Kitabı oku: «Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele», sayfa 5

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Cassian kennt noch eine vierte Klasse von Mönchen182, die nur kurze Zeit das Joch des Klosters auf sich nehmen, dann aber schnell der Arbeit müde geworden und nicht mehr Willens, sich den Weisungen der seniores zu unterwerfen, ihre Zelle verlassen und sich in die Einsamkeit begeben.183 „Diese vierte Art ist das verratene Eremitenideal.“184

Die Normalform des mönchischen Lebens ist für Cassian „das gemeinsame Leben im Kloster, die Hochform das bewährte Eremitenleben. Was in diese Formen nicht paßt, kann nur negativ bestimmt werden.“185

Im XIX. Buch der Collationes wird noch eindeutiger das Klosterwesen bevorzugt. Als Autorität erscheint ein Mönch Johannes, der Anachoret gewesen und in sein Kloster zurückgekehrt war. Er hält Cassian einen langen Vortrag, in dem die Eigentümlichkeiten und Vorzüge des Anachoretentums und des Klosters gegeneinander abgewogen werden. Dann betont er aber doch die Mängel des Anachoretentums, namentlich in seiner jüngeren Entwicklung, sehr stark - das Überhandnehmen des Besuchswesens, die dadurch entstandene Störung der Zellenruhe, die Sorge der Beschaffung der Nahrungsmittel auch für die Besucher - und begründet so den Entschluß der Rückkehr von der Zelle ins Kloster.186

W. Bousset beurteilt diese Einschätzung als unsketisch und wundert sich darüber, daß Johannes Cassian, der lange Jahre in der Sketis verbrachte, vom Geist der sketischen Mönche so wenig verstanden habe. Die hier vorgetragene Theorie sei die des Nildeltas, nicht die der Sketis.187

Nun mag W. Bousset mit dieser Einschätzung durchaus recht haben, allerdings bleibt seine offensichtliche Vorliebe für das Anachoretentum der Sketis ebenso festzuhalten wie die bereits in den Apophthegmata selbst relativ ausführlich beklagten Mißstände des gegenwärtigen Anachortentums im Unterschied zu den früheren Zeiten der Altväter188, die Cassian u.U. nur referiert.

„Cassian schrieb seine Werke für das südgallische Mönchtum mit gezielt belehrender und ordnender Absicht. Seine Schriften sind ‘littérature engagée’. Lange Seiten seiner Ausführungen sind nur von diesem Adressatenkreis her zu verstehen.“189 Cassian will die Erfahrungen der ägyptischen Mönchsväter für das südgallische, im Entstehen begriffene Mönchtum fruchtbar machen. Letzteres soll als Koinobitentum geordnet werden und „vor der Verführung durch die Einsamkeit gewarnt werden.“190

I.1.E.c. Johannes Cassian als Vermittler des Evagrios Pontikos im Westen

Cassian war zur selben Zeit wie Evagrios in Ägypten und kannte nachweislich dessen Schriften, so daß die Möglichkeit einer direkten Begegnung gegeben war, wofür aber jegliche Zeugnisse fehlen.191

K. Ruh stellt fest: „Es ist fast immer nur beiläufig vermerkt worden, daß mit Cassian dem Abendland vier Jahrhunderte vor der epochalen Dionysius-Rezeption ein griechischer Vater vermittelt worden ist, Evagrios Ponticos, der sonst dem Mittelalter fremd geblieben wäre. Er ist der wichtigste Gewährsmann Cassians, der ihn freilich an keiner einzigen Stelle nennt. So blieb er im Mittelalter namenlos.“192

Das Verschweigen hat seinen Grund wohl im oben bereits erwähnten Verdikt des Hieronymus, außerdem rechnete man ihn zu den Origenisten.

Vor allem die sog. „Ach-Laster-Lehre“193 des Evagrios, die eng zusammenhängt mit seiner Vorstellung vom Mönchtum als dem Kampf mit den Dämonen194, übernimmt Cassian in seine Schriften.195

Darüber hinaus ist es die Kontemplations- und Gebetslehre, die Cassian weitgehend dem Evagrios verdankt.196

Beide Autoren kannten das Leben in der Wüste aus eigener Erfahrung und manche der Altväter, von denen die Apophthegmata berichten, aus persönlicher Begegnung. Für beide hatte dieses Leben in der Wüste Vorbildcharakter. Cassian will das ägyptische Mönchsleben in den südgallischen Raum übertragen.197 Für Evagrios gehören die Wege der Mönche neben der Hl. Schrift zu den Quellen der Erkenntnis für die Gestaltung eines christlichen Lebens198:

„Es ist sehr wichtig, sich sorgsam die Wege der Mönche anzusehen, die sie, ohne auf Abwege zu geraten, gegangen sind, und sich auf denselben Weg zu machen. Sie haben uns viele Ratschläge und Beispiele hinterlassen.“199

Evagrios und Cassian sind beide gebildete Mönche und beschreiben auf diesem Hintergrund das Leben der Wüstenväter, systematisieren es da und dort und interpretieren ihre Erfahrungen im Sinne ihrer Absichten. Daher spricht einiges für die Bemerkung von L. Regnault, daß die Schriften von Evagrios, Cassian und Palladius gewiß interessant seien, jedoch nicht die ursprüngliche, reine Tradition des ägyptischen Mönchtums repräsentierten, während das Interesse der Apophthegmata der ursprünglichen Form des Mönchtums, wie es im 4. und 5. Jahrhundert in der Sketis vorfindlich war, gegolten hätte.200 In der Tendenz ist hier L. Regnault zuzustimmen, jedoch muß einschränkend bemerkt werden, daß natürlich auch die Apophthegmata einen Redaktor mit gewissen Interessen hatten, die sich weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich auf die Bewahrung der ursprünglichen Überlieferung beschränkten.201

I.1.F. Menschenbild der alten Mönche
I.1.F.a. Auseinandersetzung mit den Gedanken, Leidenschaften und Dämonen.

Das menschliche Leben ist nach Meinung der alten Mönche geprägt von einem Kampf. Der Mensch muß sich auseinandersetzen mit seinen Gedanken (logismoi), mit den Dämonen und seinen Lastern, um zu reifen und das Ziel zu erreichen. Das bedeutet aber auch, positiv gewendet, der „Mensch ist nicht einfach seinen Emotionen und Leidenschaften ausgeliefert. Er kann mit ihnen umgehen, sie klären,...“202. Dabei wird immer wieder deutlich, daß die eigentlichen Probleme des Menschen nicht intellektueller Natur sind, sondern vielmehr aus der tiefen Bedürftigkeit im Umgang mit dem eigenen Leben stammen. Hier das eigene Verlangen ernst zu nehmen, kann zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu Gott werden. Die Gedanken, gegen die der Mensch zu kämpfen hat, sind Vorstellungen und Begriffe rationalen Inhalts, aber auch viel umfassender: bestimmte Absichten, Pläne, Intentionen, Wünsche, Einfälle, Gefühle, Motive, Stimmungen.203 Dabei geht es nicht unbedingt um ein Bekämpfen dieser Gedanken, sondern um ein Unterscheiden und um die Befreiung aus der Abhängigkeit von ihnen. Zunächst wird keine Bewertung vorgenommen, alle Gefühle und Bedürfnisse, alle Sehnsüchte und Stimmungen des Menschen sind akzeptiert und haben ein Recht zu sein, sie haben einen Sinn. Wichtig ist dabei, allem auf den Grund zu gehen und darin die Botschaft, den Hinweis für den nächsten Schritt im geistlichen Leben zu finden.204 Evagrios Pontikos schreibt in der Einleitung zu seiner „Acht-LasterLehre“:

„Ob diese Gedanken uns belästigen oder nicht, liegt nicht in unserer Macht. Ob sie aber in uns herumlungern oder nicht und damit unsere Leidenschaften entfachen, darüber haben wir Macht.“205

Hinter den schlechten, versucherischen Gedanken und Lastern vermuten die Mönche Dämonen, die zuweilen auch Gestalt annehmen können206. Johannes Cassian schreibt allerdings dazu:

„Nicht brauchen wir die Feinde von außen zu fürchten. In uns selbst ist der Feind eingeschlossen. Ein innerer Krieg wird täglich in uns geführt. Ist dieser ausgekämpft, so wird alles, was sich außerhalb findet, schwach und dem Streiter Christi vollständig unterworfen sein. Nicht werden wir den Feind von aussen zu fürchten haben, wenn alles, was in uns ist, sich besiegt dem Geiste unterwirft.”207

Für Evagrius Pontikus sind „die Gedanken“ und „die Dämonen“ praktisch dasselbe. Darum kann er in einem Atemzug von dem „Gedanken“ oder von dem „Dämon“ der Gaumenlust, der Unkeuschheit, des Geizes usw. sprechen. Es sind fast austauschbare Begriffe.208 „So wenig diese Titel einfach das gleiche meinen, so ist mit ihnen doch ein und dasselbe Gesamtphänomen zur Sprache gebracht.“209

Evagrios unterscheidet nach ihrem jeweiligen Ursprung drei Arten von „Gedanken“ (logismoi): Die einen steigen aus der menschlichen Seele auf, die anderen haben einen transzendenten Ursprung und kommen entweder von den Engeln oder sie werden von Dämonen verursacht.210

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß nicht jede Versuchung zum Bösen ein Logismos ist, sondern nur solche schlechten Impulse und Wünsche, die in ihrem rebellischen Charakter und ihrer Permanenz den Eindruck erwecken, als würden sie von außen kommen.

Diese typische Verwendung des Begriffs „logismos“ bei Evagrius im pejorativen und dämonologischen Sinn findet sich praktisch in den gesamten asketischen Schriften des Orients und des Occidents wieder.211

In den Apophthegmata finden sich diese Charakterisierungen ebenfalls:

Die Dämonen lösen Gedanken aus:

„Abbas Joseph fragte über den gleichen Gegenstand [schmutzige Gedanken], und Altvater Poimen antwortete ihm: ‘Wenn einer eine Schlange oder einen Skorpion in ein Gefäß wirft und es verschließt, dann gehen sie mit der Zeit ein. So auch die bösen Gedanken, die von den Dämonen herkommen. Sie hören bei geduldigem Ausharren auf.’ “ (Poimen 21)(Apo 595)

Gedanken und Dämonen werden synonym verwendet:

„Der Altvater Poimen erzählte über den Altvater Isidor: seine Gedanken sagten zu ihm: ‘Du bist ein großer Mensch!’ Und er sprach zu sich: ‘Bin ich etwa von der Art des Antonios? Oder bin ich vollkommen geworden wie Abbas Pambo? Oder wie die übrigen Väter, die das Wohlgefallen Gottes hatten?’ Sooft er sich das vorführte, hatte er Ruhe. Wenn aber die Feindschaft (der Dämonen) ihn mit Kleinmut erfüllen wollte, daß er nach all dem doch in die Strafe eingehen werde, sagte er zu ihnen: ‘Auch wenn ich in die Strafe geworfen werde, werde ich euch doch noch unter mir finden.’ “

(Isidor 6)(Apo 362)

Die Willensneigungen und damit letztlich auch die aufsteigenden Gedanken in Form des Willens werden als Dämonen identifiziert:

„Abraham, der Schüler des Altvaters Agathon, fragte den Altvater Poimen: ‘Wie können mich die Dämonen anfechten?’ Abbas Poimen sprach: ‘Dich bekriegen die Dämonen? Sie kämpfen nicht mit uns, solange wir unseren Willen tun. Denn unsere Willensneigungen212 sind die Dämonen, und sie sind es, die uns bedrängen, unseren Willen zu tun. Wenn du aber sehen willst, mit wem die Dämonen kämpfen: Mit Moses213 und seinesgleichen!“ (Poimen 67)(Apo 641)

Grundsätzlich definiert Abbas Poimen:

„Alles Übermaß ist von den Dämonen.“ (Poimen 129)(Apo 703)

Bezüglich der Leidenschaften heißt es:

„Abbas Pityrion, der Schüler des Abbas Antonios, sprach: ‘Wer die Dämonen austreiben will, muß zuerst die Leidenschaften unterwerfen. Welche Leidenschaft einer auch überwindet, deren Dämon treibt er damit aus. Ein Dämon begleitet den Zorn. Wenn du nun über den Zorn Herr wirst, dann ist damit auch sein Dämon vertrieben. Und ähnlich steht es mit jeder Leidenschaft.“ (Pityrion)(Apo 780)

Die Auseinandersetzung mit den Leidenschaften bewahrt den Mönch vor falscher Ruhe:

„Altvater Poimen erzählte über den Altvater Johannes Kolobos: Er rief Gott an, und die Leidenschaften wurden von ihm genommen, und er war ohne Sorgen. Er ging fort und sagte zu einem Greis: ‘Ich stellte fest, daß ich in Ruhe bin und keine Anfechtung mehr habe.’ Der Greis sprach zu ihm: ‘Geh und rufe Gott an, daß ein Feind gegen dich aufsteht, und so auch die alte Zerknirschung und Demut, die du früher hattest (wieder zurückkehrt!). Denn gerade durch die Anfechtung macht die Seele Fortschritte.’ Er bat also, und als der Feind kam, betete er nicht mehr, daß er von ihm befreit werde, sondern sagte: ‘Gib mir Geduld, Herr, in den Kämpfen!“ (Johannes Kolobos 13)(Apo 328)

Immer wieder wird das Ausharren, das Im-Kellion-Bleiben eingeschärft, auch negativ im Hinblick auf die Dämonen:

„Abbas Paulos der Große, ein Galater, sprach: ‘Der Mönch, der kleine Bedürfnisse in seinem Kellion hat und ausgeht, um sie zu besorgen, wird von den Dämonen genarrt - das habe ich selber erfahren müssen.“ (Paulos der Große 1)(Apo 794)

Der Befund dieses Durchgangs deckt sich mit der oben zitierten Beobachtung H. Bachts bezüglich der „Gedanken“ bei Evagrius Pontikus.

Es besteht eine große begriffliche Nähe, z.T. Übereinstimmung zwischen Gedanken bzw. Logismoi, Leidenschaften, Wille, Bedürfnissen und den Dämonen, wobei tendentiell festzuhalten ist, daß die Dämonen den Anteil der Erfahrung bezeichnen, in der die Versuchung als von außen kommend erlebt wird. Auch A.K. WuchererHuldenfeld betont vom Begriff der Leidenschaft her eher den Aspekt des Übermächtigtwerdens: „Wird die Dämonologie des Evagrios vom Phänomen, daß Leidenschaften einen überkommen und ganz und gar ‘gefangen’ nehmen, her verstanden, so liegt in ihr ein Schlüssel zur Achtlasterlehre und sie hat wenigstens primär nichts mit ‘orientalischem Geisterglauben’ zu tun.“214

In den Geschichten kommt eine gewisse Hilflosigkeit derer zum Ausdruck, die von Dämonen gequält werden. Sie holen sich Rat, d.h. es gibt einen gewissen Leidensdruck, der sie aufbrechen läßt.215 Durch die Dämonen entstehen Unsicherheiten, Verwirrungen, denn sie können sich hinter moralisch guten Ratschlägen verbergen:

„Jemand sagte zum Altvater Arsenios: ‘Meine Gedanken quälen mich, indem sie mir sagen: Du kannst nicht fasten und auch nicht arbeiten, so besuche wenigstens die Kranken; denn auch das ist Liebe.’ Der Greis aber, der den Samen der Dämonen kannte, sagte zu ihm: ‘Geh und iß, trinke, schlafe und arbeite nicht, nur verlaß dein Kellion nicht!“ Er wußte nämlich, daß das Ausharren im Kellion den Mönch in seine rechte Ordnung bringt.“ (Arsenios 11)(Apo 49)

Der Teufel (Herr der Dämonen) kann als Engel erscheinen:

„Einst erschien der Teufel einem Bruder, verwandelt in einen Engel des Lichtes und sprach zu ihm: ‘Ich bin der Engel Gabriel und zu dir gesandt!’ Jener aber entgegnete: ‘Siehe, ob du nicht zu einem anderen geschickt wurdest; denn ich bin nicht würdig, daß ein Engel zu mir geschickt würde.’ Sofort verschwand der Teufel.“ (V, 15, 68)(Apo 1074)

„Die Altväter sagten: Wenn dir auch in Wahrheit ein Engel erschiene, nimm ihn nicht leicht auf; sondern verdemütige dich und sage: Ich bin nicht würdig, einen Engel zu schauen, weil ich in Sünden lebe.“ (V, 15, 69)(Apo 1075)

Sogar die Gestalt Jesu Christi kann der Teufel annehmen:

„Man erzählte von einem anderen, daß er in seinem Kellion saß und Versuchungen ertrug, da sah er die Dämonen offensichtlich, aber er verachtete sie. Als aber der Teufel sich von dem Greise besiegt sah, kam er selbst, zeigte sich ihm und sprach: ‘Ich bin Christus! Warum hast du deine Augen verschlossen?’ Der Greis antwortete: ‘Ich will hier Christus nicht schauen, sondern in jenem Leben erst.’ Als der Teufel dies hörte, verschwand er.“ (V, 15, 70)(Apo 1076)

Die Dämonen kommen im Gewand von Alltäglichkeiten und Kleinigkeiten216 oder in der Versuchung zum auch scheinbar frommen Übermaß217. Sogar die Aufforderung zum Beten kann von den Dämonen verursacht sein:

„Ein Bruder saß ruhig in seinem Kellion, da wollten ihn die Dämonen in Gestalt von Engeln verführen, indem sie ihn zum Gebet aufweckten und ihm leuchteten. Jener aber begab sich zu einem Altvater und sagte zu ihm: Vater, Engel kamen zu mir und leuchteten mir zum Gebet. Der Greis sagte zu ihm: Höre nicht auf sie, denn es sind Dämonen. Wenn sie wieder kommen, dich zum Gebet aufzuwecken, dann sprich: Ich stehe auf, wann ich will, auf euch aber höre ich nicht. Nachdem er die Weisung des Alten empfangen hatte, kehrte er in sein Kellion zurück. In der folgenden Nacht aber kamen nach ihrer Gewohnheit die Dämonen und weckten ihn auf. jener aber antwortete ihnen, wie ihn der Greis geheißen hatte, und sagte: Ich stehe auf, wann ich will, und auf euch höre ich nicht! Darauf sagten diese: Gewiß hat dich jener alte Bösewicht angeleitet, dieser Falsche, zu dem ein Bruder kam, um von ihm Geld zu entleihen, er aber, obwohl er es hatte, leugnete ihm gegenüber und sagte, er habe nichts, und gab ihm auch nichts. Am Morgen stand der Bruder auf, begab sich zu dem Greis und meldete ihm dies. Dieser antwortete: Wirklich, ich hatte Geld, und es ist auch wahr, daß jener Bruder kam, um zu entleihen, aber ich wußte, daß ich seine Seele verdorben hätte, wenn ich ihm geliehen hätte. Ich dachte also, es sei besser, ein Gebot zu umgehen, als zehn zu übertreten. Wir wären alle in Verwirrung geraten, wenn ich ihm das Geld gegeben hätte. Du aber höre nicht auf die Dämonen, wenn sie dich verführen wollen. Von diesen Worten des Greises gestärkt, ging er wieder in sein Kellion.“ (V, 10, 93)(Apo 1109)

Die Väter raten, eher mißtrauisch gegenüber Einflüsterungen, Gesichten und Wünschen zu sein, auch und vielleicht gerade, wenn sie im frommen Gewand erscheinen. Im Sinne der Unterscheidung ist immer wieder nach der Herkunft der Antriebe, nach dem dahinterliegenden tieferen Antrieb zu fragen. Dies kann den Mönch verwirren, gerade wenn er noch am Anfang des Weges steht. Umso wichtiger, so betonen die Geschichten, ist eine Führung durch den erfahreneren Altvater, um den Trugbildern auf die Spur zu kommen. Dies mag einerseits zu Unsicherheiten des Mönches führen, andererseits sind diese aber ein Zeichen dafür, daß der Mönch den Kampf mit den Dämonen aufgenommen hat und sich nicht länger ihren Einflüsterungen fügt.218

Es bleibt weiterhin bedeutsam, was oben zum theologischen Verständnis des Dämonenkampfes und zum Weltbild der Mönche gesagt wurde, doch schält sich aufgrund der genauen Lektüre heraus, daß das Schlachtfeld des Dämonenkampfes die Psyche des Menschen ist. „Das Dämonische stand nicht nur für alles, was feindlich gegen den Menschen war; die Dämonen faßten alles zusammen, was im Menschen selbst anomal und unvollkommen war.“219 Ein Beleg und gleichzeitig eine Quelle für diese anthropologische Sicht ist Origenes, der die Seele als Schauplatz des spirituellen Kampfes beschreibt. In diesem Kampf ist die Seele frei. Gott legt in den Menschen die Fähigkeit und Kraft zu einem tugendhaften Leben, zwingt ihm aber niemals eine Entscheidung dafür auf.220

B. Miller formuliert in seiner Anmerkung zu Apo 12: „So gesehen bedeutet in unserer Literatur [Apophthegmata] Kampf gegen die Dämonen nichts anderes als Kampf gegen das Ich und seine verkehrten Neigungen...“221. Daß dies nicht eine einfache Psychologisierung ist, sondern theologische Dimensionen hat, macht W. Nyssen in seiner Einleitung zur deutschen Ausgabe der Apophthegmata deutlich. Die Wüstenväter lehrten: „Nachfolge ist Freiwerden von allen Vorspiegelungen des eigenen Ich, aber das kann nur durch den Vollzug, durch tägliche Einübung begriffen werden. Nachfolge wird durch Vollzug zum Ausloten einer neuen Tiefe des Menschseins, die vor allem im kernhaften Spruchwort des Mönches, dem Ausdruck seiner innersten Erfahrung, zu erahnen ist. ... Nachfolge ist stellvertretender Dienst an der Bereitung der Welt zu einem neuen Himmel und einer neuen Erde, ja sogar das gestalthafte Herbeirufen der Wende; Nachfolge schenkt ein neues Erfahren der Erde, ihrer kreaturhaften Seligkeit, ..., ihrer Steigerung durch jene Form der Offenheit, die aus dem wachen Bewußtsein um alle verborgene Dämonie des verblendeten Menschen gewonnen wird.“222

Ähnlich P. Brown: „Das Dämonische zu begreifen und von sich zu weisen, war ein Akt des Selbstexorzismus, analog zu der durch den Exorzismus der Taufe erreichten ‘Einfältigkeit’. Er schloß Grenzen im Ich, die irritierend weit offen standen. Daher haben, trotz all der vielen Schilderungen über Konfrontationen von Asketen mit dem Dämonischen, nur wenige spirituelle Traditionen mit so wütendem Nachdruck auf Selbst-Bewußtheit insistiert. Selbst-Bewußtheit und Dämonen-Bewußtheit ergänzen einander.“223

I.1.F.b. Der Umgang mit dem Sünder - Barmherzigkeit und Vergebung.

Die Altväter gehen davon aus, daß jeder im Hl. Geist und durch Gottes Barmherzigkeit den geistlichen Weg gehen kann und wenden sich deshalb besonders dem in Sünde gefallenen Mönch zu. Ein Hintergrund dieser Auffassung ist die doppelte Anthropologie des Origenes. Dieser geht einerseits von einer Dreiteilung des Menschen in Geist, Seele und Leib aus, die wichtig ist für seine asketische und moralische Lehre und entwickelt andererseits die Theologie von der Einbildung Gottes im Menschen, die Basis seiner mystischen Theologie ist.224 Für Origenes ist der Geist eine Gabe Gottes an den Menschen, durch den er im Menschen handelt. Wenn die Seele dem Geist gehorcht, wird er zu ihrem Führer und geleitet sie zur Übung der Tugenden und zu einem moralischen Leben, ebenso zur Kontemplation und zum Gebet. Hört die Seele nicht auf den Geist, wird sie sündig. Der Geist verläßt aber den Sünder nicht, sondern fällt in einen Zustand der Regungslosigkeit, der Lethargie, er bleibt in ihm gegenwärtig als eine Möglichkeit zur Umkehr. Nur den nach dem Gericht Gottes endgültig Verdammten verläßt der Geist.225

Origenes’ Lehre von der Einbildung Gottes im Menschen basiert auf dem platonischen Prinzip, daß nur das Ähnliche sein Ähnliches erkennt.

Nach Kol 1, 15 ist Christus das Bild des unsichtbaren Gottes. Deshalb spricht Origenes vom Menschen als dem zweiten Bild oder vom Bild des Bildes. Den Plural in Gen 1,26 „Laßt uns Menschen machen...“ deutet Origenes als Gespräch des Vaters mit dem Sohn, der die Menschen nach seinem Bild, nämlich nach dem Sohn, schaffen will. Dieses „Bild-des-Bildes-Sein“ ist die Grundlage unseres Seins als Menschen.

Was die Beziehung des Menschen zu Gott betrifft, so ergreift Gott ständig die Initiative, indem er sich offenbart, aber es ist notwendig, daß der Mensch bereit ist, diese Offenbarung aufzunehmen. Die Erkenntnis Gottes ist eine Begegnung zwischen zwei Freiheiten.

Die Sünde bedeckt das „Bild-des-Bildes-Sein“ des Menschen mit diversen anderen Bildern: Bildern des Teufels, irdischen Bildern etc.. Diese Bilder haben aber nicht den Verlust der Einbildung Gottes zur Folge, denn das Bild Gottes in der Seele ist unauslöschlich.226

„Der Maler dieses Bildes ist der Sohn Gottes. Ein Maler von solcher Qualität und solcher Kraft garantiert, daß sein Bild zwar durch Nachlässigkeit dunkel werden kann, aber niemals zerstört durch die Bosheit. Das Bild Gottes bleibt immer in dir, auch wenn du Bilder des Irdischen (des Teufels) darüberlegst. ... Wenn du in dir alle jene Farben zerstört hast, die mit der Tinte der Bosheit gemalt waren, wird wiederum das Bild in dir aufleuchten, das Gott geschaffen hat.“227

„Deshalb wird keiner, der mehr dem Teufel als Gott gleicht, die Möglichkeit verlieren, die Form des Bildes Gottes in ihm wiederzufinden, denn der Erlöser ist nicht gekommen, die Gerechten zur Buße zu rufen, sondern die Sünder.“228

In der Seele des Menschen verbinden sich beide Anthropologien des Origenes. Sie ist der Ort des „Bildes-des-Bildes-Seins“ des Menschen, ihr Pädagoge und Mentor ist der Hl. Geist, der Repräsentant Gottes im Menschen ist.229

Dieses grundlegend positive Bild des Menschen, der den Geist Gottes nicht verlieren kann und der das Bild Gottes in sich nicht löschen kann, was immer er auch tun, bildet die Grundlage für die Art und Weise der Geistlichen Führung im alten Mönchtum.

„Der Altvater Antonios sprach zum Altvater Poimen: ‘Das ist das große Werk des Menschen, daß er seine Sünde vor das Angesicht Gottes emporhalte, und daß er mit Versuchung rechne bis zum letzten Atemzug.’ “ (Antonios 4)(Apo 4)230

Die Väter vertrauen darauf, daß Gott auch durch die Sünde hindurch den Menschen für sich aufbrechen kann. Ja, oft scheint die Sünde die Voraussetzung zu sein, daß einer versteht, daß er nicht aus eigener Kraft, sondern nur aus Gnade und Barmherzigkeit Gottes bestehen kann.

„Der Altvater Sarmata sprach: ‘Mir ist ein Mensch lieber, der zwar gesündigt hat, aber einsieht, daß er gesündigt hat, und bereut, als ein Mensch, der zwar nicht gesündigt hat, sich aber für einen hält, der Gerechtigkeit übt.’ “ (Sarmata 1)(Apo 871)

Die Väter rechnen auch mit Umwegen und Irrwegen des Menschen und sind bereit, Ratsuchende auf ihren Irrwegen zu begleiten und sie nach ihren Umwegen weiter voll Vertrauen Gottes Wege zu lehren.

„Ein Bruder fragte den Abbas Poimen: ‘Was soll ich tun?’ Der Greis sagte: ‘Wenn Gott uns seinen Schutz gewährt, worum sollen wir uns sorgen?’ Der Bruder wandte ein: ‘Um unsere Sünden!’ Darauf antwortete der Alte: ‘Gehen wir in unser Kellion und gedenken wir unserer Sünden, und der Herr geht in allem mit uns.’ “ (Poimen 162)(Apo 736)

Der Glaube an Gottes Barmherzigkeit, der nicht nur theoretisch behauptet, sondern praktisch gelebt wird, schließt das Wissen ein, daß geistliche Wege nicht immer gerade und zielstrebig verlaufen. Im Christentum geht es nicht um stets aufsteigende, glatte Biographien, im Gegenteil, zum christlichen Wachstumsverständnis gehören notwendigerweise Brüche, Sprünge, Umwege, Krisen, ja oft sind diese erst Auslöser eines nächsten Reifungsschrittes.231 „Im geistlichen Wachstum kann nichts erzwungen werden. Mit Wachstumsschüben ist ebenso zu rechnen wie mit schöpferischen Inkubationszeiten - einschließlich regressiver Wachstumsverweigerungen und progressiver Überhastungen.“232

„Ein Bruder in der Sketis bei Abbas Paphnutios wurde von der Unkeuschheit angefochten und sagte: ’Auch wenn ich zehn Weiber nähme, könnte ich meine Begierde nicht stillen.’ Der Greis munterte ihn auf, indem er sagte: ‘Nein, Kind, der Kampf kommt von den Dämonen.’ Aber er folgte ihm nicht und ging nach Ägypten und nahm sich ein Weib. Nach einiger Zeit begab es sich, daß der Greis nach Ägypten hinaufzog, und er begegnete dem Bruder, der Körbe mit Tongefäßen trug. Paphnutios erkannte ihn nicht, er aber sagte zu ihm: ‘Ich bin dein Schüler N. N.’ Als der Greis ihn in dieser Unehre sah, weinte er und sprach: ‘Wie hast du die Ehre von damals aufgegeben und bist in diese Unehre gekommen. Es fehlte nur, daß du zehn Weiber genommen hast.’ Da seufzte er auf und sagte: ‘In Wahrheit, ich habe nur eines genommen und habe Mühe, daß ich ihr genug Brot verschaffen kann.’ Und der Greis sprach zu ihm: ‘Komm wieder zu uns!’ Und er sagte: ‘Gibt es da eine Buße, Abbas?’ Der sagte: ‘Ja, sie ist möglich!’ Und er verließ alles und folgte ihm. Und er kam in die Sketis, und durch Erfahrung wurde er ein angesehener Mönch.“ (Paphnutios 4)(Apo 789)233

Diese Art des Umgangs mit dem Sünder geschieht in einer Zeit, in der mit Sünde meist nur schwerwiegende Vergehen bezeichnet wurden.

„Jemand erzählte von einem Bruder, der in Sünde gefallen war. Er kam zum, Altvater Lot, verstört trat er ein und ging hinaus und konnte nicht ruhig sitzen bleiben. Da fragte ihn Abbas Lot: ‘Was hast du, Bruder?’ Er antwortete: ‘Ich habe eine große Sünde begangen und vermag sie den Vätern nicht zu bekennen.’ Da sprach der Alte: ‘Offenbare sie mir, und ich werde sie tragen.’ Da bekannte er ihm: ‘Ich bin in die Sünde des Ehebruchs gefallen und habe, um mein Ziel zu erreichen, gemordet.’ Der Alte erwiderte ihm: ‘Habe Vertrauen, es gibt eine Reue. Wohlan, setze dich in deine Höhle, faste je zwei Tage, und ich werde mit dir die Hälfte der Schuld tragen.’ Nach drei Wochen wurde dem Alten die Gewißheit, daß der Herr die Buße des Bruders angenommen habe. Und er verharrte im Gehorsam gegen den Greis bis zu seinem Tode.“ (Lot 2)(Apo 448)

Selbst wenn die Väter Zeuge von Verfehlungen werden, sie lehnen es ab zu verurteilen:

„Es kam einmal ein Knabe, damit er von der Besessenheit geheilt werde. Die Brüder brachten ihn in das Koinobion des Ägypters. Der Alte kam heraus und sah, wie der Bruder mit dem Knaben sündigte. Er verurteilte ihn jedoch nicht, sondern sagte: ‘Wenn Gott, der sie gebildet hat, sie nicht mit Feuer verbrennt, wer bin dann ich, daß ich sie tadle?’ “ (Johannes der Perser 1)(Apo 416)

Johannes Cassian erzählt in seinen Collationes ein Beispiel, wie ein Altvater den anderen scharf zurechtweist, weil er es an Barmherzigkeit hatte fehlen lassen:

„Laßt mich ein Beispiel erzählen, ohne den Namen des betreffenden Altvaters zu nennen. Zu diesem Altvater - er ist mir bestens bekannt - kommt eines Tages ein junger Mönch, keineswegs einer der Erschlafften und Trägen, und offenbart ihm seine sexuellen Anfechtungen. Er war dadurch in großer Unruhe und glaubte nun, er werde in seiner Qual durch das Gebet des Altvaters getröstet werden und ein Heilmittel für seine Wunden erhalten. Der aber schimpft ihn mit den bittersten Worten aus, nennt ihn einen Elenden und Unwürdigen, der nicht den Namen eines Mönches verdiene, weil er sich durch ein solches Laster und seine Begierden aufreizen lasse. Durch diesen unangebrachten Vorwurf verwundet der Greis den jungen Mann zutiefst. Er schickt ihn, der tödlich verzweifelt und aufs tiefste niedergeschlagen ist, aus seiner Zelle weg. Und jener geht, schwermütig niedergedrückt. Jetzt denkt er nicht mehr an Heilmittel gegen seine Leidenschaft, sondern überlegt, wie er seine Begierden befriedigen kann. Da begegnet ihm Abbas Apollo, der bewährteste der Väter. Er schaut dem jungen Mann ins Antlitz und erkennt, welche Last ihn beschwert und welcher Kampf in seinem Innern tobt. Er redet ihn an und fragt nach der Ursache solcher Verstörung. Als dieser dem Abbas, der ihn sanft anspricht, nicht einmal eine Antwort geben kann, merkt dieser mehr und mehr, daß jener einen Grund haben muß, nicht über seine Verzweiflung reden zu wollen. Jetzt bedrängt ihn der Abbas, und der Junge bekennt, er sei auf dem Weg in ein Dorf, um sich eine Frau zu nehmen und ins Weltleben zurückzukehren, da er nach der Meinung jenes Altvaters ja doch nicht zum Mönch tauge. Er könne sich gegen den Stachel der Begierde nicht mehr wehren und wisse kein Mittel gegen solche Versuchung. Der Vater Apollo tröstet ihn aufs liebreichste und sagt ihm, er selbst werde täglich durch dieselben Stacheln sexueller Begierden gequält. Darum dürfe er nicht in solche Verzweiflung fallen und nicht erstaunt sein, daß dieser Kampf so erbittert sei. Daraus könne er lernen, daß nicht der eigene Kampfeseifer, sondern vielmehr des Herrn Barmherzigkeit und Gnade zum Sieg verhelfe. Apollo bittet den jungen Mann, einen Tag zu warten und in seine Zelle zurückzukehren.

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