Kitabı oku: «Museumsschiff», sayfa 7
Dicht unter den Antennen und Aufbauten an der Bauchseite des Kleinen Drohnendecks schossen wir auf den Planeten zu, der friedlich dahinter schwebte. Die sichelförmige Nachtseite entschwand gerade zu unserer Linken. Es würde früher Vormittag Ortszeit sein. Jennifer und Lambert handelten jetzt selbstständig. Ein solcher Taxiflug war wirklich Routine. Ich musste nicht jedes Standardmanöver eigens ansagen. Die Zündung der Bremsraketen. Das Hochfahren der Abschirmung. Die Überwachung der Hitzeschilde. Die beiden Pilotinnen senkten die bullige Schnauze des Explorers in den Abstiegswinkel. Die schwarzen Stahlstreben wurden rotglühend. Für eine Minute hüllten Flammen die Aussicht ein. Dann zog Jennifer die Maschine wieder hoch und fuhr das Fahrwerk aus. Das vertraute Geräusch, mit dem die Landestelzen aus den Verankerungen schwenkten und hydraulisch einrasteten, war zu hören. Von außen würde es aussehen, als setzte ein sehr klobiger, sehr hässlicher Vogel zu Landung an – einer Hyäne mit kantigem Schädel ähnlicher als einem Aar – und strecke dazu die kräftigen Krallen vor.
Mit bloßen Augen war schon die Station zu sehen, die die Pioniertrupps, unterstützt von Robotern, in den letzten Wochen aus dem Sand des Planeten gestampft hatten. Man konnte die hellblauen Kuppeln der Wohnzelte unterscheiden, selbstaufblasende Zweimannunterkünfte aus isolierendem Elastil. Sie boten dem ersten Anschein nach mehreren Hundertschaften Platz. In einiger Entfernung hoben sich die schwarzen Quader der automatischen Verhüttungsstationen ab. Große Container von den Ausmaßen einer Reihenhaussiedlung, wo die angelieferten Erze aufbereitet wurden. Zwischen diesen genormten und standardisierten Stahlwerken und der Wohnsiedlung erhob sich noch ein einzelnes längliches Gebäude. Es sah wie ein großes Bierzelt aus, oder wie eine rasch hochgezogene Fabrikhalle aus Wellblech. Das war die Montagehalle. Die charakteristischen Spuren von Raupenfahrzeugen bildeten ein improvisiertes Straßennetz zwischen diesen Fixpunkten und der Umgebung. Solange wir noch hoch genug waren, konnte man in der Ferne einige Stollen ausmachen, die von Schürfrobotern in den Untergrund getrieben worden waren. Dort endeten die Kettenspuren in schwarzen Schächten, die in flachen Winkeln im Boden verschwanden.
Je dichter wir herunterkamen, umso mehr Einzelheiten konnten wir unterscheiden. Das Vorauskommando hatte ganze Arbeit geleistet. Einzelne Personen waren zu erkennen, die in weißen Schutzanzügen zwischen den verschiedenen Gebäuden hin und herliefen. Über dem größten Zelt der Wohnsiedlung wehte der Wimpel der Union. Dann wirbelte unser Rückstoß zuviel Staub auf. Die Soldaten beeilten sich, einen Unterstand aufzusuchen. Jennifer schwenkte seitlich ab und setzte außerhalb des Camps auf.
Sowie die Triebwerke abgeschaltet waren, die Generatoren verebbten, der Staub in der Umgebung sich legte und Jennifer verkündete, dass die ENTHYMESIS auf Eschata I gelandet war, begab ich mich in Richtung Schleusenkammer. Lambert erinnerte mich daran, dass wir Schutzanzüge überstreifen mussten.
»Selbstverständlich«, lachte ich zerstreut. »Sie haben recht.«
Ich bog links ab und ging in den Vorraum, in dem unsere Anzüge schon aus ihren Futteralen gefahren kamen.
»Danke, Lambert«, sagte ich, während wir uns die dünnen Anzüge aus sensoriellem Gewebe über die Uniformen zogen. »Wenn man hinaussieht, sollte man meinen, eine starke Sonnenbrille müsste genügen.«
Jennifer verdrehte die Augen und stopfte ihren Pferdeschwanz in den Helm. Taylor war schon fertig und stand, das MasterBoard unter dem Arm, vor der Schleusenkammer. Als alle soweit waren, stellten wir den Druckausgleich her und schritten die Steuerbordrampe hinab.
Grelles staubiges Licht brach über uns herein. Die Polarisation des Helmvisiers ging selbsttätig auf sechzig Prozent. Ich wies sie mündlich an, auf achtzig Prozent zu gehen. Was für eine gleißende Helle! Der Himmel war weiß. Das Geröll, auf das sich der aufgewirbelte Staub wie frischer Schnee absetzt, und die Felsformationen in einiger Entfernung wirkten wie gebleichte Skelette, die aus feinem Knochenmehl aufragten. Die starke Abschirmung unserer Visiere bewirkte, dass die Schlagschatten, die alle Gegenstände warfen, von undurchdringlichem Schwarz waren, während die Sonnenseiten immer noch schmerzhafte Lichtfluten verströmten. Blinzelnd, mit tränenden Augen strauchelten wir durch eine Scherenschnittwelt aus hart gestanzten Silhouetten.
Eine Abordnung des Vorauskommandos kam uns entgegen. Der Führungsoffizier begrüßte uns und machte Meldung. Ich nahm seinen Bericht ab und bedeutete ihm dann, er solle vorausgehen. Zwei Schürfroboter von der Größe eines Zwanzig-Personen-Shuttles rumpelten vorbei und verschwanden, sich in dichte weiße Staubwolken hüllend, in der Ebene. Die Cargodrohnen hatten in den letzten Wochen ordentlich zu tun gehabt. Aber was hier ins Werk gesetzt worden war, beeindruckte mich selbst, wie ich es nun aus der Nähe sah, obwohl sämtliche Materiallisten dazu über meinen Schreibtisch gegangen waren.
Die Zeltstadt, die aus der Luft so übersichtlich gewirkt hatte, war aus der Perspektive eines geblendeten Fußgängers verwirrend und überwältigend. In jeder Richtung schienen sich die übermannshohen blauen Kuppeln aus selbstaufblasendem Elastil in langen Fluchten zu erstrecken. Soldaten und Techniker stapften dazwischen herum. Das Ganze sah aus wie ein orientalischer Basar oder das Sommerlager tibetanischer Nomaden, und doch wusste ich, dass alles einem präzisen Plan gehorchte und dass es keinen Gegenstand und keine Handbewegung gab, die zufällig gewesen wäre.
Wir überquerten die Hauptstraße des Camps. Eben kehrte ein vollautomatischer Schürfroboter von seinem Stollen zurück. Er fuhr zu einer der Verhüttungsstationen, deren langgestreckte schwarze Quader aus dunklem Elastalstahl am Rand des Lagers aufgebaut waren. Ihre undurchdringlichen Flächen waren wie Löcher in die Lichtflut des gleißenden Tages von Eschata I gebrannt. Der Schürfroboter dockte selbsttätig an die Station an, die das Erz aus seinem Inneren übernahm und aufbereitete.
Während wir durch die starre Geometrie der Zeltstadt schritten, die von einem eisigen und staubigen Wind überstrichen wurde, plauderte ich mit dem Offizier, einem Captain des Planetarischen Dienstes. Ich interviewte ihn zu Förderleistungen, Mannschaftsstärke, Energiegewinnung und Verpflegung, da ich sichergehen konnte, hier nichts Neues zu erfahren. Während er in klaren Sätzen Auskunft gab, konzentrierte ich mich auf das Gespräch, das Jennifer und Lambert mit Reynolds über die lokale Kommunikation führten.
»Werden Sie es hier aushalten?«, fragte Jennifer.
»Ich denke schon«, sagte Reynolds, und obwohl er einige Schritte hinter mir ging, sah ich den Ausdruck von tapferer Beherrschung auf seinem hageren Gesicht.
»Sie müssen ja nicht hier arbeiten«, warf Jill Lambert ein. »Warum bleiben Sie nicht auf dem Kleinen Drohnendeck?«
»Hier werden die neuen Spulen gefertigt«, gab Reynolds zurück. »Da möchte ich persönlich anwesend sein und die Qualität kontrollieren. Wenn wir zu neuen Sondentests kommen, werde ich in den Orbit zurückkehren.«
»Haben Sie eine Ahnung, wie lange das dauern wird?«, fragte Jennifer.
»Das hängt davon ab, welche Fortschritte wir machen«, sagte der WO. »Sie sehen, es liegt in meinem eigenen Interesse, so schnell wie möglich Ergebnisse zu erzielen.«
Ich konnte hören, wie er ein Lachen andeutete.
»Ich weiß nicht«, lamentierte Jill. »Ich würde es hier keine acht Tage aushalten.«
»Das geht schon«, entgegnete Reynolds. »Es gibt ein kleines Casino. Und ansonsten habe ich meine Arbeit.«
»In Ordnung, hier wären wir!«
Die Stimme des Captains ließ mich zusammenfahren. Sie unterbrach auch das Gespräch auf der anderen Leitung. Wir standen vor der großen Montagehalle. Durch eine leichte Schleusenkammer aus interaktivem Elastilgewebe traten wir ein. Im Inneren sah es aus wie in einem großen Messezelt, bevor die ersten Stände aufgebaut werden konnten. Ein leerer Raum, von dünnen aber widerstandsfähigen Planen aufgespannt. Man konnte den Wind an den Verstrebungen zerren sehen.
»Sie können die Masken absetzen«, sagte der Leiter des Camps. »Hier finden Sie irdische Atmosphäre vor.«
Wir streiften die Helme ab. Da wir nun auf die polarisierten Visiere verzichten mussten, kam es uns selbst im Inneren der Halle unerträglich hell vor. Der Captain verfolgte schmunzelnd, wie wir uns die Augen rieben und zum Boden hin blinzelten.
»Daran gewöhnen Sie sich«, stellte er mit der Nüchternheit eines gedienten Planetenerkunders fest, der schon auf wesentlich unwirtlicheren Welten Pionierdienste hatte leisten müssen.
Jennifer schüttelte ihr Haar auf. Reynolds begab sich sofort zu der kleinen Einheit von Technikern und Ingenieuren, die in der Halle angetreten war, um der bevorstehenden Zeremonie einen offiziellen Anstrich zu geben, und begrüßte sie einzeln per Handschlag. Einige von ihnen kannte er bereits. Er hatte schon während der vergangenen Monate im Kleinen Drohnendeck mit ihnen zusammengearbeitet. Die anderen würde er neu einweisen müssen. Lambert und Taylor schlenderten ein paar Schritte umher und betrachteten die Längsseite der großen Zeltkonstruktion, wo die Banner der Union, der MARQUIS DE LAPLACE und der Planetarischen Gesellschaft prangten. Ich warf dem Captain einen anerkennenden Blick zu.
»Alle Achtung«, sagte ich. »Sie haben Ordentliches geleistet.«
»Ich danke Ihnen, Sir«, bellte er, wobei er ein zufriedenes Grinsen nicht verbergen konnte.
Am gegenüberliegenden Ende der Halle erkannte ich drei neugefertigte Warp-Spulen. Und dabei war die Einheit erst seit ein paar Tagen einsatzbereit.
Nachdem man sich gegenseitig bekannt gemacht hatte, rief ich die angetretenen Mannschaften näher heran und hielt eine kleine improvisierte Ansprache.
»Wie ich sehe«, begann ich mit einer Geste zu den mächtigen Spulen, »haben Sie Ihre Zeit zu nutzen gewusst. Das erfüllt nicht nur mich persönlich mit Zuversicht, es lässt Ihnen auch die Anerkennung der obersten Führung gewiss sein. Wenn wir Sie nun hier zurücklassen, sollten Sie das nicht als Zurücksetzung empfinden, sondern als Herausforderung.«
Ich versuchte in den etwa zwei Dutzend Gesichtern zu lesen, die mir abwartend und mit erkennbarer Reserviertheit entgegenblickten.
»Ich weiß«, sagte ich laut, dass meine Worte in der Halle ein leichtes Echo hervorriefen, »ich weiß, dass viele von euch dieses Kommando als Strafversetzung aufgefasst haben. Ihr kommt euch vor, als würde man euch am Arsch der Welt zurücklassen. Unter der Hand macht sogar das Wort vom Himmelfahrtskommando die Runde!«
Einige Mienen verzogen sich zu Grimassen des Ertapptseins. Ein dunkles Raunen lief durch die kleine Einheit. Eine gewisse Bewegung ließ die Leute schwanken, als sie sich gegenseitig anstießen und sich grobe Bemerkungen zuflüsterten. Aber ich sah auch Zeichen der Zustimmung.
»Ich kann euch nur sagen«, fuhr ich fort, »dass dem nicht so ist. Die gesamten Ressourcen der MARQUIS DE LAPLACE, vertreten durch das Kleine Drohnendeck stehen euch zur Verfügung. Ein ENTHYMESIS-Explorer aus meiner eigenen Flotte, die Endurance, ist abkommandiert, sich im Orbit bereitzuhalten. Ihr seid also alles andere als abgeschnitten.«
Ich ließ wieder eine Pause entstehen, um die Reaktionen zu beobachten. Noch überwog das Murren, aber es deutete sich schon der Umschwung an, an dem man sich der eigenen Unzufriedenheit genieren würde. Man musste die Leute bei der Ehre packen und ihren sportlichen Ehrgeiz wecken.
»Nicht zuletzt«, holte ich den letzten Trumpf aus dem Ärmel, »wird der Leiter des Sondenprogramms selbst mit euch auf diesem Planeten bleiben und die Fortschritte persönlich überwachen. Die meisten von euch kennen ihn bereits. Es handelt sich um WO Reynolds, mit dem mich selbst eine mehr als zwanzigjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit verbindet.«
Einzelne Hurra-Rufe wurden laut. Ein dünner Applaus brach sich Bahn. Reynolds nickte linkisch zu der Einheit hin. Jennifer warf mir einen warnenden Blick zu.
Ich schöpfte Atem und wartete ab, bis die Unruhe sich gelegt hatte. Solange sah ich vor mich auf den Boden, eine hellblaue Elastilfolie, die den steinigen Untergrund durchscheinen ließ. Als es ganz still geworden war, blickte ich wieder auf. Ich sprach jetzt so leise, dass ich gerade noch sicher sein konnte, auch in den hinteren Reihen verstanden zu werden.
»In der Wüste von Nevada«, sagte ich, »wurden einst Männer und Frauen ausgesetzt, die dort in äußerster Verlassenheit und bei strengster Geheimhaltung arbeiten mussten. Sie entbehrten aller Annehmlichkeiten der Zivilisation und arbeiteten an einem Projekt, dessen Realisierung von vielen als unmöglich angesehen wurde. Aber sie rauften sich zusammen. Die brillantesten Wissenschaftler ihrer Zeit waren unter ihnen. Und sie waren erfolgreich. Ihr Projekt hörte auf den Namen Manhattan-Projekt, und ihr Leiter war eine gewisser Robert Oppenheimer.«
Es war totenstill. Selbst die Mitglieder meiner Crew hörten mir gebannt zu.
»Sie, WO Reynolds, haben das Zeug dazu, ein neuer Oppenheimer zu werden! Wenn irgendjemand, dann Sie, wenn irgendwo, dann hier, wenn mit irgendeiner Unterstützung, dann mit diesem Team!«
»Bravo!«, rief Lambert dazwischen und klatschte demonstrativ zu Reynolds hin Applaus.
»Die gesamte Besatzung der MARQUIS DE LAPLACE schaut auf euch«, wandte ich mich wieder an die Allgemeinheit. »Die Union schaut auf euch. Die Menschheit schaut auf euch!«
Jetzt brach Jubel aus. Die Leute lachten und johlten und schwenkten ihre Masken in der Luft. Ich ging zu Reynolds, drückte ihm die Hand und wünschte ihm Alles Gute. Er salutierte förmlich. Ich klopfte ihm auf die Schulter und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Der Captain stand plötzlich vor mir.
»Ich danke Ihnen, Sir«, sagte er mit glühenden Wangen. »Das wird die Leute aufbauen.«
Ich nickte und ließ ihn wegtreten.
»Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«, fragte er sichtlich bewegt. »Möchten Sie im Casino mit uns zu Mittag essen?«
»Ist schon gut«, gab ich zurück. »Aber wir müssen zurück. Die MARQUIS DE LAPLACE wird noch heute in einen neuen Quadranten verlegt.«
»Verstehe«, gab er zackig zurück. »Dann erlauben Sie, dass ich Sie zu Ihrem Schiff eskortiere.«
Das konnte ihm niemand verwehren. Reynolds deutete an, dass er nicht mehr mit hinauskommen wolle. Er wollte sich direkt an die Arbeit machen. Jennifer und Lambert schlossen ihn in die Arme und verabschiedeten sich von ihm. Beide hatten Tränen in den Augen. Dann legten wir die Masken an und duckten uns durch die Schleusenkammer ins Freie. Der Captain und einige seiner Leute begleiteten uns zur ENTHYMESIS, die wie ein riesiger schwarzer Scarabäus im gleißenden Sand stand.
Auf der Brücke ließ ich Jennifer und Lambert antreten. Nachdem sie widerwillig Formation gebildet hatten, rief ich Taylor, ließ ihn Haltung annehmen und überreichte ihm die Ernennungsurkunde zum WO des Explorers ENTHYMESIS. Er strahlte über beide Ohren und ließ meine Hand überhaupt nicht mehr los. Als auch das geregelt war, fiel ich in den gravimetrischen Sessel des Kommandanten.
»Okay«, sagte ich zu Jennifer, »das war’s. Bring’ uns von hier fort!«
Die beiden Pilotinnen nahmen ihre Plätze ein. Als die Triebwerke gezündet wurden, stiegen riesige Vorhänge aus glitzerndem Staub rings um uns auf und das Camp verschwand hinter Massen wirbelnden Sandes. Dann hoben wir ab und stiegen rasch höher. Die grelle Lichtflut der Atmosphäre fiel zurück, und wir schwebten in die wohltuende Dunkelheit des Kosmos hinauf. Niemand sprach ein Wort. Selbst Jennifer und Lambert verzichten auf die sonst üblichen Absprachen, sondern handelten schweigsam und routiniert. Dann tauchte das Drohnendeck vor uns auf, das im irrwitzigen Glanz der weißen Sonne dahing. Indem wir darüber hinwegsetzten, schob sich die MARQUIS DE LAPLACE in den Blick. Obwohl eines Segmentes beraubt, bot sie immer noch einen beeindruckenden Anblick. Ihre silbernen Flächen spiegelten und funkelten. Winzige Details, die nur dem Fachmann auffielen, wiesen darauf hin, dass sie unmittelbar vor einem größeren Sprung stand. So waren die DeepSpace-Sensoren bis zum Anschlag ausgefahren. Die Warnlichter am Reaktorblock, die Shuttles und Drohnen anwiesen, die hinteren drei Segmente des Schiffes weiträumig zu umfliegen, zeigten an, dass das Haupttriebwerk hochgefahren wurde. Es waren auch keine kleineren Fahrzeuge mehr unterwegs. Der Verkehr zwischen dem Mutterschiff und dem Kleinen Drohnendeck war eingestellt. An dem ausgekoppelten Segment waren sämtliche Hangartore geschlossen. Die MARQUIS DE LAPLACE trieb in Seitwärtsbewegung langsam von der ausgesetzten Kolonie fort, um den Sicherheitsabstand für den bevorstehenden Sprung zu vergrößern. Auch am Großen Drohnendeck waren alle Schotte geschlossen bis auf das eine, in das wir in wenigen Augenblicken einschweben würden.
Die Stimmung auf der Brücke war jetzt wieder so eisig wie während des Hinfluges. Das Schweigen meiner Crew erlangte haptische Präsenz. Man hätte kleine Würfel herausschneiden und zum Kühlen des abendlichen Whiskys verwenden können. Kurz bevor wir in den Hangar einflogen, seufzte Lambert in ihrer theatralischen Art auf.
»Ob wir ihn jemals wiedersehen?«
Dann glitten wir in den Bauch des Mutterschiffes hinein und die Hangartore schlossen sich hinter uns.
Kapitel 3. Die Dunkelwolke
Eschata III war ein großer dunkelroter Gasplanet, der, von purpurfarbenen Wolkenstreifen gebändert, gemächlich seine Bahn zog. Sein Zentralstern war ein Roter Zwerg, der nur ein schwaches, blutiges Licht aussandte, das die intensiven Töne des Planeten noch verstärkte. Eine düstere, unstoffliche Welt wie ein Interieur aus schwerem Brokat und Samt, das im denkbar größten Kontrast zu der steinernen Helle von Eschata I stand. Wir setzten hier Segment VIII aus, in dem ein Großteil der Fermentoren und Syntheseaggregate untergebracht war. Die Aufgabe dieser Kolonie würde es sein, Wasserstoff aus den oberen Atmosphäreschichten des roten Riesen zu filtern, es zu Plasma anzureichern und davon Depots von jeweils einer Million Tonnen anzulegen. Diese sollten an festen Plätzen des Systems stationiert werden. Einige der Tanks würden auch mit selbststeuernden Ionentriebwerken vom Typus Lambda ausgestattet werden, die eine zügige Verlegung innerhalb mittlerer Radien gestatten würde. Falls Reynolds Sondenprogramm erfolgreich verlaufen sollte, konnten die Depots entsprechend aufgerüstet werden. Das bereitgestellte Plasma würde dann in nahezu unbegrenzter Menge und Reichweite auf Abruf bereitstehen.
Die Einheit umfasste kaum mehr als fünfzig Mann. Die Gewinnung, Reinigung, Aufbereitung und Abfüllung des Plasmas erfolgte automatisch, sodass sogar eine noch kleinere Mannschaft genügt hätte. Aber wir hatten Bedenken, was die psychosoziale Stabilität einer solchen Gemeinde anging, die über Jahre hinweg auf sich gestellt sein würde.
Eschata IV und V, die wir in den folgenden Wochen ausbrachten, waren kleine Stützpunkte von jeweils einigen hundert Mann, die auf abgelegenen Monden stationiert wurden. Diese hatten sich bei der Spektralanalyse als besonders interessant erwiesen, weil sie reich an seltenen Metallen waren, an Kadmium, Zink, Nickel und Germanium, aber auch an Silber, Gold und Titan. Diese beiden Kolonien mussten ohne ein Segment der MARQUIS DE LAPLACE auskommen, und wir konnten ihnen auch lediglich ein Großraumshuttle mit Platz für etwa fünfzig Personen und einer Reichweite von einhundert Parsec zur Verfügung stellen. Alle Hoffnungen ruhten auch hier auf Reynolds Sondenprogramm, das hoffentlich in absehbarer Zeit die Transportkapazitäten zu verbessern half. Bis dahin mussten die Einheiten ausharren. Und uns kam wieder die ungeheure Weite und Verlassenheit der Räume zu Bewusstsein, in die wir uns hinausgewagt hatten. Die MARQUIS DE LAPLACE hatte seit ihrer Flucht aus dem Neptun-Orbit mehrere Millionen Lichtjahre zurückgelegt, aber für kleine Einheiten kam eine Verteilung über einen Radius von zwei oder drei Lichtjahren der Verurteilung zu Einzelhaft gleich.
Der Chronist
Die Geschichte ist eine Geschichte der Wiederholungen und der Umschwünge. Nichts geschieht auf einmal; stets gibt es eine second chance. Und es kommt alles darauf an, wie sie genutzt wird. Eine gute Revanche kann jeden Misserfolg ausbügeln, während ein Scheitern hier jeden anfänglichen Triumph zunichte machen kann. Und öfter als sonst im Weltgeschehen ist es hier, bei dem alles entscheidenden Verhältnis von erstem und zweitem Mal, die Politik, sind es einzelne Männer, die die Waagschale auf der richtigen Seite herunterdrücken. Marathon war ein Wunder. Aber die Wiederholung dieses Wunders, zehn Jahre später bei Salamis, war ein noch viel größeres Wunder. Es wurde ermöglicht durch die Weitsicht und die Beharrlichkeit eines einzelnen Mannes: Themistokles. Auch dass Alexander bei Gaugamela das Wunder von Issos zu reproduzieren in der Lage war, gehört in diese Kategorie. Die Wiederholung, die naturgesetzliche Verdoppelung eines Geschehens, das für sich genommen und als Einzelfall kaum glaubhaft gewesen war. Auf der anderen Seite gibt es die großen Umschwünge, zum Guten wie zum Bösen. Friedrich stand mit dem Rücken zur Wand, als Katharina die Koalition wechselte. Preußen lag am Boden, als Stein und Hardenberg ihre Reformen ins Werk setzten; zehn Jahre später weilte Napoleon auf St. Helena und Preußen und Russen schnitten auf dem Kongress die europäische Karte nach ihrem Gusto zurecht. Und noch einmal lag Deutschland am Boden. Was darauf folgte, lässt sich nur mit der Verbissenheit erklären, die die Schwester der second chance ist. Noch einmal würde nicht verhandelt werden. Noch einmal durfte nicht klein beigegeben werden. Die zweite Katastrophe ist stets die größere, denn sie ist die endgültige. Sie ist irreversibel. Daher kommt alles darauf an, aus der ersten die rechten Konsequenzen zu ziehen. Die Kräfte richtig einzuschätzen, oder sich neue zu schaffen, neue Schwerter zu schmieden, in deren Stahl die Lehren aus dem Desaster eingehämmert sein müssen. Guderian wäre beinahe ein deutscher Themistokles geworden. Aus dem Nichts schuf er die deutsche Panzerwaffe, die der Welt ein Schauspiel bot, das sie bis dahin nicht gesehen hatte. Aber auch er konnte die Weite des russischen Raumes nicht revidieren. Und so ging man ein zweites Mal in den Untergang. Napoleons zweite Herrschaft dauerte einhundert Tage, und Waterloo war nicht geeignet, Leipzig ungeschehen zu machen. Beim zweiten Mal, schreibt der ältere Ash in Vorahnung der sinesischen Katastrophe, die ihn selbst das Leben kosten sollte, wird alles entweder ganz anders – oder noch viel schlimmer.
Eschata VI bis X – das war das größte und komplexeste Vorhaben im Rahmen des Kolonisierungsprogramms. Die Region Eschata ultima, wie wir sie nannten, bestand aus einem Quintupel-System blutjunger Sterne. Die jüngsten von ihnen hatten vermutlich erst vor wenigen tausend Jahren gezündet, und sie umkreisten einander im Abstand von nur einigen Millionen Kilometern. Der Raum zwischen ihnen hatte sich noch nicht vollständig gelichtet. Wie Schleim, Blut und Fruchtwasser an einem Neugeborenen hingen noch die Überreste des protostellaren Nebels zwischen den Fünfen. Sie würden in den kommenden Jahrtausenden mit der prachtvollen Langsamkeit, die allem kosmischen Geschehen eignete, von den Gravitationskräften der Sterne eingeschlungen werden. Und auch von den fünf Feuerbällen, die da scheinbar so gemächlich ihren Reigen miteinander drehten, würden in einigen zehn- oder hunderttausend Jahren schwerlich mehr als zwei, vermutlich sogar nur ein einziger übrig sein. Denn lange Plasmaschnüre zogen sich in einem komplizierten Gespinst von einem zum anderen. Ultima I saugte Materie aus Ultima II heraus, die ihrerseits einige Millionen Tonnen pro Sekunde von Ultima III und IV erhielt. Ultima V erhielt Nahrung von Ultima II, musste aber Substanz an Ultima I abgeben. Dieser Stern war heute schon der schwerste und hellste. Er würde sich langfristig durchsetzen.
Einige tausend Jahre würde das System stabil bleiben. Darauf kam es an, denn länger beabsichtigten wir nicht zu bleiben.
Ein anderes Dilemma kam hinzu; die Kolonien würden dichter beieinanderstehen, als es unserer Absicht einer möglichst weiten Streuung entsprach. Es war niemand geringeres als Dr. Rogers persönlich, der mich in der entscheidenden Sitzung überstimmte. Den Imperativ der Streuung hebelte er damit aus, dass er verfügte, sie dürfe nicht zu einer Fessel werden.
»Solange«, erklärte er, »die Kommunikations- und Transportkapazitäten so sind, wie sie sind, schaden wir uns selbst und schränken unsere Handlungsfähigkeit ein, wenn wir unsere Basen über ein so großes Gebiet verteilen, dass womöglich Monate vergehen, ehe die eine etwas von der anderen erfährt.«
Mein Einspruch, dass es ursprünglich der Leitgedanke der Kolonisierung gewesen sei, die Basen so breit zu streuen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, und dass dabei ganz bewusst auch ihre Isolierung in Kauf genommen werden musste, wischte er mit einem Papperlapapp vom Tisch.
»Seien Sie nicht starrsinnig, Frank«, brummte er. »So gute Arbeitsbedingungen wie hier finden wir im Umkreis von tausend Lichtjahren nicht mehr. Wir haben die ganze Region gescannt. Das System ist jung. Es bietet alle Elemente des Periodensystems. Warum sollen wir uns zu Sklaven einer Richtlinie machen, die wir selbst erlassen haben, als wir von diesem Paradies noch nichts wissen konnten?!«
Ich gab nach, denn auf der argumentativen Ebene war ihm wenig entgegenzusetzen. Ein Risiko blieb es allemal, zumal hier mit über dreitausend Mann die größte Gruppe der Kolonisatoren ausgesetzt werden sollte.
Wo der Hase aber wirklich im Pfeffer lag, das kam erst heraus, als das Vorhaben von Commodore Wiszewsky genehmigt war und es an die praktische Umsetzung dieses ehrgeizigsten unter den Kolonisierungsprogrammen ging. Jetzt verkündete Rogers nämlich, er selbst werde hier zurückbleiben. Das erklärte mit einem Schlag alles. Denn er war ein bekennender Gegner spartanischer Selbstbeschränkung.
»Ich bin vor Persephone im Feld gelegen«, pflegte er zu sagen, »als die meisten von Ihnen noch nicht geboren waren. In dieser Hinsicht muss ich mir nichts mehr beweisen.«
Er hatte also vor, sich hier in großem Stil häuslich niederzulassen. Und was er dazu aufbot, war durchaus fürstlich. Segment III wurde aus dem geschrumpften Leib der MARQUIS DE LAPLACE herausgelöst. Es beherbergte die Planetarische Abteilung, deren Leiter Rogers seit drei Jahrzehnten war, und einen Großteil der wissenschaftlichen Institute.
»Im operativen Einsatz«, führte er aus, »sind diese Module nur Ballast für das Mutterschiff.«
Er selbst bezog ein Deck, das er zur Kommunikationszentrale des ganzen Systems ausbauen ließ. Das Segment wurde auf eine separate Umlaufbahn gebracht. Dabei bestrich Rogers, wie der Zeiger einer riesigen Uhr, das Zifferblatt des Asteroidengürtels, in dem in den nächsten Monaten die Kolonien Eschata VI bis X gegründet wurden.
Jede dieser Basen umfasste drei- bis fünfhundert Mann. Einige Hundertschaften blieben auf dem Gefechtsstand, wie Rogers die Planetarische Abteilung titulierte. Die Endeavour unter dem Kommando Colonel Kurtz musste die Kärrnerarbeit machen und einen Pendelverkehr einrichten. Auf den Asteroiden wurden Minen und Werften gegründet.
Rogers schien entschlossen, ein zweiter Themistokles zu werden, der eine neue Flotte aus dem Boden stampfte.
»Glück auf«, grinste er mit dem Gruß eines Kohlekumpels, als wir zum letzten Mal miteinander sprachen.
Er überreichte mir weitreichende Vollmachten und teilte mir noch einige Dinge im Vertrauen mit. Nach seinem Ausscheiden war ich, nach Commodore Wiszewsky, der ranghöchste Offizier an Bord der MARQUIS DE LAPLACE. Auch wenn diese ein Viertel ihrer Länge und die Hälfte ihrer Besatzung eingebüßt hatte, war sie doch immer noch ein stolzes Schiff, und über dieses Schiff das Kommando zu haben, erfüllte mich mit Stolz.
Am Abend, bevor wir die neuen Kolonisten verließen und uns wieder in die Weiten des intergalaktischen Kosmos zurückzogen, kamen wir zu einem letzten Umtrunk in der Großen Messe zusammen. Rogers verabschiedete sich von uns mit einer langen Rede. Als er geendet hatte, rief Wiszewsky mich nach vorne und überreichte mir die Beförderung zum General.
Als ich mich umsah, las ich in allen Augen offene Freude. Svetlana klatschte begeistert in die Hände. Wiszewsky klopfte mir immer wieder gerührt auf die Schulter. Rogers prostete mir zufrieden zu. Lambert hatte sich erhoben und spendete brav Beifall, obwohl ich in ihrer Miene immer noch eine gewisse Reserviertheit las. Laertes, der endlich wieder aufgetaucht war, strich sich versonnen den Bart und lächelte still in sich hinein. Einzig Kurtz, der einzige ranggleiche Kamerad von der Fliegenden Crew, musste sichtlich eine Verstimmung herunterschlucken.
Als ich an meinen Platz zurückkehrte, ließ Jennifer ihr Champagnerglas an dem meinen klingen.
»Bist du jetzt endlich da, wo du hinwolltest?!«, zischte sie.
»Glaubst du«, gab ich zurück, »ich hätte das von Anfang an so eingefädelt?«
»Der Erfolg gibt immer recht«, meinte sie schnippisch.
Aber als ich sie an mich heranzog und ihr einen Kuss abnötigte, glühte in ihren Augen der Stolz, den sie auch mit aller Willenskraft nicht verbergen konnte.
Später rief Rogers mich noch einmal auf meinem privaten Kommunikator. Ich fand ihn im Vorraum einer der Schleusenkammern, die für das Andocken mit kleinen Shuttles benutzt wurden. Er hatte bereits den Anzug angelegt, der bei Flügen mit kleinen Schiffen unter tausend Tonnen vorgeschrieben war. Lediglich den Helm hielt er noch unter den Arm geklemmt.
»Ich gratuliere dir«, sagte er.
Das Du war seit langem zwischen uns eingeführt, kam aber nur zur Anwendung, wenn wir unter vier Augen waren.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.