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Einheit in Vielfalt: Katholisches Engagement im Heiligen Land
Die christlichen Konfessionen eint in ihren vielfältigen Herausforderungen des täglichen Lebens vor allem der Wille, Menschen in Not und Flüchtlingen zu helfen. So unterhalten die einzelnen Konfessionen zahlreiche Hilfseinrichtungen, von denen einige beispielhaft auf katholischer Seite hier benannt werden. Innerhalb des Lateinischen Patriarchats ist es vor allem die Caritas, hinzu kommt die Kirche als wichtiger Arbeitgeber in den Gemeinden, Krankeneinrichtungen und im Tourismus.
Die größte Koordinationsaufgabe kommt bei allen Aktivitäten der am 1. Juni 1949 gegründeten „Pontifical Mission for Palestine“ („Päpstliche Mission für Palästina“) zu, die als Beitrag der Kirche die Versorgung palästinensischer Flüchtlinge sichern und als Dachorganisation weitere Aktivitäten koordinieren sollte. Allein in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens wendete sie 34 Mio. US-Dollar für Nahrung, Kleidung, Medizin und sonstige Hilfen auf. Nach dem Sechstagekrieg errichtete die Pontifical Mission zusammen mit anderen Hilfseinrichtungen ein weit verzweigtes Netzwerk, um Schulen, Dispensarien, Krankenhäuser und Ambulanzstationen, Kindergärten und Altenheime sowie kooperative Hausbauprojekte zu unterstützen. In ihrer langjährigen Entwicklung versteht sich die Pontifical Mission heute nicht als die zentrale Hilfsorganisation, sondern sie steht im „Konzert“ der anderen Einrichtungen, die selbstständige Projekte im Heiligen Land fördern. Ein wesentlicher Aspekt ist die Flüchtlingshilfe zusammen mit der „United Nations Works and Relief Agency“ (UNWRA), durch die allein zwischen 1994 und 1999 500 Häuser wieder aufgebaut werden konnten. Aufgrund der dramatischen Veränderungen nach 1967 konzentrierte sich die Pontifical Mission verstärkt auf die Verteidigung der Menschenrechte und damit auf die Aufrechterhaltung des sozialen Lebens.6
Zu den von der Pontifical Mission unterstützten Einrichtungen gehört auf dem Gesundheits- und Rehabilitationssektor die „Atfaluna Society for Deaf Children“, die 1992 im Gazastreifen gegründet wurde. Die „Bethlehem Arab Society for Rehabilitation“, 1960 ins Leben gerufen, verfolgt heute eine hochqualitative Arbeit für Menschen mit Behinderung. Das 1986 verabschiedete und international anerkannte Programm „Community Based Rehabilitation“ bemüht sich um eine zugleich mit nicht behinderten Menschen gelebte Integration. Die Rehabilitierung von Behinderten unterstützt außerdem die „Lifegate Rehabilitation“ mit Sitz in Beit Jala, die sich auf Langfristtherapien konzentriert und eine soziale Wiedereingliederung in das arabisch-palästinensische Umfeld, vor allem die eigenen Familien, versucht. Das 1971 auf den besonderen Wunsch von Paul VI. ins Leben gerufene „Epheta Institute“ in Betlehem kümmert sich um die Rehabilitation und Integration von taubstummen Kindern. Es wird von den Dorotheen-Schwestern geleitet und bietet Früherkennungsuntersuchungen, Kindergartenplätze, Grundschulausbildung und umfangreiche Computerausbildungsplätze an.
Die wohl älteste katholische Hilfseinheit ist die „Crèche“, 1886 in Betlehem von den Ordensschwestern des heiligen Vinzenz von Paul gegründet. Knapp hundert Kindern zwischen der Geburt und dem sechsten Lebensjahr wird hier Hilfe angeboten: Vollwaisen, Kleinstkinder, die auf Müllhalden gefunden wurden, und – in den vergangenen Jahren mit extrem zunehmender Tendenz – Kinder, die aus unehelichen Beziehungen stammen und deren Mütter oftmals der Hinrichtung durch einen „Ehrenmord“ zum Opfer fielen. Hinzu kommen die beiden wichtigen Institutionen des „Bethany’s Home“ für Jungen und das „Home of Peace“ für Mädchen, die als Waisen aufwachsen oder aus zerrütteten Familien stammen. Das Caritas Baby-Hospital in Betlehem (genannt auch „Kinderhilfe Betlehem“) gehört zu den wichtigsten Einrichtungen der Region. Es entstand in Kontinuität zur Arbeit der Schweizer Caritas, die in der Region nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg und dem daraus resultierenden Flüchtlingselend aktiv wurde. Das Achtzig-Betten-Haus enthält unter anderem eine komplette Entbindungsstation, Frühgeborenenbetreuung und jede Form der medizinischen Hilfe. Jährlich werden hier rund 3500 Kinder betreut. Hinzu kommt eine Schwesternschule, ein Trainingsprogramm für Mütter sowie eine eigene Sozialstation. Besonders wichtig ist in den vergangenen zwanzig Jahren das „Primary Health Program“ geworden: In der ländlichen Umgebung von Betlehem unterweisen Mitarbeiterinnen des Krankenhauses die Mütter in Hygiene, Krankheitsbehandlung und oft auch in sozialen Fragen.
Ältere Menschen finden auf katholisches Engagement hin eine Heimat im 1957 gegründeten „Home Notre Dame des Douleurs“ im Jerusalemer Stadtteil Abu Dis, das die Kongregation der Schwestern „Notre Dame de Douleurs“ betreut, und in einem von der Caritas unterhaltenen Altenheim in Ramallah. Die Gesundheitsversorgung wird neben den hier benannten Einrichtungen vor allem vom 1979 gegründeten „Union of Palestinian Medical Relief Committee“ garantiert: In 25 ständigen Gesundheitszentren erhalten jährlich mehr als 200.000 Menschen medizinische Unterstützung und vor allem Gesundheitsaufklärung in Schulen sowie Erste-Hilfe-Ausbildungen.
Das von der griechisch-katholischen Kirche 1982 gegründete „House of Grace“ in Haifa hilft vor allem sozial schwachen Familien, insbesondere solchen, in denen die soziale Versorgung aufgrund von Gefangenschaft des Vaters zusammengebrochen ist. Das Zentrum Al-Sadiq al-Taieb in Jerusalem, seit 1986 in Betrieb, bemüht sich um sozial gefährdete oder gebrochene Menschen, insbesondere Drogen- und Alkoholabhängige in den heutigen Autonomiegebieten. Prävention und Integration werden mit im Vergleich zu anderen nahöstlichen Ländern vorbildlichen umfangreichen Rehabilitations- und Aufklärungsprogrammen gefördert.
Um die demokratische Verantwortung in einem entstehenden palästinensischen Staat zu fördern, wurde 1993 das „Democracy and Workers’ Rights Center“ in Ramallah gegründet, das sich als unparteiische Institution versteht. Vor allem geht es um eine Stärkung der Rechte der Arbeiter auf gesetzlicher Grundlage. Dabei versucht die katholische Menschenrechtsgruppe, die Gewalt gegenüber palästinensischen Arbeitern – in Palästina genauso wie in Israel – ebenso zu bekämpfen wie Unterbezahlung und gerechte und sichere Arbeitsbedingungen bis hin zu Krankenversicherungen und Invalidenrente einzufordern. Um Rechtsfragen, vor allem Menschenrechte, kümmert sich die 1990 gegründete „Palestinian Society for the Protection of Human Rights and the Environment“. Sie zählt heute zu den führenden Menschenrechtsorganisationen in den palästinensischen Gebieten und versucht vor allem durch juristische Beratung und auch Unterstützung in Prozessen die oftmals kaum tragbaren Kosten für Betroffene zu übernehmen. Eine Sondereinheit beschäftigt sich mit Frauen- und Kinderrechten. Zur Unterstützung der Landbevölkerung wurde 1983 das „Palestinian Agricultural Relief Committee“ gegründet, das in Schulungseinheiten Farmer ebenso ausbildet wie auf eine ressourcenschonende Landwirtschaft bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung der in den palästinensischen Gebieten häufig ausgelaugten oder steinigen Böden achtet. Eine der jüngsten Entwicklungen ist die 1998 ins Leben gerufene arabische Frauenorganisation „Sidreh“, die insbesondere auf israelischem Gebiet Frauen in den Wüstenregionen des Negev hilft: Gesundheitsprogramme, Arbeitsprojekte für ein Grundeinkommen der Frauen und Ausbildungsangebote für Mädchen werden hier – in Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche für eine überwiegend muslimische Halbnomadenbevölkerung – bereitgestellt.
Die hier dargestellte Arbeit wäre nicht möglich ohne das vielfältige und kaum übersichtlich darstellbare Engagement zahlreicher Ordensinstitute, seien es zum Beispiel die Rosenkranzschwestern mit Alteneinrichtungen und Gästehospizen, die Brüder Don Boscos mit Jugendausbildungsstätten oder die Gesellschaft des heiligen Vinzenz, die neben Ausbildungsprojekten und einem Büro für Menschenrechtsfragen vor allem aus einem Sozialfonds notleidende Familien unterstützt oder Schulgeld bezahlt. Die karitative Arbeit der katholischen Kirche wird anhand der genannten Institutionen insbesondere in Zusammenarbeit mit der Pontifical Mission an den Schwerpunkten Gesundheit, Erziehung und Rehabilitation sowie Menschenrechten deutlich, und zwar flächendeckend für die Bevölkerung in der Westbank und dem Gazastreifen. Folgerichtig unterstützt die Pontifical Mission bei allem Engagement darüber hinaus auch den Aufbau von drei Mutter-und-Kind-Kliniken des „Middle East Council of Churches“ und drei weitere Kliniken des „Palestinian Relief Committee“.
Ein weiterer, wesentlicher Schwerpunkt des Handelns der katholischen Kirche und damit auch der Pontifical Mission ist die Förderung der Schulen des Lateinischen Patriarchats. Heute gibt es in den Palästinensischen Gebieten 13, in Israel drei Schulen des Patriarchats. Rund 8500 Schüler werden von 717 Lehrkräften unterrichtet.7 Hinzu kommen fünf Kindergärten in Israel und 14 in Palästina. Als wesentliche Bildungsstätte in den palästinensischen Gebieten, die zu einer konstanten Perspektivvermittlung für junge Araber – Christen wie Muslime – bis heute beigetragen hat, ist die 1973 auf Wunsch von Paul VI. gegründete „Universität Betlehem“. Bereits während der Heilig-Land-Reise 1964 hatte der Papst die Idee geäußert, eine Ausbildungsstätte universitären Charakters in der Westbank zu errichten. Der Apostolische Legat Pio Laghi forcierte in seiner Amtszeit diesen Wunsch: Am 1. Oktober 1973 begann der Studienbetrieb, der vor allem den lokalen Bedürfnissen angepasst war, sodass die Universität bis heute jene Motivation für die junge Generation zu vermitteln versucht, nicht auszuwandern und gleichzeitig das Ansehen der katholischen Kirche aufgrund ihrer Bildungseinrichtung wesentlich zu verbessern. Dabei geht es neben den einzelnen Studienfächern und Schwerpunktforschungen (z. B. der Entwicklung eines „Business Development Centers“, dem Kooperationszentrum mit der UNESCO in Fragen der Biotechnologie, dem „Early Childhood Development Center“ oder der „Water and Soil Environment Research Unit“) auch um eine Form interkulturellen Lernens und des interreligiösen Dialogs. Geleitet wird die Universität von amerikanischen Schulbrüdern, Präsident ist der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kanzler der jeweilige Apostolische Delegat. Allein zwischen 2013 und 2014 waren 3282 Studenten an der Universität mit 194 Professoren eingeschrieben (1998/99: 2074 Studenten, 145 Professoren).8 In politischen Krisenzeiten wie beispielsweise während der al-Aksa-Intifada blieb die Universität kurzfristig geschlossen. Heute weiß auch der palästinensische Staat, dass seine soziale Infrastruktur ohne den christlichen Einsatz kaum existieren könnte: Mehr als 30 Prozent der Schulen und rund 40 Prozent der Krankenhaus- und Sozialeinrichtungen in Palästina werden von Christen betrieben.
Neben dem christlichen Engagement im Heiligen Land durch die Ortskirche gibt es eine Vielzahl von aktiver Hilfe, die aus dem internationalen Bereich kommt. Dazu zählt zum einen die „Catholic Near East Welfare Association“ (CNEWA), eine bereits 1926 gegründete amerikanische Hilfsorganisation, die die Arbeit der Kongregation für die Orientalischen Kirchen unterstützt.9 Zum anderen kommt für eine Bestandsaufnahme der Hilfsleistungen die politische Einordnung, aber auch die Frage nach den spirituellen Bedürfnissen der Menschen der „Riunione Opere Aiuto Chiese Orientale“ (ROACO, „Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“) eine besondere Bedeutung zu, die 1968 im Vatikan gegründet wurde und ein wichtiges Gremium des Austauschs ist, da hier die Vertreter der orientalischen Kirchen außerhalb des Heiligen Landes ebenso präsent sind wie ein Großteil der erwähnten Hilfsorganisationen. Die Mitglieder der ROACO baten im Sommer 1977 die Kongregation für die Orientalischen Kirchen, eine Dachorganisation im Heiligen Land zu errichten, die vor allem die Aktivitäten der zahlreichen katholischen Schulen koordinieren sollte. So wurde das „Secrétariat de Solidarité“ etabliert, das unter der Leitung des Apostolischen Delegaten steht und in kürzester Zeit die Zusammenarbeit der Schulen – auch im ökumenischen Kontext – wesentlich verbessern konnte. Gerade die Schulen und zahlreiche weitere Einrichtungen des Heiligen Landes erhalten umfangreiche finanzielle Hilfe durch den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, der 1847 neu ins Leben gerufen wurde und seit dem 14. September 1949 den Status einer juristischen Person kanonischen Rechts hat. Jährlich bringt der Orden weltweit rund 10 Mio. Euro Hilfsgelder auf (davon aus Deutschland ca. 1,47 Mio. Euro), die über das Großmeisteramt in Rom für Projekte der lateinischen Kirche zur Verfügung gestellt werden. Beim vielfältigen Engagement im Heiligen Land ist von deutscher Seite außerdem der traditionsreiche „Deutsche Verein vom Heiligen Lande“ zu nennen, der nach seiner Gründung 1855 verschiedene Projekte im Heiligen Land unterhält: Paulus-Haus/Schmidt-Schule, Jerusalem; Pilgerhaus und Kloster Tabgha, See Genesaret; Dormitio-Abtei, Jerusalem; Altenpflegeheim „Beit Emmaus“, Qubeibe.10
Insbesondere die katholischen Hilfswerke handeln nach der Maxime, sich im Lateinischen Patriarchat abzusichern, um in keiner Weise durch ihre Arbeit den Status quo an den Heiligen Stätten zu gefährden. Da dieser Status quo bereits in der Phase der Staatengründung für alle christlichen Konfessionen im Heiligen Land wesentlich war und auch die weiteren Überlegungen prägt, sei hier kurz an den Sachstand erinnert. Es wird zwischen dem Status quo im engeren (d. h. die 1852 von den Osmanen festgelegte Ordnung für die Heiligen Stätten) und weiteren Sinn (d. h. das staatskirchenrechtliche Gesamt der so genannten „Traditionellen Rechte“, die im Laufe der Geschichte erworben wurden, wie z. B. Immunitäten und Privilegien) unterschieden.11 Dabei ist bemerkenswert, in welch vielfältiger Weise sich vor allem Ende des 20. Jahrhunderts der Heilige Stuhl mit dieser Frage beschäftigte. Für die Kirchenführer aller Konfessionen war es in den vergangenen Jahrzehnten eine Herausforderung, den Status quo sowohl als ökumenische Gesamtchristenheit als auch durch die jeweils individuelle Konfession öffentlich einzufordern.
II. Der Heilige Stuhl und das Heilige Land – eine wechselvolle Geschichte
Nach dieser Grundlage, die gezeigt hat, wie sich die christliche Minderheit heute definiert, wo sie ihre Herausforderungen sieht und wo sie auf internationale Unterstützung angewiesen ist, fällt der Blick im folgenden Kapitel auf die Geschichte der Ortskirche und das Engagement sowie die politischen Interessen des Heiligen Stuhls. Beide Linien zeigen Parallelen auf und führten in einer 50-jährigen Geschichte zu den vier Apostolischen Reisen der Päpste von Paul VI. bis Franziskus ins Heilige Land.12
Anfänge: Zwischen 1847 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Die jüngere Geschichte der katholischen Kirche im Heiligen Land beginnt 1847. Damals unterstrich der Heilige Stuhl seine Sorge um die katholischen Christen im Heiligen Land mit der Wiedererrichtung des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem. Zuvor war es vor allem die Kustodie der Franziskaner für das Heilige Land gewesen, die die Verwaltung und Seelsorge an den heiligen Stätten aufrechterhalten hatte. Das Verhältnis des Heiligen Stuhls gegenüber den Juden blieb von Anfang an schwierig, vor allem seit Pius X. in einer Audienz für Theodor Herzl 1904 offiziell die zionistische Grundidee abgelehnt hatte. Trotz des Vorschlags von Herzl, den Heiligen Stätten ein exterritoriales Statut zuzuerkennen, blieb der Papst unbeugsam: „Wir können die Juden nicht daran hindern, nach Jerusalem zu gehen, aber wir könnten es niemals sanktionieren. Der Boden Jerusalems, wenn er nicht immer geheiligt war, ist durch das Leben Jesu Christi geheiligt worden.“13 Herzl versicherte nach der Audienz Kardinalstaatssekretär Rafael Merry del Val, dass seine Initiative ausschließlich jenen Boden Palästinas meine, der nicht mit Heiligen Stätten in Verbindung zu bringen sei. Umso bemerkenswerter ist es, dass Papst Franziskus als erster Papst bereit und das diplomatische Umfeld soweit gediehen war, auf dem Mount Herzl in Jerusalem das Grab Theodor Herzls zu besuchen.
Bei der Umsetzung der Balfour-Deklaration von 1917, die zur Schaffung einer Heimstatt für das jüdische Volk beitragen sollte, verhielt sich der Heilige Stuhl weitgehend neutral, ließ aber immer wieder sein Unbehagen über die Ausdehnung jüdischer Siedlungen zum Ausdruck kommen. Allerdings war es weniger eine antijüdische Haltung als vielmehr der Wunsch, die Rechte der katholischen Kirche zu sichern. So erklärte Benedikt XV. anlässlich einer Kardinalserhebung am 29. Juni 1921: „Wir wollen keineswegs, dass die Rechte der Juden geschmälert werden; wir verlangen jedoch, dass diese in keiner Weise über die heiligen Rechte der Christen gestellt werden.“14 In den folgenden Jahren verstärkte sich diese Haltung, sodass Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri im Juni 1922 während einer international umstrittenen Aktion beim Völkerbund in Genf gegen die Vorzugsbehandlung der Juden in Palästina protestierte. 1937 forderte der Heilige Stuhl in einer diplomatischen Note an die britischen Mandatsträger den Schutz der Heiligen Stätten. Erst aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkriegs und der veränderten politischen Lage im Nahen Osten kam es beim Vatikan zu einem allmählichen Umdenken in Bezug auf die Bedeutung des Heiligen Landes für die Angehörigen der drei monotheistischen Religionen. Allerdings konnte der Palästina betreffende Absolutheitsanspruch, dass das Land ausschließlich durch Jesus Christus geheiligt worden sei und deshalb die Christen ein besonderes Vorrecht hätten, erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil überwunden werden.
Aufbruch: Vom UN-Teilungsplan bis zur Gründung des Staates Israel
Bemerkenswert ist die Ansprache von Papst Pius XII. im August 1946 vor Vertretern des „Hohen Arabischen Rats für Palästina“, in der er das Existenzrecht der Juden ebenso betonte wie die zu sichernden Lebensumstände der palästinensischen Araber. Das setze den Respekt vor den Rechten der anderen, „vor besonderen Positionen und Traditionen insbesondere auf religiösem Gebiet voraus. […] Wir lehnen jeden Rückgriff auf Gewalt ab, gleich von welcher Seite er kommt, so wie Wir mehrfach in der Vergangenheit die Verfolgungen verurteilt haben, die ein fanatischer Antisemitismus gegen das jüdische Volk entfesselt hat. […] Es ist eine Friedensordnung zu finden, die jeder am Konflikt beteiligten Partei die Sicherheit der Existenz und zugleich physische und moralische Lebensumstände ermöglicht, unter denen materieller und kultureller Wohlstand erreicht werden kann.“15 Als in der Folge des Zweiten Weltkriegs deutlich wurde, dass die Palästinafrage auf internationaler Ebene neu verhandelt werden würde, schaltete sich auch der Heilige Stuhl ein. Es waren vor allem Kardinal Francis Spellman in seiner Funktion als Präsident der schon weiter oben erwähnten CNEWA sowie dessen Generalsekretär Msgr. Thomas McMahon, die in Absprache mit Rom die Haltung des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen darlegten, nach der die Regierungsform nicht von Interesse sei, wohl aber müssten die Interessen der Christen Berücksichtigung finden.16 Der UN-Teilungsplan vom 29. November 1947 mit der Resolution 181 stieß auf Zustimmung des Heiligen Stuhls, da er Jerusalem als „corpus separatum“ und eine Internationalisierung unter der Verwaltung der Vereinten Nationen vorsah, womit die Garantie zum Schutz der heiligen Stätten automatisch verbunden war. Außerdem sah man die willkommene Chance, ein gesichertes Territorium für die arabischen Christen in den außerhalb Israels gelegenen Gebieten zu erhalten. Trotz dieses Plans und der Staatsgründung war es dem Heiligen Stuhl aber nicht möglich, Israel sofort formell und diplomatisch anzuerkennen. Das hing unter anderem mit dem negativen Ausgang der Volksabstimmung über den Teilungsplan, der kirchenpolitischen Status-quo-Frage Jerusalems, Rücksicht auf die Ortskirchen, ungeklärten Rechtsfragen und der illegalen Grenzziehung nach dem Unabhängigkeitskrieg 1948/49 zusammen. In dieser Situation hat der Heilige Stuhl deshalb in gewisser Weise dem Teilungsbeschluss zur Staatswerdung Israels zugestimmt, was einer – bis heute zu wenig beachteten – De-Facto-Anerkennung gleichkommt, wenn auch die volle diplomatische Anerkennung und damit entsprechende Aufnahme von gegenseitigen Beziehungen fehlte.
Mit dem Tod des Lateinischen Patriarchen Luigi Barlassina17 im Herbst 1947, der über viele Jahre die katholische Diözese aufgebaut hatte, entschied sich Pius XII. für eine Umstrukturierung der diplomatischen Vertretungen im Nahen Osten: Im 19. Jahrhundert hatten Jerusalem und Palästina zur Apostolischen Delegatur Syrien gehört, seit 1929 zu Kairo. So wurde – nach dem Teilungsplanbeschluss und vor der Staatsgründung Israels – am 11. Februar 1948 die „Apostolische Delegatur in Jerusalem und Palästina“ eingerichtet, die für Gesamtpalästina als Interessenvertretung diente und so der Idee nach einem Land und der besonderen Stellung Jerusalems Rechnung trug. Es war der Wunsch Pius’ XII., dass die Delegatur „in geeigneter Weise das ewige Heil der Seelen, auch fern vom Zentrum der katholischen Einheit“ fördern sollte. Sie wurde in der Folgezeit zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte für die katholischen, nachher aber auch darüber hinaus ökumenischen Anliegen im Heiligen Land.18
In den folgenden zwölf Monaten unterstrich der Papst in drei Enzykliken mehrfach seine Sorge für den Schutz der heiligen Stätten und die Notwendigkeit der Internationalisierung Jerusalems. Am 1. Mai 1948, also zwei Wochen vor der Ausrufung des Staates Israel, veröffentlichte Pius XII. das Schreiben Auspicia quaedam19, in dem er die nahezu tägliche Gewaltanwendung und den damit verbundenen Verderb für die heiligen Stätten thematisierte. Palästina müsse jedem am Herzen liegen, weshalb man dafür beten wolle, dass im Monat Mai die Situation in Palästina auf der Basis von Gleichheit gedeihen möge. Jerusalem selbst fand in der Enzyklika keine Erwähnung. Mit der Ausrufung des Staates Israel am 14. Mai 1948 und dem daraus resultierenden ersten israelisch-arabischen Krieg, der auch verschiedene christliche Stätten beschädigte, kam es zu einer für die Kirchen bedenklichen Situation aufgrund massiver Flüchtlingswellen in den arabischen Nachbarstaaten. Während die Unabhängigkeitserklärung die Religions- und Gewissensfreiheit und die Verpflichtung Israels zum Schutz aller heiligen Stätten betonte, beobachtete der L’Osservatore Romano die Lage eher zurückhaltend und kommentierte fortlaufend die Vorgänge im „jüdischen Staat“. Auf die angespannte Situation ging Pius XII. in seiner Enzyklika In multiplicibus curis20 vom 24. Oktober 1948 ein, in der er die Angriffe und die Beschädigung der heiligen Stätten beklagte und die freie Ausübung des religiösen Bekenntnisses forderte. An die Gläubigen in anderen Nahoststaaten und die diplomatischen Vertreter des Heiligen Stuhls in Palästina, dem Libanon und Ägypten appellierte er, sich an der Friedenssuche zu beteiligen. Er drückte sein Mitgefühl für die Flüchtlinge aus, „die von ihrem Land vertrieben umherziehen, Zuflucht und Brot suchend“. Deutlich ging Pius XII. auf den Status von Jerusalem ein. Durch internationale Garantien müsse der freie Zugang zu den heiligen Orten, die Freiheit des Kultes und der Respekt der freien Religionsausübung gemäß den jeweiligen religiösen Traditionen gesichert sein. Denn jetzt sei die Gelegenheit, „Jerusalem und seiner Umgebung […] eine stabile und solide internationale Regierung zu geben, die unter den aktuellen Umständen den Schutz der heiligen Stätten besser gewährleisten könne“.
CNEWA-Generalsekretär McMahon reiste im Dezember 1948 nach Palästina und Israel sowie Jordanien, um sich ein differenziertes Bild von den Flüchtlingsdramen zu machen. Seinen Berichten ist es zu verdanken, dass der Heilige Stuhl detailliert über die aktuelle Lage informiert war. Während der internationalen Debatte, ob Israel einen Sitz in den Vereinten Nationen erhalten solle, veröffentlichte Pius XII. am 15. April 1949 die Enzyklika Redemptoris nostri, die sich ausführlich mit der Palästinafrage beschäftigte und auf diplomatischer Ebene die internationale Gemeinschaft bewegen sollte, die Aufnahme Israels in die UNO vom Bekenntnis zur Resolution 181 abhängig zu machen.21 In seinem Schreiben unterstrich Pius XII. das Rückkehrrecht der Palästinaflüchtlinge und den – auch juristischen – Schutz aller heiligen Stätten in Palästina. Deutlicher als in den bisherigen Enzykliken hob der Papst seine Forderung nach der Internationalisierung Jerusalems gemäß dem UN-Teilungsplan hervor. Mit legalen Mitteln sei es notwendig, eine gerechte Situation und dauernde Stabilität in Jerusalem zu erreichen: „Jerusalem und seiner Umgebung soll ein juristisches Statut gegeben werden, dessen Stabilität unter den aktuellen Bedingungen nur durch ein Übereinkommen von Staaten gesichert werden kann, die den Frieden lieben und die Rechte anderer achten.“ Es steht heute außer Frage, dass McMahons Informationen Pius XII. zu entsprechenden Aussagen in der Enzyklika bewegt hatten. Ebenfalls wird es McMahons Details zu verdanken sein, dass der Papst in Konsequenz zu seiner Enzyklika einen sichtbaren Beitrag zur Minderung des Flüchtlingselends leisten wollte und damit den karitativen Auftrag der Kirche zur Geltung brachte. Am 1. Juni 1949 erfolgte daher die schon weiter oben erwähnte Gründung der „Pontifical Mission for Palestine“ („Päpstliche Mission für Palästina“); Präsident wurde Msgr. McMahon.