Kitabı oku: «Kishou IV», sayfa 2
„Na toll!“, seufzte Kishou, und suchte besorgt mit den Augen den Himmel ab. „Wenn uns einer von den Dingern gefunden hat, werden wahrscheinlich bald noch mehr hier sein!“
„Dann sollten wir hier nicht auf sie Warten!“, meinte Madame KA, und wandte sich in die Richtung der Biesel.
Eine ungewollte Entscheidung
S
ie verließen den Ort des Feldes im Galopp, um möglichst schnell wieder in den schützenden Wald zu gelangen, der hier glücklicherweise sehr dicht war. Sie mussten auch tatsächlich nicht lange warten, bis sich über ihnen weitere ‚Teller’, wie der Breene sie nannte, durch einen hellen Summton verrieten.
Die Gruppe machte halt und verhielt sich ruhig, während ihre Blicke auf die Baumkronen gerichtet waren. Zu sehen war nichts, weil das dichte Blattwerk keine Gelegenheit bot, mehr als nur kleine Flecken des Himmels zu beobachten. Dasselbe sollte aber immerhin auch in der anderen Richtung gelten. Es mussten sehr viele sein, die dort oben nach ihnen suchten. Es klang wie ein monströser Bienenschwarm. Ab und an klatschte auch mal etwas durch das Blattwerk hindurch. Es waren wohl vereinzelte Blindschüsse, die zum Glück nicht annähernd ihren tatsächlichen Aufenthaltsort bedrohten.
„Sie müssen von den ersten Breenen, die wir getroffen haben, von uns erfahren haben!“, sinnierte Kishou. „Was für ein Empfang!“
„Suäl Graal selbst verdrängt das Allsein in diesem Drom. Sie selbst!“, ließ sich das Untere Squatsch vernehmen. „Ihr verdrängt das Allsein nun gewissermaßen in ihrer Wohnstatt – bei ihr zuhause. … Verzeiht die kleine unbemessene Verdrängung vom Allsein – aber was erwartet ihr für einen Empfang?“
„Stimmt wohl!", seufzte sie hörbar, als sich plötzlich ihre Augen erschrocken weiteten ... „Dann müssen sie's ja garnicht von den Breenen erfahren haben!", fiel ihr plötzlich ein. „Wir sind im Vierten Drom ...! Suäl Graal weiß doch immer, wo ich bin - also weiß sie's jetzt auch!" Ihr Blick richtete sich fragend zu den dichten Baumkronen hinauf ... „Dann stellt sich doch eigentlich eher die Frage, warum die Dinger da oben überhaupt nach uns suchen!? sie müssten doch wissen, wo wir sind!"
„Boorh entscheidet: Suäl Graal kann den Ort nicht bemessen, an dem Kishou in dieser Zeit das Allsein verdrängt!"
„So ist es entschieden!", bemerkte Mo nur kurz.
„Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht tatsächlich dafür!", schaltete sich Habadam ein. „Immerhin suchen sie ja tatsächlich nach uns. Das Verhalten des Suchens schließt jedoch nach den Gesetzen der Logik die Kenntnis aus – zumindest ...!"
„Is' ja schön, dass ihr euch einig seid!", schüttelte Kishou zweifelnd den Kopf. „Aber wieso sollte sie ausgerechnet hier, in ihrem eigenen Drom, nicht mehr wissen, was sie immer wusste? Das macht überhaupt keinen Sinn!"
„Sagte euch Trautel Melanchful nicht, dass ihr eure Aufgabe nur gemeinsam mit den Kräften ihrer Sippe lösen könnt?", fragte Madame KA.
„Ja – klar!", wunderte sich Kishou über die Frage. „Aber was hat das mit ..."
„Gehört Trautel Melanchful nicht auch zu uns?", fragte Madame KA weiter.
„Natürlich ...", wurde Kishou etwas unsicher. Madame KA stellte solche Fragen nicht, ohne ein bestimmtes Ziel.
„Was ist ihre Aufgabe in unseren Reihen?", fragte Madame KA weiter.
„Na ja ...", grübelte Kishou nun doch in sich hinein ... „Also sie hat mich immer beschützt - und sie hat gesagt, dass sie immer da ist, auch wenn ich sie nicht ... Du meinst, sie hat was damit zu tun?", wollte plötzlich eine Ahnung in ihr aufsteigen.
„Die Macht Trautel Melanchfuls ist der Suäl Graals ebenbürtig!", lächelte Madame KA nur hintergründig.
„Und das Verhalten der Teller fände hier eine Ursache!", bekräftigte Habadam.
„Aber sie ist so weit weg!", wollte es Kishou nicht glauben. Was könnte sie damit zu tun haben?"
„Ihr werdet es erfahren, wenn die Zeit dafür ist!", schloss Madame KA.
Kishou seufzte hörbar. „Auf jeden Fall wissen die Teller ja offensichtlich tatsächlich nicht, wo wir sind, und das ist allemal besser als andersrum!", stellte sie bei aller Unzufriedenheit über die für sie noch unbekannte Ursache mit Erleichterung fest. „Aber was machen wir jetzt? Wir können uns trotzdem nicht bewegen, und wissen nicht, wann und ob die Besonderen Apparate da oben irgendwann mal aufgeben. Und überhaupt scheint hier alles gegen uns zu sein!“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Und immerhin wissen zumindest die Breenen irgendwie von uns. … und betrachten uns offenbar auch noch als ihre Feinde! Und wie’s aussieht, scheint das für alle Bewohner des Droms zu gelten!? ... Und dann noch die Horden der Gleichen! Das ist doch alles vollkommen verrückt! – Unter den Umständen müssten wir uns unsichtbar machen, um hier weiter zu kommen.
„Nun – immerhin …!“, meinte Madame KA, und ein verschmitztes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Zumindest in eurer Erscheinung verhält es sich so!“
„Wie?!“, reagierte Kishou irritiert. „Was meinst du damit?“
„Ihr seid unsichtbar!“
Kishou brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Madame KA meinte. In gewissem Sinne hatte sie ja recht. Man hielt sie für einen Brennen. Sie hatte in etwa die richtige Größe, im Gegensatz zu den Chemuren. Sie würde wahrscheinlich nicht auffallen unter ihnen, solange sie ihr Gesicht unter der Kapuze verbarg … „Aber … aber ich kann doch nicht allein …!“, ahnte sie Böses.
„Boorh entscheidet: Boorh und Kishou werden …!“
„Ich glaub es nicht. Ich glaub es nicht!“, wurde er vom Unteren Squatsch augenblicklich unterbrochen, seine kurzen Ärmchen hilfesuchend in den Himmel streckend. „Dieser Breenenfänger meint tatsächlich … meint tatsächlich … Was glaubt der Großfuß, wie lange Kishou neben ihm im Stadtzentrum wohl unerkannt ... unerkannt das Allsein verdrängen würde? … verzeiht meine kleine unbemessene Verdrängung vom Allsein, aber …“
„Danke Boorh!“, versuchte Kishou die unangenehme Situation für ihn aufzufangen. „Ich weiß, das mir nichts passieren könnte, wenn du bei mir wärst, aber es darf in diesem Falle ausnahmsweise auf keinen Fall schon jetzt gleich zu Anfang zu irgendwelchen Kämpfen kommen! – Es sind zuviel verschiedene und unbekannte Gegner auf einmal – verstehst du was ich meine?! Wir müssen zunächst erstmal rauskriegen, was hier überhaupt läuft!“ Sie bemerkte erst jetzt, dass sie mit ihrem Beschwichtigungsversuch ungewollt bereits eine Entscheidung als gegeben annahm, der sie eigentlich unbedingt ausweichen wollte.
Boorh warf einen unwilligen Blick auf das Untere Squatsch, hatte nun aber offensichtlich ein Einsehen.
„Wie seid ihr entschieden?“, fragte Mo.
Kishou erschrak fast bei diesen Worten … „Eigentlich garnicht!“, gab sie unumwunden zu. „Es ist aber wohl tatsächlich so, dass ich wohl die Einzige von uns bin, die sich hier bewegen könnte, ohne gleich erkannt zu werden ...! Puh ...!“ Einmal mehr ließ sie einen tiefen Seufzer vernehmen. „Ich müsste also irgendwie allein in die Stadt kommen, und so viel wie möglich versuchen, rauskriegen, was hier los ist – das mit der Grenze, und ihrer Angst vor uns, und so!“
„Wir werden euch im Schutze des Waldes begleiten bis kurz vor Trital!“, nickte Madame KA. „… Sobald die Verhältnismäßigkeiten es zulassen, und es etwas ruhiger wird da oben!“, fügte sie mit einem Blick in die Baumkronen hinzu. „Wir wissen nicht, ob sich der Wald auf diesem Wege überall so uneinsehbar verhält wie an diesem Ort!“
Es wollte aber nicht ruhiger werden. Nur ab und an ließ das Summen etwas nach, um bald wieder zurückzukehren.
Die Zeit wurde genutzt, um Kishou auf die Horden der Gleichen einzuschwören. Sie erinnerte sich, dass Boorh diese Kreaturen vor langer Zeit einmal erwähnte. Sie waren Geschöpfe Suäl Graals, aber von den Breenen nur sehr schwer zu unterscheiden – eigentlich garnicht. Meistens war es zu spät, wenn man einen von ihnen erkannte – und sie wurden um so mehr, je mehr man von ihnen vernichtete. Doch nicht einmal ihre Gefährten wussten zu sagen, wie dies möglich war. Eigentlich war ihre wundersame Vermehrung auch immer nur eine reine Vermutung geblieben, weil nichts dergleichen je direkt beobachtet wurde. Sie waren seinerzeit noch neue und unbekannte Schöpfungen Suäl Graals. Allein der Umstand, das ihre Zahl in den Kämpfen in vermeintlich doppelten Maße anstieg, wie man sie überwunden zu haben meinte, ließ keine andere Mutmaßung zu. Sie verschossen aus Besonderen Apparaten kleine, scharfkantige und würfelförmige Geschosse, die selbst die eisernen Körper der Korks durchschlugen. Ihre Gefährten konnten ihr alle nur die augenblickliche Flucht ans Herz legen, sobald sie meinte, einen solchen ‚Gleim’ zu begegnen. Selbst Boorh schloss sich diesem Rat an – da er ja nun nicht bei ihr sein konnte. …
Erst als die Dämmerung einsetzte, ließ das Schwärmen über ihren Köpfen langsam nach. Kishou bot an, den Schutz der Nacht zu nutzen. Sie könnte mit ihrem Besonderen Apparat – dem ‚Stein, der Das Licht vom Allsein trennt’, die Gruppe durch das Dickicht führen. Madame KA warf aber ein, das Kishou ihre Zeit im kleinen Allsein benötigte, um ausgeruht und mit genügend Kraft in die Stadt zu gelangen. So blieben sie gerade da, wo sie waren.
Kishou rollte sich so gut es noch ging in den Schoss Boorhs, und versuchte mit den Gedanken an eine solche Aufgabe, wie sie nun am kommenden Tag auf sie zu kam, einzuschlafen. Gäbe es im Schlaf noch ein Bewusstsein, so wäre sie wohl darüber erstaunt gewesen, wie schnell es ihr gelang.
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Auf sich allein gestellt
D
as dichte Blätterdach des Waldes verzögerte die Dämmerung des neuen Tages etwas, aber da sie nicht mehr all zu weit von Trital entfernt sein konnten, sollte die Zeit für Kishou ausreichend sein, noch an diesem Tag die Stadt zu erreichen. Wichtiger war es, dass sie von den Flugapparaten in Ruhe gelassen wurden – und dies war glücklicherweise zumindest jetzt im genügendem Maße der Fall. Nur hin und wieder mussten sie abwarten, bis diese ’Teller’ über sie hinweggezogen waren. Erhöhte Vorsicht galt nun auch vor den Wegen, die sie nun grundsätzlich mieden, aber doch immer wieder kreuzten. Unter den Gegebenen Umständen war es ratsam, möglichst nicht auf die Bewohner dieses Droms zu treffen.
Alles in Allem war es ein langsames Vorwärtskommen, zumal die Natur ihnen bereits genug Hindernisse in den Weg legte. Die Sonne stand fast im Zenit, als Madame KA anwies, nach einem geeigneten Platz Ausschau zu halten, wo sie auf die Rückkehr Kishous warten wollten. Einmal mehr bot sich hier bald schon eine Wurzelhöhle an, die der Stamm eines verrotteten Baumes für sie bereit hielt.
„Jetzt müsste ich nur noch wissen, wie ich in die Stadt komme – und wie vor allem wieder zu euch zurück!“, fragte Kishou in die Runde.
„Hiermit!“, meinte Habadam, und drückte ihr einen kleinen, scheibenförmigen, blauen Kristall in die Hand. „Seht ihr das kleine helle Licht, das sich an seinem Rande zu seinem Mittelpunkt verhält? Ihr findest es immer am Rande des Kristalls – und in seinem Verhalten vom Mittelpunkt aus betrachtet – findet ihr mich! Sein Verhalten ist bestimmt von dem Ort, an dem ich mich gerade befinde!“, erklärte er einer staunenden Kishou. Trital verhält sich zu uns …“ – er schloss seine Augen und hob seinen Stab in die Waagerechte, während er sich um seine Achse drehte und kurz darauf verharrte. „Dort!“ Sein Stab zeigte nun die Richtung an. „… Zumindest mit einer großen Wahrscheinlichkeit. Ihr könnt es nicht verfehlen, nachdem ihr einige Schritte diesen Weg genommen habt. Ihr müsst euch dann nur noch genau entgegen dem Verhaltens des Kristalls zu mir orientieren!“
„Ein Besonderer Apparat!“, erriet Kishou.
„Eine kleine, aber nützliche Magie!“, stellte Habadam bescheiden fest. „Luis Verhalten wird so gut es geht darauf bedacht sein, in eurer Nähe sein. Er erspürt den Besonderen Apparat, und kann euch jederzeit finden. So kann er uns über euer Verhalten berichten!“
Diese Auskunft war für Kishou überaus beruhigend wie auch wichtig, versprach sie doch während der Mission immerhin einen verbleibenden Kontakt zu ihren Gefährten. Sie lächelte entsprechend zu Lui hinüber, der unweit auf einer tiefen Astgabel hockend, ihren Blick mit dem aufspreizen seiner Flügel und einem kräftigen „Nein!“ kommentierte.
Sie machte sich nun bereit. Ihren Beutel wollte sie zurücklassen. Der graue Mantel hatte Taschen – da passte etwas von ihren Vorräten hinein. Wasser gab es genug in diesem Drom.
Ein echtes Problem stellte allerdings ihr Bogen dar, auf den sie nicht zu verzichten wagte. Hier erwies sich zunächst der bis über die Fußknöchel reichende, lange Mantel als nützlich. Den Lederbeutel mit den Pfeilen konnte sie unter ihm bequem versteckt unter ihrer Achsel tragen – auch den sperrigen Bogen schob sie der Länge nach unter den Stoff, und drückte ihn mit dem linken Arm an die Seite ihres Körpers. Beim normalen umhergehen erwies sich diese Lösung als durchaus brauchbar – der Versuch, sich mit dem Bogen unter dem Mantel irgendwo hinzusetzen zeigte aber deutlich die Grenzen dieser Lösung auf. Es war schlicht nicht möglich.
So verblieb letztlich nur die einfachste der Möglichkeiten eines Verbergens. Madame KA holte das Tuch vom Rücken ihres Biesels, auf dem sie beim Reiten zu sitzen pflegte. Seine Größe war mehr als ausreichend. Es schien ihr nicht die optimale Lösung, aber immerhin. Es konnte nun irgend ein Gegenstand sein, den sie verpackt mit sich trug.
„Ihr solltet nun doch besser den Rock der Braanen tragen!“, meinte Madame KA plötzlich. Wir kennen zwar die Verhältnismäßigkeiten dieses Droms noch nicht, aber auch bei dem letzten Zusammentreffen mit den Breenen waren wieder einige Braanen unter ihnen. Es scheint doch eine Normalität in dieser Verhältnismäßigkeit zu liegen – und ihr werdet euer Gesicht vielleicht nicht immer zweifelsfrei verbergen können unter ihnen!“
Endlich zum Aufbruch bereit, verschloss sie den nun dunkleren Mantel mit seinen großen Knöpfen, als das Untere Squatsch sich zu ihr gesellte, und sie etwas beiseite schob ... „Kishou … nun … also … verzeiht meine kleine unbemessene Verdrängung vom Allsein …“, raunte er ihr zu. „… aber ihr müsst unbedingt in einem Stück … in einem Stück hier wieder das Allsein verdrängen, wenn ihr zurückkehrt – wenn ihr meine Worte wohl bemesst. Wenn euch etwas geschehen sollte, also wenn … dann fürchte ich ... fürchte ich, wird dieses Drom hier das Allsein kennenlernen, noch lange bevor ... also noch lange bevor die Wasser auch hier versiegen. … wenn ihr wohl bemesst ... wenn ihr wohl bemesst, was ich meine. Wenn ihr versteht ...!“ Er warf einen unauffälligen, aber vielsagenden Blick in Richtung Boorh, dessen Gesicht zu einer finsteren Maske erstarrt war.
„Danke, Unteres Squatsch!“, verstand Kishou sofort. „Dann bleibt mir ja nix anderes übrig!“, meinte sie etwas lakonisch. „Passt auf ihn auf!“ Das sie darum einmal ausgerechnet das Untere Squatsch bitten würde, und ausgerechnet die Besorgnis von ihm kam, wäre ihr wohl auch nie in den Sinn gekommen.
Sie umarmte noch einmal alle, und stupste zuletzt Boorh mit seinem finsteren Gesicht mit den Worten in den Bauch, dass sie ja schon deswegen zurückkommen müsste, weil ja sonst niemand auf ihn aufpassen könnte – ließ sich von Habadam noch einmal die genaue Richtung anzeigen, positionierte nach den ersten Schritten den Kristall in ihrer Hand – und marschierte los …
~*~
Undolf
E
s war nicht das erste Mal, dass sie ganz auf sich gestellt war, aber irgendwie erschien es ihr gerade, als wäre es genau so. Vielleicht, weil das Drom in seiner blühenden Natur so friedlich schien, und sie doch gleichzeitig wusste, dass dieser Schein mehr als nur ein trügerischer war. Dennoch sollte sie sich frei bewegen können, solange niemand unter ihre Kapuze blickte. Aber sich allein und unerkannt unter den noch vollkommen fremdartigen Bewohnern dieses Droms zu bewegen, war schon verrückt genug.
Als sie bald schon auf einen Weg traf, dessen Verlauf sich kaum von ihrem eigenen Kurs unterschied, wich sie ihm nicht aus, sondern nutzte ihn. Nur die Kapuze zog sie vorsichtshalber noch etwas mehr über ihr Gesicht. Es war wohl mehr ein Reflex, denn es war ja weit und breit niemand zu sehen. Ein längerer Marsch zu Fuß durch den Wald wäre noch beschwerlicher gewesen als mit den Bieseln.
Ein Schwarm dieser ‚Teller’ zog summend dicht über den Baumkronen – und über sie hinweg, was ihr nun doch einen kleinen ersten Schweißausbruch bescherte. Aber die kümmerten sich nicht um sie. Es dauerte auch nicht lange, bis ihr ein Wagen mit einigen Breenen entgegenkam. Sie ging auf die Seite des Weges um ihm Platz zu machen, und er zog an ihr vorbei.
Ein Zweiter, dieses Mal von hinten kommend, ließ nicht lange auf sich warten, und Kishou stockte nun doch der Atem, als der, nachdem er sie überholt hatte, plötzlich anhielt. Es saß nur ein einzelner Breene auf dem Kutschbock, der sich nun nach ihr umdrehte. „Spring auf!“, rief er ihr zu.
Ihre Gedanken überschlugen sich. War es so etwas wie ein Befehl oder ein Angebot? Es blieb keine Zeit zum Nachdenken. Sie warf ihren eingewickelten Bogen auf die Pritsche und kletterte nach. Sie überlegte, ob sie etwas sagen sollte, entschied sich dann aber doch besser zu schweigen.
„Ich fahr ins Zentrum rein!“, sagte der Breene, ohne sich umzudrehen. „Sag Bescheid, wann du runter willst!“
„Alles klar – Danke!“, reagierte Kishou nicht wenig erleichtert. Er hatte sie also tatsächlich einfach nur aufgesammelt.
Der Kutscher blickte nach oben, als einige dieser Teller über ihnen ihren Weg kreuzten. „Ach ja – beinahe vergessen. Das Formular findest Du links hinten in der Ecke – ganz zu oberst, bei den anderen!“
„Das Formular?“, fragte Kishou, und schaute zu besagtem Ort auf der Pritsche. Ein Stapel Papiere lag dort in einer flachen Kiste.
„Hast Du das noch nicht mitbekommen?“, fragte der Breene
„Was meinst du?“, fragte Kishou und überlegte fieberhaft, wie sie reagieren konnte, ohne auffällig zu werden. Sie hatte keine Ahnung, was der Breene von ihr wollte.
„Warst wohl draußen, die letzten Tage!“, vermutete der Breene.
„Ja!“, schoss es sofort aus ihr heraus. „Es war viel zu tun. Und das Wetter …!“
„Ja, kam ganz schön was runter vorgestern Abend. Uns hat es auch kalt erwischt!“, übernahm er sofort. „Eine neue Verordnung kam vorgestern raus!“, sprach er weiter. „Jeder muss bei Fahrten über Land ein neues Formular ausfüllen, woher er kommt und wohin er geht – ich noch dazu, dass ich dich mitgenommen habe von hier nach Trital. Dafür brauch ich nachher deinen Namen … Gleich oben auf das erste Formular!“
Nun kam Kishou doch wieder ins Schwitzen. Sie fand das Papier an besagter Stelle – aber was sollte sie dort hinein schreiben? Sie hatte ja überhaupt keine Ahnung wo sie war und wo sie absteigen würde … Sie nahm den Stift, der auf den Papieren lag und überlegte Fieberhaft, was sie dort eintragen könnte, ohne sich zu verraten. Es fiel ihr beim besten Willen nichts ein. Sie sah nach oben in den Himmel. Eine Menge Vögel zogen dort ihre Bahnen. Ob Lui unter ihnen war, konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen, aber er war in diesem Augenblick ja auch keine Hilfe.
Es gab nur eine Möglichkeit. Mit etwas Glück … Mit einer kurzen Bewegung warf sie den Stift hinter sich seitlich in das Unterholz. „Alles klar!“, meinte sie nun. „Hast du mal eben einen Stift?“
„Liegt oben auf!“, kam die prompte Antwort.
„In der Kiste, bei den Formularen?“, fragte sie scheinheilig.
„Ja!“
„Nein, da ist keiner!“, reagierte sie, und kramte geschäftig in der hölzernen Lade.
Das erste Mal drehte sich nun der Breene zu ihr um, während er seine Kapuze vom Kopf zog, um besser sehen zu können. Er hatte nur noch wenig Haare und einen angegrauten kurzen Bart unter seinem Kinn. „Der muss doch da liegen!“, wunderte er sich.
„Tut mir leid – vielleicht ist er ja an die Seite … aber da find' ich auch nichts!“, meinte Kishou und kramte geschäftig weiter.
Der Breene warf die Zügel über die Lehne seines Sitzes und kam nach hinten. Nachdem auch er kurz in der Kiste gewühlt hatte, gab er auf. „Das gibt Ärger – das gibt Ärger! ... muss irgendwie rausgefallen sein“, knirschte er, und begab sich wieder auf seinem Platz zurück. „Das muss unter uns bleiben. Du bist mit keinen Wagen in die Stadt gekommen, und ich habe niemanden mitgenommen!“
„Alles klar!“, bestätigte Kishou, und hoffte, das ihre tiefe Erleichterung in den Worten nicht zu hören war.
„Dann weißt du womöglich nicht einmal, warum die neue Verordnung erlassen ist!“, sagte der Breene, nachdem er die Zügel wieder an sich genommen hatte.
„Äh – nein!“, konnte sie hier ohne Verstellung reagieren. Sie wusste ja bislang nicht einmal, was ein Formular ist – geschweige denn, wozu so etwas gut sein sollte.
„Es soll tatsächlich passiert sein!“, verkündete der Kutscher. „Die Fremden aus der sterbenden Welt sollen ins Drom gekommen sein!“
„Wirklich?“, spielte Kishou erstaunt. Immerhin erfuhr sie nun schon, das sich ihre Ankunft im Drom bereits herumgesprochen hatte. …
„Na ja – eigentlich bislang noch eher ein Gerücht. Weiter draußen – irgendwo am Kornbaat wollen einige sie gesehen haben!“
„Echt?“, tat Kishou erstaunt. „Deshalb wohl auch die vielen Teller da oben!“, setzte sie, wie vertraut in solcherlei Dingen, hinzu.
„Ja!“, nickte er. „Aber es klingt doch alles etwas übertrieben. Es sollen riesige Kreaturen sein – bis an die Zähne bewaffnet und vollkommen ohne jede Regel. Einen Teller, der als Aufklärer da war, sollen sie einfach direkt vom Himmel geholt haben!“
„Ach du Schreck!“, spielte Kishou erschrocken.
„Aber viele können es noch nicht gewesen sein, nach den Berichten – wohl eine Vorhut. Die Gleim werden sich darum kümmern. Die Eilanträge sind seit gestern schon in der zweiten Lesung durch. Sie werden wohl spätestens Morgen aufbrechen!“
„Morgen schon!“, fiel es ehrlich erschrocken aus Kishou heraus.
„Ja! Ungewöhnlich!“, bestätigte der Breene. „Ohne weitere Prüfung! Die Anweisung kam wohl direkt von ganz oben – womöglich von den OHIB selbst. … muss also schon was dran sein, an der Geschichte!“
Kishou hörte kaum noch was er sagte. Diese Nachricht war mehr als beunruhigend. Wie sollte sie noch rechtzeitig zurück sein, um die anderen zu warnen – und wie dann noch rechtzeitig genug, um gemeinsam unerkannt zu entkommen?
Erst jetzt bemerkte sie, dass sich der Weg verbreitert hatte. Fuhrwerke und Wagen kamen ihnen entgegen und erste Häuser tauchten zu beiden Seiten auf. „Weiß man schon genau, wo sie sind?“, fragte sie.
„Na ja – irgendwo in der Gegend um das Kornbaat herum wird es wohl sein. Bei ihren Erscheinungen werden sie nicht groß herumspazieren können, ohne entdeckt zu werden – zumindest, wenn die Gerüchte nicht ganz falsch sind. Sie müssen sich also versteckt haben. Es gibt noch keine Nachrichten, dass man sie gefunden hat!“
Kishou atmete tief durch. Wenigstens suchten sie noch an einem falschen Ort. Sie waren ja inzwischen ein gutes Stück weiter gekommen. Der richtige lag aber nichts desto Trotz auf dem Weg dorthin …
„Na ja – den Ärger werden auf jeden Fall erstmal wir hier haben“, meinte nun der Breene. „Die Saison ist ja zu Ende. Du wirst sicherlich die nächsten Tage zurückkehren! – Wo kommst Du denn her?“
„Kishou erschrak. Genau solche Fragen durften nicht kommen. „Wie?“, reagierte sie, als hätte sie die Frage nicht verstanden, während ihr Kopf verzweifelt nach einer geeigneten Antwort suchte.
„Wo kommst du her?“, fragte der noch einmal. „Aus Machnok?“
„Ja – ja!“, nahm Kishou den Vorschlag sofort dankbar auf. „Zumindest aus der näheren Umgebung da!“, setzte sie noch schnell hinzu, um es nicht zu einfach klingen zu lassen.
„Hab ich mir gedacht!“, nickte der Breene. „Hier in der Gegend sind die meisten Saathelferinnen von da!“
„Ja – ist angenehmer wenn man sich kennt, und zum selben Ort fährt!“, meinte Kishou, und wunderte sich über sich selbst – was ihr spontan so alles in den Sinn kam.
Die Häuser waren zahlreicher und höher geworden, und die Straßen belebten sich immer mehr mit allerlei Fuhrwerken und Bewohnern dieses Ortes. Sie fuhren offensichtlich gerade in die Stadt ein. Sie hatte noch niemals so etwas gesehen, und wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte.
„Schon klar. Wann geht's denn zurück?“. Der Breene wurde offenbar langsam richtig gesprächig.
„Eigentlich übermorgen. … war heute mein letzter Arbeitstag. Aber unter den gegebenen Umständen lieber schon morgen!“, erklärte sie mit einer Vertrautheit, das sie fast selbst daran glauben könnte, während ihre Augen mit Faszination über die Fassaden der Häuser irrte.
Der Breene lachte vorn auf seinem Sitz. „Hast du dich schon abgemeldet?“
„Äh Nein!“ … Keine Ahnung, was er damit meinte.
„Wir kommen ja gleich direkt an der Meldestelle vorbei. Wenn Du willst, kann du da abspringen!“ Er zog etwas aus der Tasche, das an einer Kette befestigt war, warf einen kurzen Blick darauf, und verstaute es samt Kette wieder. „Es ist noch rechtzeitig – da bekommst du auch gleich die neuen Formulare!“
„Ja – gut. Mach ich!“, antwortete Kishou, ohne die geringste Ahnung, wovon er sprach. Aber die Redseligkeit des Breenen wurde langsam gefährlich, und was auch immer er meinte, es war zumindest eine gute Gelegenheit zu verschwinden.
Der Wagen bog in eine breite Straße ein, und hielt plötzlich. „Die letzten Schritte machst du besser zu Fuß. Wenn die Gaunen zufällig aus dem Fenster schauen, müssen die ja nicht unbedingt sehen, das du gerade von meinem Wagen steigst!“
„Alles klar!“, reagierte Kishou erleichtert, ergriff ihr langes Päckchen und sprang schon von der Pritsche.
„Und wie gesagt, wir sind uns nie begegnet. Du bist zu Fuß in die Stadt gekommen!“
„Schon klar! Und danke nochmal!“, verabschiedete sie sich.
Das Pferd zog an, und der Wagen setzte sich wieder in Bewegung.
Da stand sie nun.
Wo immer sie bisher gewesen war, so konnte sie doch auf einiges in ihrer Erinnerung zurückgreifen – hier war nichts, was sie an irgend etwas erinnerte. Hohe Häuser säumten zu beiden Seiten die breite Wegesflucht – mit drei Fensterreihen übereinander. Selbst einen solchen Weg hatte sie noch nicht gesehen. Er war unterteilt. Ein sehr breiter in der Mitte, wo die Wagen und Fuhrwerke fuhren oder an seinem Rand standen, und einem schmaleren zu beiden Seiten des breiten Weges, die von den Breenen zu Fuß genutzt wurden. Und es waren viele Breenen und wohl auch Braanen. Sie strömten an ihr vorbei und um sie herum wie das Wasser in einem Flussbeet. Eiserne Stäbe konnte sie in regelmäßigen Abständen im Verlauf des steinernen Weges erkennen, mit jeweils einer weißen Kugel darauf. Es mochten wohl irgendwelche Besonderen Apparate sein, spekulierte sie.
Sie fürchtete plötzlich aufzufallen, wie sie da, gleich einem Stein im fließenden Bach, den Strom behinderte. Sie zog ihre Kapuze tief über ihr Gesicht, und lief einfach, sich dem Fluss anpassend, los. Es schien ihr in diesem Gewimmel kaum denkbar, dass nicht doch irgend jemand ihr Gesicht entdeckte – und was dann geschehen würde, wollte sie sich nicht ausmalen. Nicht das sie bei ihrer Entdeckung direkt um ihr Leben fürchten musste – selbst die ärgsten Feinde zerschmolzen bei ihrem Anblick auf wundersame Weise, wie sie es immer erlebt, wenn auch nie verstanden hatte. Aber zu befürchten war, das es einen großen Auflauf geben würde, und sie damit verraten wäre. Die Horden der Gleichen waren Geschöpfe Suäl Graals, die sich dann wohl kaum von ihr beeindrucken lassen würden ...
Überall kam sie an große Fensterläden vorbei, wo vieles Unbekannte zu sehen war – aber auch immer wieder Früchte und Backwerk. Wenigstens dazu fand sie nun doch Vergleichbares in ihrer Erinnerung. Es erinnerte sie an die Oase Hebela in der Dritten Ebene des Dritten Tals des Dritten Droms. Dort gab es kleine, verwinkelte Orte mit Geschäften, wo man vor allem Gedanken tauschte … Hier tauschte man neben allerlei seltsamen Dingen offenbar sogar das Essen, staunte sie – allein das es hier augenscheinlich Unmengen davon gab, war schon unwirklich genug.
Aber unwirklich erschien ihr alles an diesem Ort. Die Straßenschluchten mit den hohen, zumeist gleichförmigen Fassaden der Häuser, der nicht enden wollende Strom von Fuhrwerken und Bewohnern, das in allen erdenklichen Tönen alles beherrschende Grau – und der strahlend blaue Himmel darüber, als wollte er der Farblosigkeit der Stadt mit aller Heftigkeit widersprechen. Daneben die scheinbare Gleichförmigkeit aller Bewegungen – und ein ohrenbetäubender, heller Lärm, der in diesem Moment gerade losbrach, und ihr einen gehörigen Schrecken versetzte.
Eine große Glocke begann ihr lärmendes Werk. Sie blickte zur anderen Seite der Straße hinüber. Ein großes Haus, ein stückweit vor ihr, dessen Fassade aus massigen, dunklen Steinquadern bestand, reihte sich dort in die ansonsten mehr oder weniger eintönige Häuserfront ein. Ein viereckiger Turm mit vielen Schlitzen in seinen Wänden, überstieg sein Dach, und war offenbar die Quelle des Spektakels. Ein großes Eingangsportal zierte die Fassade des Gebäudes, zu dem eine sehr breite Treppe hinaufführte – und darüber war eine riesige weiße Scheibe mit zwei unterschiedlich langen Stäben in das Mauerwerk eingelassen, die sie an die großen Speere erinnerte, wie sie die Asimielen im Dritten Drom für ihre Katapulte nutzten. Zahlen waren um den Rand der Scheibe angeordnet. Ohne Frage musste es ein wichtiges Haus sein – vielleicht gar jenes, dass sie aufsuchen sollte, um sich ‚abzumelden’.
Links und rechts des Portals standen zwei seltsame Gestalten. Sie fielen ihr sofort auf, weil ihre Kleidung nicht denen der Breenen entsprach. Sie trugen weite, dunkelrote Hosen und einen gleichfarbigen, mit gelben Bändern verschnürte kurzen Kittel. Sie standen da bewegungslos, und hielten einen langen und geraden schwarzen Stab neben sich aufgepflanzt. Einen Moment lang dachte sie sofort an die Gleim – aber verwarf den Gedanken gleich wieder, denn diese Gestalten waren ja bereits auf den ersten Blick von allen anderen zu unterscheiden.