinzunehmen, sondern zu lernen, es zu lieben.

Die Liebe zum Schicksal – Amor fati. Es war Nietzsches Versuch, jenseits des Christentums den Nihilismus zu überwinden. In der „Fröhlichen Wissenschaft“ schreibt er: „Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! Ich will keinen Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht anklagen, ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. (…) Und, Alles in Allem und Großem: ich will irgendwann einmal nur noch ein Ja-sagender sein.“ Nietzsche hat wider Willen viel dazu beigetragen, dass der Fatalismus heute in der Schmuddelecke des Denkens hockt. Die Vertreter der Konservativen Revolution, die Deutschnationalen und zuletzt die Nationalsozialisten haben seine „Liebe zum Schicksal“ gekapert, da war Nietzsche längst tot und konnte nicht mehr protestieren. Sie haben Schicksalsgemeinschaften konstruiert und definiert, wer zu dieser Gemeinschaft gehört und wer nun mal schicksalhaft ausgeschlossen ist, die Juden sowieso, Kommunisten und Sozialdemokraten und Liberale auch. Adolf Hitler hat so lange seine Parolen von der Vorsehung, die ihn zum Führer Deutschlands gemacht habe, in die Mikrofone gebrüllt, bis 50 Millionen Menschen tot waren und halb Europa in Trümmern lag und Zarah Leanders fatalistische Durchhaltelieder erklangen: „Davon geht die Welt nicht unter“ und: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“. Und als die Russen sich seiner Reichskanzlei näherten, da sagte der große Mörder: Ist halt Schicksal und Vorsehung, und er schoss sich eine Kugel in den Kopf.

Das lastet bis heute auf dem fatalistischen Argument – und es lastet auf ihm zu Recht. Der Fatalismus hat auch einiges Unglück über die Menschheit gebracht. Er hat den Herrschern geholfen, ihre Untertanen ruhig zu halten: Das Schicksal hat dich zum Untertan gemacht, ändern kannst du nichts, also schweige und leide still. Er hat den Grund dafür geliefert, die Welt in Erwählte und Verdammte zu unterteilen, in Schicksalsbegünstigte und geborene Verlierer, in höhere und niedere Klassen oder Rassen. Er hat die Menschen in ihren Bequemlichkeiten und Resignationen bestärkt – es hat keinen Sinn, an der Verbesserung der Welt zu arbeiten. Die modernste Variante dieses unheimlichen Fatalismus ist der biologistische Determinismus. Seit dem so genannten Libet-Experiment von 1979 weiß man, dass wenige Millisekunden, bevor das Bewusstsein des Menschen entscheidet, den linken oder rechten Arm zu heben, die Großhirnrinde diese Entscheidung vorbereitet – der messbare Reflex also vor der messbaren Entscheidung steht. Für den Frankfurter Neurophysiologen Wolf Singer zum Beispiel ist klar: Der Mensch ist von seinen genetischen Anlagen und seinen Reflexen gesteuert. Was ihm als freier Wille erscheint, als Liebe, Zorn, Hass, ist in Wahrheit eine chemische Reaktion, angelegt im Genpool, seit seiner Zeugung. Das lässt sich – Singer geht da nicht so weit – radikalisieren: Gibt es also biologisch bessere und schlechtere Menschen, höher- und minderwertige, deren Qualität durch ihre Gene vorherbestimmt ist? Eine Schreckensvision.

Das ist es, wenn der Autor meint, er könne das Lob des Fatalismus nur mit Weh und Ach singen. Er findet, dass es nicht egal ist, was einer tut oder lässt. Er hält Resignation gegenüber der Ungerechtigkeit der Welt oder dem Klimawandel für die falsche Option und meint, dass alles, was jemand an Gutem tut, nicht ohne Sinn ist und in irgendeiner Weise die Welt ändert. Er steht oft Platon näher als Zenon und Kant näher als Spinoza; Erich Kästners Satz „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ ruft bei ihm von Herzen kommendes Kopfnicken hervor – Friedrich Nietzsches Schicksalspathos dagegen nur interessierte Neugier. Er ist, was die Prädestinationslehre angeht, mehr Papist als Calvinist. Er ist kein 68er, aber doch genügend vom Denken jener Generation geprägt, um die meiste Zeit des Tages davon auszugehen, dass man sich selbst, sein Umfeld, die Gesellschaft und die Welt mit einiger Anstrengung zum Guten hin verbessern muss – und dass dies auch geht, irgendwie. Und trotzdem glaubt er, den Fatalismus loben zu müssen: trotz des schlimmen Erbes und des Missbrauchs der Schicksalsergebenheit. Er glaubt, ihn loben zu müssen gegen den Trend der Zeit, in der die Autonomie und die individuelle Handlungsfreiheit zu den höchsten Gütern gehören; und gegen das eigene Empfinden, dass man das Leben und die Welt im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten verbessern muss. So gesehen ist dieses Lob des Fatalismus eine Selbstermahnung: Der Autor selber läuft eigentlich Gefahr, zum getriebenen Weltverbesserer zu werden, so sich ihm die Gelegenheit bietet – und, noch schlimmer: Er neigt dazu, andere zur Weltverbesserung aufzurufen. Gerade deshalb aber hält er die Fatalismusübung für geboten, zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Schicksalsgestaltung und Schicksalsergebung.

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22 aralık 2023
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9783532600245
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