Kitabı oku: «Frau mit Hund», sayfa 2

Yazı tipi:

Leckerli

Nehmen Sie bitte Ihren Hund zurück. Ich habe Angst um meine Kinder!“

„Statistisch gesehen werden Kinder weitaus häufiger durch häusliche Gewalt verletzt als durch einen Hund. Schönen Tag noch!“


Nahidioterfahrung

Wenn man im Wedding wohnt, dann kommt man in den Genuss von günstigem Wohnraum, den man sich in der Größe im reichen Zehlendorf sicher nicht leisten könnte.

Man darf Tag für Tag Nachbarn genießen, mit denen man im Leben keinen Kaffee trinken gehen würde. Stellt sich die Frage, ob die überhaupt jemals Kaffee trinken oder ihrem Körper ausschließlich flüssige Nahrung in Form von Bier „in Flasche“ – ein unabdingbares Accessoire hier im Kiez – zukommen lassen.

Man sieht Menschen, bei denen man sich fragt, wie sie in diesem Zustand überhaupt noch lebensfähig sind.

Man badet in dem selbst gewählten Leid, tagein, tagaus, mal mehr, mal weniger schlimm.

Für mich ist der ganz persönliche Vorteil vom Wohnen im Wedding die Nähe zu meinem Arbeitsplatz, die wahrhaftig noch günstigen Mietpreise und die Tatsache, dass man als Hundebesitzer hier überhaupt nicht auffällt. Leider? Gott sei Dank?

Und solange der Leidensdruck noch nicht groß genug ist, werde ich auch erst mal bleiben. Vielleicht so lange, bis ich zu tatterig und alt geworden bin, um das Pfefferspray zu halten. Wer weiß?

Die Tatsache, dass hier jeder einen Hund hat, stellt aber auch gleichzeitig ein Problem dar. Zumindest wenn man sich mit Hundeerziehung, artgerechter Haltung und Tierschutz auseinandersetzt. Dann sollte man auf großen Wohnraum pfeifen und schleunigst in den Grunewald ziehen.

Oder – alternativ – sich eine „Hab ich nicht gesehen“-Mentalität zulegen, von der ich allerdings noch meilenweit entfernt bin, wie mir heute wieder erschreckend klar wurde.

Wie jeden Morgen spazierte ich mit meiner Hündin in Richtung Bürgerpark / Schönholzer Heide. Irgendwann tauchten vor mir zwei junge Männer mit insgesamt drei Hunden auf. Alles stolze Kaliber, wie es sich für richtige Kerle gehört. Der eine hatte einen doppelt gesicherten Rottweiler an der kurzen Leine und der andere eine Dogge und einen Dalmatiner, die entspannter neben ihm liefen, wie es schien. Mit Abstand ging ich hinter der Combo her, da wir erstmal den gleichen Weg hatten und mir der Rottweiler nicht ganz geheuer war. Ha, wie blöd von mir.

Als die Dogge sich hinhockte, um einen respektablen Haufen auf den Bürgersteig zu setzen, sah ich meine Chance zum Überholen, was ich auch tat.

Der Kollege mit dem Rottweiler war schon auf der anderen Straßenseite, während sich sein Kumpel noch mit zwei Leinen und einem Kotbeutel abmühte.

Dafür übrigens meinen Respekt. Hätte nicht gedacht, dass der den Haufen wegmacht. Oder zumindest den Versuch unternimmt, denn es sollte anders kommen! Ich ging meines Weges, fühlte mich aber durch einen kleinen Aufruhr in meinem Rücken genötigt, mich noch einmal umzusehen.

Hoppala… der Meter Dogge lag auf einmal auf dem Asphalt und Herrchen kniete über dem Bello und würgte ihn an der Kehle. Aha…erzieherische Maßnahme: der berühmt berüchtigte Alphawurf. Mir war sofort klar: Ich hatte hier einen Profi vor mir.

Ich denke mir „Melanie, geh weiter, das geht dich nichts an!“, drehte mich um und lief einige Meter meines Weges. Eine Kraft, gegen die ich mich nicht wehren konnte, zwang mich aber dazu, mich nochmals umzudrehen. Könnte aber auch das Geräusch gewesen sein, dass der Dalmatiner gemacht hat, als er dem Beispiel der Dogge folgend, von dem Meister der Hundeerziehung seitlich auf den Asphalt geknallt wurde.

Die Nummer mit „geh weiter, das geht dich nichts an“ war an dieser Stelle aufgebraucht und ich merkte, wie ich mich umdrehte und auf diese lustige Gruppe zuging.

‚Freundlich, Melanie, freundlich… mit motzen kommste nicht weiter‘ denke ich noch als ich mich die Worte sprechen höre: „Hallo! Es ist ja eigentlich nicht meine Art, mich einzumischen (glatt gelogen, aber der kennt mich ja nicht), aber ich könnte dir vielleicht einen Tipp geben, wie du deine Hunde erziehst, ohne ihnen die Rippen zu brechen!“

Dazu ein freundliches Lächeln mit kleinmädchenhaft zur Seite geneigtem Haupte. Soll ja bei manchen Männern ziehen die Masche. ‚Auch bei dem’, dachte ich gerade zu Ende, als mir ein unüberhörbares: „GEHEN SIE DOCH EINFACH WEITER!“ entgegenwehte.

Hui… der war für Tipps wohl erst mal nicht offen oder stand noch unter Erziehungsstress. Jeder hatte eine zweite Chance verdient und das von ihm gewählte „Sie“ machte mir Mut und schürte die Hoffnung, es hier mit einem kultivierten Menschen zu tun zu haben. So sprach ich todesmutig weiter: „Kein Grund zur Aufregung. Ich will nur helfen und habe vielleicht echt einen guten Tipp. Man kann doch mal miteinander reden, oder?“

„Nein!“

Kann man nicht!

Das, was der kleine Mann mit der großen Hundeerfahrung mir nun entgegenschleuderte, grenzte schon fast an Unhöflichkeit.

Gut!

Man kann nicht jede Schlacht gewinnen, die Hunde standen wieder und schienen unverletzt. Und dennoch…

„Pass mal auf, wenn Du Hilfe brauchst, es gibt da eine gute Hundeschule in… !“

Was soll ich sagen. Ungezogen wurde ich gar rüde oder von Rüde unterbrochen, denn das Bürschchen ließ die Leine seiner Dogge los, zeigte mit ausgestrecktem Arm auf mich und meinen Hund und schmetterte ein fröhliches „SCHNAPP SIE DIR!“ in den Novemberregen.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass der Herr der Hunde nicht Herr der Lage war und konnte nicht abschätzen, ob es seinem Hund ähnlich geht. Die Dogge aber ganz Dogge trottete freundlich auf uns zu und setzte zum gutgelaunten Beschnuppern an. Uff.

Der Rottweiler auf der anderen Straßenseite hätte die Nummer sicher anders gelöst.

Ich brachte mich zwischen meine Hündin und Dogge und scheuchte letztere, sicher zum gesammelten Stolz meiner Hundetrainerin, wenn sie das hätte sehen können, weg. Und die Dogge folgte und zog sich zurück.

Blick auf Bürschchen „Siehste! Geht doch ganz einfach!“ Lächeln.

Zumindest bei mir.

Mr. Hundeflüsterer rastete nun völlig aus und schrie: „Verpiss dich, du F…“

Konrad Adenauer hatte Recht. Machen Sie sich erst mal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen. Vier Jahre nach dieser Begegnung habe ich den Wedding verlassen.

Leckerli

„Du bist aber ein Hübscher!“

„Hübsche!“

„Ach so. Na dann bist Du aber eine Hübsche!“

„Oder meinten Sie den Hund?“


Hund à la carte

Ich habe jahrelang einen ausländischen Tierschutzverein unterstützt. Meine Hündin habe ich höchstselbst in Olbia auf Sardinien abgeholt. Mein Rüde ist auch von dieser italienischen Insel.

Der Import von ausländischen Hunden wird mal mehr, mal weniger diskutiert. Wie überall gibt es auch hier schwarze Schafe, die aus Profitgier oder aus falsch verstandener Tierliebe keine gute Arbeit leisten. Dann wird auf Teufel komm raus vermittelt. Vor- und Nachkontrollen fehlen genau so wie ausführliche Beratungsgespräche. So wird im schlimmsten Fall aus einem vermittelten Hund ein Wanderpokal. Oder er kommt gleich unter die Räder deutscher Qualitätsautos, da ein lockeres Halsband nicht ausreicht, wenn der unbekannte Auspuff knallt, die noch nie gehörte Fahrradklingel scheppert oder überraschend Plastik im Gebüsch raschelt.

Seriöser Tierschutz ist beratungsintensiv, anstrengend, zeitraubend. Bei Erfolg herzerweichend, energiespendend und einfach nur schön. In der Regel ist er aber zu 100 % ehrenamtlich und knallt einem mit all seinen Anforderungen in das alltägliche Leben.

Wenn dann der normale Menschenverstand aussetzt, die Müdigkeit an einem zehrt und die Emotionen oberhand gewinnen, dann wird aus dem Profi ein Nervenbündel, aus einer gedankenlosen Anfrage eine dämliche und die flache Hand schlägt knallend an die Stirn. Und dann möchte man mal, befreit von allem was muss und dem, was man nicht tut, frei von der Leber weg, antworten. In der Hoffnung, dass es einem hilft. Und man tut es doch nicht. Außer für ein Buch wie dieses hier. Also, da kam sie, diese Mail:

Von: „Frauke Reistig“

An: <melanie@sardinienhunde.de>

Datum: Mittwoch, 28. September 2011 16:33

Betreff: Der Welpe Sandor

(Originaltext. Namen geändert)

Hallo Frau Knies,

ich habe von einer Bekannten von der Sardinienhunde Seite gehört.

Ich möchte schon immer einen Hund haben. Die täglichen Situationen haben es aber nie erlaubt. Ich bin ledig, habe zwei Katzen und wohne noch in einer ca. 65 m² großen Wohnung.

Ich bin viel mit Pferden unterwegs und könnte es mir gut vorstellen Hundebesitzer zu werden. Ich bin in einer Umschulung, könnte den Hund aber ggbf.in der Zeit unterbringen. Ich habe auch vor in ein Haus um zu ziehen.

Eigentlich stand der Plan mit dem Hund für irgendwann an, aber wie das dann so ist, wenn man Sie mal gesehen hat. Vorraussetzung wäre, dass der Hund nicht zu aktiv ist, da ich nicht jeden Tag 3 Stunden spazieren gehen kann. Ebenso muss er sich mit Katzen verstehen, neben dem Pferd laufen und auch mal alleine sein können. Sandor oder die Schwester finde ich toll.

Erstmal möchte ich mal ein bißchen über sie erfahren und wissen, wie lange man die Möglichkeit auf eine Reservierung hat. Da ich gerne erstmal umziehen möchte bzw. eine reale Aussicht auf eine passende Wohnung oder Haus haben. Über einige Vorabinfos wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Frauke Reistig

___

Liebe Frau Reistig,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an unserer Arbeit und unseren Hunden.

Wir würden uns freuen, wenn einer unserer Schützlinge ein neues Zuhause bei Ihnen fände. Das hört sich ja alles einfach perfekt an. Es ist wirklich selten, dass Bewerber auf Anhieb alle Kriterien erfüllen, die man als zukünftiger Hundebesitzer mitbringen sollte.

Aber zunächst möchten wir Ihnen erstmal Ihre Fragen beantworten, bevor es dann ans Eingemachte geht.

Ihre Wohnsituation stellt für einen Hund keinerlei Problem dar. Ob nun 65 oder 165 m2, das ist nicht entscheidend. Platz findet sich doch in der kleinsten Hütte.

Dass Sie viel mit Pferden unterwegs sind, ist perfekt. Wir sind überzeugt, dass Sandor das auch toll findet. Gerne bereiten wir ihn auf seine zukünftige Aufgabe als Pferde-Begleithund bereits vor. Wir haben, wie auf unserer Homepage unter „wichtig zu wissen“ steht, ca. 700 Hunde in unserem Tierheim in der Vermittlung und weitere geschätzte 30 auf den Pflegestellen. Mit unseren vier freiwilligen Helfern vor Ort stellt es daher für uns kein Problem dar, den Wünschen der zukünftigen Besitzer Rechnung zu tragen. Das versteht sich doch von selbst. Wenn Sie erlauben, werden wir Sandor auch bereits an Katzen gewöhnen, damit Sie damit keine Schwierigkeiten haben. Sie sollten ja durch die Ankunft eines Hundes aus dem ausländischen Tierschutz keinesfalls in Ihrem täglichen Ablauf beeinträchtigt werden und sich auch weiter auf Ihre Umschulung konzentrieren können.

Es liegt ja in der Natur der Sache, dass man nach einer Umschulung sich oftmals auf einen neuen Job einstellen muss. Wie spannend für Sie. Da kommt ja eine aufregende Zeit auf Sie zu. Und dann noch ein neuer Hund – super.

Und bitte machen Sie sich keine Gedanken um die Unterbringung des Hundes, wenn Sie mal nicht da sind. Wir gewöhnen unsere Hunde generell daran, bis zu sechs Stunden alleine zu bleiben, ohne irgendetwas zu zerstören oder Laut zu geben.

Und keine Angst – Sandor wird nicht zu aktiv sein. Ein kleiner chirurgischer Eingriff an der Wirbelsäule wird dafür sorgen, dass der Hund nach einer Stunde Bewegung solche Schmerzen bekommt, dass er nur noch liegen kann. So kann man die Aktivität eines Hundes wunderbar kontrollieren.

Dass Sie irgendwann in ein Haus umziehen möchten, finden wir sehr schön. Und wir fänden auch die Entscheidung gut, dass erst zu machen, wenn der Hund da ist. Gemeinsame Erlebnisse dieser Kategorie sind absolut fördernd für die Bindung zwischen Mensch und Hund. Wenn der Hund mitbekommt, was für einen Stress und eine Arbeit Sie auf sich nehmen, wird er Ihnen dafür ewig dankbar sein. Und machen Sie sich keine Sorgen. Ein Hund, der jung von der Mutter getrennt und ausgesetzt wurde, auf einer Pflegestelle in Sardinien aufwuchs, dann mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert wurde und in ein neues „Rudel“ kam, der ist Veränderungen gewohnt und kann extrem gut damit umgehen.

Wir hoffen, wir konnten mit unseren Zeilen restliche Unklarheiten beseitigen. Dürfen wir denn Sandor nun für Sie reservieren? Auf Wunsch und gegen geringen Aufpreis behandeln wir den kleinen Kerl auch gerne mit entsprechenden Hormonen, damit das Wachstum und die Reife zum Stillstand kommen und Sie Sandor dann so bekommen, wie er jetzt ist und wie Sie sich in ihn verguckt haben. Sie sollen als neue Besitzerin ja auch in den Genuss des Aufwachsens kommen.

Ist denn die Fellfarbe so recht? Wenn nicht, dann könnten wir Ihnen noch eine Komplett-Beige-Färbung anbieten oder auch gerne schwarz, wobei diese Farbe nicht so beliebt ist.

Es gibt auch die Möglichkeit einer Echthaarverlängerung. Überlegen Sie ganz in Ruhe. Dank der Hormonbehandlung haben wir ja Zeit.

Zu guter letzt möchten wir Sie noch auf unsere Geld-zurück-Garantie hinweisen, mit der Sie bei uns absolut kein Risiko eingehen.

Sie haben die Möglichkeit, Hunde aus unserem Verein bis zu einem Jahr nach Adoption wieder zurückzugeben, sollte es trotz intensiver Vorbereitung des Hundes zu einem Verhalten kommen, das Sie nicht wünschen.

In diesen Fällen wird der Hund innerhalb von 24 Stunden von uns bei Ihnen abgeholt und Sie bekommen die Schutzgebühr inklusiver einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 30 Euro pro Monat zurück.

Dürfen wir sonst noch etwas für Sie tun, Frau Reistig?

Viele Grüße

Leckerli

„Ist das ein Rüde?“

„Nein.“

„Ist das dann eine Hündin?“

„…“


Scharfe Schafe

Endlich Urlaub. Wer hätte das gedacht? Wir haben es nach Schleswig-Holstein geschafft. Nach wochenlangem Studium einschlägiger Hundereiseportale im Internet und der ernstzunehmenden Anregung, eine Internetpolizei einzurichten, die Homepages verbietet, die offenbar nur dem Ziel dienen, den User zu verwirren und alle notwendigen Informationen nicht preiszugeben… ähm, wie war der Satzanfang?

Also wir haben ein Feriendomizil ganz nach unseren Vorstellungen gefunden. 2500 m2 lückenlos eingezäuntes Grundstück mitten im Nichts bei einem Ehepaar, das lieber Hund als Kind beherbergt. Ein Traum.

Ein erster Ausflug ins Wattenmeer bei St. Peter-Ording und das fantastische Gefühl, das sich in der Bauchgegend eines Hundebesitzers breit macht, wenn man seinen unerlaubt abgeleinten Vierbeiner glücklich über den Strand flitzen sieht, hat mich beschwingt und mutig werden lassen.

Am nächsten Tag, der Regen und Windböen von gefühlten neun Beaufort mit sich bringt, fahren wir aufs Gratewohl Richtung Husum. Deich gibt es doch in Nordfriesland so viel wie Kothaufen in der Hauptstadt, lautet das arrogante Vorurteil des Großstädters. Und der Plan ist, den Deich entlang bis ins Theodor-Storm-Städtchen zu laufen – hin und zurück. Das kann ja wohl nicht so schwer sein. Auf, auf!

Der Wind pfeift mir um die Nase. Die Schlappohren meiner Hündin sind gut am Kopf befestigt, sonst wären sie schon auf und davon Richtung Nordsee. Dunkle Wolken zeichnen sich am Himmel ab. Das Meer schäumt und wütet und jeder Nordfriese sieht zu, dass er ins Trockene kommt. Und mittendrin ich mit meiner neuen Softshelljacke, Gummistiefeln und dem Regenmantel darüber. Also besser ausgerüstet kann man gar nicht sein. So muss sich Andreas Kieling bei seiner ersten Reise gefühlt haben. Man könnte glatt meinen, ich käme aus dieser Gegend, wenn ich nicht die Einzige wäre, die ihren Spaziergang jetzt startet, während alle anderen ihn beenden.

Da meine Hündin bereits auf einschlägige Erfahrungen mit unterschiedlichen Zäunen zurückgreifen kann, leinte ich sie hier gutgelaunt ab. Ein gerauntes „Pass auf!“ mit gefährlichem Unterton hat sich als gute Warnung vor schmerzhaften Stromschlägen bewährt, so dass sie trotz der verlockenden Beute auf der anderen Seite Abstand hält. Ich war auf der sicheren Seite. Die Situation hatte ich im Griff. Auf nach Husum.

An einer Weide mit Schafen jedoch blieb meine Hündin lange stehen und schaute sich das Gelände an. Ich war noch ein Stück hinter ihr, raunte aber sicherheitshalber schon mal das „Pass auf“-Codewort im Gottvertrauen, dass es auch dieses Mal wirkt. Als ich neben meinem Hund angekommen war und nichts ahnend die Gelegenheit verstreichen ließ, sie am Geschirr zu packen, um zu sehen, was sie denn so in den Bann zieht, brauchte mein Hirn lange, das Bild zu begreifen und zu verarbeiten, das ich vor mir sah. Zu lange. Als ich begriffen hatte, dass diese Weide nicht durch einen Zaun, sondern – ha, wie lächerlich – durch einen Graben geschützt wurde, allerdings nur gegen Aus- und nicht gegen Einbruch, war mein Hund schon mit einem Satz über das Rinnsal und unterwegs zum ersten Schaf.

Das war ja dann wohl der absolute Super-Gau. Mein Hund, als Mitglied einer anerkannten sardischen Jagdhundrasse, war freilaufend auf einer nordfriesischen Wiese unterwegs, auf der bis vor kurzem noch an die zwanzig Schafe friedlich grasend das Leben genossen, jetzt allerdings aufgeregt ans Ende der Weide rannten, verfolgt von meiner Hündin im Glück, während ich fassungslos und bewegungsunfähig am Rande der Weide auf der anderen Seite des Grabens stand und den geschichtsträchtigen Gedanken dachte: ‚Ach, Du Scheiße‘, dicht gefolgt von einem ‚Hoffentlich sieht das keiner‘ und einem nicht ganz relevanten ‚Kann man als Deutsche aus Schleswig-Holstein ausgewiesen werden?‘

Bis ich endlich in Bewegung geriet, biss mein Hund dem ersten Schaf zärtlich in den Hals. Wie gut, dass es auf den Winter zugeht und nicht nur Hund, sondern auch Schaf bereits aus dichtem Wollkleid diesem lustigen Abenteuer entgegensahen.

Mein überlastetes Hirn registrierte mit einem leichten Glücksgefühl, das sich durch die Panik brach, dass mein Hund offenbar kein Killer ist, sondern nur – in Anführungsstrichen – ein Jäger. Was ihr Spaß macht, ist die Hatz und nicht das Töten. Was für ein beruhigender Gedanke, der mich auf meinem Weg in Gummistiefeln über die matschige Weide ein wenig entspannte. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass nicht nur der beschwerliche Weg durch das nasse Grün erheblich an meinen Kräften zehrte, sondern auch das stetige Brüllen, das meinen Hund allerdings in keiner Weise beeindruckte. Natürlich nicht. Steht in jedem Hundebuch auf den ersten Seiten. Wenn Sie von Ihrem Hund absolut gar nicht als Rudelführer ernst genommen werden möchten, dann schreien Sie ihn aus vollem Halse an.

Ich sah aus, wie eine Fleisch gewordene Vogelscheuche bei dem absolut lächerlichen Versuch, der Situation Herrchen oder Frauchen zu werden. Im Zick Zack rannte ich meinem Straßenköter hinterher bis ans Ende der Weide und wieder zurück. Als das Schaf ihrer Wahl keinen Ausweg mehr sah, setzte es über auf die benachbarte Weide.

Das Schaf hopste über den Graben, mein Hund hopste über den Graben und ich, ich hopste hinein.

Die Augen auf den Hintern meines Vierbeiners fokussiert, habe ich das Rinnsal übersehen, das durch Regen- und Graupelschauer zu einem beachtlichen Bach heran geschwollen war. In der letzten Sekunde, in der ich dem Hindernis vor mir gewahr wurde, versuchte ich noch mit einem Satz hinüberzusetzen – und scheiterte. Ein Schluss-sprung in den Matsch und eine Landung mit dem Allerwertesten in der dornigen Grabenböschung.

‚Scheiss auf den Hund, aber hoffentlich hat das jetzt keiner gesehen!‘ Schnell versuchte ich mich, aus dem Morast zu befreien, denn es war nicht nur ungemütlich, peinlich und meiner neuen Softshelljacke nicht förderlich, sondern auch nass und kalt.

Wenn ich mich auch bis zu dem Moment als total sportlich, outdoor-fashioned und wind-und-wetter-adapted gehalten habe, so muss ich gestehen, dass es meinem wohl definiertem, nicht unmuskulösen Körper drei Tage vor seinem vierzigsten Geburtstag nicht leicht fiel, aus dem Loch wieder heraus zu kommen. Ich hatte dafür auch nur eine Hand frei, denn mit der anderen musste ich zusehen, dass mein rechter Gummistiefel mit mir den Weg nach draußen antrat. Von schmatzenden Geräuschen begleitet, kämpften Grabensumpf und ich als gleich starke Gegner um diesen Stiefel. Ich gewann, musste aber Federn lassen bei diesem Kampf. Ehre, Stolz und Persönlichkeitsideal sind in diesem Bach in Nordfriesland zurückgeblieben.

Meine Hündin war allerdings durch mein plötzliches Verschwinden von der Erdoberfläche dermaßen beeindruckt, dass sie Schaf Schaf sein ließ und erstmal guckte, wo ich denn abgeblieben war.

Mit einer Kopfschiefhaltung, die ich unter anderen Umständen als süß empfunden hätte, schaute sie in das Bachbett auf mich herab. Der Blick war eine Mischung aus ‚Du bist echt zu nichts zu gebrauchen, noch nicht einmal zur einfachen Schafjagd‘ und einem ‚Und wie geht es jetzt weiter?‘

Wie es jetzt weitergeht? Nicht ladylike, soviel sei verraten. Ich wusste gar nicht, dass ich so viele italienische Schimpfwörter kenne, aber ich wollte hundertprozentig sichergehen, dass diese sardische Höllenhündin mich auch ganz verstand. Offensichtlich extrem beeindruckt, legte sie sich ab, und als ich endlich aus dem Morast raus war, konnte ich sie anleinen.

Das Sortieren der Schafe, die in Panik über den Bach zwischen den beiden Weiden hin- und her gehüpft waren, überließ ich lieber Menschen, die davon mehr verstehen als ich.

Und die Moral von der Geschicht? Gummistiefel sind nicht von oben dicht.

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