Kitabı oku: «Franziskus im Heiligen Land», sayfa 8
Konfliktherd: Krise der Geburtskirche und Mauerbau
In der al-Aksa-Intifada blieb die Lage auch für die christliche Minderheit angespannt. Am 31. März 2002 versuchten die Kirchenführer Yassir Arafat, der in seinem Hauptquartier in Ramallah festgesetzt war, den traditionellen Osterbesuch abzustatten. Die israelische Polizei verhinderte ihr Durchkommen. Zwei Tage später, am 2. April, erreichte der Konflikt mit der Besetzung der Geburtskirche durch Palästinenser einen bis dahin nicht erlebten Höhepunkt. Zahlreiche andere Kirchen hätten den Kämpfern ebenfalls als Zuflucht dienen können. Um die Weltöffentlichkeit auf sich zu lenken, besetzten sie diese heilige Stätte und die Kirche gewährte – der mittelalterlichen Tradition folgend – Kirchenasyl. Die Palästinenser haben damit gegen den Vertrag zwischen der PLO und dem Heiligen Stuhl vom 15. Februar 2000 verstoßen, in dem sich beide Parteien verpflichteten, den Status quo der heiligen Stätten nicht anzutasten. Juristisch war die Besetzung der Geburtskirche eine Verletzung des Status quo. Allerdings hat auch Israel diesen Status quo trotz der Verträge mit dem Heiligen Stuhl von 1993 und 1997 verletzt. Die militärischen Angriffe auf die Geburtskirche, das heißt die Anwendung von Gewalt zur Beendigung der Besatzung, können nicht als legitime Mittel bezeichnet werden. Im Konflikt um die Geburtskirche zeigt sich, dass beide Seiten eine schuldhafte Verantwortung tragen. Dabei wurde auch der Tonfall Roms schärfer. Der L’Osservatore Romano verwendete von einigen Seiten als antiisraelische Äußerungen interpretierte Formulierungen, die das Verhältnis mit dem jüdischen Staat zeitweise belasteten. Von der „Erniedrigung des palästinensischen Volkes“ und „Aggression gegen die Palästinenser“ war ebenso die Rede wie von einer Spirale der Gewalt gegen das palästinensische Volk, die jetzt zur „Vernichtung“ werde. Auch die „Einbestellung“ des israelischen Botschafters beim Heiligen Stuhl kurz nach Ostern 2002 war ein in der diplomatischen Wortwahl eher ungewohnter Vorgang, während der Vertreter der Arabischen Liga im Vatikan „empfangen“ wurde. In einem Brief an den Papst vom 9. April sicherte Israels Staatspräsident Moshe Katzav zu, dass die israelische Regierung „mit aller Kraft dafür sorgen wird, dass die Kirche nicht zum Ziel bewaffneter Auseinandersetzungen wird. […] Sie haben mein Versprechen, dass die Regierung Israels weiterhin die Rechte und Privilegien der christlichen Kirchen in Israel schützen wird. […] Da aber die Palästinenser bislang nur wenig Achtung für die Sicherheit der kirchlichen Einrichtungen auf ihrem Gebiet gezeigt haben, ist es die Pflicht der internationalen Gemeinschaft, darauf zu bestehen, dass die Praxis der Entweihung der ,terra sancta‘ nicht weiter hingenommen wird. Terror im Namen Gottes kann nicht toleriert werden.“ Johannes Paul II. antwortete Katzav und räumte Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis Israels ein. Gleichzeitig müsse aber jede der heiligen Stätten im Heiligen Land auch von israelischer Seite respektiert werden.71
In der nahezu ausweglosen Situation überlegte Betlehems christlicher Bürgermeister Hanna Nasser, den Papst zu einem zweiten Besuch in die Geburtsstadt Jesu einzuladen, „damit er sich ein authentisches Bild unserer Lage machen kann“. Johannes Paul II. schickte seinen Manager für Krisensituationen, Kurienkardinal Roger Etchegaray, ins Heilige Land. Am 1. Mai traf er in Jerusalem ein und sprach unter anderem mit Katzav und Arafat. Ein Treffen mit Sharon kam nicht zustande. „Ich bleibe so lange im Heiligen Land wie nötig, bis ich eine Messe in der Geburtskirche feiern kann“, sagte Etchegaray. Nach einer Woche, als die Verhandlungen für eine Lösung der Krise um die Geburtskirche vorankamen, reiste er nach Rom zurück. Der Gottesdienst in Betlehem blieb ihm von den israelischen Behörden und aus „Sicherheitsgründen“ verwehrt. Am 10. Mai wurde die Geburtskirche nach 39 Tagen Besatzung durch einen Kompromiss geräumt. Die zahlreichen von den palästinensischen Kämpfern montierten Sprengsätze im Inneren der Kirche zeigen, wie knapp die Geburtskirche einer Katastrophe entkommen ist. Zu wenig wurde bisher beachtet, dass am Zustandekommen der Lösung nicht nur die Europäische Union und die zypriotische Regierung beteiligt waren, sondern insbesondere das Verhandlungsgeschick Etchegarays den eigentlichen Durchbruch ermöglicht hatte. Der Kurienkardinal ist so zu einer Schlüsselfigur des vatikanischen Einsatzes für Nahost geworden. Unmittelbar nach dem Belagerungsende schickte der Papst Etchegaray am 11. Mai erneut nach Betlehem, wo er am Tag darauf doch noch den ersten Gottesdienst seit Ende des Nervenkriegs feiern konnte. Der Papst kommentierte in Rom: „Die universale Botschaft von Betlehem heißt: Liebe, Gerechtigkeit, Versöhnung und Friede. Auf dieser Basis kann eine Zukunft erbaut werden, die die Rechte des israelischen und palästinensischen Volkes durch gegenseitiges Vertrauen respektiert.“
In diesen heiklen Verflechtungen setzte der Heilige Stuhl zugunsten der Christen auf diplomatische Kontinuität. Mitten im Konflikt um die Geburtskirche äußerte sich in einem bemerkenswerten Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ Kurienerzbischof Jean-Louis Tauran über die notwendige dritte Kraft in der nahöstlichen Friedensvermittlung. Diese sei natürlich nicht der Vatikan, aber er könne sie motivieren: „Es ist nicht Aufgabe des Heiligen Stuhls, eine technische Lösung vorzuschlagen. Er kann jedoch bestimmte Ideen anregen. […] Wenn beide Seiten darum ersuchen, kann der Heilige Stuhl den Gang der Dinge günstig beeinflussen, und dies aufgrund der Tatsache, dass er wegen seiner Neutralität Glaubwürdigkeit genießt.“72 Genau die schätzen auch die anderen christlichen Konfessionen, weil sie durch den Vatikan diesen als ihr Sprachrohr benutzen könnten, eben weil ihnen selbst ein solches autonomes Staatsgebilde fehlt. Tauran lehnte allerdings besondere Schutzmechanismen für die heiligen Stätten ab; ihr besonderer Status quo habe sich bewährt: „Wäre es notwendig, einen neuen Schutzmechanismus zu schaffen, würde dies bedeuten, dass die internationale Gemeinschaft völlig gescheitert ist.“ Es wird noch einmal deutlich: Die Kirche – von Rom bis Jerusalem – spricht für das Konfliktpotenzial Nahost nicht mehr im Dialog zwischen zwei, sondern drei Partnern, weil in jeder politischen Lösung für einen strittigen Punkt meistens die anderen Religionen mit bedacht sein müssen. Das macht es so kompliziert, fast unmöglich, eine Sicht der Dinge nur unter religiöser Perspektive zu behandeln. Erzbischof Tauran weiß um die Problematik und er weiß, was er will: „Es ist unser vorrangiges Ziel, dass die den drei monotheistischen Religionen heiligen Stätten respektiert werden. Dies gilt im Besonderen für heilige Gebäude, da die beiden Konfliktparteien, die Israelis und Palästinenser, aufgrund von bilateralen Verträgen, die sie mit dem Heiligen Stuhl unterzeichnet haben, verpflichtet sind, diese Orte zu respektieren.“
Erinnert werden muss in dieser Phase auch an den Bau der Mauer, mit der der israelische Staat seine Bewohner vor terroristischen Übergriffen radikaler Palästinenser schützen will. Das Bauprojekt begann in der zweiten Amtszeit von Ministerpräsident Ariel Sharon im Jahr 2003. Mit dem Bau der Sperranlage, die Israel als Maßnahme zur Sicherheit und Selbstverteidigung definiert, wurden oft Grundstücke palästinensischer Familien durchschnitten. In der Konsequenz hindert die Mauer die Bevölkerung in den autonomen Gebieten daran, ihre Arbeitsplätze auf israelischem Gebiet problemlos zu erreichen. Versorgungsengpässe in Krankenhäusern sind die praktische Auswirkung der Mauer, eine Lähmung des Gemeindelebens die spirituelle Komponente. Selbst der diplomatisch sonst so zurückhaltende Kurienkardinal Etchegaray kritisierte die Mauer in der Folge als „Geografie der Apartheid, die zu neuer Gewalt provoziert anstatt sie einzudämmen“73. Von den geplanten rund 780 Kilometern Mauer sind bisher 65 Prozent fertiggestellt. Tatsächlich hat der Bau zu größerer Sicherheit in Israel beigetragen, wenngleich der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Rechtsgutachten zu dem Schluss kommt, dass der Bau gegen geltendes Völkerrecht verstoße.
Konflikt ohne Ende: Auf dem Weg zur Hamas
Während der Golfkrieg im Frühjahr 2003 von den Problemen der Kirchen im Nahen Osten ablenkte, blieb die Situation im Heiligen Land hoffnungslos. Selbst Patriarch Sabbah musste einsehen, was das Drama um die Geburtskirche von Betlehem wirklich war: Bei allem arabischen Nationaldenken über die Religionsgrenzen hinweg wollten die muslimischen Kämpfer in der Geburtskirche letztlich nicht nur die israelische Besatzungsmacht schwächen, sondern auch die christliche Präsenz. Tatsächlich geriet Yassir Arafat in die Schlagzeilen, als im Januar 2003 bekannt wurde, dass die Autonomiebehörde mit Hochdruck an einer eigenen Verfassung für den künftigen Staat Palästina arbeite. In ihr soll Jerusalem als Hauptstadt Palästinas ebenso verkündet werden wie – so ist zumindest dem ersten Entwurf zu entnehmen – der Islam als Staatsreligion. Zwar ist eine Toleranzklausel gegenüber anderen Religionen vorgesehen, aber die christliche Minderheit in den palästinensischen Gebieten könnte einem verstärkten Druck ausgesetzt werden.74 Im Hintergrund versuchten die Patriarchen auf die palästinensische Führung einzuwirken; auch der Heilige Stuhl schaltete sich diskret auf der diplomatischen Ebene ein. Mit Erfolg, denn dieser Verfassungsentwurf wurde ohne jede weitere Erklärung bis zur Gegenwart nicht weiter verfolgt. Die kaum in der Öffentlichkeit geführte Diskussion um die Verfassung zeigt aber, wie dringend notwendig sie für das palästinensische Volk wäre, um möglichst ein laizistisches Staatssystem zu etablieren und den Status von Jerusalem so zu umschreiben, dass eine friedliche Koexistenz möglich gemacht wird. Eine Erinnerung an das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Palästinensischen Autonomiebehörde scheint mehr als notwendig, insbesondere, um die christlichen und damit auch die bei einer solchen Verfassungsidee zutiefst gefährdeten katholischen Gemeinden zu schützen.
Der Tod Yassir Arafats am 11. November 2004 hat auch in der katholischen Kirche des Heiligen Landes große Bestürzung ausgelöst. Die zentrale Frage lautete, wer jetzt die Macht übernehme. Mit Mahmoud Abbas, der sehr gute Kontakte zur christlichen Minderheit hat, folgte ein treuer Weggefährte Yassir Arafats. Für die katholischen Christen im Heiligen Land, aber auch für die gesamte israelische und palästinensische Bevölkerung bedeutete der Tod Papst Johannes’ Pauls II. am 2. April 2005 einen tiefen Einschnitt. Vom „Papst des Heiligen Landes“ sprachen die örtlichen Medien, „Einer von uns“, erklärten politische Führer in Israel und Palästina. Tatsächlich hat Johannes Paul II. Wesentliches geleistet, damit die katholische Kirche im Heiligen Land – und darüber hinaus die christliche Bevölkerung – überlebensfähig und als akzeptierte Größe im Staat wahrnehmbar blieb, die bereit ist, am Aufbau einer Zivilgesellschaft mitzuwirken.
Wie schnell sich die Situation ändern konnte, zeigt der Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas vom 25. Januar 2006 im Gazastreifen. Sorge breitete sich auch unter den katholischen Gemeinden aus, wobei man zunächst darauf hoffte, dass der palästinensische Staat unter einer Hamas-Führung die religiösen Minderheiten achten werde. Während im Programm der Hamas davon zwar etwas zu lesen ist, der islamische Gottesstaat aber kompromisslos propagiert wird, hielten sich die Kirchenführer im Heiligen Land zunächst auffallend zurück. Patriarch Sabbah sah die Gefahr eines islamisch dominierenden Staates, äußerte sich aber kaum, weil er davon ausging, dass der Handlungsspielraum der christlich-katholischen Minderheit so gesichert sei. Tatsächlich war von kritischen Tönen gegenüber der Hamas kaum etwas von Kirchenseite zu hören, selbst in der gemeinsamen Erklärung aller christlichen Oberhäupter des Heiligen Landes herrschte Zurückhaltung. Man gratulierte dem palästinensischen Volk für „seine demokratische Leistung in den jüngsten Parlamentswahlen. […] Wir rufen das palästinensische Volk dazu auf, weiterhin seinen Beitrag zu leisten, um die eigene Geschichte zu schreiben, was auch immer die inneren oder äußeren Schwierigkeiten oder Hindernisse sein mögen. Wir beten für alle, die in dieser schwierigen Zeit regieren werden, und wir bieten ihnen unsere Mitarbeit für das öffentliche Wohl und die nationalen, in Einklang mit der Sache der Gerechtigkeit und des Friedens stehenden Bestrebungen der Palästinenser auf einem gewaltlosen Weg an, sei es hinsichtlich der Auslandsbeziehungen oder der Rechtsstaatlichkeit unter Wahrung der vollen Religionsfreiheit, vor allem im Sozialbereich sowie im Bildungswesen.“ Nach Aussage von Franziskanerkustos P. Pierbattista Pizzaballa wolle die Hamas die Christen respektieren. Man habe ihm versichert, dass das islamische Gesetz nicht eingeführt werde.75 Allerdings lassen entsprechende Äußerungen von führenden Hamas-Mitgliedern eine andere, für die christliche Minderheit wesentlich kritischere Interpretation zu.
Dass die Hamas-Führung unter Regierungschef Ismail Haniyya als einzigen Christen Tanas Aita mit einem Ministeramt betraute, stimmte hoffnungsvoll, denn Aita sollte Tourismusminister werden. Wenige Tage nach seiner Nominierung verzichtete Aita am 26. März 2006 auf das Amt. Die Tragik: Geschäftspartner aus Europa hätten ihn gewarnt, die Aufgabe anzunehmen, und damit gedroht, keine Reisegruppen mehr in sein Betlehemer Souvenirgeschäft zu führen.76 Papst Benedikt XVI. nutzte seine erste Osterbotschaft, am 16. April 2006, zu einem Ende des Blutvergießens im Nahen Osten aufzurufen: „Frieden wünsche ich von Herzen denen, die in den Konflikt im Heiligen Land verwickelt sind, und ermutige alle zu einem geduldigen und beharrlichen Dialog, der die alten und neuen Hindernisse aus dem Wege räumt. Die internationale Gemeinschaft, die das Recht Israels auf eine Existenz in Frieden erneut bekräftigt, möge dem palästinensischen Volk helfen, die prekären Umstände, unter denen es lebt, zu überwinden und seine Zukunft aufzubauen, in dem es der Bildung eines wirklichen Staates entgegengeht.“
Steiniger Weg: Vom Libanonkonflikt bis Annapolis
Die Stimme des Papstes blieb ungehört, denn im Juni begann Israel den bewaffneten Kampf gegen die Hamas. Die Entführung israelischer Soldaten durch die Hizbollah im Südlibanon führte am 12. Juli zu einer militärischen Eskalation, die in einen offenen Krieg zwischen Israel und der Hizbollah mündete. Die Folge war ein Erlahmen des Gemeindelebens, da zahlreiche Raketen der Hizbollah vor allem den Norden Israels und damit viele Pfarreien trafen. Erst die UN-Resolution 1701 vom 11. August 2006 sorgte für einen Waffenstillstand.
Für das Heilige Land wurde der innerpalästinensische Konflikt zu einer immer gefährlicheren Größe. Da ist zunächst die internationale Isolationspolitik zu nennen, unter der letztlich auch die christlichen Minderheiten litten. Das Nahostquartett von USA, EU, UNO und Russland hatte die drei Grundforderungen aufgestellt, die die Hamas bis heute ablehnt, wodurch jede mögliche Verhandlung mit den Palästinensern infrage gestellt wird: Vollkommener Gewaltverzicht, Anerkennung des Existenzrechts Israels und Anerkennung aller zwischen der PLO und Israel geschlossenen Verträge und Abkommen. Bewegung innerhalb der palästinensischen Konfliktlinien war erst spürbar, als der saudische König Abdallah eine Verhandlungsrolle übernahm und am 8. Februar 2007 Fatah und Hamas zum sogenannten Mekka-Abkommen drängen konnte. Seitdem sollten Dialog und Partnerschaft anstelle von Gewalt die zentralen Mittel der Auseinandersetzung sein. Auf dieser Grundlage wurde am 17. März erneut unter Haniyya die Regierung der nationalen Einheit gebildet, wobei die Hamas mit zehn von 24 Stimmen nicht mehr die Mehrheit im Kabinett besaß. Die Kirchenführer in Nahost und der Vatikan reagierten mit Erleichterung. Vor allem das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Theophilos III., und Patriarch Sabbah appellierten an die internationale Staatengemeinschaft, die Isolation der Palästinenser und der Hamas aufgrund der sich positiv entwickelnden politischen Lage und humanitären Situation aufzuheben. Papst Benedikt XVI. ermutigte Palästinenserpräsident Abbas während eines Gesprächs am 24. April, den eingeschlagenen Weg zu einem möglichen Frieden einzuhalten.
Aber es sollte anders kommen, denn schon im Mai begannen gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas. Gleichzeitig griff Israel verstärkt den Gazastreifen an. „Ich appelliere an den Verantwortungssinn aller palästinensischen Autoritäten, damit der mühselige Weg zur Verständigung im Dialog und in der festen Absicht, die Gewalttätigen zu isolieren, fortgesetzt werde“, so Benedikt XVI. am 20. Mai. Vor allem die Caritas, letzter Garant für eine grundlegende Krankenversorgung aller Bevölkerungsteile im Gazastreifen, musste ihre Arbeit aufgrund der eskalierenden Sicherheitslage im Juni einstellen. Während die Hamas gewaltsam Macht und Regierungsgeschäfte im Gazastreifen übernahm, ernannte Abbas am 17. Juni eine Notstandsregierung ohne Hamas-Mitglieder, der auch zwei Christen angehören und die von Ministerpräsident Salam Fayyad geleitet wird. Seitdem hat sich insbesondere für die wenigen Christen im Gazastreifen die Situation dramatisch verschlechtert. Es sind nicht so sehr islamistische Übergriffe auf die wenigen Kirchen, als vielmehr kriminell begründete Überfälle und Raubzüge. Tatsächlich lehnt auch eine große Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung die gewaltsame Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen ab. Eine Anfang September 2007 im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah veröffentlichte Meinungsumfrage zeigt deutliche Werte: 73 Prozent der Palästinenser sind gegen die Machtübernahme, nur 22 Prozent begrüßen sie – davon 31 Prozent im Gazastreifen und nur 17 Prozent in der Westbank. Nur noch 30 Prozent der Palästinenser halten die Regierung von Ismail Haniyya in Gaza für rechtmäßig, allerdings auch nur 38 Prozent die Übergangsregierung unter Salam Fayyad.77
Von christlicher Seite wurde in diesem Zusammenhang die Konferenz von Annapolis am 27. November 2007 mit Spannung erwartet. Die internationale Staatengemeinschaft wollte Abbas Rückendeckung geben, um dem von ihm beschrittenen Weg eines moderaten palästinensischen Staates in der Westbank Vertrauen zu schenken. Man hoffte in Annapolis und bis heute, dass durch dieses Vertrauen Abbas auch bei Zeiten den Gazastreifen zurückgewinnen könne. Tatsächlich hat sich durch diese sogenannte „Westbank First“-Strategie die Lage der Bevölkerung und damit auch der christlichen Minderheit spürbar verbessert. Über die Ergebnisse von Annapolis mag man streiten; wichtig war, dass es zu einer knappen Grundsatzerklärung zwischen Mahmoud Abbas und Premierminister Ehud Olmert kam. Beide Politiker konnten bei ihrer jeweiligen Bevölkerung das Gesicht wahren.
Umbruch: Christenexodus und Abschied eines Patriarchen
In seinem letzten Hirtenbrief richtete Patriarch Sabbah am 1. März 2008 einen weiteren dramatischen Appell an die eigenen Christen, das Land nicht zu verlassen. „Menschen emigrieren, um Ruhe zu finden und ihre und die Zukunft ihrer Kinder zu sichern. Unsererseits laden wir unsere Gläubigen ein, ihre Berufung als Christen hier im Heiligen Land anzunehmen, und nicht wegzugehen. Wir machen ihnen dabei keine Illusionen. Wir versprechen ihnen kein leichtes, sondern ein schwieriges Leben, und das für heute und für morgen. Manche, wenn auch nur eine kleine Anzahl, werden sich dieser Tatsache bewusst. Sie nehmen ihre Berufung an und akzeptieren es, hier zu bleiben und die Vorteile aufzuopfern, die sie durch das Auswandern erlangen könnten“, so Sabbah. Gleichzeitig ging er gewohnt kritisch auf die Konfliktparteien in Nahost ein, wobei er auch die internationale Staatengemeinschaft in die Pflicht nahm. Weil die Christen so wenige seien, werde ihnen häufig Mitleid ausgedrückt. „Die wahre Unterdrückung aber, deren Opfer wir sind, nämlich die politischen Machenschaften in unserer Region, wird nicht erwähnt. Für uns aber wäre das Ende des israelisch-palästinensischen Konflikts das Einzige, was uns erlauben würde, in Frieden zu leben und im Land zu bleiben, und das ist nichts Unmögliches, wie man es uns glauben machen möchte.“ Lieben müsse aber auch Vergebung bedeuten. „Vergeben heißt, sein Herz von der Bitterkeit, dem Hass und dem Feuer der Rache zu reinigen. Es bedeutet nicht unbedingt, auf seine Rechte zu verzichten, insbesondere, wenn es um die Rechte der Gemeinschaft wie Freiheit, Land oder Unabhängigkeit geht. Dies sind Fragen, in denen der Einzelne kein Entscheidungsrecht hat, denn es sind erstens Rechte, die eine Gabe Gottes sind und die wir demnach bewahren müssen, und zweitens sind das gemeinsame Rechte, und der Christ kann nicht seine Gemeinschaft verraten, wenn sie ihre legitimen Rechte einfordert. Im Gegenteil! Er unterstützt sie in der Verteidigung ihrer Rechte und den notwendigen Bemühungen, um diese wiederzuerlangen“, schreibt Sabbah. Als Christ habe man die Verpflichtung, sich so anzunehmen, wie man sei, „das heißt als gläubige Christen, nicht nur als eine von den anderen unterschiedliche Gemeinde, oder als eine aufgrund ihrer Religion abgesonderte Gruppe der Gesellschaft. Es versteht sich von selbst, dass die Berufung des Christen nicht darin liegt, in einen Kampf mit der Gesellschaft einzutreten oder angesichts der Ungerechtigkeiten oder der verschiedenen Formen der Unterdrückung zu resignieren. Andererseits ist es dem Christen auch nicht erlaubt, sich an den Rand der Gesellschaft zu stellen. […] Wie alle Bewohner dieses Landes, Palästinenser und Israelis, sind die palästinensischen und israelischen Christen Teil dieses Konflikts. Unter keinerlei Vorwand können sie sich auf eine Zuschauerrolle beschränken, während andere den Preis für die Freiheit zahlen und die damit verbundenen Opfer auf sich nehmen. Zuschauer bleiben bedeutet am Rande stehen, den Männern und Frauen ihres Volkes fremd bleiben, was nicht der Berufung des Christen entspricht.“78
Zeit seines Lebens hat sich Patriarch Sabbah dafür eingesetzt, der christlichen Minderheit im Nahen Osten eine Stimme zu geben. Am 19. März 2008 wurde er 75 Jahre alt und hat nach zwanzigjähriger Dienstzeit seinen Rücktritt in Rom eingereicht. Bereits am 8. September 2005 hatte Papst Benedikt XVI. den bisherigen Erzbischof von Tunis, Fouad Twal, zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge ernannt. Mit Sabbah trat ein streitbarer, aber ehrlicher Brückenbauer ab. Noch seine Weihnachtsbotschaft 2007 hatte eine heftige innerisraelische Kontroverse ausgelöst, weil er vor dem Entstehen ausschließlich religiös begründeter Staaten in der Region gewarnt hatte. Seine zahlreichen Hirtenbriefe verfehlten ihre Wirkung nicht, dem Mann des unauffälligen Auftritts, aber der klaren Worte ging es vor allem um die Menschen. Sein Lebensmotto und seine Lebenserfahrung lassen sich auf den Punkt bringen: Hoffen wider alle Hoffnungslosigkeit.
Diesem Motto sieht sich auch Twal verpflichtet. 1940 im jordanischen Madaba geboren, machte er sich zunächst als Mitarbeiter der Nuntiatur in Bonn einen Namen. Von 1992 bis 2005 war er Erzbischof von Tunis. Er gilt ebenfalls als Mann der klaren Worte, der die Erfahrungen im diplomatischen Dienst mit pastoralem Wirken zu verbinden gelernt hat. Vor allem setzt er auf Verhandlungen mit der Hamas, die nicht – so sagte er im Sommer 2007 – marginalisiert werden dürfe. Stattdessen müsse man ihr helfen, „ein gemäßigtes Ufer zu erreichen“. Man müsse auch die Erfolge der Hamas zur Kenntnis nehmen: „Dank der Hamas kann man sehen, dass die Zeit des Chaos vorbei ist. Die Bewegung geht mit eiserner Disziplin gegen Kriminalität vor.“ In den Palästinensergebieten gebe es keine Fundamentalismen oder eine gegen Christen gerichtete Politik, so Twal.79 Grundsätzlich appellierte er an die Konfliktparteien in Nahost, Friede ohne Hass zu realisieren; die Situation im Heiligen Land sei eine politische. „Die Politik ist es, die das Leben hier diktiert und die Zukunft des ganzen Volkes und Landes, ja, wenn nicht gar der gesamten Region bestimmt. Wie soll die Kirche da ihre Stimme nicht erheben und angesichts dessen, was passiert, teilnahmslos bleiben? […] Nur durch Stabilisierung der palästinensischen Gesellschaft kann man auch der Entwicklung der islamisch-christlichen Beziehungen Hilfe zu kommen.“80
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