Kitabı oku: «Das Weg ist das Ziel», sayfa 2

Yazı tipi:

Fremde Betten

Es riecht überall nach Wald.

Als ich aus meinen Erinnerungen erwache, finde ich mich in einem kleinen Raum. Ich stehe mittendrin und auch außerhalb. Es ist das vermeintliche Krankenzimmer.

Die Bettlägerige starrt mich an ohne zu blinzeln. Ihr Gesicht ist deutlich zu erkennen, obwohl es nahezu gänzlich dunkel hier ist. Es ist ohne jegliche Mimik, frei von Ausdruck oder Beschwerden.

Sie schaut einfach nur.

Die beiden Alten sind nicht hier, sie müssen noch im Laden sein. Sicher sind sie im Laden. Ich bin es ja schließlich auch.

Ich bewege mich nicht, weil mir nicht danach ist. Stehe wie fest gekettet und erwidere den Blick der mir Unbekannten. Sie muss sich doch das Gleiche von mir denken: „Steht da einfach nur und tut nichts, schaut mich einfach nur an.“ Also spreche ich: „Weshalb liegen sie“, ich werde unterbrochen. Ihr Mund öffnet sich, aber ich verstehe kein Wort. Ich ziehe die Brauen zur Geste, dass ich nichts gehört habe. Sie nimmt den rechten Zeigefinger vor ihren Mund, befielt mir still zu sein und zieht die Decke zurecht. Die Türe öffnet sich und meine Augen schmerzen vom plötzlichen Licht. Einer der Männer steht im Rahmen, der ältere, und er hält einen Gegenstand in der linken Hand. Es sieht aus wie eine Streichholzschachtel.

Aber was will er jetzt damit?! Licht ins Dunkle bringen! Es hängt keine Lampe an der Decke, er will also den Raum erhellen. Aber eine Kerze steht auch nirgendwo.

Er macht zwei lange Schritte und steht vor dem Bett, schaut über seine Schulter zu mir rüber, so als stelle er sicher, dass ich zuschaue bei dem was er tut.

Er gibt die Schachtel an die Frau im Bett, deren Gesichtsausdruck lange nicht mehr neutral ist. Seit sie mich ruhig gestellt hat, wirkt sie angespannt. Ihre Spannung droht fast zu zerreißen, als sie die Zündhölzer in den Händen hält. Mit einer Bewegung schiebt sie die Lade aus der Hülle und verteilt den Inhalt auf ihrer Brust.

Ohne lange zu zögern, zieht sie mehrere Hölzer nacheinander an der Zündfläche entlang. Keines geht an, keines verhält sich so, wie man es von ihm erwartet hätte.

Zusehens fängt die Frau an zu zittern und zu schwitzen. Sie wird noch unruhiger, zappelt umher, während sie die Hölzer entlang streicht und als das Letzte nach mehreren kläglichen Versuchen unter einer kleinen Rauchwolke bricht, bricht ihr Frust in einem Wutanfall aus. Sie tobt im Bett umher, beißt ins Laken, schlägt ihre Fäuste gegen die Wand und schreit.

Nein. Moment.

Ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Ohren. Ich höre nichts. Sie tobt, aber ich höre keinen Mucks.

Der alte Mann dreht sich vom Bett weg und muss mich wohl sofort verstanden haben: „Ganz ruhig, unsere Frau Blattzweig hier ist eben etwas durcheinander.“

Dem Himmel sei Dank, ich bin nicht taub.

„Was meinen Sie mit durcheinander? Ist sie stumm?“

„Nun, wissen Sie, sie war einst eine angesehene Online Journalistin...

Sie schrieb Kolumnen für eine große Zeitung, Berichte für viele regionale Blätter und landete ihren größten finanziellen Erfolg mit einem Skandal über einen bekannten Politiker, in einem Schmierblatt, dessen Verwaltungsgebäude vor einigen Jahren Opfer eines politischen Anschlags wurde und nicht mehr länger existiert.

Von ihrem Honorar für diesen bahn- und intimitätsbrechenden Bericht, flog sie mit ihrem alten Vater an sein Wunschziel auf dieser Erde: Alaska.

Sie versuchte den Vater zuerst noch zu überzeugen, doch in einem Hotel zu übernachten, aber er hatte sich diesen Trip sein Leben lang erträumt und genauestens ausgemalt.

So mieteten sie also eine kleine Holzhütte am Knie eines Berges von einem Einwohner der nächstgelegenen Stadt.

Gemütlich an einem See gelegen, um sie herum nur Felsen und Schnee.

In der dritten Nacht gab es ein Erdbeben.

Sie wurden von einem Schneerutsch überrollt.

Eingesperrt in der Hütte und ohne Handyempfang, versuchten sie den Kamin wieder frei und an zu bekommen, denn der Schnee hatte sich durch den Schornstein auf die Feuerstelle verschlagen und sie erlischt. Es wurde kälter und kälter in der Hütte, sie zogen alle warmen Sachen an, die sie fanden. Schließlich war die Feuerstelle wieder frei. Unsere Frau Blattzweig nahm also die übrig gebliebenen Streichhölzer und versuchte das Feuer wieder zu entfachen, aber keine Chance, jedes Holz brach ab oder wollte einfach nicht zünden. Sie mussten sich also zusammenlegen und sich gegenseitig warm halten, aber ihr Vater schaffte es nicht. Er erfror.

Eine bis zwei Stunden später fand man sie unter dem Schnee, sie hatte ihren Vater immer noch in die Arme geschlossen und bewegte sich keinen Zentimeter von ihm.“

„Sie grausames Monster! Und Sie geben ihr immer wieder defekte Streichhölzer!“

Ich will meiner Wut Ausdruck verleihen, schreie und will den alten Mann schlagen. Aber ich kann mich nicht bewegen. „Was haben Sie mit uns gemacht?! Wieso kann ich mich nicht bewegen, aber schreien und sie kann sich bewegen, aber nicht schreien?!“

„Bleiben Sie ruhig, ich werde Sie gleich erlösen.“

„Nein! Sie werden es jetzt tun, ich möchte Ihnen weh tun!“

„Wenn dem so ist, werde ich Sie noch etwas hier stehen lassen. Bis morgen.“

Er dreht sich um und geht in Richtung Tür.

Er stoppt und greift nach etwas auf dem Boden. Da liegt noch ein Streichholz. Unbenutzt.

Die Hülle der Hölzer hat Frau Blattzweig vor Wut durch den Raum geworfen. Er hebt sie auch auf und zündet mit einem Gesichtsausdruck der sagt: „Geht doch.“ und einem leichten Kopfschütteln das Holz.

Ich blicke zu ihr herüber, aber sie ist schon vor Erschöpfung eingeschlafen. Ansonsten wäre sie wohl vollends ausgerastet. Der Mann schließt die Tür.

000

Langsame, halblaute, elektronische Musik.

Gedimmtes Licht; Puls: 120 Schläge pro Minute - Tendenz steigend.

Sie mag es, wenn ich sie drücke.

Sie mag es sehr wenn ich sie drücke, ziehe, ihr aus Jux widerspreche,

nur um im nächsten Moment alles zuzulassen.

Wir haben beide etwas gleichzeitig auszuleben und zu verstecken.

Mein Geheimnis kennt sie, ihres hat sie mir nicht gesagt,

es ist ihr aber wie mit dickem Edding

auf die Lider uns ins Gesicht geschrieben:

Ich bin der perfekte Übergangsmensch,

eine Zwischenlösung die nie die Wahrheit

aber zumindest den Anschein ihrer darstellt,

wenn man es nur sehen will.

Und ihr Wille ist alles was sie hat.

Die Ehrlichkeits- und Realitätsfesseln der Sonne,

haben wir mit ihrem Untergehen abgelegt

und flüstern uns nun schöne, zweckgebundene Liebeslügen zu.

Ich weiß es, bin mir dessen bewusst,

dass ich mich mit meinen Worten und Taten am Meisten betrüge,

aber ist sie sich dieser Scheinheiligkeit auch bewusst?

Wie ein Schwert in Stein

So wache ich auf.

Ich liege.

Es ist dunkel, aber meine Augen stört das nicht.

Im Bett gegenüber liegt die stille Frau.

Mein Kopf liegt zur linken Seite geneigt auf dem Kissen. Ich auf dem Rücken, in der gemütlichsten Position, unter der angenehmsten Decke die es gibt.

Sie starrt mir ängstlich in die Augen, wie ein Kind, dass man zum ersten Mal allein unter Fremden lässt. Sie zittert.

Mir fällt auf, dass es sehr kalt in unserem Zimmer ist und ihre Decke auf dem Boden liegt.

Als ich abwechselnd sie und ihre Decke anschaue, mit fragendem Blick, der, wie ich hoffe, ausdrückt: "Soll ich Ihnen helfen sich wieder zuzudecken?", hebt sie ihre beiden zittrigen Hände von der Brust und deutet ein STOPP.

Ich zögere kurz, will ihr aber dann doch Gutes tun, auch wenn es gegen ihren Willen ist.

Ich kann mich nicht bewegen.

Erst jetzt fällt mir die Schwere auf.

Die Leichtigkeit, wohlige Wärme und Versunkenheit, die mich eben noch so behütet hat aufwachen lassen, fühlt sich nun an, als stecke ich in fast ausgekühltem Grießbrei, bis zum Hals.

Es ist warm, aber es hält mich fest, das Federbett drückt mir auf die Lunge und erschwert mir das Atmen. Ich versuche mich zu beruhigen und spüre einzeln in verschiedene Teile meines Körpers. Ich habe Muskelkater. Überall. Als wäre ich einen Marathon gerannt. Und anschließend noch drei weitere. Ich schaue zu Frau Blattzweig herüber und finde Ruhe in ihren Augen.

Sie zittert nicht mehr. Ihr Gesicht wird zu dem einer besorgten und wohlwollenden Mutter. Sie streckt sich, greift nach ihrer Decke und deckt sich wieder zu, besser als ich sie je hätte betten können. Eingekuschelt sieht sie nun wieder zu mir, noch sanftmütiger als zuvor, legt einen Finger auf ihre leicht geöffneten Lippen und schließt langsam ihre Augen, ohne den Blickkontakt zu mir zu verlieren. Ich komme wieder zur Ruhe, die schwere Decke wird wärmend, die kalte Luft an meinem Gesicht angenehm kühl und das Bett eine Herberge.

Ich erinnere mich an den Tee der beiden Herren und mir wird flau nur beim Gedanken daran. Er muss vergiftet gewesen sein. Das ist es. Ich wurde vergiftet.

Was bleibt mir nun? Gefangen in Gemütlichkeit.

Also schließe ich die Augen und fange an zu träumen.

Spiel mit

Ich traf sie in einer nur durch Kerzenlicht beleuchteten Bar in der Altstadt. Ihre Figur war die einer Genießerin. Sie wusste was sie wollte. Ob es Drinks, Zigarettenmarke, Musik oder Männer waren. So sah sie für mich aus. Mittellanges dunkelbraunes Haar, ein rundes blasses Gesicht, braune Augen, die wie mit Ölkreide gemalt glänzten und die Hälfte ihres Gesichts ausfüllten.

Ich weiß nicht wie ich es schaffte, doch wir kamen ins Gespräch.

Es gab nicht viel zu sagen. Eigentlich genügte ihr Blick und ihre Körpersprache um zu wissen, dass sie das dachte, was ich mich nicht zu denken traute.

Wir verließen zusammen die Bar, raus auf die engen, von hohen, dunklen Häusern eingesperrten Straßen. Ich folgte ihr, sie zog mich. Meine Hand fest in ihre eingeschlossen. Dass diese schwitzte schien ihr gerade recht. Wir sprachen nicht miteinander, sie ging und ich folgte, wie ein Junge der von seiner Mutter durch die neue, große Welt des Einkaufens, beschützt geführt wird.

Sie klaute mir, wenn sie selbst vom Bestaunen der Nacht, dass sie, trotzdem sie schon länger hier zu wohnen schien, tat, abließ, ein Funkeln aus meinen weit geöffneten Augen, dass sich sofort in

ein Gefühl von Wärme und ein kurzes Drücken auf meinem Handrücken verwandelte.

Nachdem die Lichter lange hinter uns waren, traten wir in ein schmales Eckhaus. Sie kramte ihren Schlüssel aus der Tasche ohne mich los zu lassen. Drei Schritte durch das dunkel gekachelte Foyer in den Aufzug, der mitten im Gebäude frei nach oben führte. Es war ein Gitteraufzug, man konnte beim Steigen ins Haus schauen und an die Eingangstüren der Wohnungen.

Erst jetzt, im zweiten Stockwerk, fiel mir auf, dass noch sechs weitere Personen im Aufzug standen. Er war nicht zu groß um sie zu übersehen, wir kuschelten sogar fast alle miteinander, aber ich

war so in der Szene des Moments verloren, dass sie mir entgangen waren.

Vierter Stock, ich öffnete das Gitter mit beiden Händen. Alle stiegen aus, wir auch. Es waren drei Mädchen und drei Jungs die mit uns gefahren waren. Jedes Mädchen schnappte sich einen Jungen und sie verschwanden jeweils hinter einer Tür. Ich klopfte an einer Tür die sich vor mich schloss, weil ich meine Göttin verloren hatte und fragen wollte, wo sie ist. Die Tür öffnete nur einen Spalt weit. Aus dem 20-jährigen Mädchengesicht von eben ist ein 40-jähriges Kassiererinnen-Gesicht geworden, dass zu mir, ohne ein Wort von mir gehört zu haben sagte: „Hier ist besetzt, komm in einer Stunde wieder.“

Eskorten? Oh nein, ist meine Göttin eine Eskorte, die die Liebe nur zu gut kennt und weiß wie man sie spielt, damit Jünglinge und Laufburschen der verlorenen Romantik ihr zu Füßen liegen? Bitte nein, das darf nicht wahr sein, sie schien so echt und unverkrampft.

Doch sollen Freudenmädchen nicht genau so sein? Ich wurde reingelegt.

Verloren, enttäuscht und orientierungslos stand ich also im dunklen Flur und mein Mädchen war.. Sie griff mich von hinten an der Hand und zog mich weiter. Ein kurzer Blick von ihr, der in meinem

Kopf klang: „Nanana!“

Wir betreten ein Zimmer. Ihr Zimmer anscheinend. Sehr große Laufflächen zwischen den wenigen Möbelstücken. Ein Bett, ein Schrank, ein Sofa, ein Teppich, ein Tisch. Und ein kleiner Balkon, bei Nacht allerdings uninteressant. Bei solch einem Mädchen sowieso.

Ich stand beim Tisch, forschte nach Hinweisen, zumindest wollte ich so aussehen als ob.

Sie saß mittlerweile auf ihrem Bett und schaute genervt rüber: „Was ist? Fickst du mich jetzt endlich?“, ich musste schlucken und versuchte mir meinen Gleichgewichtsverlust nicht anmerken zu lassen.

Wieder vom Sofa aufgestanden, ging ich einen Schritt auf sie und das Bett zu. Sie hatte sich mittlerweile in Jeans, Jacke und Schuhen in erwartender Haltung, wie ein Hund der seinen eigenen Schwanz jagt, auf das Bett gekniet. „Jetzt mach schon!“ und sie schlug sich auf den viel zu schönen Hintern, „Worauf wartest du denn?!“

Ich war wie in Schockstarre. In meinem Kopf kreisten hunderte Gedanken.

Los, Druck, Wow!, Nein, Ja, Ja, Name, Herzschlag, atmen, Sie doch nicht, viel zu schön, Macht sie Scherze?, Ist das ein Test?, Ironie?, Darf ich lachen?, Will sie's trotzdem?, Ist es unhöflich abzulehnen?...

In mir kam das Gefühl auf zu verschwinden.

Es war mir unangenehm, schon immer, wenn Frauen ganz klar sagten was sie wollten.

Aber wenn sie nichts sagten, war das frustrierend und ich verlor mich in Gedanken.

Meinen Finger auf dem Rufknopf des Aufzugs schaute ich zurück und sie stand in ihrer Tür, lehnte am Rahmen mit überkreuzten Beinen und zuppelte an ihrer Jackentasche herum wie ein Grundschulmädchen, dass dir sagt, dass sie dich liebt. Sie grinste verwegen in ihren Kragen und streckte ihre Hand nach dem Boden aus. Ich schlurfte auf sie zu, nahm ihre Hände in meine, roch an ihren Haaren und wir küssten uns.

Dann setzten wir uns auf ihr Bett und verbrachten den Rest der Nacht und den Vormittag damit, uns Geschichten aus dem Kindergarten, der Einschulung, der großen Pause und dem Abschlussball unserer Kinder zu erzählen.

Morgen

„Guten Morgen, Herr K., hab' ich mit Ihnen eigentlich schon mal übers Lügen gesprochen?“

Der Alte sitzt an meinem Bett. Er raucht gezwungen entspannt eine Zigarette und ascht in den Ascher, den er auf Höhe meiner Knie aufs Bett gesetzt hat.

„Wenn ich zum Beispiel „Guten Morgen“ sage, will ich damit bezwecken, dass Sie mir zuhören, aufwachen, die Augen öffnen und mir im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zeigen, dass Sie da sind.“

Ich schaue auf seine Zigarette. Er hält sie zwischen Daumen und Mittelfinger. Der Rest seiner Finger ist so weit wie möglich von der Glut gespreizt.

„Wie viel Uhr ist es?“, frage ich. „Ich weiß währenddessen aber, dass ich Sie glauben lasse, dass ich Ihnen Gutes für diesen neuen Tag wünsche.“ - „Ich habe etwas Hunger, gibt's Frühstück?“,

„Wer ist es also den ich zuerst belüge? - Ich! - Genau! - Mich selbst! - Ich lüge mir vor, Ihnen etwas zu wünschen, weiß aber, dass es mir hier nur darum geht, einen Zuhörer zu finden. Sie denken sich vielleicht sogar, dass es abstrus, geschmacklos,... penetrant-lächerlich! ist, dass Ihnen einer der beiden die Sie hier eingesperrt haben, einen schönen guten Morgen entgegnet, während er seelenruhig seine erste Zigarette seit 17 Tagen raucht.“ - „Kaffee? Tee? Eine Scheibe Toast vielleicht?“ - „Sehen Sie! - Wieso mache ich das?! Es ist ihnen ja nicht mal aufgefallen! - Ganz klar!“ - „Dass der Roomservice hier nicht gerade für das Hotel spricht?“ - „Ich lüge mir selbst etwas vor!“, er zieht an seiner Zigarette und die Asche fällt ihm auf die Hose. „Niemand sonst erntet mehr Betrug und Enttäuschung aus unseren Lügen als wir selbst.“

Ich denke laut: „Immerhin einer also, der uns zuhört.“, „Wachen Sie auf, Herr K.! Wachen Sie auf! Aufwachen! Genug gefaulenzt! Jetzt wird gearbeitet! Sie haben Überstunden abzubauen, die ich Ihnen später nicht anrechne! Wachen Sie doch endlich auf! Gut sehen Sie heute aus! So erholt und gesund. Auf Wiedersehen, Herr K.! Auf das Wiedersehen.“

Er sitzt leicht nach vorn gebeugt in erwartender Haltung, die Beine auf doppelte Schulterbreite geöffnet da und starrt mir ins Gesicht. „Auf Wiedersehen!“, sagt er schon wieder.

Er bleibt sitzen, starrt und zündet sich, die bereits hinter seinem Ohr klemmende, Nächste an. Er zupft sich das Hemd zurecht, wischt die Asche von seinem Schoß, steht auf, schiebt den Stuhl mit der Sitzfläche unter mein Bett, nimmt den Aschenbecher in die Hand, atmet aus, ein, aus, zieht an der Zigarette und geht zur Tür. In seinen Wolken eingedeckt spricht er dann, halb in der Tür stehend, mit dem Fußboden: „Es ist zehn nach elf, Frühstückszeit ist vorbei“, geht schlendernd aus der Tür und lässt sie hinter sich zufallen. Der übrige Rauch wirbelt immer langsamer und findet auch bald, dass das Gespräch nun vorüber ist.

Brückstück

Es ist ein langer Samstag und man kann die Leute noch um kurz vor Acht auf der Straße hören.

Ich liege in meinem Bett und denke nach. Ich denke an eine meiner früheren Freundinnen.

Sie war sehr handzahm, klein und verspielt. Ein Kind fast, aber im Alter und mit den Angewohnheiten einer 23-Jährigen. Sie wohnte zusammen mit einer Freundin aus ihrer Kindeszeit jetzt zum Studium in Osnabrück. Ich fuhr sie einmal die Woche besuchen, wenn sie nicht zu mir kam. An diesem Wochenende, an das ich mich erinnere, liefen wir zu dritt, ich und sie mit ihrer Mitbewohnerin durch das große Dorf, die schöne eng gebundene Innenstadt, auf der Suche nach einer Möglichkeit zu tanzen. Wild und frei, wie es unserem Alter entsprach. Mit Alkohol, verwirrten aber lustigen Blicken, quer über die Tanzfläche, wenn man sich gegenseitig dabei ertappt, nicht zu wissen und gerade zu raten, wie man zu solcher Musik wohl tanzt.

Ein Ort an dem man die Zeit vergessen kann, wenn man nur genug trinkt und hoffentlich nichts aufweckend dazwischen geschoben wird, in Form von Auswurf durch die Speiseröhre oder die Erinnerung an das wirkliche Leben und seine Probleme, die angesichts dieser scheinheilen Welt, verständlicherweise noch viel überdimensionierter wirken.

Wir fanden in einer Seitengasse, parallel zur durch die Innenstadt führenden Hauptstraße, einen kleinen, in dunklem, grünen Licht schimmernden Eingang. Eine alte Holztür ohne Fenster, wie sie an vielen alten Kellereingängen zu finden ist. Über oder neben der Tür stand nichts geschrieben.

Nur ein kleines Klingelschild mit der Aufschrift Debauche. Wir gingen hinein ohne zu klingeln.

Wie ich schon vermutet hatte, gingen wir erst mal eine Treppe hinab, sehr schmale, hohe und kurze Stufen, fast als würde man in eine freigelegte Salzgrotte hinab steigen, nur nicht ganz so schwül.

Die beiden Mädchen liefen voraus, als wären sie schon einmal hier gewesen, ich kam geduckt und mit den Armen zum Schutz über dem Kopf, damit ich mir ihn nicht stieß, langsam hinterher.

Unten angekommen war die Schiebetür schon offen von meinen Vorläuferinnen. Ein roter Schein fiel hindurch, jedoch nur sehr schwach.

Ich betrat den Raum und vor mir fand ich einen Haufen von buckligen Decken, auf einer Liegefläche oval angeordnet, die fast den kompletten, winzigen Raum einnahmen. Beim genaueren Hinsehen und nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dachte ich meine Freundin dort, unter einer dieser Decken, schlafen zu sehen. Ich wartete und schaute genauer hin. Sie drehte sich auf die andere Seite und sie sah ihr tatsächlich sehr ähnlich, genau wie ihre Nachbarin. Dort lagen auf einer Art Bühne, die vollständig Matratze war, jede Menge Mädchen die meiner Freundin ähnlich sahen, aber keine war sie. Einige hatten ihren Klamotten von gestern an, andere ihre Frisur der letzten Woche kopiert, aber ich fand immer kleine Unterschiede, wie eine zu lange Nase, einen zu spitz geformten Unterkiefer oder eine andere Art Entspannung in der Mimik während sie schläft. Alle schliefen sie tief und fest, aber keine davon konnte eine von denen sein die ich suchte, dessen war ich mir sicher.

An der rechten Seite der Liegefläche sah es aus als wäre der Boden gekachelt. Plötzlich Klick und überall rote Punkte an der Wand die sich bewegten, alle in die gleiche Richtung. Ruhig, ohne Musik, überhaupt hörte ich keinen Ton in dieser Bar. Die Kacheln waren, stellte sich heraus, eine weitere, winzige Treppe, die entlang des Bettes ein paar Meter tiefer führte, in einen Abschnitt den man noch als Flur hätte gelten lassen können.

Der kleine Flur war schwach beleuchtet. Ich ging ein paar Meter und alles war schwarz. Der Boden, die Wände, die Hocker und die Theke die hier auf der linken Seite standen. Alles was glänzte waren die Flaschen auf der Theke, vor den bar-typischen Spiegeln und die Zapfanlage. Aber niemand stand hinter der Theke.

Ich tappte weiter durch den Flur und fand die nächste Tür nur durch abtasten der Wand, da sie schwarz wie alles andere war. Ich stieß sie offen und sofort hörte ich ein Klavier spielen und helles Tageslicht fiel durch den Spalt. Es war fast unglaublich was ich dann sah.

Ein Raum so groß, dass es eine Eingangshalle eines Bahnhofs hätte sein können. Zwei in Holz verkleidete, viereckige Säulen ragten vom Boden bis zur Decke und stützen den Raum. Statisch und emotional. Laminatboden.

An der Kopfseite, in vier bis fünf Meter Höhe, befand sich eine Fensterreihe, die sich über die gesamte Raumlänge erstreckte. An der linken und rechten Seite des Raumes führten jeweils zwei Stufen auf einen podestartigen Rand. Ich schlich mich zwischen den beiden Säulen hindurch und sah das Klavier, an dem ein Mann, mit dem Rücken zu mir, hellblaues Hemd, beige Schirmmütze, Jeans und schwarze Lederschuhe und meine Freundin saßen. Er spielte gerade schwere Akkordfolgen die den Raum, so hell er auch war, mit Misstrauen erfüllten.

Vielleicht vertonte er meinen Eintritt.

Schirmmützchen stieß meine Freundin leicht an und sie entlockte der Klaviatur eine kleine Verzierung, ein Solo sozusagen, bestehend aus 9 Tönen, dass dem Spiel ein Ende brachte. Als die Töne sich verloren, sprach der Kerl mit seinem ganzen Körper, wie einer ihrer besten Freunde mit ihr: „Wow! Wo hast du das denn gelernt? Das war ja unglaublich schön!“ und fuchtelte dabei mit seinen Händen viel zu doll in der Luft und an ihr herum. „Ach, das war doch gar nichts..“ sagte sie beschämt und ich dachte mir, dass es das wirklich nicht war.

„Wollen wir nicht etwas trinken gehen und uns danach etwas gehen lassen?“, fragte er. „Zu den andern nach oben?“, fragte meine Freundin in froher Erwartung.

„Nein, wir können zu mir gehen, da sind wir ungestörter.“

Er fragte nur sie. Ihre Mitbewohnerin stand, genau wie ich, einfach nur herum und horchte dem Schauspiel. Ich war inzwischen auf den Tribünenplätzen der Vorstellung angekommen. Auf den Seitenpodesten des Raumes führten weitere Treppen nach oben, auf eine Art Innenterrasse. Dort stand ich wortlos. Meine Freundin schaute mich an und ich las in ihrem Blick die Frage, ob das in Ordnung sei, wenn sie jetzt mit ihm gehe. Ich fuchtelte mit der Hand, dass sie schon endlich gehen sollen und sagte: „Solang du den Kerl nicht fickst.“ Sie lachte mir zu und sagte: „Du bist der Beste!“

Dann zeigte Schirmmützchen ihr den Weg und sie verschwand. Mitbewohnerin ging zurück an die Bar und war auch aus dem Raum verschwunden. Nur noch Schirmmützchen und ich waren übrig geblieben.

Ich ging zu ihm hinunter auf die Klavierfläche. Er hatte furchtbar schlechte Haut, fast als würde er Kette rauchen und jede Zigarette mit dem Gesicht aus machen.

Er stand auf und lief durch die Gegend. Dann unterhielten wir uns.

Ich Hast es ja schön hier.

Er Ja es ist schon etwas Besonderes.

Ich Aber wie hält sich so ein Scheißladen denn eigentlich?

Er Was soll das denn jetzt bedeuten?

Ich Seien wir mal ehrlich, das Beste hast du hier nicht zu bieten, noch nicht einmal den durchschnittlichen Eckkneipenkram.

Er Findest du?

Ich Hier läuft keine Musik, du bist ganz allein hier, es ist sehr teuer ausgestattet. Wie

machst du das? Wie kannst du dir diesen Scheiß leisten?! Wieso ist dieser Laden immer noch geöffnet?! Du hast doch keine zahlenden Kunden!

Er Aber dafür Glückliche.

Ich Papperlapapp! Du bist ein Arschloch und das weißt du auch! Verführst hier meine Freundin, mit deiner ach so mysteriösen Art und Bar, redest ihr ein, sie sei ein Talent sondergleichen!

Er Oh, das ist sie wirklich!

Ich Halt's Maul! Du verlogener Hund!

Er Es tut mir Leid, ich muss jetzt gehen. Auf Wiedersehen.

Ich Ja, auf Wiedersehen. Typen wie dich seh' ich jeden Tag.

Also ging er und beendete die Beziehung zwischen mir und ihr.

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