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Kitabı oku: «Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis», sayfa 26

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Von Herbart (1776 in Oldenburg geboren, 1841 gestorben) gehören wenigstens die Realen hierher. Darin, daß sie absolute Einheiten, unteilbar, zeitlos, raumlos sein und Aggregate von ihnen die Dinge bedeuten sollen, gleichen sie den Leibnizschen Monaden. Sie sind auch uranfänglich voneinander verschieden. Jede Reale soll ihre Qualität stetig und in Ewigkeit behalten. Das einzige, ihr inneres Leben Bedeutende ist lediglich die „Selbsterhaltung“. Diese macht sich geltend den „Störungen“ anderer Realen gegenüber, und in dieser Selbsterhaltung besteht alles Leben und Vergehen in der Natur. So sind alle unsere seelischen Tätigkeiten wie Denken, Fühlen, Wollen usf. nur Selbsterhaltungen gegen Anderes; und das Bewußtsein ist der Inbegriff all dieser Selbsterhaltungen. Die Dinge sind wie bei Leibniz ein Zusammensein von Realen, aber nicht in dessen geistigem Sinne, da die Realen keine Vorstellung haben, sondern ein mehr zufälliges. Wenn verschiedene Reihen von Realen einen gleichen Ausgangspunkt haben, so fassen wir sie als Ding auf. Gegenüber der Klarheit des Leibnizschen Systems weiß man sich hier kaum durchzufinden. Da die Realen absolut einfach und ohne jede Vorstellung von Anderem sein sollen, namentlich ohne jeden Wechsel in ihrem Inneren, wie erfährt da eine Seele die „Störung“, also die Gegenwart einer anderen Seele? Was kann Selbsterhaltung anderes bedeuten als Tätigkeit zur Erhaltung eines Vorhandenen, eben des Selbst? Wie ist das aber mit der absoluten, einfachen Wechsellosigkeit zu vereinigen? Was führt die Realen zusammen? Herbart spricht auch von Vorstellungen. Zeller (Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz) meint, die Konsequenz dieses Systems wäre, „daß die Form, unter der uns die Realen erscheinen, ihre Verbindungen und die Änderung dieser Verbindungen, nicht in ihnen selbst und ihrem objektiven Verhältnis, sondern nur in unserer subjektiven Auffassung begründet sei“. Aber auch das geht nicht. Wir sind ja selbst Reale; wie kommen wir denn zu Auffassungen, ob subjektiven oder objektiven? In Herbarts Naturphilosophie machen sich die Übel dieser Unbegreiflichkeiten so schwer geltend, daß zuletzt – eben aus absolutem Mangel an jedem ideellen oder wirklichen Zusammenhang zwischen den Realen, wodurch auch ein Raum und eine Zeit, selbst nur gedacht „intelligibel“, ausgeschlossen wird – sogar Möglichkeiten von Zusammensein von Realen, erst als Bilder und dann als Reale selbst, behandelt werden, wie geometrische Konfigurationen, und daß auch teilweise Durchdringlichkeit der Realen angenommen wird. Ich darf hier aufhören, weil ich doch nicht weiß, wie eine deutliche Anschauung zu gewinnen ist. Nur das möchte ich noch erwähnen, daß Herbart Gott aus teleologischen Gründen setzt. Bringt Gott den Zusammenhang hinein? Und wie?

DRITTES BUCH.
Metaphysische und physische Welt- und Lebenanschauungen

Wir sammeln in diesem Buche alle diejenigen Anschauungen von Welt und Leben, bei denen von Gott als Weltschöpfer und Welterhalter entweder ganz abgesehen oder der geringst mögliche Gebrauch gemacht wird. Vielfach widerstreitet hier die Theorie der Praxis; und so bestehen Anschauungen, bei denen von Gott entweder nur nicht gesprochen wird, indeß er im Hintergrunde doch mindestens als erste Ursache waltet, oder bei denen, was theoretisch wegdisputiert ist, praktisch wieder eingeführt wird. Es soll dieses im einzelnen erhellen. Viele aber nehmen in der Tat lieber einen blinden Zwangsmechanismus als einen unumschränkten Herrn, der so viel Übel in der Welt geschehen läßt. Die Gesamtheit der Anschauungen teilt sich in metaphysische und physische. Jene erwachsen aus Untersuchungen über die letzten Dinge, über das was wahr ist, diese aus der umgebenden Wirklichkeit. Die Unterscheidung besteht jedoch nur für die Extreme, sonst geht Metaphysisches und Physisches durch und ineinander.

SECHSTES KAPITEL.
Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus

Wenn wir die Dinge, und uns mit, so nehmen, wie sie uns erscheinen, und nichts weiter hinter ihnen als Anderes setzen, so sprechen wir von einem Realismus. Betrachten wir aber die Dinge nur als von uns verdinglichte Erscheinungen, hinter denen ein Anderes entweder gar nicht vorhanden, oder eben als ein Anderes vorhanden ist, so sprechen wir von einem Idealismus, und das was etwa hinter den Dingen steht, bedeutet das Transzendente. Dinge sind dann für uns objektivierte Transzendente; entweder Nichts oder unserem Begreifen entzogene Gegenstände, transzendente Wirklichkeiten. Die zahlreichen Arten und Abarten des Idealismus besonders zu erklären, darf ich hier unterlassen, sie werden bald in der Behandlung hervortreten.

41. Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, Skeptiker

Die Indier hatten auch die Anschauung, daß die ganze Welt, einschließlich aller Lebewesen, nur ein Traum Brahmas sei. Mit dem Traum ist alles entstanden, und wenn Brahma erwacht, ist alles geschwunden, wie die Bilder unserer Träume kommen und spurlos verwehen. Denn Traumgestalten sind wir, und Traumgestalten sind Himmel, Gestirne und Erde. Eine Milderung dieser Anschauung bedeutet es, wenn, in einer anderen Anschauung, dieser Traum nur in den Menschen verlegt wird, es also heißt, die Welt ist nur in uns als ein Traum. Wir bestehen, die Welt aber besteht nur in uns. Unser irdisches Leben ist Träumen. Sind wir von diesem Leben befreit, so ist keine Welt, nur wir sind. In dieser, dem Verständnis aus der Analogie unserer wirklichen Traumwelten leichter zugänglichen Form ist die Lehre weit verbreitet. Wir finden sie selbst bei den realistischen Chinesen. Lao-tsse sagt, das Leben sei ein Gaukelspiel eines wirren Traumes.

Indessen gibt dieses letztere kein philosophisches System, weil es gar zu sehr metaphorisch unernst wirkt. In der ersten Wendung aber finden wir bei den Indiern Lehren, die durchaus einem solchen philosophischen System angehören. Eines nur ist: Brahman (S. 230). Dieses Eine ist ewig und unveränderlich, ohne jede Qualität, ein absolutes Eins. Zu diesem Eins kommt das Unwissen (Avidyiâ), oder das Sichtäuschen (Mâyâ), ein Unbegreifliches; und unter diesem ist das Eins Mannigfaltigkeit, Welt geworden, mit allen Dingen und allen Veränderungen. Das ist ein Pantheismus, aber nur als Phänomen, nicht als Wirklichkeit; die transzendente Wirklichkeit ist allein das Eins, Brahman. Die Dinge und die Vorgänge sind als Täuschung praktisch real, als transzendente Wirklichkeit Nichts, oder vielmehr Brahman. So lautet die Illusionslehre des Sankara in der Vedantaphilosophie (S. 259):

 
„In einem halben Vers will ich erklären, was in Millionen Bänden erklärt worden ist;
Brahman ist wahr, die Welt ist falsch, die Seele ist Brahman und nichts anderes.“
 

Und so besteht ein doppelter Brahman, die absolute transzendente Wirklichkeit, das Eins, Param Brahman, und die Illusionswirklichkeit, das phänomenale Brahman, Aparam Brahman. Damit hat die Welt Realität und hat auch keine. Praktisch ist sie aber durchaus real. Letzteres mußte Sankara lehren, denn sonst fielen ja alle ethischen Grundsätze und alle Religion mit allen Göttern fort, und für Sankara war die Veda eine heilige Schrift. Warum die Illusion hinzukommt, wird nicht gesagt, noch woher sie stammt. Sie wird aber mitunter neben Brahman (oder in Brahman?) so real bezeichnet, daß sie als Mâyâ Persönlichkeit erlangt, gar als Gattin Brahman sich zugesellt.

Der Leser, dem die griechische Philosophie bekannt ist, wird schon bemerkt haben, welche außerordentliche Ähnlichkeit die obigen Darlegungen mit denen der Schule der sogenannten Eleaten haben. Als Stifter dieser Schule wird Xenophanes (S. 231) bezeichnet, ein Ionier, der sich in Elea in Unteritalien niederließ. Er ist es, von dem der berühmte Ausspruch stammt, daß, wenn Rosse und Ochsen „malen könnten und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse roßähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und Werke bilden, wie jede Art gerade selbst das Aussehen hätte“. Und so tadelte er die Griechen nicht bloß wegen ihrer Anthropomorphie der Götter, sondern auch wegen ihrer Götter-Vielheit. Nur einen Gott gibt es, ein Eins, ein Ewiges, Unvergängliches. Und dieses ist das Weltganze. Mehr ist von seinen allgemeinen Lehren mit Zuverlässigkeit nicht bekannt. Selbst daß er in Gott das Weltganze gesehen hat, dürfte mehr Vermutung sein, da, was er sonst von der Welt sagt, rein physisch ist und der Würde der Gottheit kaum entspricht. Sicherer ist was Parmenides (um 544 v. Chr. geboren) aus Elea lehrte: „Nötig ist dies zu sagen und zu denken, das Seiende existiert, denn das Sein (τὸ ἐόν) ist, das Nicht ist nicht.“ „So bleibt nur noch Kunde von einem Wege, daß das Seiende existiert. Darauf stehen gar viele Merkpfähle. Weil ungeboren, ist es auch unvergänglich, ganz, einziggeboren (μονογενές), unerschütterlich und ohne (zeitliches) Ende. Es war nie und wird nicht sein, weil es jetzt ganz alles ist.“ „Auch teilbar ist es nicht, weil es ganz gleichartig ist. Und es ist auch nirgend etwa ein intensiveres, das seinen Zusammenhang hindern möchte, noch ein geringeres; es ist ganz vom Seienden erfüllt… Sodann liegt es unbeweglich in den Schranken starker Fesseln, ohne Anfang, ohne Ende… Als Selbiges in Selbigem verharrend, ruht es in sich selbst und verharrt so standhaft alldort. Denn der starke Zwang (ἀνάγκη, Ananke) hält es in den Banden der Schranke, die es rings umgibt. Darum darf das Seiende nicht unabgeschlossen sein, denn es ist mangellos, und es wäre gänzlich mangelhaft, wär’s anders…“ (Diels: Fragmente der Vorsokratiker. Ich habe hier und im folgenden, sowie im voraufgegangenen, die Übersetzungen dabei benutzt, jedoch, meinem Zweck entsprechend, sie möglichst genau an den Wortlaut des Originals angepaßt.) Schon der Abschluß zeigt, daß Parmenides sich das Seiende als eine Realität dachte. Was er weiter sagt, rückt diese Realität fast ins Materielle: „Aber da eine letzte Grenze vorhanden ist, so ist das Seiende abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark“. Das wäre auch der Sphairos des Empedokles (S. 231). Es ist aber nichts weiter als dieses in sich gleiche, in sich ruhende, rings umschränkte, zeitlose, absolut Seiende. „Und so ist auch alles leerer Schall, wovon die Menschen sprechen, überzeugt, es sei wahr: nämlich Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der Farbe, überhaupt der Eigenschaften.“ In diesem letzteren Satze liegt das Schwergewicht der eigentlichen Lehre. Und dieser Satz hat die Philosophen unendlich geplagt, und plagt sie noch jetzt. Er besteht im Grunde aus zwei Sätzen: „Aus Nichtsein kann kein Sein werden“ und „Aus Sein kann kein Nichtsein hervorgehen“. Indem ein jedes Entstehen bedeuten soll, daß vorher Nichtsein war, wo jetzt Sein ist, und ein Vergehen, daß jetzt Nichtsein ist, wo vorher Sein war, dürfte es überhaupt keine Änderung geben, da nur das Sein da sein soll. Es ist bekannt, wie der Hauptdialektiker der Eleaten, Zenon (etwa nach 500 v. Chr. geboren), gleichfalls aus Elea, mit diesen Sätzen bewies, es gäbe in der Tat nicht die geringste Änderung in der Natur. Nicht einmal Bewegung sei möglich, denn alles setze sich aus Ruhe zusammen, und Ruhe sei keine Änderung; der Übergang aus einer Ruhe in eine andere aber sei undenkbar, weil dabei ein Seiendes schwände und ein Nichtseiendes entstehe. „Das Bewegte bewegt sich weder in dem Raume, in dem es sich befindet, noch in dem es sich nicht befindet.“ Das gehört nicht hierher; es kommt im Grunde alles darauf hinaus, daß ein „Werden“ und „Vergehen“ als für sich begrifflich nicht faßbar angesehen wird und durchaus aus Nichtsein und Sein oder aus Sein und Nichtsein soll zusammengesetzt sein müssen. Herakleitos ist gerade vom entgegengesetzten Standpunkt ausgegangen (S. 238), für ihn gab es nur „Werden“ und „Vergehen“. Auch die Spitzfindigkeiten der Eleaten – wie die berühmte Schlußfolge, Achill könnte nie eine Schildkröte einholen, weil, so oft er einen Weg mache, die Schildkröte doch auch einen zurücklege, also ihm immer voraus sei – beruhen auf solchen Unfaßbarkeitsannahmen, die dann Zusammensetzungen aus Widersprechendem bedingen. Seltsamerweise spukt die Formel: Werden = Sein + Nichtsein noch heute in vielen Köpfen. Die Eleaten leugneten auch alle Größe und alle Teilung ab, kurz alles, was die Welt als Mannigfaltigkeit in Raum und Zeit darstellt. Nur das Sein erkannten sie an. Was ist dann die Welt? – Lediglich Schein, nichts als Schein, ganz im Sinne der Indier. Und wenn beispielsweise Parmenides ziemlich eingehend von der Entstehung und Ordnung der Welt spricht, so bemerkt er, daß es sich doch um ein „Wahngebild“ handelt und um „Wahngedanken“. Melissos aus Samos (um 440) sagt, weil der Dinge viele sind und sie sich ändern. Woher aber der Schein, der Wahn? Darüber haben die Eleaten keine Vermutung ausgesprochen, und so stehen sie den Indiern erheblich nach, die wenigstens ein Prinzip dafür aufgestellt haben, wenn dieses auch nichts anderes besagt, als daß der Schein, als Unkenntnis und Täuschung, ein Etwas für sich sei, das zusammen mit dem Absoluten die Welt gebe. In der Tat ist auch die eleatische Lehre nur nach Worten monistisch, an sich verfährt sie dualistisch, denn der Schein ist nicht Sein, und doch sind beide vorhanden. Hierher gehört im Grunde auch die sogenannte Megarisch-Elische Schule (von Eukleides aus Megara, einem Verehrer des Sokrates begründet), die nur ein Seiendes anerkannte, das Gute, alles andere in der Welt für nichtseiend, Schein erklärte und sich der eleatischen Dialektik zum Nachweis einer solchen Behauptung bediente. Im übrigen ist der eleatischen Lehre Großartigkeit nicht abzusprechen. Melissos sagt: „So ist es (das Seiende) denn ewig, und unendlich, und eins, und ein in sich gleiches Alles. Und es könnte nicht irgend einmal untergehen, noch empfindet es Schmerz oder Leid.“ „Auch gibt es kein Leeres, denn das Leere ist nichts; demnach kann das, was ja nichts ist, nicht vorhanden sein.“ Also Eins nur besteht, zeitlich und räumlich überall, nie sich ändernd, in sich ohne jede Unterscheidung.

An diese Lehren schließen sich sachlich die des Skeptizismus (Skepsis, Zweifel) an. Sie können hier kurz behandelt werden, da sie nicht eigentlich eine Welt- und Lebenanschauung geben. Die Erfahrung, wie vieles unsicher und widersprechend ist, führt zu der Meinung, daß man nichts mit Bestimmtheit behaupten könne, und in der Übertreibung, deren sich die Sophisten schuldig gemacht haben, daß man von allem alles behaupten könne, was sie in ihrer Streitmethode, Eristik, zu so scharfsinnigen Auseinandersetzungen, aber auch zu so verderblichen Lehren geführt, hat. Protagoras (480–410 v. Chr.), Gorgias (zwischen 484 und 375), Prodikos, Hippias sind die hervorragendsten Vertreter der noch wissenschaftlichen und ethischen Schule der Sophistik. Das Heer der übrigen Sophisten darf übergangen werden. Der ungeheure Einfluß der Sophisten als Lehrer, namentlich der praktischen Staatskunst, ist bekannt. Manche unter ihnen haben Macchiavelli nichts nachgegeben. Von Protagoras rührt der Spruch her: „Aller Dinge Maß ist der Mensch, das Seiende für sein Sein, das Nichtseiende für sein Nichtsein“. Dieser Satz ist offenbar von Wichtigkeit für den Idealismus überhaupt, namentlich in dessen Form als Kritizismus. Skeptizismus findet sich naturgemäß überall in der Philosophie. In die Akademie eingeführt hat ihn Pyrrhon aus Elis (365–275 v. Chr.). Ein bedeutender Vertreter ist Arkesilaos (315 bis 240 v. Chr.), der jede Möglichkeit, durch Erfahrung oder Nachdenken zu Erkenntnissen zu gelangen, bestritt, also für die Wahrheit kein Merkmal in der Welt fand, und dem so die Wahrscheinlichkeit (Eulogon) als Richtschnur aller Behauptungen und Handlungen dienen mußte. Das eigentliche Haupt der so genannten Neuen Akademie war aber Karneades aus Kyrene (224–155 v. Chr.), der unerbittliche Kritiker den Dogmatikern gegenüber, die sich wesentlich aus der stoischen Schule rekrutierten. Ein höchst scharfsinniger Mann, vermochte er alle dogmatischen Lehren von Gott und Wahrheit mit guten Gründen anzugreifen und zu bekämpfen, indem er überall Widersprüche und nicht zu beweisende Annahmen aufdeckte. Nun, die Menschheit leidet ja von je daran. Wäre dem nicht so, so gäbe es ja keine Wissenschaft von Welt und Gott, sondern ein Wissen. Darum gerade retten sich die einen in die Dogmatik, andere in den Glauben, noch andere in die Wahrscheinlichkeit, und viele in die Intuition. „Was ist Wahrheit?“ soll Pilatus gefragt haben. Das wird eben immer und von je gefragt. Und die Untersuchungen der neueren Philosophie richten sich eben auf die Kriterien der Wahrheit, und darauf, eine Wahrheit aufzustellen, um alles andere daran anschließen zu können, wie Descartes eine solche in dem Ausspruch „Ich denke, also bin ich!“ gefunden zu haben glaubte und Fichte in seinem Ich-Satz. Wir werden noch vielen Skeptikern begegnen.

42. Phänomenaler Idealismus

Die Idee, daß die Dinge nicht so sind wie sie uns scheinen, findet sich vom Altertum durch das ganze Mittelalter mehr oder weniger deutlich ausgesprochen. In der neueren Zeit zuerst in ein System verarbeitet hat sie der in Irland geborene Engländer George Berkeley (1684–1753), ein großer Denker und Naturkenner. Er ist ein heftiger Gegner des Materialismus und Spinozismus und bezeichnet seine Lehre als Immaterialismus. In der Tat hat sie auch viel Theosophisches, wie er auch so manches von den mittelalterlichen Theosophen und Mystikern einfach übernahm. Er ist von der Wahrhaftigkeit Gottes im Cartesischen Sinne überzeugt. Also können Wahrnehmung und Vernunft nicht absolut lügen und trügen. Darum ist er auch Nominalist. Nun aber meint er, Wahrnehmung sei durchaus von dem Wahrgenommenen zu trennen. „Da wir wahrnehmen, daß verschiedene von den Empfindungen einander begleiten, so werden diese durch einen Namen umgrenzt und so für ein Ding ausgegeben.“ „Sinnliche Dinge sind hiernach nichts anderes als so viele sinnliche Qualitäten oder Kombinationen von sinnlichen Qualitäten.“ Alle diese Qualitäten sind aber, da wir wahrnehmen, nur in unserer Seele. Außerhalb Gottes und der Seele gibt es keine Erscheinungen. Da nun eine Erscheinung ganz ein Inneres ist, so können die Dinge den Erscheinungen nicht gleichen, die Erscheinungen sind keine Kopien der Dinge. Berkeley beruft sich überall auf physikalische und physiologische Erkenntnisse, die durchaus zutreffend sind. Und so ist es auch richtig, wenn er meint, daß wir unsere Wahrnehmung der Ausdehnung nicht den Dingen zuschreiben können, denn ein anderes ist die Ausdehnung in den Wahrnehmungen des Sehens, ein anderes in denen des Tastens; sie werden nur konfundiert, weil sie sich stets begleiten. Berkeleys Sensualismus ist hiernach ein innerer, ein Phänomenalismus. Und so ist zu verstehen, daß er Dinge ohne Erscheinungen in uns als Fiktionen bezeichnet, wie die abstrakten Figuren und Zahlen in der Mathematik. Ich darf auf entsprechende Ausführungen in meinem Buche „Philosophische Grundlagen der Wissenschaften“ hinweisen. So kämpft er auch gegen die Annahme einer absoluten Substanz, Materie, die niemand kennt und niemand kennen kann, und der man, um zu einer Welt zu gelangen, gezwungen ist, eine Menge verborgener Eigenschaften zuzuschreiben, die anderweit wieder abgestritten werden müssen; so Bewegung aus sich heraus, der doch die Trägheit widerspricht. Nur der Geist ist absolute Substanz, er allein ist tätig und wo er sich leidend verhält, folgt dieses aus der Schranke, die ihm gesetzt ist. Die Körper sind nicht, sondern sie werden: durch unsere Wahrnehmungen. Und so existieren sie nur „sekundär und abhängig“.

Gleichwohl ist Berkeleys System kein solches des reinen Scheines, noch weniger des Nichts. Das Kausalitätsprinzip greift bei ihm ein. Die Wahrnehmungen müssen doch irgend einen Grund haben. Diesen sieht er nicht wie Indier und Eleaten in uns selbst, sondern außer uns, in einem Geist außer unserem Geiste; und das ist der göttliche Geist. Seiner sind wir sicher, eben aus den Wahrnehmungen in uns, nämlich aus den Naturerscheinungen und ihrer Ordnung. „Der große Beweger und Urheber der Natur offenbart sich ständig selbst den Augen der Menschen durch sinnliche Intervention willkürlicher Zeichen (wie der Mensch durch willkürliche Zeichen, Sprache, seinen Geist offenbart), welche keine Ähnlichkeit noch Verbindung mit den bezeichneten Dingen haben.“ Das ist von vielen vor ihm schon gesagt und wird auch in der Bibel in der mannigfachsten Weise variiert. Aber hier handelt es sich um den kosmologischen Beweis Gottes. Und so ist Gott die naturierende Natur, und der überall und jederzeit wirkt. Wahrhaft ist alles nur in Gott als Eins. Was wir kennen und erkennen, sind Abbilder dieses Wahrhaften. Unser Geist wirkt wie Gott. Nur daß Gott ohne jede Beschränkung ist, so daß er beliebig schafft, und was er schafft der Ewigkeit angehört. Aus unserer Gottähnlichkeit folgt dann ein gewisser freier Wille. Wie aber das bewußt Böse? Das ist nicht gesagt, wenn es nicht als zur Ordnung der Dinge gehörig angesehen wird. Trotz allem Schein ist die Welt real. „Alle Dinge zusammen mögen ein Universum sein, Eines durch die Verbindung, Beziehung und Ordnung zu ihren einzelnen Teilen, welches das Werk des Verstandes ist.“ Rein intelligibel betrachtet aber sind die Dinge unbeweglich und unveränderlich. Man sieht: nur die Intervention Gottes, der absolut wahrhaft ist, macht es, daß hinter dem Schein eine transzendente Wirklichkeit vorhanden sein könnte. Und aus der gleichen Intervention ergäbe sich Berkeleys Rationalismus und die Möglichkeit der Wissenschaften, im Grunde wie bei Descartes. Die transzendente Wirklichkeit aber, soweit sie zugestanden sein sollte, wird fast pandeistisch aufgefaßt, und unser Verhältnis zu ihr, und damit zu Gott theosophisch. Im wesentlichen aber ist Berkeleys Phänomenalismus wirklicher Schein. Kant nennt das empirischen oder dogmatischen Idealismus.

Mit dieser Berkeleyschen Anschauung hat die spätere Fichtesche große Ähnlichkeit. Gott wird unmittelbar gesetzt als das absolute Sein, wie die Eleaten sich dieses Sein dachten. Alles andere ist nur Wissen als Bild des göttlichen Seins: Ein Sein Gottes außer seinem Sein, nicht Gott selbst, sondern sein Schema. In diesem Bilde ist das Sein ein Mannigfaltiges. Indem es aber, wenn auch ein Bild, doch ein Göttliches ist, muß es eine göttliche Weltordnung darstellen. Gleichwohl ist wie bei Berkeley die Natur nur die Schranke des Bewußtseins, und an sich eine nichtige und wesenlose Erscheinung, die ihr Dasein nur in unserer Vorstellung hat. Wieder ganz wie bei Berkeley steht die Natur zwischen Gott und Geist, Bewußtsein. Wir werden später sehen, daß in seiner ersten Philosophie Fichte umgekehrt Gott aus der Weltordnung abgeleitet, eigentlich die Weltordnung für Gott erklärt hat. Dieser Idealismus, der die äußere Welt in einen Schein auflöst und sie nur retten kann durch die Annahme Gottes und dessen absoluter Wahrhaftigkeit, ist sogleich nach Berkeley von dem Schotten David Hume (1711–1776) vollends auf die Spitze getrieben worden, indem auch die Autorität unserer eigenen Vernunft in Zweifel gesetzt ist. Denn unsere Vernunft ist nichts Bleibendes, sondern stetig Wechselndes, eine Folge von Bewußtseinsinhalten, kein seiender Bewußtseinsinhalt, so daß ein ständiges seiendes Ich nicht behauptet werden kann. Nur die zusammenhängende Kette dieser Folge erweckt den Schein eines solchen Ich, in Wahrheit leben wir ein solches Leben ohne Ich. Unsere Psychologie hat kein Subjekt, keine Seele, sie besteht lediglich aus assoziierten inneren Erscheinungen, ein Satz, den wir später bei modernen Psychologen wiederfinden werden. Es gibt also nirgend ein Wirkliches in der Welt, nicht außer uns, nicht in uns; alles ist Schein und Erscheinung, hier wie dort. Was die Erscheinungen und ihre Assoziation, Vergesellschaftung, in uns hervorbringt, wissen wir nicht. Wie auf einer Schaubühne treten die inneren Erscheinungen auf; Bühne und Regisseur sind uns aber unbekannt, von ihnen ist nichts aussagbar. Und was darüber ausgesagt wird, ist pure Einbildung. Es ist eine Art Deutung der Heraklitischen Lehre in eleatischem Sinne, und Hume kann sehr wohl auf diesem Standpunkte seiner Philosophie als Skeptiker bezeichnet werden. Gleichwohl hat er auch ein realistisches System begründet, das wir später (S. 407 ff.) kennen lernen werden, indem er das Unerschaubare beiseite ließ, sich an den Schein hielt, und diesen gleich einem festen Gegebenen behandelte.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 haziran 2018
Hacim:
655 s. 10 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain