Kitabı oku: «Schlacht um Sina», sayfa 7

Yazı tipi:

»General Norton hat den Oberbefehl über diese Flotte«, begann er zögernd. »Nur vorübergehend wurde die Teilstreitkraft, die Sie hier sehen, meinem Kommando unterstellt, während Norton und der Rest des Korps ein anderes Ziel verfolgen, das der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt und über das auch ich nicht unterrichtet bin.«

Letzteres war gelogen, zumindest untertrieben; Andresen wusste sehr wohl, wohin Norton und Jennifer mit dem Rest der Flotte geflogen waren. Er zögerte nur, es Wiszewsky anzuvertrauen, solange er nicht sicher war, dass der Commodore als zurechnungsfähig gelten konnte.

Wiszewsky schüttelte den Kopf. »Aber wie«, stammelte er. »Wie sind sie zur Erde gelangt?«

Andresen zuckte die Achseln. Der Boden brannte ihm unter den Füßen. Jede Minute, die verging, erfüllte ihn mit körperlichem Schmerz. Er fühlte wie ein Feldherr, der mit ansehen muss, wie seine Infanterie im gegnerischen Feuer schmilzt, während die Verstärkung immer noch ausbleibt.

»Ich weiß nur«, sagte er, »dass die beiden sich in einem gekaperten sinesischen Shuttle zur Erde durchschlagen konnten und dass der Kanzler der Zivilregierung, Seine Eminenz Cole Johnson, General Norton persönlich das Kommando über dieses Expeditionskorps übertragen hat.«

Wiszewsky hing an seinen Lippen und nickte bei jedem einzelnen Wort, als müsse ihm die Information wie einem Kleinkind eingelöffelt werden. Er schluckte und stierte mit erloschenem Blick vor sich hin. Dann schien er die Fakten zusammengebracht zu haben.

»Was für ein Teufelskerl!«, stieß er hervor. »Ein sinesisches Schiff gekapert!«

Er wandte sich zu Svetlana und seinem Beraterstab um und schüttelte die Faust in der Luft. Eine gewisse Entspannung breitete sich in den beiden Personengruppen aus. Andresen sagte sich, dass die Abgeschiedenheit in diesen Räumen doch sehr an den Menschen zehrte, und er rief sich ins Gedächtnis, dass dieses Schiff seit mehreren Jahren ohne jeden externen Kontakt gewesen war.

Wiszewsky ging auf den General zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Verzeihen Sie unsere Begriffsstutzigkeit«, sagte er warm. »Wir sind hier ein bisschen hinterm Mond. In einer ruhigen Stunde kann ich Ihnen ja unsere Version der Vorgänge erzählen.« Er zwinkerte vergnügt. »Wer konnte denn auch mit so etwas rechnen«, rief er aus und wies mit dem Arm zur Flotte, die in den schwarzen Ausläufern der Dunkelwolke schwebte. »Wir haben die Feuerwehr gerufen, und sie schicken uns gleich die ganze Bundesarmee!«

Er lachte heiser und hustend. Die Adjutanten und Stabsoffiziere beeilten sich, einzufallen oder zu schmunzeln. Einzig Andresens Miene blieb steinern.

»Wenn Sie gestatten, Commodore«, brummte er mit eiserner Beherrschung, »würde ich dann wirklich gerne zur Sache kommen. Ich habe umfangreiche Einsatzpläne.«

Wiszewsky kicherte vor sich hin. »Immer langsam, General«, sagte er und klopfte Andresen auf den Oberarm. »Jetzt entspannen Sie sich mal. Wir sollten feiern, dass der Warptransfer geklappt hat. Ich würde Sie gerne ein bisschen herumführen. Und dann müssen wir auf Norton und seine Frau anstoßen; wir haben die beiden nämlich längst für tot gehalten.« Er schüttelte immer wieder den Kopf. »Was für ein Zufall«, murmelte er. »Just in dem Moment.«

In diesem Augenblick glitt die automatische Tür mit einem leichten Summen der Feldgeneratoren auf. Dr. Frankel und einige seiner führenden Wissenschaftler betraten die Brücke. Der derzeitige Oberste Planetologe trug den weißen Laborkittel, dessen Schöße flatternd hinter ihm her wehten. Er hatte ihn jedoch mit Schulterstücken versehen, auf denen die Rangabzeichen eines Colonel befestigt waren. An seiner Brust prangten neben dem Handkommunikator, dessen Clip aus der Brusttasche hervorsah, mehrere Abzeichen und Orden, darunter eine Schützenschnur, wie sie im ersten Jahr der Freiwilligenausbildung erworben werden konnte. Frankel schien mit dieser Kostümierung ausdrücken zu wollen, dass er der legitime Leiter beider Stäbe war, solange Norton verschollen und Rogers auf Eschata war. Wiszewsky runzelte die Stirn ob Frankels Aufzug, ließ die grobe geschmackliche und dienstliche Verfehlung aber auf sich beruhen.

Andresen taxierte den Wissenschaftler mit der Menschenkenntnis, ohne den kein militärischer Führer bestehen kann. Auf einem Blick wusste er, dass er einen Mann vor sich hatte, der nicht einmal als Unteroffizier zu gebrauchen war und dem er niemals eine Abteilung anvertraut hätte. Seine Geringschätzung wäre beinahe in Mitleid umgeschlagen, aber eben nur beinahe.

Frankel ignorierte Wiszewsky und die anderen Stabsmitglieder der MARQUIS DE LAPLACE und stürmte unmittelbar auf General Andresen los. Dieser wich einen halben Schritt zurück. Besann sich aber und zeigte sich entschlossen, dem Ansturm standzuhalten. Nur sein Gesicht sprach deutlich aus, wie sehr er diesen Mann schon nach dem ersten Augenschein verabscheute.

»Haben Sie sie dabei?«, schrie Frankel. »Sie muss noch heute in die Wissenschaftliche Abteilung überstellt werden!«

Andresen musterte ihn kalt und regungslos. Der Wissenschaftler überragte ihn um mehr als Haupteslänge. Die wehenden Schöße seines offenen Laborkittels unterstrichen die Unruhe seines Auftritts. Er glich einem großen Hühnervogel, der aufgeregt mit den Flügeln schlug und den ganzen Hof zusammenkrähte. Andresen dagegen fasste ihn von unten her scharf ins Auge. An ihm bewegte sich nicht eine Wimper.

»Wovon reden Sie?«, fragte er nach geraumer Zeit.

Frankel warf sich auf dem Absatz herum und rannte gestikulierend zwischen den beiden Gruppen hin und her, die sich immer mehr wie feindliche Lager gegenüberstanden. Wiszewsky hob zaghaft den Arm, um seinen obersten Wissenschaftler bei seinem kreischenden Rundflug einzufangen, bekam aber nur den flatternden Kittel zu fassen.

»Beruhigen Sie sich«, mahnte er.

Frankel gab nicht auf ihn acht. Nachdem er sich etwas Luft gemacht hatte, unternahm er einen neuen Anlauf. »Der Flugschreiber«, stieß er, mehr an die Allgemeinheit als an Andresen gewandt, hervor. »Ich muss ihn noch diese Nacht auswerten.«

Andresen wusste inzwischen, dass sich etwas an Bord dieses Schiffes befand, das die Geister der Menschen verwirrte. Seit er die Schleusenkammer durchschritten hatte, war er keiner zurechnungsfähigen Person begegnet und hatte er keinen sinnvollen Satz gehört.

»Sie können auch die KI-Einheit extrahieren und Sie mir mit einer Drohne rüberschicken«, sagte Frankel gerade. »Darauf käme es jetzt vor allem an!«

Andresen gelangte zu der Überzeugung, dass dieser Mann komplett verrückt war. Es musste sich um eine Art Hofnarren handeln, den Wiszewsky sich hier zu seiner Erheiterung und zur Unterhaltung seines bizarren abgeschiedenen Hofstaates hielt. Allerdings fehlten ihm, Andresen, jeglicher Sinn und auch die Zeit für derlei Spielchen. Seine Stirn war eine dunkle bucklige Landschaft, über die die schweren Seen der Nordmeerdünung hinwegzogen. Seine wasserblauen Augen hatten sich wie unter einem Eisnebel getrübt. Die Lider schienen sich innerhalb weniger Minuten rot entzündet zu haben. An Bord seines eigenen Schiffes hätte er Frankel auf der Stelle degradieren lassen. Hier hielt er sich mit einem letzten Rest übermenschlicher Selbstbeherrschung noch im Zaum.

»Ich habe keine Ahnung«, presste er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, »wovon Sie sprechen.«

Auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE machte sich Verwirrung breit. Die Adjutanten und Stabsoffiziere, die die beiden Kommandanten begleiteten, sahen einander betreten an, räusperten sich nervös und traten von einem Bein aufs andere. Einige Ordonnanzen, die im Durchgang zur Messen erschienen waren und sich bereithielten, auf ein Zeichen Wiszewskys Getränke und Erfrischungen zu reichen, zogen sich wieder in den Verbindungsgang zurück. Die Komarowa, die immer unruhiger an ihrem Barett gezupft hatte, berührte den Commodore jetzt am Arm und bedeutete ihm so, dass er sich wieder einzuschalten habe. Wiszewsky fasste seinerseits den wie vor den Kopf gestoßenen Frankel an der Schulter und zog ihn einige Schritte zurück.

»Die Sonde«, sagte er zu Andresen.

Er wählte einen so gelassenen und jovialen Tonfall, wie es ihm möglich war. Im Grunde, besagte sein Lächeln, kam es darauf nicht an; es konnte zumindest warten. Er nahm sich vor, seinem Chefwissenschaftler später einen Verweis zu erteilen. Natürlich teilte er seine Neugierde; aber sie so zur Schau zu stellen, war wirklich schlechter Stil. Auf dem diplomatischen Parkett war so etwas vollkommen ungehörig. Er blinzelte Andresen zu und gab ihm damit zu verstehen, dass er die Sache vorderhand auf sich beruhen lassen sollte.

»Ich weiß von keiner Sonde«, knurrte der General, dessen Geduldsfaden jeden Augenblick mit einem ohrenbetäubenden Knall mitten durchreißen musste.

Wiszewsky hatte sich mit aufgesetztem, von Sekunde zu Sekunde angestrengter werdendem Lächeln abwenden wollen. Jetzt fror er mitten in der Bewegung ein.

»Die Warpraumsonde«, hakte er fragend nach. »Ein umgebautes Lambda-Fabrikat.«

Andresen schüttelte den Kopf. Er ließ sich von seinem Chefadjutanten ein MasterBoard reichen, das er anschaltete, um endlich die anstehenden Entscheidungen diskutieren zu können.

Wiszewsky war blass geworden. Er packte den General an beiden Schultern und nötigte ihn, ihn direkt anzusehen. Andresen kniff die blauen Augen zusammen und fixierte den Commodore wie einen Eisbären, der eben die Pranke hob, der aber nicht mehr dazu kommen würde, den Schlag auch auszuführen.

»Die Sonde«, brüllte Wiszewsky urplötzlich los. »Die wir zur Erde geschickt haben, um Unterstützung anzufordern!«

Sein Blick ging verzweifelt zur großen Panoramafront hinaus, wo die Expeditionsflotte in ihrem Parkraum rangierte. Torpedoschiffe, Tankschiffe, Transporter, Kampfbomber und Jäger, gruppiert um ein schweres Schlachtschiff, dessen Kommandant zwei Schritte vor ihm stand.

»Ich sagte doch bereits«, zischte Andresen mit einer allerletzten Aufbietung von Willenskraft, »dass wir hier sind, weil General Norton nach seiner Rückkehr zur Erde den Oberbefehl erlangte. Er gab der Flotte die Positionsdaten, mittels deren wir Ihr Schiff fanden.«

Wiszewsky war mittlerweile aschfahl. »Keine Sonde?«, winselte er.

Er sah sich hilfesuchend nach Svetlana um. Sie beeilte sich, seine Hand zu ergreifen und ihn zu stützten. Gleichzeitig machte sie den Adjutanten ein Zeichen, einen GraviSessel herbeizubringen. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um den Commodore die Sitzgelegenheit unterzuschieben, als er nach hinten wegsackte. Svetlana kümmerte sich um ihn.

General Andresen tippte auf seinem HoloBoard herum. Mehrere Minuten war er nicht gewillt, den Zusammenbruch des Commodore zur Kenntnis zu nehmen. Die Temperatur auf der Brücke war um einige Dutzend Kelvin gefallen. Die Stabsoffiziere der MARQUIS DE LAPLACE sahen betreten vor sich hin, während immer größerer Unwillen die Gesichter der Männer der EREBUS furchte. Hatten sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um einer Horde von Halbverrückten zuhilfe zu kommen? Für einen Moment sah es so aus, als würden die beiden Lager aufeinander losgehen.

Wiszewsky hatte die Hand über die Augen gelegt und wimmerte vor sich hin. »Das kann nicht sein«, stöhnte er immer wieder. »Irgendwo ist ein fataler Fehler.«

Andresen atmete schwer durch. Schließlich ließ er das Board sinken. »Was hat es denn mit dieser Sonde auf sich?«, fragte er höflich. »Lassen Sie uns in Gottes Namen diese Frage klären, wenn sie für Sie von solcher Wichtigkeit ist.«

Wiszewsky ächzte nur. »Von überragender Wichtigkeit«, war alles, was er hervorbrachte.

Svetlana warf Frankel einen hilfesuchenden Blick zu. Der kommissarische Chef beider Stäbe hatte sich in den Hintergrund zurückgezogen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, wodurch die albernen Orden und Abzeichen zum Teil zerdrückt wurden, und machte die Miene eines Mannes, der zum wiederholten Mal vom Schicksal übervorteilt wurde. Zu oft schon hatte man ihm den verdienten Erfolg in letzter Minute vor der Nase weggeschnappt. Er war es leid, immer wieder übertölpelt zu werden. Diesmal würde er für seine Rechte kämpfen und sich die Position erstreiten, die ihm seit langem zustand. Allerdings war seine Stunde noch nicht gekommen. Er musste seinen Auftritt wohl kalkulieren.

In seinem Sessel, dessen GraviPander schmatzten und quietschten, straffte Commodore Wiszewsky den Rücken. Er warf Andresen einen leidgeprüften Blick zu. Dann stützte er den Kopf in beide Hände. Anfangs sprach er fast unhörbar leise, vor sich hinmurmelnd, sodass alle Anwesenden sich näher zu ihm hinschieben und den Atem anhalten mussten, um ihn vernehmen zu können.

»Seit wir hier draußen gestrandet waren«, begann er, »stellte das unser größtes Problem dar. Monate und Jahre arbeiteten wir an Warpraumsonden von unbegrenzter Reichweite, um mit der Erde in Kontakt treten zu können. Wir setzten eigene Teams aus und gründeten neue Kolonien, die ausschließlich diesem Ziel gewidmet waren. Aber auch an Bord dieses Schiffes gingen die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen weiter. Federführend war zuletzt Dr. Frankel.«

Er machte eine Geste über die Schulter hinweg zu seinem leitenden Planetologen. Frankel starrte düster vor sich hin und regte sich nicht, als er angesprochen wurde.

»Schließlich«, fuhr Wiszewsky fort, »wurde mir gemeldet, dass der Durchbruch da war. Damit war uns endlich ein Instrument in die Hand gegeben, wieder Verbindung zur Erde wie auch zu den neu gegründeten Kolonien im Eschata-Nebel aufnehmen zu können. Ich wusste, dass der Schritt riskant war. Aber einige Tests überzeugten mich von der Verlässlichkeit der Technologie. Ich wartete noch mehrere Monate ab. Als aber weiterhin von außen kein Lebenszeichen an uns herandrang, entschloss ich mich zu dem Wagnis.«

Svetlana nickte stumm. Sie entsann sich noch der schweren, schlaflosen, von kreisenden Debatten erfüllten Nächte, die Wiszewsky sich mit ihr und seinen engsten Beratern um die Ohren geschlagen hatte.

Der Commodore hob den Blick und suchte Andresen, der ihm mit wachsender Betroffenheit zugehört hatte.

»Wir bestückten eine Sonde mit einem Chip, der sämtliche Positionsdaten der MARQUIS DE LAPLACE und der neuen Kolonien enthielt. Außerdem war die KI-Einheit auf die Nachricht programmiert, dass wir militärische Verstärkung anforderten, zum Schutz dieses Schiffes und zur Sicherung der Kolonien.«

Wiszewsky schluckte. Auch unter seinen Adjutanten machte sich zunehmende Unruhe und Bestürzung breit. Die wenigstens von ihnen waren in den Vorgang eingeweiht gewesen.

»Es ist keine Woche her«, schloss der Kommandant, »dass wir die Sonde abfeuerten. Wir rechneten weder damit, dass so schnell reagiert werden würde, noch hätten wir uns im Traum ausgemalt, dass unserer Bitte in so überwältigender Weise entsprochen werde. Leider ...« Seine Stimme erstarb in einem erstickten Schluchzen.

Andresen schien nicht mehr zu atmen. Seine ganze gedrungene Gestalt war nur noch ein Standbild furchtbaren Ernstes. Noch ehe Wiszewsky geendet hatte, hatte er die Konsequenzen des Gesagten durchgerechnet. Sie waren katastrophal.

»Diese Sonde ist niemals im erdnahen Raum eingetroffen«, sagte er.

Für mehrere Sekunden war es totenstill auf der Brücke.

»Oh, mein Gott«, war der Commodore schließlich zu hören, der sich stöhnend in seinem Sessel wand.

Die beiden Stäbe, die einander feindselig gegenübergestanden hatten, waren jetzt in bleichem Schrecken vereint.

»Lassen Sie uns das rational betrachten«, sagte Andresen rasch. »Soweit ich sehe, gibt es nur zwei Möglichkeiten, die die Tatsachen logisch erklären.«

Zwei Dutzend Augenpaare wandten sich ihm zu. Aber, das stand in den Mienen aller Anwesenden, was immer er sagen würde, es würde nichts gutes verheißen.

»Entweder die Sonde hat nicht funktioniert«, verkündete der General. »Sie ist vom Kurs abgekommen, in einen Stern gerast, der Generator ist krepiert.«

Er kam nicht dazu, diesen Teil seiner Überlegungen weiter auszuführen. Wie ein gereizter Kettenhund sprang Frankel auf ihn zu.

»Das ist vollkommen ausgeschlossen«, kläffte er. »Wir haben die Berechnungen hunderte Male wiederholt. Alle Tests waren erfolgreich. Wir haben sogar die Warpsignaturen, die wir nach dem Vorbeiflug des Geisterschiffs messen konnten, in die mathematischen Tools einfließen lassen!«

Andresen vernichtete den Wissenschaftler mit tödlichen Blicken. »Was für ein Geisterschiff!?«, stieß er hervor. Dieser Mann war wahnsinnig, soviel stand endgültig fest.

»Das müssen Sie nicht verstehen«, konterte Frankel in ätzender Arroganz. »Wichtig ist nur: die Sonde hat funktioniert. Dafür lege ich beide Hände ins Feuer!«

Er sah den General triumphierend an. Andresen ließ den Blick voller Ekel über seine hagere Gestalt in dem wehenden weißen Kittel gleiten. »Dann besorgen Sie sich schon mal zwei Prothesen«, sagte er kalt.

Er schob den Wissenschaftler einfach beiseite und wandte sich wieder direkt an den Commodore.

»Wenn dem so ist«, führte er weiter aus, »dann gibt es nur eine weitere Möglichkeit: die Sonde wurde abgefangen.«

Wiszewsky nickte traurig. Andresen sah sich zu seinen Männern um, die grimmig die Köpfe wiegten.

»Und es gibt nur eine Macht in der Galaxis, die dazu fähig wäre ...«

Dr. Frankel zog sich, vor Wut am ganzen Körper zitternd, zurück. Svetlana streichelte ihm im Vorbeigehen den Arm. Wiszewsky erhob sich. Zwei Adjutanten, die herbeikamen, um ihn zu stützen, schickte er fort. Er ging auf Andresen zu und sah dem General direkt in die wasserklaren Augen. Der Kommandant der EREBUS erwiderte den festen Blick.

»Dann verfügen sie jetzt über unsere Koordinaten«, stellte der Commodore fest. »Und sie haben sämtliche Positionsdaten unserer Kolonien in der Eschata-Region.«

Andresen hielt seinem Blick ausdauernd stand. »Ich fürchte, so ist es, Sir«, sagte er.

Wiszewsky nickte. Er stieß die Luft aus, als presse ein tonnenschweres Gewicht seinen schmerzenden Brustkorb zusammen.

»Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht«, stöhnte er. »Werden Sie mir helfen, ihn wieder auszubügeln?«

Andresen knallte die Hacken zusammen und legte die Handkante an die Stirn. »Selbstverständlich, Sir«, sagte er. »Und es wird uns eine Ehre sein.«

»Auch, wenn es Ihr Leben kostet?«, fragte Wiszewsky.

»Dazu sind wir da«, antwortete Andresen trocken.

Zwei Stäbe standen Spalier, als Wiszewsky quer über die Brücke zum Hauptbedienplatz ging. Er hatte das Kreuz durchgedrückt und sich hoch aufgerichtet. Der weinende Greise, der eben noch kurz vor dem Zusammenbruch gestanden hatte, gehörte der Vergangenheit an. Mit festen Schritten marschierte er zum Gefechtsstand der MARQUIS DE LAPLACE. Als er dort angekommen war, drehte er sich um und ließ die Blicke noch einmal über alle Anwesenden streifen. Dann gab er Alarm.

Kapitel 3. Bei Pionieren

Direktor Reynolds, der administrative Leiter und Chefwissenschaftler der Kolonie Eschata I, stand zwischen den tiefen Furchen der Schürfroboter und sah über sein kleines Reich. Die kleinen elastilblauen Kuppeln der Wohnzelte blähten sich im kühlen Wind. Jenseits des runden Vorplatzes, in den die Ketten der schweren Maschinen beim Wenden ringförmige Strukturen geschnitten hatten, lag die große Halle, in der sich hunderte neuer Warpspulen stapelten. Dahinter dehnten sich die Trakte der automatischen Verhüttungsstationen mit ihren steilen, an Gewächshäuser erinnernden Dächern. Auch im Freien erhoben sich überall Hügel von Schrott und Aushub, aber auch säuberliche Halden von Spulstahl, Brennzellen, gehärteten Warpkernen und anderem Material. Drohnen und Schürfroboter rumpelten dazwischen herum. Mannschaften, die winzig wirkten neben dem titanischen Gerät des vollautomatischen Fuhrparks, wuselten zwischen den Gebäuden umher. Sie dirigierten Lastenträger, die tonnenschwere Spulen bewegten, und inspizierten liegengebliebene Fahrzeuge, die in der staubgesättigten Atmosphäre von Eschata I oft gereinigt und gewartet werden mussten.

Es war früh am Morgen. Der Himmel war ebenso grau wie das felsige Umland der Station, die noch immer so schmucklos und improvisiert war wie eine sibirische Minenstadt. Wolken gab es auf dieser Welt praktisch nicht. In fünfzehn Kilometern Höhe hatten sich einige streifige Zirrus gebildet, die im Vorglanz des Sonnenaufgangs zu leuchten begannen. Weiße Striemen auf mattblauem Hintergrund, wie scharfe Kratzer auf tiefem Eis. Dann ging die Sonne auf. Ein kleiner, kalter Stern der Klasse 8 schob sich über den Horizont, der von niedrigen Felsformationen bestimmt wurde. Reynolds nahm den Helm ab und sog die eisige Luft ein. In den anderthalb Jahren, seit die Kolonie ihre Arbeit aufgenommen hatte, hatte sie als Nebenprodukt der Verhüttungstätigkeit soviel Sauerstoff und Treibhausgase freigesetzt, dass die Atmosphäre des kargen Planeten atembar geworden war. Die Durchschnittstemperatur hatte sich um einige Kelvin erhöht. Durch die enorme Energieabstrahlung der automatischen Stationen war der Effekt in unmittelbarer Nähe der Kolonie sogar überproportional. Die Luft war dünn und kalt. Sie entsprach in ihrer Zusammensetzung und in dem schneidenden Anhauch, mit dem sie in die Lungen strömte, einem Wintermorgen auf dem tibetischen Plateau, viereinhalbtausend Meter hoch; aber sie war zu atmen. Das brachte enorme Erleichterungen mit sich, weil die Mannschaften auf die Schutzmasken verzichten konnten und weil man die dünnwandigen Gebäude, die der Pioniertrupp errichtet hatte, ohne umständliche Schleusen betreten konnte. Das unbeabsichtigte, aber durchaus willkommene Terraforming nahm der Station etwas von ihrem abgeschiedenen Charakter. Man fühlte sich nicht mehr ganz so ausgesetzt. Psychologisch machte es einen großen Unterschied, ob man sich wie im bolivianischen Altiplano fühlte – oder wie auf einer lebensfeindlichen Welt.

Und so leblos war der kleine Planet nicht einmal mehr. Wo es Menschen gab, gab es auch Kleinorganismen. Keine Luftschleuse war einhundertprozentig dicht. Keine Synthese- oder Recylingstation schloss nach außen hin hermetisch ab. Keine Sickergrube, die man unter den gemeinschaftlichen Nasszellen und Latrinen angelegt hatte, ließ sich vollkommen steril halten. Das Leben konnte sich hier von seiner robustesten und unaufhaltsamsten Seite zeigen. Wie es auf der Erde von den Tiefseegräben bis zum antarktischen Inlandeis, von vulkanischen Quellen bis zu den höchsten Atmosphäreschichten keine Zone gab, in die das Leben nicht in Gestalt winzigster Organismen vorgedrungen war, so hatten auch hier Bakterien und Algen begonnen, die Umgebung zu erobern. Im Umkreis einiger Kilometer hatten sich die Hügel und Erosionstäler mit einem Flor von braunen, blauen, gelben und grünen Algen überzogen. Unsichtbare Geschwader trieben die Zersetzung des Sand- und Kiesbodens voran. Die Planetologen in Reynolds’ Team hatten sich irgendwann sogar einen Spaß gemacht und Kulturen gezüchtet, deren genetische Informationen sie vom Drohnendeck herunterluden, das im Orbit der unscheinbaren Welt schwebte, und die sie dann ins Freiland aussetzten. Flechten und millimetergroße Moose, Tundrenpflanzen und winzige Zellstämme, die auf Gletschern zu siedeln pflegten, breiteten sich in die Umgebung aus und verwandelten die steinige Moränenlandschaft, in der die Kolonie errichtet worden war, in eine Abfolge grüner Hügel.

Reynolds ließ das gern geschehen. Zum einen gab es den Wissenschaftlern, deren Spieltrieb niemals ruhen durfte, eine Aufgabe, die über die Tagesroutine hinausging. Zum anderen wusste er, wie wichtig die Anwesenheit von Leben, die schlichte Tatsache, dass es Grün gab, für die Arbeitsmoral war. Manchmal, wenn er über die Schotterhalden und die Felsblöcke mit ihrem mikroskopischen Bewuchs von Landkartenflechten hinwegsah, versuchte er sich vorzustellen, welche Resultate das Terraforming in einigen Jahrzehnten erbringen konnte. Die Sättigung der Atmosphäre und die Erwärmung würden fortschreiten. Auch höhere Pflanzen konnten ausgebracht werden. Endlich Insekten, Kleinsäuger, Vögel. Es war nicht unmöglich, dass diese kleine, abgelegene, aber rohstoffreiche und stabile Welt nach mehreren Generationen ein tropisches Paradies darstellen würde. So weit war es noch nicht, aber als Wissenschaftler, der sich dem technischen Fortschritt und der bewussten Gestaltung des Kosmos verschrieben hatte, war er bereit, in der Zukunft zu leben und sich am Vorgefühl einstigen Glückes zu freuen.

Reynolds kratzte sich am Schädel, dessen Haar von den Schläfen her grau zu werden begann, und rieb sich den Bart mit der flachen Hand. Auch in dieser Nacht hatte er kaum vier Stunden geschlafen. Aber der kurze Aufenthalt an der klaren, trockenen, eiskalten Luft erfrischte ihn, wie es eine UV-Dusche kaum vermocht hätte – und eine Nassdusche war ein Luxus, den man sich auf diesem wasserarmen Planeten kaum einmal die Woche gönnen konnte. Er hatte bis lange nach Mitternacht an seinen Berechnungen gesessen. Was den Exogeologen und Xenobiologen unter seinen Mitarbeitern ihre Algenzuchten und die sachte Unterstützung des Terraformprozesses, das waren ihm seine mathematischen Tools. Und die jüngste Vergangenheit hatte einige Entdeckungen erbracht, die er noch nicht vollständig in das Korsett einer Theorie hatte zwängen können. Die anderthalb einsamsten, aber auch arbeitsintensivsten Jahre seines Lebens hatte er hier verbracht. Mit seinen Wissenschaftlern, Technikern und Ingenieuren kam er gut zurecht. Der abgeschiedenen Lage zum Trotz war die Stimmung in der Crew von Eschata I gut. Aber es gab niemanden unter den zweitausend Männern und Frauen, die auf dem Planeten und im Orbit lebten und arbeiteten, mit dem ihn eine emotionale Beziehung verbunden hätte. Abwechslung gab es keine. Einmal die Woche wurde in der großen Halle ein HoloFilm gezeigt. Ab und zu flog er zum Drohnendeck hinauf, das in niedriger Umlaufbahn die karge Welt umkreiste. Ansonsten arbeitete er. Und den Sonntag, der der Erholung vorbehalten blieb, und die Abende verbrachte er in seinem persönlichen Zelt, über ein MasterBoard gebeugt, dessen KI-Einheit immer neue Modelle auswarf, abglich und wieder verwarf. Eine zeitlang hatte er die Sprachsteuerung benutzt. Aber dann hatte er bemerkt, dass die Anmutung, es mit einer Person zu tun zu haben, ihn deprimiert hatte. Die Diskussionen mit der KI erweckten den Anschein, man tausche sich mit einem vollwertigen Partner aus. Aber dann stießen sie ihn in eine noch tiefere Verlassenheit zurück. Deshalb war er dazu übergegangen, das Board über das Holofeld und die gute alte Tastatur zu bedienen und die KI-Funktion auf die selbständige Erprobung der algebraischen Tools und algorithmischen Parameter zu beschränken. Die vergangenen Monate waren voller Erfolge, Durchbrüche, aber auch neuer Entdeckungen und der Konfrontation mit neuartigen Rätseln gewesen. Nach einem langen Forscherleben im Dienst der interstellaren Exploration war es keine Überraschung für ihn, dass hinter jedem gelösten Problem ein neues, noch kniffligeres über den Horizont kam. Dennoch hatten die letzten Monate eine solche Fülle neuer Einsichten und neuer Herausforderungen gezeitigt, dass er sich sagen musste, dass er die erfüllteste Zeit seines Lebens verbrachte. Er musste sich das selbst bestätigen, um die Melancholie, die am Grunde seines Wesens siedelte wie brauner Algensud im Schacht einer Fumarole, zurückzudrängen. Ihm fehlte der Austausch. Er entbehrte der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, die er mit seinen Entdeckungen hätte verblüffen können. Seine Team war eine eingeschworene Gemeinschaft – aber eben deshalb konnte es nicht das Publikum bieten, das er benötigt hätte, um sich selbst vom Wert seiner Entdeckungen überzeugen zu können. Er kam sich wie ein Schatzgräber in der Wüste vor, der im Sand mit Goldnuggets und Diamanten spielte, nur um sich sagen zu müssen, dass sie ihn des nachts nicht wärmten und dass er sie tagsüber nicht essen konnte.

Er sah auf die Uhr und ging über den zerfurchten Untergrund zum Wohnbereich des Lagers zurück. Die Sonne stieg jetzt rasch höher. Eschata I war eine kleine Welt, die rasch rotierte. In kurzer Zeit würde der weißblaue Zentralstern im Zenit stehen und die kreidige Landschaft mit blendendem Licht übergießen. Nur wärmen würde er nicht. Reynolds betrat die Messe und holte sich an der Essensausgabe sein Frühstück. Dann setzte er sich irgendwo an einen teilweise belegten Tisch. Die Techniker grüßten ihn freundlich und zogen ihre Tabletts ein wenig zur Seite, um ihm Platz zu machen. Direktor Reynolds erwiderte den Gruß zerstreut und widmete sich dann seinen Frühstücksflocken und seiner synthetischen Himbeermilch, deren Geschmacklosigkeit er nicht wahrnahm. Die Techniker setzten ihr Gespräch fort, das sich um irgendwelche Wetten den nächsten Sondentest betreffend drehte. Reynolds hatte Wert darauf gelegt, die militärischen Hierarchien auf Eschata I außer kraft zu setzen. Er führte ein ziviles und urdemokratisches Regime, in dem es weder eine Trennung von Mannschaften und Offizieren, noch eine Unterscheidung von Mechanikern, Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern gab. Die zweitausend Männer und Frauen bildeten eine kommunitäre Wissenschaftsgemeinde, in der das Wort eines Robot-Monteurs das gleiche Gewicht wie das des Direktors selbst hatte. Man teilte die gleiche Abgeschiedenheit, die gleiche ungewisse Zukunft, das gleiche miserable Essen, die gleiche Knochenarbeit. Und in der Messe, im Casino, dessen Vorbehaltensein für das Offizierskorps Reynolds aufgehoben hatte, und bei den HoloFilm-Vorführungen sah man Doktoren der Exogeologie im Gespräch mit einfachen Arbeitern, die über die erzführenden Gesteinsschichten oft mehr wussten als die Wissenschaftler, oder man ertappte stolze Pilotinnen, die den Shuttlebetrieb zum Orbit aufrecht erhielten, im Flirt mit jungen Ordonnanzen des Bodenpersonals, die den Küchendienst versahen. In dem schmalen Sanitärtrakt, in dem jedem Angehörigen der Kolonie einmal wöchentlich eine zehnminütige Feuchtdusche zustand, gab es weder Einzelkabinen noch Geschlechtertrennung. Xenobiologinnen seiften sich neben Sanitätern ab und Baumaschinenfahrer neben Köchinnen, die mit ihrer Leibesfülle und in ukrainischem Akzent vorgetragenen Zoten die ganze Station erheiterten. Alle waren eine große Familie, in der es manchmal laut und derb, aber immer offen zuging. Es fehlte nicht an Tratsch und kleinen Gehässigkeiten. Aber Schichtpläne von sechzig Wochenstunden und der völlige Mangel jeglichen Komforts, der ein Gefühl von Dekadenz hätte aufkommen lassen können, sorgten dafür, dass die Schwelle vom Robusten zum Gemeinen niemals überschritten wurde.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺357,89

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
530 s.
ISBN:
9783957770295
Yayıncı:
Telif hakkı:
Автор
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 4 на основе 1 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок