Kitabı oku: «Fünf Jahreszeiten», sayfa 2
Nikola schläft noch unter der Treppe, während ich den Raum im neuen Anbau beaufsichtige. Mein Telefon klingelt laut, ich stelle es auf leise, verschwinde auf der Toilette. Anne möchte wissen, wo ich bin, was ich mache und ob es Manuel gutgehe.
Nichts, sage ich, wie immer, ich bin im Museum und kann jetzt nicht sprechen, es geht mir gut. Manuel geht es auch gut.
Es schneie auf Babas Grab, sie käme fast nicht durch den Friedhof. Das Gebüsch auf dem Weg sei schon hoch genug, dann noch der Schnee.
Jeden Freitag bringt Anne Baba Blumen, die weit weg wachsen, sie betet im weißen Kopftuch, das ihre grau gewordenen Locken verdeckt, in einer Sprache, die sie nicht spricht.
Anne kniet auf den Boden, sie berührt den Grabstein, ihre Tränen sickern durch die Erde, landen eine nach dem anderen auf Babas Gesicht, so stelle ich mir vor.
Ich fühle mich einsam, will ich Anne sagen und schweige.
Schritte sind zu hören, ich wecke Nikola, der sich reckt und streckt, als läge er im weichen Bett. Nikola wartet nicht, auch nicht auf etwas Besseres.
Wie lange habe ich geschlafen?, fragt er.
Diese Scheißarbeit, sagt Nikola, ohne eine Antwort zu erwarten, stößt beim Aufstehen mit seinem Kopf an die Treppe, geht weiter, als hätte ich es nicht gesehen.
Was wollen wir hier eigentlich?, fragt er, während er sich den Kopf reibt.
Ich weiß es auch nicht, will ich antworten, doch er ist schon weg. Irgendetwas muss man ja machen, die Rechnungen zahlen sich nicht von allein.
Als ich den Vorhang etwas zur Seite ziehe, um aus dem Fenster zu schauen, leuchten die ersten Lichter auf der Brücke zu meiner Linken und auch auf der Brücke rechts vom Museum.
Zwischen den kahlen Ästen fließt leise die Aare, die man von hier aus nur im Winter sehen kann. Die dunklen Bäume zeigen sich nackt, erst jetzt zeigt sich ihr verletzliches Gerüst, das im Sommer hinter dem dichten Grün verborgen liegt.
Es ist, als würden die Bäume miteinander tanzen, so langsam, dass mein Auge ihre Bewegungen verpasst, sie bewegen sich genau dann, wenn ich blinzle. Vielleicht blinzeln wir auch nur, damit wir nicht alles sehen müssen.
Nikola arbeitet nur an Wochenenden und Feiertagen im Museum, an diesen Tagen verdient man mehr. Er spielt Gitarre in verschiedenen Bands, seine Eltern bezahlen sein Studium in Kunstgeschichte, die Wohnung auch, nur seine Versicherungen und den Rest muss er selbst bezahlen. Ich beneide Nikola um seine Sorglosigkeit. Mein Geld reicht knapp für die Miete, die ich mit Manuel teile. Im Museum kann ich nicht täglich arbeiten, die Arbeit ist schlecht bezahlt. Manuel verdient mit seiner Vierzigprozentanstellung als Assistent in der Universität weniger als ich.
Babas Leichentransport, die Reise und die Beerdigung haben so viel Geld gekostet, dass ich Jahre dafür brauchen werde, um es abzuzahlen. Der rote Mercedes muss auch noch bezahlt werden, obwohl er auf dem Schrottplatz gelandet ist. Babas Schulden bei einem Kriminellen auch, wo er sich Geld geliehen hatte, unser Geld reichte nie aus.
Ich mache das schon, habe ich Anne und meinen jüngeren Geschwistern versprochen, macht euch keine Sorgen.
Unter den Lauben gehe ich nach Hause. Der Stars Coiffeur hat noch geöffnet, der Friseur winkt mir aus dem Neonlicht im Laden, als ich vorbeigehe, wir haben noch nie miteinander gesprochen. Eine Frau lässt sich gerade von ihm die Haare färben, ein Kopfhörer steckt in seinem Ohr.
Im Mery’s Couture ist wie immer niemand, nur die Verkäuferin schaut auf ihr Handy. Im kleinen Kioskhäuschen unter dem Turm mit der großen Uhr kaufe ich einen Lottoschein, wie es Baba immer getan hat, ich trage wie er die Geburtsdaten unserer Familie ein, gebe sie der älteren Dame mit den blond gefärbten Haaren und wünsche ihr einen schönen Abend. Bis nächste Woche, sagt sie.
Bei Tong Fong sitzt Manuel und liest in einem Buch.
Wie immer?, fragt die Frau hinter dem Tresen, sie trägt eine Schürze und eine Haube, ihr Mann lächelt aus der Küche und winkt mir zu.
Wie immer, sage ich und warte unter dem grellen Licht auf den gebratenen Reis, den er in einem großen Wok zubereitet. Die Fenster laufen an, auch die Brille von Manuel, die er neben sein Buch auf dem Plastiktisch legt. Ich nehme aus dem Kühlschrank einen Saft und setze mich zu ihm.
Er sei beim Joggen an der Aare einem Kormoran begegnet, der einen Fisch hinuntergewürgt habe, der langsam in seinem Bauch verreckt sei. Manuel pickt an seinem Reis ohne Sauce und ohne Fisch, Zutaten, die er sonst immer nimmt. Auf dem Nachhauseweg liest er in seinem Buch weiter, während ich ihn führe.
Er ist tollpatschig und stolpert oft, auch wenn er nicht gerade am Lesen ist. Zu Hause lässt er alle seine Sachen liegen, Chaos stört ihn nicht, mich schon, und das führt oft zu Streit.
Manchmal bin ich sogar eifersüchtig auf seine Bücher, mit denen er vorsichtig umgeht, keine Seite faltet, sie behandelt, als wären sie aus Porzellan. Wenn ich in einem seiner Bücher lesen will, gibt er mir Anweisungen, wie ich blättern soll, nicht an den Ecken, das gäbe Eselsohren.
Ein Tag nach Weihnachten kam Adam, als ich das Museum verließ. Zuerst erkannte ich ihn nicht von weitem. Ein Punkt, ein Strich, ein Mensch, ein Mann, Adam stand vor mir. Seine Hände steckten im dunklen Mantel, dessen Kragen nach oben gerichtet war.
Wer ist das?, fragte Nikola, als wir vor dem Museum standen, so nervös habe ich dich noch nie gesehen.
Der von gestern, ich wusste nicht, dass er kommt, sagte ich.
Ich habe ihn mir anders vorgestellt, als du von ihm erzählt hast, der sieht total langweilig aus, schau wie er geht, wie in einer Slo-Mo-Einstellung, sagte Nikola, bevor er ging.
Du hast mich fast verpasst, sagte ich, als Adam vor mir stand.
Er streckte seinen Finger aus und zeigte mir einen Schneekristall. Ich schob seine Hand etwas weg, da ich die Augen so nah nicht fokussieren konnte.
Ob es nicht beeindruckend sei, fragte ich, dass in den Wolken ein sechseckiger Kristall entstehe, der sich immer wieder umformt, sich weiterentwickelt.
Und je feuchter die Luft, desto lockiger meine Haare, sagte ich.
Vor der ehemaligen Schule drang laute Musik aus der alten Turnhalle, drinnen tanzten Menschen. Er schlug sich die Nase an der Scheibe, ich lachte laut. Es war ihm unangenehm, das brachte mich noch mehr zum Lachen.
Am Kalkbrunnen vorbei, über den leergefegten Platz, wo sich immer an derselben Stelle eine Pfütze bildet, wenn der Schnee schmilzt, am Theater im Turm vorbei zum mittelalterlichen Wehrturm, der nicht mehr beschützt, nur noch die Zeit anzeigt. Der goldene Glockenspieler schlägt die Uhr zu jeder Stunde, wo er von den Touristen fotografiert wird, die vom vorbeifahrenden Bus überrascht werden. Die Touristen bewegen sich erst wieder weg, wenn das Spiel ein Ende nimmt, dann verteilen sie sich in der Stadt.
Ein Tag nach Weihnachten waren die Straßen menschenleer, es war Sonntag an einem Dienstag.
Die Bären schliefen schon länger.
In der Junkernbar kaufte er sich Zigaretten, wir tranken Wein neben der Musikbox, in die wir unser ganzes Kleingeld warfen und laut mitsangen. Langsam leerte sich die Bar.
Ich schaute mir die verschiedenen Krankheiten auf den Zigarettenpackungen an, die verfaulten Zähne, schwarzen Lungen, Missbildungen bei Ungeborenen.
Seine Eltern waren Bauern, dort geboren, wo sie heute noch leben, im selben Dorf, im Haus der Großeltern, das sie geerbt hatten. Die Berge seien nah, ein Bach fließe in die Aare, erzählte Adam, als ich ihn nach seiner Familie fragte.
Ich habe einen Bruder, auch eine Schwester, wir sehen uns sehr selten, sagte ich, seit mein Vater tot ist und meine Mutter zurück dahin, wo die Bistrica durch die Stadt fließt, wo Baba begraben liegt.
Manuel hatte versucht, mich zu erreichen. Acht Stunden waren vergangen, seit Adam vor dem Museum aufgetaucht war und wir nur ein paar Schritte gehen wollten.
Plötzlich stand Manuel in der Bar, er hatte mich in der ganzen Stadt gesucht, sich Sorgen gemacht, mich zu Hause erwartet, für uns gekocht.
Wer ist das?, was machst du hier?, wollte er wissen. Manuel zog mich wütend am Arm aus der Bar.
Willst du mich verarschen?, fragte Manuel, wer ist dieser Typ?
Er arbeitet mit mir, log ich in der Not.
Mach jetzt bitte keinen Aufstand, das ist so peinlich, sagte ich wütend.
Als ich in der Bar meine Jacke holte, entschuldigte ich mich bei Adam, das war mein Freund, sagte ich, ich muss jetzt gehen, es war schön mit dir, aber wir können uns nicht wiedersehen. Er hielt meine Hand und sagte, dass er sich in mich verliebt habe, ich erstarrte für einen kurzen Moment.
Adam blieb sitzen mit unseren halbvollen Gläsern und meinem Namen, den ich auf den Rand eines Zuckerbeutels geschrieben hatte.
In der Junkernbar sitzt Paul an einem runden Tisch neben einem großen Glas Bier und liest in einer Zeitung. Seine Stoffhose ist etwas zu weit, die Hosenträger über dem weißen Hemd. Seine Weste hat ein Loch am Ellbogen, die Lederschuhe glänzen. Seine weißen Haare versteckt er unter einem Filzhut. Die weiteren Tische stehen leer, der Kellner poliert die Gläser, er wirft das Handtuch über seine Schulter, während er mit Paul spricht, der sich über die Bar lehnt. Paul schaut aus dem Fenster. Er nimmt einen Schluck von seinem Bier, danach wischt er sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.
Er lächelt, als er mich in den Lauben entdeckt, und winkt hinter der Scheibe. Ich habe keine Lust auf eine Diskussion, doch ich möchte nicht unhöflich sein und betrete die Bar, setze mich zu Paul, bestelle einen Kräutertee, in der Hoffnung, müde zu werden. Paul bestellt noch ein großes Bier und legt seinen Filzhut auf den Tisch.
Manchmal verschluckt mich die Nacht. Meistens rettet Paul mich aus der Stille und lässt mich für einen Moment vergessen.
Eine Maus kriecht unter dem Tisch durch, sucht nach Resten des Tages, ich ziehe meine Beine hoch.
In den Bergen riss ein Wolf zwei Schafe, dazu eine Ziege. Nun wollen die Bewohner eine Abschussbewilligung, den Tod des Wolfes. Paul lacht laut mit der Zeitung in seinen Händen. Er legt sie auf den Tisch, ein Foto zeigt einen Wolf in einem Wald.
Aber damit will ich Sie nicht langweilen, bitte entschuldigen Sie, sagt Paul.
Ich verschütte heißen Tee über meinen grauen Pullover, der so viele Löcher hat, dass der Versuch, ihn zu flicken, sinnlos wäre. Das passiert oft, sage ich zu Paul, ich glaube, mein Mund ist nicht richtig geformt.
Paul greift nach einer Postkarte, die zwischen den Zeitungen liegt. Die dritte Version der Toteninsel, habe er in der Alten Nationalgalerie gesehen. Sie tauche nebenbei in bedeutenden Werken auf, so viel sei über sie geschrieben und gesagt worden, dass ihm die Worte fehlen würden, etwas Neues zu denken. In jeder Version stehen die Spitzen der Zypressen anders, der Wind weht anders. In einem Museumsshop habe man Schirme mit einem Aufdruck davon kaufen können, Paul schüttelt den Kopf, während er einen großen Schluck nimmt.
Man fürchtet sich vor der Schönheit, will auf keinen Fall trivial sein oder gar sentimental, sage ich.
Paul verschluckt sich, er hustet laut.
Da will wer widersprechen, sagt er lachend, ich glaube sogar zu wissen wer, Sie erinnern mich an meine verstorbene Freundin, sie widersprach mir immer, auch wenn sie derselben Meinung war.
Das würde Manuel unterzeichnen, er wirft mir vor, aus Trotz immer die Gegenposition einzunehmen.
Was haben Sie gesagt?, fragt Paul.
Dass man sich vor der Schönheit fürchtet, sage ich.
Ach ja, das ist gut, dass man sich vor der Schönheit fürchtet, denn die kann gewaltig sein, sagt Paul.
Die ganze Welt steht in Flammen, nur sie könnte ihn retten, erklingt aus den Boxen. Der weiße Plattenboden ist nass geworden und der Ledersessel auch. Kopien von bekannten Künstlern hängen an den gelb gestrichenen Wänden, nicht wie im Museum. Die Zeichnung einer nackten Frau klebt schräg in einem schwarzen Rahmen, der nicht passt.
Die Musik erlaubt mehr Kitsch, sage ich, Paul lacht laut.
Allerdings, sagt er.
Wenn Paul ein Tier wäre, dann wäre er eine Maus, vor allem, wenn er lacht.
Im Eingangsbereich des Museums steht jede Woche eine neue Blumenkombination. Jetzt sind da Äste, die gelbe Mascarabürsten tragen.
Ich streife mit dem Zeigefinger darüber, er leuchtet gelb, und tusche meine Wimpern mit den weichen Bürsten der Pflanze, kneife dabei die Augen auf und zu.
Tränen rollen über mein Gesicht, ich kann nicht zur Toilette, muss beim Eingang stehen bleiben, mit einem Zähler in der linken, einem Notruftelefon in der rechten Hand, bis Nikola kommt, um mich abzulösen. Die Augen brennen stark.
Nikola übernimmt den Zähler in die linke Hand, das Notruftelefon in die rechte.
Alles wird gut, sagt er, was hast du wieder gemacht?, und ich steige, ohne zu antworten, die Treppen hinunter zu den Toiletten, wasche mir das Gesicht so lange, bis Haare, Pullover, Hose und Schuhe nass geworden sind. Auch die weiße Ablage ist nass geworden.
Ich sehe aus wie Vadas bester Freund Thomas J., der stirbt, als er von den Bienen gestochen wird auf der Suche nach ihrem Ring, den sie im Wald verloren hat, sage ich.
Nikola schüttelt seinen Kopf, nein, sagt er, Thomas J. ist zu süß, das ist kein guter Vergleich, außerdem stirbst du nicht daran.
Als ich mir diesen Film mit Manuel anschaute, sagte er mit Tränen in den Augen, dass er berührend und traurig sei, die Kinder würden beeindruckend spielen, aber gut sei der Film deswegen noch lange nicht.
Meine Mittagspause verbringe ich in der Notaufnahme. Hier hatte Baba plötzlich aufgehört zu atmen, seine Hand wurde kalt in der meinen. Das Zimmer im Krankenhaus war hell beleuchtet, und draußen wurde es immer dunkler. Onkel Edo überredete mich, ins Zimmer zurückzugehen, um mich von Baba zu verabschieden, zuerst wollte ich das nicht, ich wollte ihn so nicht sehen, erkannte ihn nicht im grellen Licht.
Wo ist Baba?, schrie ich Anne an, sie sagte nichts, niemand sagte etwas. Wo war sein Lachen? Wo sein Ausdruck? Seine zwei kleinen Falten zwischen den Augen waren verschwunden. Ich lief, so schnell ich konnte, aus dem Zimmer, vor dem Krankenhaus setzte ich mich an die frische Luft. Es war der erste September, Baba sechsundvierzig Jahre alt und seine Haare schwarz, er sollte sterben, bevor sie grau wurden.
Beim ersten Mal, als ich Baba nicht erkannt habe, war ich ein Kind gewesen. Bei der Arbeit hatte er sich Verbrennungen dritten Grades zugezogen, er war an einem Strommast hochgeklettert und wollte die Leitungen reparieren.
Als er wieder zu sich kam und wir ihn im Krankenhaus besuchten, erkannte ich ihn nicht. Ich schrie und weinte. Ich bin hier, sagte Baba, ich bin hier, hab keine Angst, meine Haare werden wieder nachwachsen. Jeden Abend strich Anne ihm Schweinefett auf die verbrannte Haut und wickelte seinen Körper ein. Der strenge Geruch liegt mir wieder auf der Zunge.
Ich weiß nicht mehr, welches Wetter damals war oder welche Jahreszeit. Ich weiß nur, dass Baba nicht mehr antwortete. Er lag auf dem Rücken, sein Brustkorb bewegte sich nicht, auch unter seinen Augenlidern. Irgendwann schwieg er für immer, und seine Stimme verschwand mehr und mehr aus meinem Ohr.
Manuel trifft ein, als Anne anruft, sie richtet herzliche Grüße aus von Leuten, die mir fremd sind.
Es gehe mir gut, Manuel sei da, ich müsse jetzt auflegen, sage ich.
Manuel fragt, ob ich Schmerzen habe, und wischt die Tränen von meiner Wange.
Nein, sage ich.
Als würdest du eine erfundene Sprache sprechen, so klingt es für mich, wenn du mit deiner Mutter sprichst, sagt Manuel.
Er packt ein Buch aus seiner Tasche, der Bus kommt in zwei Minuten, und es nervt mich, dass er jetzt zu lesen anfangen muss. Er steigt lesend ein, liest stehend weiter, liest beim Aussteigen. Er merkt gar nicht, dass ich auf der Straße stehen bleibe, erst nach ein paar Schritten dreht er sich um und ruft nach mir.
Ich bin kein Hund, sage ich.
Die Lichterketten werden entfernt, die Sterne in Kisten verpackt. Der Ausverkauf beginnt in den Läden, die Menschen stürzen sich auf die Schnäppchen in den Wühlkisten. Das alte Karussell wird zerlegt, der Glühweinstand verschwindet wie die Straßenmusiker. Der Schnee schmilzt in die Straßenabläufe, und die Fahrräder rosten langsam in der Kälte vor sich hin.
Es wird still, so still, dass ich zu summen anfange auf der Straße.
Green Grass, sagt Manuel und fängt an zu singen.
Als Adam unerwartet anruft und ich ihn wegdrücke, schaut Manuel skeptisch auf mein Telefon.
Du hast mir versprochen, sagt er, dass du ihn nicht mehr triffst, dann läuft er wütend davon.
Das tue ich auch nicht, ich habe keinen Kontakt mehr mit Adam, ich reagiere nicht auf seine Anrufe und lösche seine Nachrichten, ohne sie zu lesen.
Die Zeit heilt alle Wunden, so sagt man doch, also warte ich.
Was ich so lange mache, wollte Manuel wissen, er schrie meinen Namen.
Ich war aufgeregt, Adam wartete auf mich, ich war zu spät und wusste nicht, was ich anziehen sollte.
Manuel wollte mich begleiten, ich sagte, dass ich spazieren gehen würde und allein sein wolle. Es gefiel mir nicht, wie er mich kontrollierte. Wir stritten immer öfter, wie an diesem Abend. Ich schlug die Tür hinter mir zu und ging. Manuel hasste es, wenn ich das tat. Er war hilflos und ich fühlte mich schrecklich.
Die Absätze klopften draußen im Takt meines Herzschlags, ich ging schnell unter den Lauben neben Adam, meine Gedanken waren bei Manuel. Wahrscheinlich suchte er mich, wie er es immer tat, wenn ich weglief. Ich wollte ihm keinen Kummer bereiten und tat es doch.
Meine rechte Hand ist immer kälter als die linke, ich wärmte sie auf in der linken und hauchte warmen Atem in die Faust. Adam nahm meine rechte Hand und steckte sie in seine Jackentasche. Ich zog ein Päckchen hervor. Vortioxetin, las ich laut.
Was ist das?, wollte ich wissen.
Das ist nichts, sagte er.
Ich fragte nicht weiter.
Ein fahrender Zug leuchtete in der Ferne, und unsere Schatten schrumpften der Laterne entgegen, die uns den Weg zeigte, dann wuchsen sie wieder vor uns, je weiter wir uns von ihr entfernten.
Manuel schrieb mir eine Nachricht, er wollte wissen, wann ich nach Hause käme. Ich fühlte mich schlecht beim Lügen, doch die Wahrheit hätte alles noch schlimmer gemacht. Es war auch nichts, Adam und ich gingen bloß spazieren. Das war alles. Manuel hatte mir verboten, Adam zu treffen, er wollte mich nur für sich, als könne man einen Menschen besitzen.
Ich lasse mir nichts verbieten, und besitzen kann man mich auch nicht, habe ich Manuel gesagt, doch es schien, als hörte er mir nicht zu.
Adam fragte nicht, wem ich schrieb, und ging wortlos neben mir her. Vielleicht wollte er es auch nicht wissen, weil er meine Antwort fürchtete.
Manchmal berührten sich unsere Hände beim Gehen.
Die Biber haben die Bäume angenagt, die nun eingezäunt werden müssen. Ein Weg führte zu der Steinbrücke, den Hügel neben den Bären hoch, an den nackten Platanen vorbei zur zweiten Bank. Wir lasen Rindenstücke der Platanen vom Boden auf und drückten sie an den Stellen in den Baumstamm, von denen sie abgeblättert waren.
Heute ist ein Otter an mir vorbeigeschwommen, der wahrscheinlich aus dem Tierpark entflohen ist, sagte Adam.
Das ist ein Zeichen, sagte ich, bevor ich weitersprechen konnte unterbrach er mich.
Es war nur Zufall, sagte Adam, und ich war etwas enttäuscht über seine Antwort.
Im Kino an der Aare saßen wir auf einem Sofa, ganz hinten in der Ecke.
Vorne sitze ich allein, da sitzen nur die, die als Erste das Bild zu Gesicht bekommen wollen, um mit Nackenschmerzen aus dem Kino zu gehen. Der Schmerz macht die Realität, sonst existiert nichts im Kino. Je weiter hinten man sitzt, desto kleiner wird das Bild, in der Mitte sitzen die, das Bild in der Größe einer Postkarte betrachten, wie Manuel. Noch weiter hinten eine Briefmarke, eine Briefmarke reicht zum Küssen.
Durch die großen Fenster schaute ich, wie sich das Licht auf das Wasser legte. So langsam, dass ich es nicht sehen konnte. Plötzlich wurde es dunkel, genau in dem Augenblick, als ich die Augen schloss. Die Bäume verwandelten sich in dunkle Monster hinter der Spiegelung unserer Gesichter, die Aare trug das Licht mit sich davon, noch bevor die Vorhänge gezogen wurden und der Film anfing.
Als Adam auf der Toilette war, googelte ich und las: Vortioxelin ist ein antidepressiv wirkender Arzneistoff mit multimodalem Wirkmechanismus.
Wir saßen noch lange im Dunkeln, nachdem alle den Saal verlassen hatten.
Ich kann das nicht, sagte ich zu Adam, ich muss gehen.
Und warum bist du dann hier?, fragte er und wollte mich wieder küssen.
Ich stieß ihn weg, stand auf und ging hinaus.
Als er mir folgte, rannte ich weg.
Warte, schrie er, warte, bitte!
Hinter einem Baum sah ich, wie er mich suchte, nach mir rief. Ich wartete, bis er weg war, bevor ich nach Hause ging.
An den Film kann ich mich nicht mehr erinnern, an Adams Blick ganz genau.
Manuel lag mit einem Buch auf dem Sofa und war eingeschlafen, als ich mich umzog, erwachte er. Ich erzählte, dass ein Otter an mir vorbeigeschwommen war.
Das ist ein Zeichen, sagte Manuel, er wollte dir dein Schicksal voraussagen, doch was wollte er nur? Manuel setzte sich auf und überlegte laut.
Ob sonst noch etwas im Wasser lag, wollte er wissen, ein Blumenstrauß, kam mir in den Sinn, den hatte ich fast vergessen.
Das ist sehr interessant, sagte Manuel, sehr interessant, wiederholte er.
Es ist nur Zufall, sagte ich.
Nein, sagte Manuel, nichts passiert zufällig.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.