Kitabı oku: «Süßer die Schellen nie klingen!», sayfa 4
„Ist ja auch nicht schlimm“, spricht sie weiter, „dann brauch ich auch niemanden hinterherzuräumen, hab ich mir immer gedacht, hahaha, grunz, hahaha, grunz.“
Jetzt fällt es mir wieder ein. Dieses grunzende Lachen hatte sie auch damals schon. Genau, deshalb haben wir derzeit auch Grunzi zu ihr gesagt. Und nun sitzt sie genau neben mir und grunzt noch genauso, als wären nur Tage anstatt Jahre vergangen.
Da Freddy inzwischen bei Chrissi mehrmals abgeblitzt ist, versucht er sein Glück nun bei Lilo. Die ist immerhin Strohwitwerin. Vielleicht fallen seine Bemühungen ja bei ihr auf fruchtbareren Boden.
„Aber du musst wissen, so alleine bin ich gar nicht mehr hahaha, grunz“, bemüht sich Gerda Grunzi weiterhin um meine Aufmerksamkeit.
„So Gerda, hast du nun einen Mann bei dir wohnen?“, heuchele ich Interesse.
„Ach Dieter, hahaha, grunz, du alter Schelm, doch kein Mann, hahaha, grunz, nein, nein. Ich habe zwei Flüchtlingsfamilien bei mir aufgenommen. Platz hab ich ja genug und so bin ich nicht mehr so alleine, hahaha.“
Wie war das noch gleich? Da fehlt doch was. Genau, wo ist das Grunz? Schnell schaue ich zu Gerda rüber, um zu kontrollieren, ob sie noch atmet. Alles in Ordnung, anscheinend hat sie das Grunzen einfach vergessen.
„Ach ja? Flüchtlingsfamilien, das ist aber interessant. Mensch, du hast ja eine ganz soziale Ader, das hätte ich gar nicht von dir gedacht“, bin ich erstaunt.
Das Flüchtlingsproblem hat sich ja im ganzen Land breit gemacht. Wir von der Polizei hätten reichlich damit zu tun, die Flüchtlinge zu überprüfen. Allerdings vergeuden wir die nötige Zeit damit, irgendwelche Demonstrationen gegen die Flüchtlinge zu überwachen. Das ist einfach ein Teufelskreis, wenn wir die Flüchtlinge nicht überprüfen, dann können die Straftäter unter ihnen ihr Unwesen treiben und somit ist das wiederum Wasser auf die Mühlen der Gegner.
Aber nun wieder zur Gerda: „Erzähle, wie ist das mit den Familien?“
„Ach du, das sind ganz nette und hilfsbereite Leute, die sind ja so froh, dass ich sie aufgenommen habe. Ich habe endlich eine Aufgabe und es ist endlich wieder Leben auf dem großen Anwesen.“
„Ach ja? Die Landwirtschaft hattest du nach dem Tod deiner Eltern doch nicht weitergeführt“, nun entwickele ich sogar echtes Interesse an dem Gespräch. Dem Regi ist inzwischen die Lust an den Autoliedern vergangen und er grölt nun »Trink, trink Brüderlein trink«.
„Aber nein doch, ich hatte ja zu der Zeit gerade die Ausbildung als Krankenschwester beendet und so ganz ohne Mann, hahaha, grunz, da hätte ich doch die schwere Arbeit nicht geschafft. So hab ich dann alles, was ich zu Geld machen konnte, verkauft und den Rest in die Scheune gepackt.“
Freddy hat bei Lilo mehr Glück, zumindest liegen die beiden wild knutschend auf dem Läufer neben dem Ofen. Wenn man bedenkt, dass beide verheiratet sind, ich meine, es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn zwei verheiratete Menschen miteinander knutschen, nur sollten sie dann auch miteinander verheiratet sein. Ich beschließe die beiden im Auge zu behalten, um zu stören, wenn es mir zu viel wird.
„Also hast du keine schlechten Erfahrungen mit den Flüchtlingen gemacht?“, hake ich noch einmal nach.
„Oh doch“, sagt Gerda, „also mit den Flüchtlingen habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht, nur mit den Einheimischen. Einige Nachbarn reden nicht mehr mit mir und ich bekomme auch öfter Anrufe, dass diese Ausländer doch nicht hierhergehören würden und so. Aber weißt du“, nun kommt sie etwas näher an mein Ohr, „wenn man so lange alleine war wie ich, dann gibt man nicht mehr so viel auf das Geschwätz der Leute, hahaha, grunz.“
Regi ist nun verstummt nachdem er mit dem Kopf in der Gurkensalatschüssel eingeschlafen ist. Freddy fummelt inzwischen der Lilo unterm Pulli herum. Noch lass ich die beiden gewähren, allerdings ist meine Toleranzgrenze in Kürze erreicht.
„Und was für Familien sind das, die du bei dir aufgenommen hast?“, führe ich mein Gespräch fort.
„Ach, das sind zwei ganz liebe Familien. Die einen kommen aus Syrien und haben sechs Kinder, weißt du die verhüten dort nicht, hahaha, grunz, da kommt so etwas schon vor. Die anderen kommen aus Afrika und sprechen ganz schlecht Deutsch. Da müsste die Regierung etwas machen. Wie sollen sich die armen Leute denn verständigen können?“, dies findet Gerda wohl nicht ganz so lustig, denn das »hahaha, grunz« bleibt aus.
„Aha und wo kommen die dann genau her?“, will ich noch wissen.
„Ach die sprechen ja so furchtbar schlecht Deutsch, wenn ich es richtig verstanden habe, kommen sie aus Nigeria, also zumindest irgendwo aus Zentralafrika. Genau weiß ich das nicht. Sie brauchten Hilfe und die habe ich ihnen gewährt“, sagt Gerda und bleibt dabei weiterhin erstaunlich ernst.
Der Regi wird gerade wach und nimmt den Kopf aus der Schüssel. Irgendwie schaut er aus, als hätte er eine Schönheitsmaske aufgelegt, so mit den Gurkenscheiben auf den Augen.
„Erzähle nur weiter“, sag ich zur Gerda, „ich höre dir zu.“
„Ach was soll ich da erzählen? Die Afrikaner leben in der alten Scheune und versorgen sich selbst. Ich kann dir nicht einmal sagen, wie viele Kinder die haben. Da sind auch öfter junge Männer da. Das wären alles Cousins.“
So sehr mich auch die Geschichte von Grunzi Gerda noch interessiert, muss ich nun bei Freddy und Lilo eingreifen, denn sie hat inzwischen ihren Oberkörper entblößt und das ist ein Anblick, den man nüchtern nicht ertragen kann. Da hat die Schwerkraft ordentliche Arbeit geleistet. Das hat inzwischen auch Freddy festgestellt, worauf sie: „Ach, mein Mann hat es mir verboten, einen Büstenhalter zu tragen“, entschuldigend sagt.
Der Freddy nimmt einen ordentlichen Schluck aus der Wodkaflasche. Nun knutscht er weiter, so funktioniert das mit dem Schöntrinken also.
Egal, jetzt ist handeln angesagt. Ich stehe auf, hole mein Handy aus der Tasche und mach in Ruhe ein schönes Foto von dem Treiben auf dem Teppich neben dem Ofen.
„Hey Schlempi, was soll der Scheiß?“, schreit mich Lilo an, die gar nicht so betrunken ist. Jetzt, da sie steht, sieht man erst so richtig, was Schwerkraft so alles anrichten kann.
Nun rappelt sich auch Freddy wieder auf die Beine und verlangt schwankend: „Komm wieder zu mir runter Mausi, war doch gerade so schön mit uns.“
„Mensch, der Schlempi macht hier Bilder und tut diese zum guten Schluss noch auf Facebook posten oder wie das auch immer heißt“, brüllt Lilo weiter, was ihren ganzen Körper in Schwingungen versetzt. Was da so alles mitschwingt, möchte ich hier nicht erwähnen. Auch dies sind Bilder, die ich meinem Kopf gerne erspart hätte.
Jedenfalls hat das hysterische Gekreische nun sämtliche Partystimmung versaut und die ersten Alkoholleichen wünschen den Heimtransport. Als ich dann endlich alle zu Hause habe, muss ich feststellen, dass nun auch das leidige Aufräumen an mir hängen bleibt. Jetzt denke ich tatsächlich darüber nach, ob ich zum Vierzigjährigen überhaupt erscheinen werde. Wie ich so wutentbrannt rumstehe, kommt Gerda aus einer Tür gehuscht und sagt: „Die Küche und die Klos habe ich fertig, machen wir zusammen noch den Saal, dann können wir nach Hause fahren. Jetzt frage ich mich allen Ernstes, weshalb diese Frau keinen Mann abgekommen hat.
Als sie die Flaschen zusammenstellt, macht sie noch einmal „hahaha, grunz, hahaha, grunz“ und schon fällt mir wieder ein, weshalb sie keinen Mann abbekommen hat.
Und nun, was für ein Tag
Heute Morgen war ich doch tatsächlich der Erste im Büro, getreu dem Motto: »Der frühe Vogel fängt den Wurm.« Nachdem wir, die Gerda und ich, bis halb sechs in der Früh den Saal gewienert haben, bin ich nur kurz zum Duschen zu Hause rein und dann direkt nach Neustadt. So bin ich eben erschöpft, wenn ich allerdings für eine Stunde ins Bett wäre, dann wäre ich nun komplett am Ende.
Da sitze ich also mit einem schönen Pott Kaffee am Schreibtisch und begrüße einen Kollegen nach dem anderen. Um genau zu sein, begrüße ich Timo und Laura. Aber immerhin war ich heute der Erste. Davon nehmen die beide gar keine Kenntnis, weshalb ich beleidigt in den Keller gehe, um nach Klaus und nach dem Ford Galaxy zu schauen.
„Moin Dieter, na kannst du schon aus den Augen schauen?“, begrüßt er mich.
„Morgenstund hat eben Gold in Mund. Wieso fragst du?“, will ich wissen.
„Oder Morgenstund hat eben Blei im Arsch. Ich hatte auch schon ein paar Klassentreffen und da kam ich nie nüchtern zu Hause an“, lacht er. „Mensch, das weiß doch jeder: Derjenige, der nicht besoffen ist, muss alle nach Hause chauffieren und anschließend die Sauerei aufräumen.“
„Und hättest du mir das nicht gestern sagen können?“ Nun schüttelt der Klaus sich vor Lachen.
„So, du alter Knallkopp“, werde ich dienstlich ernst, „jetzt hör mit deinem kindischen Lachen auf und sag mir, was du gefunden hast.“
Damit kann ich ihn kaum beeindrucken und er bekommt so etwas Hysterisches beim Lachen, sodass ihm anscheinend die Atempausen ausgehen. Das hört sich etwa so an: „Hihihi, grunz, huhuhu, grunz, hahaha, grunz.“
„Sag mal, hast du eine Affäre mit einer Gerda?“, bin ich jetzt nicht nur ernst sondern auch etwas aufgebracht.
„Gerda? Wer soll denn das sein?“, fragt er unter Tränen.
„Egal, was gibt es Neues von dem Galaxy?“
„Klar, der Galaxy“, scheint er sich endlich zu beruhigen, „geht klar, du putzender Taxifahrer“, und schon ist es wieder vorbei mit seiner Ernsthaftigkeit.
„Mann, reiß dich jetzt zusammen, wenn du keine Dienstaufsichtsbeschwerde am Hals haben willst. Ich bin kein putzender Taxifahrer und Schluss jetzt.“
„Ja klar, ein Taxifahrer bekommt ja Geld dafür, wenn er eine stockbesoffene Meute nach Hause bringt, hahaha, grunz.“
Bevor ich nun einen Mord oder Schlimmeres begehe, schaff ich mich wieder nach oben. Im Erdgeschoss begegne ich dann Yasi und Glaser, die nun auch Dienstbeginn haben.
„Moin Scheffe“, begrüßt mich die junge Frau, „was gibt es Neues aus dem Keller?“
Helmut Glaser belässt es bei einem: „Guten Morgen, Chef.“
„Moin, Moin ihr beiden“, sag ich müde, „unten gibt es nichts Neues. Der Reuter ist ein Ekel und das Wrack bleibt verkohlt. Nein, da gibt es wirklich nichts Neues.“
Nun gehen die beiden kichernd vor mir her die Treppe nach oben. Da die zwei im ersten Stock zu ihrem Büro abbiegen, muss ich mich die letzte Treppe alleine nach oben schleppen. Im Büro gehe ich schweigend zu meinem Schreibtisch und lasse mich auf meinen Drehstuhl plumpsen. Hier ist es überraschend angenehm, denn die Morgensonne scheint mir durch das Fenster genau auf den Rücken. Das wohlige Gefühl verleitet mich dazu, die Augen zu schließen, um die Wärme im Nacken zu genießen. Wie eine kuschelige Decke umschließt die Sonne meine Schultern, ein Gefühl, dessen Genuss für alle Zeit anhalten könnte. Doch was ist denn das? Plötzlich friert es mich am Rücken. Hat sich denn schon wieder so eine fiese Wolke vor die Sonne geschoben? Ich mache die Augen auf, um sie zu suchen, die Sonne, und muss feststellen, dass sie nach wie vor scheint. Nur eben nicht mehr auf meinen Rücken, sondern durch die südlich gelegenen Fenster meines Büros. Der Blick zur Uhr verrät mir, dass es bereits vierzehn Uhr nachmittags ist.
„Sagt einmal“, belle ich nun Timo und Laura an, die friedlich an ihren Computern herumtippen, „seid ihr wahnsinnig, mich einfach pennen zu lassen?“
„Wieso, Dieter?“, meint Laura und Timo ergänzt: „Wir haben den Laden doch voll im Griff.“
Ist es schon so weit gekommen? Mein Laden läuft auch ohne mich? Das habe ich nun von der Delegiererei, nun habe ich meinen eigenen Job wegdelegiert.
So reibe ich mir eben kräftig die Augen und gehe zur Toilette, um mich etwas frisch zu machen.
Anschließend schaue ich im Keller nach, ob der Klaus sich inzwischen wieder beruhigt hat.
„Ach, der Dieter“, begrüßt er mich in einem normalen Ton, „hast du ausgeschlafen?“, und schon hat er wieder dieses hämische Grinsen auf dem Gesicht.
„Wie kommst du denn darauf, dass ich geschlafen habe?“, gebe ich so unschuldig wie nur möglich zurück.
„Erstens sind deine Ränder unter den Augen zurückgegangen, zweitens hast du ein zerknittertes Gesicht und drittens wurde ich seit Stunden nicht mehr von dir genervt.“
„Erstens gibt es für die Augenränder Schminke, zweitens sind das Sorgenfalten, die ich wegen diverser Mitarbeiter bekomme und drittens hab ich ja auch noch andere Sachen zu tun, als mir deine blöden Sprüche anzuhören. Und nun möchte ich nur noch hören, was es mit dem Ford Galaxy auf sich hat.“
„Ja Chef, zu Befehl, Chef!“, macht er sich schon wieder über mich lustig. „Also ich habe mit dem Martin zusammen das Wrack untersucht. Als erstes ist uns aufgefallen, dass die Fahrgestellnummer herausgeschliffen wurde. Die Kennzeichen waren gestohlen und somit haben wir kaum Anhaltspunkte, die auf den letzten Fahrzeughalter schließen lassen.“
„Wie sieht es mit Fingerabdrücken aus?“
„Negativ, die sind leider nicht hitzeresistent und somit in Rauch aufgegangen. Um das Ganze abzukürzen, alles was wir haben, sind ein paar Fasern von einem Lappen, die am Ölpeilstab hingen. Ansonsten nichts“, sagt Klaus und mir ist sicherlich die Enttäuschung anzusehen.
„Gut, das Auto bleibt bis auf Weiteres sichergestellt. Aber schaffe es rüber in den Verschlag, es stinkt ja erbärmlich bei dir“, sag ich und gehe frustriert nach oben.
Wenn bei uns schon nichts nach vorne geht, schau ich eben mal im Netz nach, wie es sich bei dem Mord in Pirmasens entwickelt. So, nun das Netzwerk der Landespolizei öffnen und schon habe ich alle Fälle vor mir, die derzeit in Rheinland-Pfalz bearbeitet werden. Was ich hier allerdings vermisse, ist der Mordfall von den Kollegen in Pirmasens. Das kann doch gar nicht sein. Sicherheitshalber schaue ich in den abgeschlossenen Akten nach und siehe da, hier ist er ja. Darunter steht, dass die Akte der Staatsanwaltschaft vorliegt, um sie zu schließen. Bin ich denn im falschen Film oder wie? Die Leiche wurde vorgestern Abend entdeckt und schon sehen die Kollegen den Fall als abgeschlossen? Haben die in Pirmasens den Mörder schon geschnappt? Das will ich nun aber genau wissen.
Wie war das gleich? 06331… und so weiter: „Scholl“, meldet sich der Kollege wie immer ohne Begrüßung.
Dieses Mal bin ich auch nicht freundlicher und melde mich genau so knapp mit: „Schlempert.“
„Ach, der Schlempert, wieso wusste ich nur, dass Sie hier anrufen?“
„Na, weil Sie wussten, dass es mich interessiert, wie Sie den Fall mit der Leiche bei Thaleischweiler-Fröschen so schnell lösen konnten.“
„Ach, das war doch ganz einfach, ein Schwarzafrikaner ohne Papiere und sicher auch ohne Aufenthaltsgenehmigung, keine Vermisstenanzeige, da kann man halt nichts machen.“
„Wie? Sie haben den Fall nach zwei Tagen einfach so zur Seite gelegt?“
„Ich habe alles getan, was im Lehrbuch steht, oder hätten Sie da noch eine bessere Idee?“, schnauzt mich der unfreundliche Kerl auch noch an.
„Ja, die hätte ich, ich würde zum Beispiel einmal ein Fahndungsfoto veröffentlichen.“
„Ach, der Schlempert, er würde also ein Bild von einem entstellten Kopf veröffentlichen, so einen von jemanden, der ein schweres Schädeltrauma erlitten hat. Tolle Idee, ganz toll. Reality Horror in der Tageszeitung und das von der Polizei veröffentlicht?“
„Wissen Sie, was ich glaube?“, bin ich nun sauer. „Ich glaube, dass ich Ihnen etwas auf die Sprünge helfen muss.“
„Und wissen Sie, was ich glaube?“, gibt er zurück. „Ich glaube, der Schwarze wäre besser in seinem Schwarzafrika geblieben, dann müsste sich nun auch ein schwarzer Bulle um die Scheiße kümmern, oder besser noch, dann würde er sicher noch am Leben sein und ich könnte mich hier in Ruhe um Verkehrssünder kümmern.“
Hör ich da etwa rechtes Gedankengut heraus? Da zumindest alles gesagt scheint, was gesagt werden muss, beende ich das Gespräch.
Aber den Hörer behalte ich gleich in der Hand, um die Nummer vom Landeskriminalamt zu wählen. Dort meldet sich auch, wie es sich gehört, ein Herr Geppert.
„Hallo, hier ist die Kripo in Neustadt an der Weinstraße, Schlempert“, melde ich mich anständig, „ich hätte gerne die Frau Dworaschinski gesprochen.“
„Die Frau wer?“, fragt mich der Herr Geppert erstaunt.
„Na die Frau Dwora ähm die Dwora Dingsbums eben, die Zeichnerin.“
„Ach, die Zeichnerin, einen kleinen Moment bitte, ich stelle Sie durch.“
Aha, auch er hat ihren Namen nicht ausgesprochen, also bin ich nicht der einzige, der sich Dworascheffski oder so nicht merken kann.
„LKA Dworatschek, Sie wünschen?“, höre ich nun die mir bekannte Stimme.
„Ja, Schlempert hier, ich grüße Sie Frau Dworatek“, oh Mann, hätte ich den Namen doch nur umgangen.
„Dworatschek, Herr Schlempert, Dworatschek“, ich habe das Gefühl, dass sie mir ihren Namen gleich buchstabiert. Das macht sie allerdings nicht, sondern führt den Satz noch unangenehmer weiter: „Was macht denn Ihre Leichenphobie? Ach und wie schmecken inzwischen die Pfefferminzbonbons?“
Sag mal, hatte heute Morgen denn jeder einen Clown zum Frühstück? Ich beschließe auf den wohl komisch gemeinten Kommentar von der Dworawasweißichwie gar nicht einzugehen: „In der Pathologie in Kaiserslautern liegt eine männliche Leiche, wahrscheinlich zentralafrikanischer Herkunft“, führe ich das Gespräch nun dienstlich professionell weiter, „von der bräuchte ich eine Phantomzeichnung.“
„Wird prompt erledigt“, bekomme ich prompt zur Antwort.
„Dann vielen herzlichen Dank auch, meine Liebe“, und schon habe ich es geschafft, das Gespräch zu beenden, ohne ein weiteres Mal ihren Namen nennen zu müssen.
Nun habe ich es mir verdient, den Kopf in den Nacken zu legen, um über weitere Schritte nachzudenken.
Da Timo und Laura plötzlich und unvermittelt ihre Jacken anlegen, gehe ich davon aus, dass wir als nächsten Schritt den Feierabend einläuten. Wie schnell so ein Tag vergeht, wenn man ihn zu zwei Drittel verschläft. Der Abend läuft nicht viel anders, den Fernsehabend auf der Couch verpennt und dann ab vier wach im Bett liegen. Scheiße, bringt mich in meinem Alter so eine durchzechte Nacht aus dem Rhythmus.
Unsere Strategie
Immerhin bin ich somit zum zweiten Mal in Folge zeitig im Büro. Heute treffe ich gleichzeitig mit Laura ein, was mir die Gelegenheit gibt, sie nach oben zu tragen. Ihr Körper ist nach wie vor sehr athletisch und sie ist ohne ihre Beine nicht einmal fünfzig Kilo schwer. Nennen wir es einmal so, ihr Körpergewicht entspricht in etwa meinem Übergewicht. Jetzt, da ich Laura trage, wird mir erst richtig bewusst, wie viel Fett ich unnötig mit mir herumschleppe. Ab morgen mach ich wieder Sport, nehme ich mir unnötigerweise vor, da ich ja doch nicht den Arsch hochbekomme. Wenn sich der innere Schweinehund einmal durchgesetzt hat, bekommt man ihn nicht mehr los. Dabei war ich vor zwei Jahren noch so fit. Beim Joggen konnte ich einfach so gut abschalten. Und nun? Pommes, Chips und Kuchen, eine Schande, wie ich mit meiner Gesundheit umgehe.
Zum Glück sind wir inzwischen oben angekommen und somit bleibt mir keine Zeit zum Trübsal blasen. Blasen tue ich schon genug, denn nachdem ich Laura mit nach oben genommen habe, brennen mir die Lungen wie Feuer und mein Hemd ist klatschnass.
Ich nehme mir die Akte der Raubserie vor und muss feststellen, dass es tatsächlich seit einer knappen Woche keinen Überfall mehr gab. Ich setze mich zu Laura an den Bildschirm und bitte sie nachzuschauen, ob es nun in einem anderen Bezirk zu Raubüberfällen, die nach unserem Muster ausgeführt wurden, gekommen ist. Bundesweit gibt es natürlich täglich Überfälle, aber keine, wie sie in meinem Revier ausgeführt wurden. Vor allem keine Serie, die erst in den letzten Tagen begonnen hat.
Am Besprechungstisch fangen wir an Fakten zusammenzutragen. Mit dabei sind auch Timo, der inzwischen auch zum Dienst erschienen ist, Yasi und Glaser, die ich ebenfalls hinzugerufen habe.
„Also, was haben wir?“, fordere ich die Anwesenden zum Sprechen auf.
Klar, Yasi hat wie fast immer das erste Wort: „Eine Raubserie mit zusammen zwölf Überfällen innerhalb von vierzehn Tagen. Jeder einzelne gut geplant und brutal ausgeführt. Nun sind allerdings seit dem letzten Überfall sechs Tage vergangen, was mich vermuten lässt, dass die Täter nun damit beschäftigt sind, weitere Opfer auszuspionieren.“
„Das ist eine Option“, bestätige ich die Ausführungen der jungen Kollegin.
„Oder sie sind weitergezogen und planen in einer anderen Gegend die nächste Serie, da es ihnen hier zu heiß wurde“, meint Laura.
Da die Damen nun gesprochen haben, schaue ich Timo auffordernd an.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, ist die Meinung von ihm, „ich denke, dass zumindest der Haupttäter ein Einheimischer ist. Zum einen spricht der pfälzische Dialekt dafür, den er anscheinend verstecken möchte und zum anderen brauchen sie sich so nicht auffällig in einer Pension oder sowas einzuquartieren. Campieren schließe ich aus, da es in der Vorweihnachtszeit deutlich zu kalt dafür ist.“
„Also, ich denke, dass wir im Keller das Tatfahrzeug stehen haben“, sagt nun der sonst so schweigsame Helmut Glaser, „da passt doch alles zusammen, die entfernte Fahrgestellnummer und die gestohlenen Kennzeichen.“
„Der Meinung bin ich auch“, sag ich auch einmal wieder etwas zur Sache, „nur weshalb trennen sich die Täter von dem Galaxy? Haben sie sich einen anderen Wagen beschafft, oder haben sie wirklich keine weiteren Straftaten mehr geplant?“
„Das ist kaum vorstellbar“, hat nun Laura das Wort aufgenommen, „zusammen mit dem Gold und dem Schmuck beläuft sich die Beute nicht einmal auf einen Gegenwert von einer Million Euro, wobei sie den Schmuck wohl einschmelzen müssen, da er heiß ist und somit nur sehr schlecht in Geld umzumünzen ist.“
Das wären circa dreihunderttausend pro Nase, was nicht bis zum Lebensende reicht. Die bei uns gespeicherten Täterprofile sagen, dass ein Gangster von diesem Kaliber nach einer großen Geschichte ausgesorgt haben will, um nicht im Rentenalter wieder von vorne beginnen zu müssen. Also heißt das, dass wir eine Strategie brauchen, um den Ganoven auf die Spur zu kommen.
„Wir brauchen eine Strategie, wie wir weiterverfahren“, sag ich nun laut. „Okay, dann setzt euch an die Rechner und schaut euch die bisherigen Opfer an. Ich will alle Gemeinsamkeiten wissen, damit wir schauen können, wer als nächstes Opfer der Bande in Frage kommt.“
Kaum habe ich das ausgesprochen, verteilen sich die anderen, um auszuführen, was ich ihnen aufgetragen habe. Auch ich gehe zu meinem Rechner, um festzustellen, dass eine E-Mail gekommen ist. Ich klicke auf den virtuellen Briefumschlag, um diese zu öffnen. Schau mal an, das Phantombild, da hat die Dwora-Zeichnerin schnelle Arbeit geleistet. Ich mache mir einen Ausdruck, hänge ihn an die Pinnwand und schon hänge ich wieder mit den Gedanken bei dem Fall der Pirmasenser Kollegen fest. Aber ich kann machen was ich will, ich traue dem Scholl nicht. Bei dem werde ich später noch einmal nachhaken. Nun versuche ich mich auf meine eigenen Dinge zu konzentrieren. Ich schaue auch einmal, wer als künftiges Ziel für die Bande in Frage käme. Es ist erschreckend, wie viel wohlhabende Senioren in unserem Gebiet leben. Ich finde direkt mindestens zweihundert potenzielle Opfer, Tendenz steigend. Wahnsinn, anscheinend ist es doch nicht so schwer, sich in Deutschland ein kleines Vermögen zusammenzuhäufen. Nur ich bin anscheinend zu blöd dazu. Nun bin ich Chef und trotzdem chronisch pleite. Als ich in meiner Ausbildung achthundert Mark im Monat verdient habe, dachte ich immer, mit tausend D-Mark wäre alles gut. Dann, als ich nach der Ausbildung eintausendfünfhundert Mark verdient habe, dachte ich, mit zweitausend käme ich zurecht. Dann habe ich in Landau als Gruppenleiter zweitausend Euro netto verdient und was soll ich sagen? Mit zwei fünf wäre alles gut. Nun habe ich die zweieinhalbtausend Euro monatlich und wenn ich dreitausend verdienen würde, dann könnte es passen.
Jetzt bin ich aber abgeschweift. Wir haben wohlhabende Ärzte, Winzer, Geschäftsleute und so weiter. Die meisten wohnen auch etwas außerhalb und haben Grundstücke, die schwer einzusehen sind. Inmitten von den Gärten mit Hecken, Pools und Teichen steht dann eine Villa. Welch ein Glück, für uns gibt es Google Maps, so können wir ganz einfach die Grundstücke erkunden. Allerdings können so auch Schurken, Gangster und sonstige Ganoven schnell und präzise die Anwesen ihrer Opfer ausspähen. Während ich mir Gedanken um die Staatsicherheit mache, vergeht die Zeit wie im Flug. Kaum habe ich meine Schüssel mit dem restlichen Spagetti-Salat vom Klassentreffen verdrückt, ist es auch schon vierzehn Uhr und das ganze Team sitzt wieder um den Tisch, um die Ergebnisse der Recherchen im Internet zu präsentieren.
Die meisten kamen zu dem gleichen Ergebnis wie ich. Circa zweihundert mögliche Ziele. Bei einhundertachtunddreißig Mitarbeitern im Schichtdienst habe ich nicht das Personal, um so viele Objekte überwachen zu lassen.
Nun streckt Yasi wie in der Schule den Finger, worauf ich ihr wie ein Lehrer das Wort erteile: „Ich habe mir gedacht“, beginnt sie damit uns ihre Gedanken offenzulegen, „da jeder nach Gemeinsamkeiten der bisherigen Opfer suchte, habe ich mir dir Zeit genommen und nachgeschaut, was diese gemeinsam nicht haben.“
Da sie nun eine bedeutungsvolle Pause macht, fordere ich sie auf, endlich weiterzusprechen.
„Dabei ist mir aufgefallen, dass sie alle keine Hundesteuer bezahlen. Daraus habe ich geschlossen, dass die Bande Hunde fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser.“
„Sehr gut“, lobe ich die junge Frau mit den langen, dunklen Haaren, „nun müssen wir nur schauen, welches der zweihundert eventuellen Ziele keinen Hund hat und schon haben wir unseren Wirkungsbereich deutlich eingegrenzt.“
„Schon erledigt“, spricht Yasi weiter, „die meisten, die etwas Geld angehäuft haben, lassen ihr Grundstück von einem oder zumeist auch von mehreren Vierbeinern beschützen. Somit bleiben nur noch zweiundzwanzig übrig, die sich keinen Hund gönnen.“
„Und genau denen statten wir einen Besuch ab“, beschließe ich. „Glaser, Sie nehmen den Kleinbus und übernehmen diejenigen im Nordwesten. Yasi, du und Laura, ihr übernehmt den Nordosten und ich fahre in den Süden. Macht die Leute darauf aufmerksam, dass sie uns alles, was ihnen verdächtig vorkommt, melden sollen. Auch die Nachbarn sollten sie sensibilisieren, damit uns auch ja nichts durch die Lappen geht.“
Nun nimmt sich jeder eines der Blätter mit den Adressen, die Yasi ausgedruckt hat. Nur ich nehme auch noch ein zweites Blatt und zwar das Phantombild von der Pinnwand.
Die ersten beiden Herren auf meiner Liste sind relativ unspektakulär. Beides Witwer über achtzig Jahre alt und haben ihr gesamtes Barvermögen dem Nachwuchs überlassen, der es nun auf der ganzen Welt verjubelt.
„Wissens, Herr Kommissar, mir hanns ja gans verseimt zu leewe“, hat der Zweite gesagt, „do sollns die Jungen hald besser habe!“
Na, das ist auch eine Einstellung. Also meine Kinder sollen schon lernen, wie schwer es ist seinen Unterhalt zu verdienen, um eben auch eine Wertschätzung zu bekommen. Aber jeder soll das nach seiner eigenen Meinung tun. Nun bin ich vielleicht doch über mein viel zu geringes Gehalt froh. So komme ich zumindest nicht in Versuchung, es ohne nachzudenken in meine Kinder zu stopfen.
An der dritten Tür, an der ich läute, öffnet mir eine Dame. „Ach, ein Polizist“, begrüßt sie mich, nachdem ich mich vorgestellt habe, freundlich, „kommen Sie nur herein, ich habe gerade frischen Tee gekocht.“
„Gnädige Frau“, setze ich mich zur Wehr, „ich wollte Sie doch nur kurz …“, und schon unterbricht sie mich.
„Ach, was wäre ich denn für eine schlechte Gastgeberin, wenn ich Sie nicht hereinbitten würde?“
„Aber ich bitte Sie, es dauert doch nur …“, und wieder kann ich den Satz nicht zu Ende führen.
„Jetzt kommen Sie halt herein, Gewitter“, wird die Dame nun ungehalten, „oder wollen Sie, dass ich mir an der Tür einen Zug hole?“
Natürlich möchte ich nicht, dass die Frau sich einen Zug holt und so sitze ich eine Minute später in einem stilvoll eingerichteten Wohnzimmer. Die Möbel sind alle aus einem dunkelrötlichen Holz gefertigt, Kirschholz würde ich sagen und sind sicher von Hand gemacht. Die Schnitzereien sind allesamt kleine Meisterwerke. Am Büffet sehe ich einen Hirsch, der ein prachtvolles Geweih trägt. Die Beine, die das Büffet tragen, sehen aus wie spielende Füchse. In der Schrankwand gegenüber ist in den Türen ein ganzes Bergmassiv eingearbeitet. Die Sitzgruppe, auf der ich Platz genommen habe, ist eine original englische Chesterfield in Bull’s Blood, einem dunklem Rotbraun, das an geronnenes Stierblut erinnern soll. Ich bin ein heimlicher Chesterfield Fan, denn ich liebe diese Lederoberfläche, die in regelmäßigen Abständen mit gleichfarbigen Knöpfen nach unten gezogen wird. Im Zusammenspiel mit den Möbeln ergibt es eine stimmige Komposition, obwohl es mir ein wenig zu dunkel erscheint. Die bodentiefen Fenster haben somit sichtlich Mühe damit, reichlich Sonnenlicht einzufangen, welches dann leider von der dunklen Einrichtung gleich wieder verschlungen wird.
Die Dame des Hauses serviert mir einen dampfenden Tee in der edelsten Teetasse, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Ich habe das Gefühl, hier ist das Paradies für unsere Bande.
Die Frau verlässt noch einmal kurz den Raum, um dann mit einem betagten Mann im Rollstuhl zurückzukommen. Der Herr starrt teilnahmslos vor sich hin und hat so eine Sauerstoffbrille unter der Nase, wie man sie aus Krankenhäusern kennt.
„Darf ich vorstellen?“, fragt die Dame. „Dies ist Ernest, mein Gatte. Ernest, das ist der Kommissar Schlempert. Er möchte uns etwas mitteilen. Verzeihen Sie, dass mein Mann Sie nicht begrüßen kann, er hatte vor ein paar Jahren einen schweren Schlaganfall erlitten, was ihn leider gesundheitlich etwas einschränkt.“
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.