Kitabı oku: «Upps!!?», sayfa 3

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Nächtlicher Kult im Brannwald

„Komm Dieter, mach dir mal keine Sorgen, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du deine neue Aufgabe voll im Griff hast“, sagt Eberhard Palanowski, der mir gegenüber auf der Bank einer Festzeltgarnitur sitzt.

„Wirklich?“, frag ich zurück. „Ich habe null Plan, wie das gehen soll. Ich bin jetzt Chef von Abteilungen, von denen ich vor ein paar Tagen nicht einmal wusste, dass es sie gibt.“

Nun muss der Richter lachen. „Eben Dieter, du hast doch nie einen Plan. Du erledigst doch die Dinge, indem du sie tust und nicht, indem du sie planst. So wirst du es auch in Neustadt machen und dafür werden dich deine Mitarbeiter lieben.“

Die werden mich lieben? Als Chef bin ich doch da, um autoritär zu sein und nicht, um geliebt zu werden. Aber Eberhard wird schon wissen, was er sagt. Immerhin ist er als oberster Richter am Landauer Amtsgericht ja auch Chef. Mein Vertrauen in ihn ist unerschütterlich, nachdem, was wir im Sommer so alles zusammen durchgemacht haben. Sogar einen Alkoholentzug bei ihm haben wir gemeinsam durchgezogen und seitdem wohnt er bei meinem Nachbarn Reiner Buttermilch und seiner Freundin Kordula in der Ferienwohnung als Dauermieter.

Auch Reiner und Kordi sitzen mit an der Festzeltgarnitur, die wir auf der gepflasterten Fläche gleich neben unserem neuen Pool aufgestellt haben. Quendoline und Mike, meine beiden Kinder, und Quennis Freund Marc stehen zusammen am Grill und wenden was das Zeug hält, während Natalie damit beschäftigt ist, massenhaft Salate und frisches französisches Baguette herbeizuschleppen.

Nachdem ich heute ja schon zeitig nach Hause gekommen bin, habe ich mich der Gartenarbeit gewidmet und dann beschlossen, den Tag mit einem gemütlichen Grillabend mit den Nachbarsleuten ausklingen zu lassen.

So sitzen wir nun bei dem für den Winter halb abgepumpten und abgedeckten Pool.

Reiner Buttermilch schenkt gerade eine Runde von seiner frischen Buttermilch ein. Da ich weiß, dass er die Brühe von der nahe gelegenen Butterfabrik mit einem alten Güllefass nach Hause karrt, um es dort auf seine ganz eigene biologische Art weiterzuverarbeiten, mag ich das Zeug nicht trinken. So werde ich das Getränk nachher wieder langsam und Schluck für Schluck unauffällig an die Rosen schütten, um dann heimlich in der Küche meinen Durst zu stillen.

Also, alles in allem ein Samstagabend wie aus dem Bilderbuch.

Gerne würde ich das Gespräch mit Eberhard noch vertiefen, aber nun rufen uns die Kinder zum Grill, um unsere Teller zu füllen. Mike und Marc verteilen Steaks und Würstchen, während Quenni für die vegetarische Abteilung zuständig ist. Irgendwann hat sie sich meiner vegetarischen Ernährungsweise angeschlossen und bereitet mit viel Liebe fleischlose Gerichte zu. So gibt es heute leckere Gemüsespieße, gegrillten Schafskäse und gefüllte Auberginen, alles mit den feinen Röstaromen der knisternden Holzkohle.

Auffallend ist, dass Kordula ihren Teller in null Komma nichts leergeputzt hat und nun wieder an Reiners Ohr knabbert. Dann und wann unterbricht sie das Geknabbere, um ihm irgendwelche Liebesschwüre ins Ohr zu hauchen, was bei Reiner nicht gerade auf Begeisterung stößt.

„Nein Kordi“, platzt ihm nun der Kragen, „ich werde nicht sofort meinen ehelichen Pflichten nachkommen, insofern wir ja gar nicht verheiratet sind. Ich bleibe hier mit meinen Freunden sitzen und genieße den schönen Abend.“

Nun schaut sie betröppelt aus der Wäsche, wie ein Kleinkind, das sich eine Rüge eingefangen hat.

Da soll mal einer sagen, dass eine Affäre tödlich für jede Beziehung sei. Bei Kordi und Reiner war die Story im letzten Sommer eher beflügelnd, aber das ist auch wieder eine ganz andere Geschichte.

Zwei Stunden später haben sich mit der Herbstsonne auch die meisten Menschen aus meinem Garten verzogen. Nur Eberhard, der den Abend unter Freunden sichtlich genießt, und Reiner, dem frieren lieber ist als zu Hause seinen außerehelichen Pflichten nachzukommen, sind bei mir verblieben.

So philosophieren wir der Dunkelheit entgegen. Am meisten faszinieren uns die Lichtspiele im Wald am Berg auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes. In den bunten Blättern des herbstlichen Waldes spiegelt sich ein flackerndes Licht. Moment! Ein Feuerschein im Waldrohrbacher Wald?

„Ein Waldbrand“, sage ich voller Aufregung, „ich rufe die Feuerwehr.“

„Ruhig Blut“, meint Reiner in seiner gewohnten Lässigkeit, „da sind sicher nur ein paar junge Leute am Feiern. Denen wollen wir doch nicht die Feuerwehr auf den Hals schicken, ganz abgesehen von den Kosten.“

„Aber wenn es doch brennt?“, erwidere ich ängstlich.

„Am besten“, schaltet sich nun Eberhard ein, „wir schauen nach.“

„Du wirst doch nicht im Ernst annehmen, dass ich nun durch den dunklen Wald stolpere“, bin ich empört, „so stark ist meine Neugier dann doch nicht.“

„Du meinst, so stark ist dein innerer Schweinehund und die Trägheit deines übergewichtigen Körpers“, trifft mich der Richter an meinem wunden Punkt. „Nach dem üppigen Mahl würde uns allen etwas Bewegung gut tun.“

Der hat gut reden, seit seinem Alkoholentzug ist er das blühende Leben. Wird schlanker und schlanker, während mein Äußeres immer mehr an Obelix den Gallier erinnert.

Mürrisch erhebe ich mich von der Bank und trotte den beiden hinterher.

Ich kann mich genau erinnern, dass der Weg zum Brannwald hinauf in meinen Kindertagen nicht so steil war. Nichtsdestotrotz schwöre ich mir, ab morgen Sport zu treiben. Okay, das schwöre ich mir zum gefühlten fünfhundertsechsundvierzigsten Mal, aber vielleicht wird es ja morgen wahr. Einige endlose und schweißtreibende Minuten später verlassen wir den Weg, um uns durchs Unterholz in die Richtung des Feuerscheins zu schlagen.

Am Rande einer kleinen Lichtung werden wir auch fündig.

Dort befindet sich inmitten einer kleinen Sandsteinfläche eine befestigte Feuerstelle, mitten im Wald. Nicht zu fassen, der Erbauer muss das Baumaterial komplett hierher geschleppt haben.

Der herbstliche Lärchenwald, der seine gesamten gelb gewordene Nadeln noch trägt, rundet dieses Bild noch zusätzlich ab. Immerhin ist die Lärche der einzige Nadelbaum, der im Winter seine Nadeln verliert, was wohl dem hohen Harzgehalt geschuldet ist. Im Feuerschein des in der Feuerstelle lodernden Feuers hat man den Eindruck, dass der Wald aus purem Gold besteht.

Ein Anblick, der mir eine ordentliche Gänsehaut verpasst, da er an Schönheit kaum zu überbieten ist.

Um das Feuer stehen zwölf Gestalten mit weißen Mönchskutten, die wohl aus Leinen gefertigt sind. Die Kapuzen haben sie sich tief ins Gesicht gezogen, sodass es unmöglich ist, ihre Gesichter zu erkennen. Unten aus den Kutten schauen nackte Beine und nackte Füße heraus. Da alle vierundzwanzig Beine mehr oder weniger behaart sind, gehe ich davon aus, dass es sich ausschließlich um Männerbeine handelt.

Sie murmeln unverständlich eine Litanei vor sich hin, die an Mönchsgesang erinnert. Inmitten des Feuers steht ein großer gusseiserner Kessel, aus dem Dampf aufsteigt. Der Blick zu meinen beiden Freunden sagt mir, dass sie ebenso wie ich von diesem Schauspiel fasziniert sind.

Hier und da tritt einer der Gestalten nach vorne, um eine weitere Zutat in den Kessel zu werfen. Nach einer Weile steigen dann die Intensität und die Lautstärke des Gesangs deutlich an. Nun löst sich die kleinste Gestalt aus dem Kreis und tritt mit einer hölzernen Kelle zum Kessel. Er taucht die Kelle in den Kessel, rührt kräftig um und führt sie zum Mund, um den Inhalt durch Pusten abzukühlen.

Nachdem er mit der Unterlippe die Temperatur am Löffel geprüft und anscheinend für gut befunden hat, wirft er zum Trinken die Kapuze zurück. Erwartungsgemäß erinnert sein Äußeres an eine Märchengestalt namens Rumpelstilzchen. Moment? Rumpelstilzchen? Da war doch was? Genau, im Feuerschein steht Korbinian Jansen, unser Leichenfinder vom Trekkingplatz auf dem Johanniskreuz und das hier scheint der Druidenkult zu sein, von dem er sprach.

Als er seinen Löffel ausgetrunken hat, springt er in die Luft, klatscht die Fußflächen aneinander und ruft voller Freude ein »Heureka« aus.

Dass ich mir bei diesem comicähnlichen Schauspiel das Lachen nicht verbeißen kann, ist schon klar. Auch meine beiden Begleiter können sich nicht beherrschen und prusten laut drauf los.

„Schänder, Schänder!“, ruft eine der Gestalten. „Unser Ritual wurde entweiht.“

„Ungläubige!“, ruft ein Weiterer.

„Auf sie mit Gebrüll“, schließt sich ein Dritter an, bevor sie mit einem gemeinsamen, „Attacke!“, in unsere Richtung stürmen.

Reflexartig flüchten wir drei in den schützenden Wald.

Das ganze Szenario erinnert mich an meine Jugend. So mit dreizehn waren wir im Wald zelten. Zu der Zeit war es noch nicht üblich, in den Ferien nach Spanien oder sonst wohin zu fahren. Dann hat sich eben die Dorfjugend zusammengerottet und mit einem Bollerwagen Zelte und Schlafsäcke in den Wald geschafft, um ein Lager zu errichten.

Ernährt haben wir uns dann von Konserven und allem, was wir auf dem offenen Feuer grillen konnten.

Viel cooler jedoch war es, sich selbst etwas Nahrhaftes zu beschaffen. So sind wir also einmal in einer dunklen Nacht los, um aus privaten Fischweihern ein paar Forellen zu angeln.

Die benötigte Ausrüstung war in den damals modernen Überlebensmessern im Schraubgriff untergebracht.

Als wir so am Weiher lagen und uns auf die Schwimmer und auf den Zug an der Angelschnur konzentriert haben, kam ein Auto den Feldweg entlanggebraust.

Ein guter Grund, den Weiher fluchtartig in Richtung des stockdunklen Waldes zu verlassen.

Genau an diese Episode vergangener Tage erinnert mich die Flucht durch den sackdusteren Wald gerade jetzt. Nur bin ich ja keine dreizehn mehr und hab auch nicht im fremden Teich gefischt. Ganz im Gegenteil, wir haben doch nur als besorgte Bürger nach dem Rechten geschaut. Ist ja fast schon lächerlich, da fliehen der oberste Amtsrichter, ein unbescholtener Biowarenhersteller und der Neustadter Polizeidienststellenleiter vor ein paar bärtigen Männern, die Asterix spielen.

Meinen Freunden scheint gerade der gleiche Gedanke in den Kopf gekommen zu sein, denn sie bleiben im gleichen Augenblick wie ich stehen.

Nun fällt uns auf, dass wir gar nicht mehr verfolgt werden. Klar! Die zwölf Herren sind ja barfuß unterwegs und haben soeben ihre gepflasterte Komfortzone verlassen. Wir dagegen sind geradewegs in einen Kastanienwald gerannt. Wer Kastanienigel kennt, kann sich ja vorstellen, was diese an blanken Fußsohlen anrichten. Mit dem Gejammer der Druiden im Rücken und voller Freude über unser gutes Schuhwerk spazieren wir gemütlich nach Hause, was auch mir keine Mühe bereitet, da unser Weg ja nun bergab führt.

Optimierung innerer Abläufe

Nach so einem schönen und vor allem abwechslungsreichen Wochenende fällt es mir fast schon schwer, in meinen Arbeitsrhythmus zu finden. Gut, es ist eben Montagfrüh und da werde ich wohl nicht der Einzige sein, der Probleme hat, in die Gänge zu kommen.

Im Allgemeinen werden wohl in diesen Minuten Millionen Tassen Kaffee getrunken, um den Morgenmuff aus den Köpfen zu vertreiben und die Leiber mit Leben zu füllen, ich für meinen Fall probiere es mit der Zeitung. Was mich nun aber überrascht, ist, dass mein Name die Titelseite ziert.

NEUSTADT WEINSTRAßE:

DIENSTSTELLENLEITER SCHLEMPERT

REFORMIERT POLIZEILICHE PRESSEARBEIT.

So lautet die Schlagzeile der Rheinpfalz, dem Pfälzer Tageblatt. Nun fällt mir auch wieder ein, was ich heute Morgen zu tun habe. Um mich von dem Geschriebenen in meinen Plänen nicht beeinflussen zu lassen, wechsle ich ganz schnell zum nächsten Bericht.

„ALLES NUR BLÖDSINN“, SO OBERFÖRSTER

PHILIPP HUBERTUS

Keine Wölfe im Waldrohrbacher Brannwald

Nachdem mehrere Bürger von Wolfsgeheul aus dem Wald südwestlich vom Ortskern von Waldrohrbach berichtet haben, gibt der zuständige Oberförster Entwarnung. „Eine Zuwanderung von einem ganzen Rudel Wölfen ist faktisch unmöglich“, berichtet der Fachmann für Tieransiedelungen im Pfälzer Wald im Interview mit unserem Reporter. „Auch im Silzer Wild- und Wanderpark sind keine Tiere abgängig.“ Somit verbannt er das Geheul von Samstagnacht in den Bereich Mythen und Sagen. „Oder“, bringt Hubertus eine weitere Theorie ins Spiel, „es handelt es sich dabei um einen dummen Jungenstreich.“

Okay, zur Aufklärung dieser Geschichte könnte ich wohl so einiges beitragen, nur ob ich das möchte, steht auf einem anderen Blatt.

Ich mache mich nun mal lieber auf den Weg zum Büro für »Optimierung der inneren Abläufe«.

Da die Tür nicht geschlossen ist, trete ich einfach ein. Die beiden Herren, also Kim Yang und Gerhard Treiber, sitzen nebeneinander am Tisch und schauen gemeinsam auf zwei Bildschirme, die direkt nebeneinander stehen.

„Wir sollten Schmitt, Schneider und Schulz in den Frühdienst nehmen“, sagt Treiber mit einem sichtbar geröteten Kopf.

„Sagen Sie mir nur einen vernünftigen Grund, warum wir dies tun sollten“, erwidert Yang.

„Einen Grund wollen Sie hören?“, sagt Treiber, dessen Mundwinkel nun wie bei einem Smilie nach unten hängen, was die Enden seines Schnauzbartes ebenfalls in die Tiefe zieht. „Weil die drei Herren schulpflichtige Kinder haben. So sollten wir ihnen Gelegenheit geben, gemeinsame Zeit, auch mit der Mutter, als komplette Familie zu verbringen.“

„Dass ich nicht lache“, kontert der Asiate, „laut den neusten asiatischen Studien sollte Kindern rund um die Uhr ein Elternteil zur Verfügung stehen, welches sie motivierend antreibt.“

„Antreiben? Habt ihr Chinamänner den Knall nicht gehört? Kinder brauchen Zuneigung und Verständnis! Liebe und Vertrauen macht unsere Kinder stark und kein motivierendes Antreiben.“

„Ach ja, ihr Deutschmänner wisst alles besser und könnt alles besser“, meint nun wieder Kim Yang, der nicht den Eindruck erweckt, als würde er die Fassung verlieren. „Wie kommt es dann, dass mein Sohn auf seiner Violine bei einem einhundertachtziger Metronomschlag fehlerfrei von Sechzehntel in Triolen wechselt, während Ihr Sohn nicht einmal weiß, was Triolen sind?“

„Weil mein achtjähriger Sohn sagen würde: ‚Papa leck mich da, wo die Sonne nicht hin scheint‘, jawohl das würde er sagen, mein Sohn“, schreit Treiber nun und dabei läuft ihm ein Tropfen Schweiß an der Schläfe entlang und bleibt an der Spitze seines Schnurrbartes hängen.

„Eben, weil europäische Kinder keinen Respekt vor ihren Erzeugern haben. Mein Sohn würde sich nie trauen, mich mit du anzureden.“

„Mein Sohn hat den gebotenen Respekt vor Erwachsenen! Aber er hat auch den Mut und die Kraft zu widersprechen, das hat er. Jawohl Mut und Kraft!“ Inzwischen laufen ihm auf beiden Seiten Schweißbächlein die Schläfen hinab und färben den Kragen seines Seidenhemdes ein.

„Meine Herren, ich muss doch sehr bitten“, schreite ich nun ein, bevor noch Tränen fließen, „es sollte doch möglich sein einen Dienstplan zu erstellen, ohne sämtliche Erziehungsmethoden in Frage zu stellen.“

„Ah, Chef“, beruhigt sich Treiber, „wir sind nur bemüht, sämtliche Faktoren zu berücksichtigen.“

„Ganz recht“, ergänzt der Asiate, „und auch die neuesten Forschungsergebnisse einfließen zu lassen.“

„Wenn Ihr die Wünsche der Kollegen mit einfließen lasst, werdet Ihr auch sicher an Beliebtheit gewinnen.“

Die nun einkehrende Ruhe lässt Gerhard Treiber die Gelegenheit, sich mit einem Taschentuch das Gesicht zu trocknen.

„Meine Herren“, werde ich nun förmlich, „ich darf Ihnen mitteilen, dass wir ab sofort Ihr Büro umfunktionieren.“

Nun läuft bei Gerhard Treiber der Schweiß wieder wie Weißbier auf dem Oktoberfest.

„Sie können doch nicht meine Stelle wegstreichen“, fängt er nun auch noch das Jammern an. „Ich habe doch Familie, einen pflegebedürftigen Vater und eine Tochter, die ein uneheliches Kind erwartet.“

„Tja, lieber Kollege, das sollte Ihnen alles nicht helfen, denn mein Job ist in Stein gemeißelt, denn wenn Sie die Statistiken kennen würden, dann wüssten Sie auch, dass ich hier absolut notwendig bin, um die Immigrantenquote aufrecht zu erhalten“, sticht Yang nun in die klaffende Wunde.

Zeit für mich einzuhaken: „Zum Ersten wird hier nur das Büro unstrukturiert und nicht das Personal. Das heißt, dass Sie beide ab nun die Presseabteilung leiten. Und zum Zweiten ist es für mich auch kein Problem, weitere Immigranten einzustellen, nur um klarzustellen, dass hier kein Arbeitsplatz in Stein gemeißelt ist.“

Da nun Treibers Stirn getrocknet ist, reicht er sein Taschentuch weiter zu dem Asiaten, dem inzwischen der Schweiß ausbricht.

Mit dem Satz: „Bereiten Sie bitte alles vor, damit wir den Raum morgen seiner neuen Bestimmung übergeben können“, verlasse ich nun das Büro mit dem Vorsatz, später noch einmal nach dem Rechten zu schauen.

Die Abteilung für »Optimierung innerer Abläufe« übergebe ich an Timo und die Dienstpläne werden künftig im Personalbüro erstellt, basta.

Dienststellenvoting?

Unglaublich, mit welch einem Verwaltungskram ich mich hier herumschlagen muss. Dabei müssten wir einen Fall aufklären. Es sollte doch Priorität haben zu erfahren, warum Peter Brechtel nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Mein Weg führt mich nun direkt zu Yasi Kalt und Helmut Glaser ins Büro. Die beiden sitzen zusammen vor einem Monitor im Großraumbüro und sind offensichtlich damit beschäftigt einen Bericht auszuarbeiten.

„Na, Ihr beiden“, sage ich ganz locker, während ich mir einen Stuhl zu ihnen hinziehe, „gibt es Neuigkeiten in unserem Fall?“

„Hallo Scheffe“, klar, dass dieser Ausdruck von Yasi kommt, „wir haben soeben einen dreiseitigen Bericht in Ihr Büro gemailt.“

„Wenn ich nun schon mal hier bin, können wir das ja auch auf altmodische Art erledigen“, fordere ich die beiden auf mich zu informieren.

„Wir waren heute Morgen bei der Arbeitsstelle von Brechtel. Dort scheint er bei Kollegen und Vorgesetzten gleichermaßen beliebt gewesen zu sein. Auch seiner Bürokollegin, mit der er anscheinend sehr vertraut war, hat er nie etwas von Feinden erzählt. Er war wohl Umweltaktivist und hatte nur mal erwähnt, dass er wegen wilden Campierens ermahnt wurde.“

Das hat nun Kollege Glaser schön zusammengefasst.

„Okay, dann wollen wir einmal“, versuch ich meine Mittarbeiter zu motivieren: „Versucht doch herauszufinden, in welcher Art er als Umweltaktivist tätig und wie vertraut er mit seiner Kollegin war, denn Eifersucht könnte ja ein Motiv gewesen sein. Befragt doch dazu bitte auch die Witwe, mit dem nötigen Taktgefühl. Ich fahre derzeit mit Timo zum zuständigen Förster, um zu klären, wie es zu der Ermahnung gekommen ist.“

Yasi und Glaser greifen zum Schlüssel ihres Dienstwagens und ich wenig später in meinem Büro, in dem Timo am Computer beschäftigt ist, zum Telefonhörer. Nach dreimal Läuten knackt es auch schon in der Leitung und Oberförster Philipp Hubertus meldet sich. Nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen habe, erteilt er mir bereitwillig Auskunft, was mir die Fahrt auf den Taubensuhl erspart.

„Ja, Herr Kommissar, ich habe Peter Brechtel selbst die Ermahnung ausgesprochen. Aber das hatte keinen aggressiven Hintergrund. Ganz im Gegenteil, wir waren anschließend noch auf ein paar Bierchen zusammengesessen.“

Auf meine Frage, ob Brechtel etwas erwähnt hätte, das darauf schließen lässt, dass ihm jemand nach dem Leben trachten könnte, reagiert Hubertus glaubwürdig erstaunt.

„Feinde? Dieser liebenswerte und hilfsbereite Mann? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Schauen Sie mal, ich habe ihn ermahnt und ihn aus dem Wald verscheucht und er hat mich anschließend auf ein paar Bier eingeladen. So jemanden bringt man nicht um.“

So habe ich ja den Oberförster noch nie reden hören, fast glaube ich, dass er mir von seinem Bruder berichtet und nicht von jemanden eigentlich wildfremden. Nun will ich doch noch etwas vom Inhalt des Gespräches wissen.

„Ach, das war eben so ein Stammtischgespräch“, erzählt Philipp Hubertus weiter, „dass er sich der Natur sehr verbunden fühlt, hatte er erzählt und dass er einer Initiative gegen den Ausbau der Bundesstraße 10 zwischen Landau und Hinterweidental angehört. Von Frau und Kindern berichtete er und nach mehreren Bier ist er an eine alte Buche gelehnt einfach eingeschlafen. Ich habe ihn dann noch in eine Decke gewickelt und ihn in seiner geliebten Natur seinen Rausch ausschlafen lassen.“

Meine letzte Frage beinhaltet dann noch, ob es zu einem Wiedersehen kam.

„Leider nicht, Peter hat sich anscheinend strikt an die Ermahnung gehalten, was mir sogar etwas leid tat.“

Damit beenden wir das Gespräch.

Eine Seele von einem Mensch also, wer sollte so jemanden in die Luft sprengen?

„Mensch Dieter“, es ist Timo, der mich aus meinen Gedanken reißt, „laut unseres Dienststellenvotings ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter schon um elf Prozent gestiegen, seitdem du das Ruder übernommen hast.“

„Dienststellen was?“, bin ich neugierig.

„Na, das interne Dienststellenvoting! Da ist jeder Mitarbeiter hier aufgefordert immer zu Arbeitsbeginn und zum Arbeitsende einen Fragekatalog zu beantworten, aus dem dann täglich eine Statistik erstellt wird.“

„Den Scheiß hat doch sicher der Heuler erfunden.“

„Eingeführt hat er es“, lacht mein Lieblingskollege, „erfunden wurde es anhand der neuesten asiatischen Studien.“

Alles klar, eine Errungenschaft der ehemaligen Abteilung für innere Abläufe und Optimierung, die ich ja inzwischen abgeschafft habe. Dann werde ich wohl das Dienststellendingsbums auch bei Gelegenheit abschaffen.

„Du hast die Abteilung für »Innere Abläufe und Optimierung« abgeschafft?“, fragt Timo besorgt. „Aber wir müssen uns doch weiterentwickeln.“

„Richtig“, antworte ich ihm gelassen, „deshalb macht das künftig eine Person meines Vertrauens.“

„Aha! Und wer soll das bitte sein?“, fragt Timo neugierig.

„Na, du natürlich!“

„Das dachte ich mir“, meint Timo resignierend.

Nun ist es auch für mich an der Zeit mal in die Röhre zu schauen. Also in die Bildröhre oder besser gesagt in den Flat-Screen, so heißt das ja inzwischen, glaub ich mal zumindest. Also schau ich an meinem Monitor die Berichte durch. Okay, so nebenbei klicke ich auch das Dienststellenvoting an. Nicht gerade etwas was ich interessant finde. Ich weiß auch beim besten Willen nicht, warum es die neuesten asiatischen Studien für wichtig erachten, wie viel Putzmittel, Seife oder Toilettenpapier wir täglich verbrauchen.

Da mach ich doch lieber etwas, das ich schon seit Monaten nicht mehr getan habe. Ich logge mich bei Facebook ein. Stolze dreizehn Nachrichten warten darauf von mir gelesen zu werden. Okay, die erste ist nicht gerade sehr wichtig. Sie stammt von einer Susi, die mir wiederum von einer Anette ausrichtet, dass sie mich sehr vermisst und ich mich auf einer »heiße Luder«-Seite anmelden soll, um mit ihr in Kontakt zu treten. Ich entscheide mich spontan dagegen, da mir eine Anette Luder gänzlich unbekannt ist.

Ebenso entscheide ich mich auch gegen Pia Schlüpfer und gegen Renate Granate.

Die nächste Susi kenn ich dann doch, denn sie ist eine ehemalige Klassenkameradin, die mich zum Klassentreffen einlädt. Was? Tatsächlich! Dreißig, wirklich dreißig Jahre ist es inzwischen her, als wir unseren Schulabschluss gemacht haben. Und ich fühle mich keinen Tag älter. Zumindest wenn die Schmerzen in der Lendengegend nicht wären und die vierzig Kilo Übergewicht. Aber sonst bin ich noch ganz der Alte, eben nur mit zwei pubertierenden Kindern und etwas dünnerem Haar.

Nun informiert mich Facebook darüber, dass sie ihre Nutzungsbedingungen geändert haben, was wohl bedeutet, dass meine Nachrichten nun »Just in Time« der Werbeindustrie zur Verfügung gestellt werden. Na egal, irgendeinen Preis muss ich eben zahlen, um mit allen meinen sechshundertfünfundachtzig Freunden kommunizieren zu können.

Nun bereue ich doch, meine Nachrichten schon so lange nicht mehr abgerufen zu haben. Die restlichen acht sind von Laura. Richtig, allesamt von Laura Schmitt, unsere liebe Kollegin aus Landauer Zeiten, die wir immer Lara, nach Lara Croft aus dem Computerspiel Tomb Raider, genannt haben.

Ohne Vorwarnung ist plötzlich ihr verschollen geglaubter Vater aufgetaucht, mit dem sie dann zur Fremdenlegion gegangen ist, um gegen den Terror auf der Welt zu kämpfen.

Durch ihren Fleiß, Mut und vor allem durch ihr atemberaubendes Äußeres war sie in der Landauer Wache mehr als beliebt.

Auch in meinem Herzen hat sie ein klaffendes Loch hinterlassen. Und nun? Nun sind da acht Nachrichten von ihr. Mir ist, als würde sie neben mir stehen, ich kann förmlich ihr Deo riechen. Spüre ich da ihren Atem im Nacken? Nein! Alles was von Laura hier ist, sind diese acht Nachrichten.

Sieben handeln davon, wie sie untergebracht ist, wie es ihrem Vater geht und wie sehr sie uns und die Pfalz vermisst.

Die achte, die gerade einmal vier Wochen alt ist, ja die, genau die, ach was lest sie doch einfach selbst.

„lieber dieter, nun ist es soweit. meine ausbildung ist nun abgeschlossen. ich bin trainiert im nahkampf, sodass ich mit bloßen händen einem zweimeter mann das genick brechen kann. zudem kann ich dir als scharfschützin bei berücksichtigung der windverhältnisse auf dreitausent metern einen apfel vom kopf schießen. nun geht es in den kampf. wo und gegen wen kann und darf ich dir aus sicherheitsgründen nicht sagen. alles was ich sagen kann ist, dass wir heute nacht abspringen werden. papa ist auch dabei und ich soll dir von ihm sagen, dass er mich auch nicht aus den augen lässt und mich selbst mit seinem leben beschützen wird. dieter du sollst wissen, dass ich bei dem einsatz an dich denken werde. ich möchte, dass du und alle anderen im westen sicher leben können, deshalb kämpfe ich gegen die fanatischen bastarde. du warst immer mehr als nur ein chef für mich. vorbild, vater und vor allem freund!!! Ich meld mich, wenn ich zurück bin, deine la(u)ra“.

Jetzt erst mal den Kloß im Hals herunterschlucken und die Nase nach oben ziehen, besser gesagt deren Inhalt.

„Mensch Dieter“, spricht mich nun Timo an, der mir ein Papiertaschentuch entgegen hält, „putz dir die Nase, bist ja kein kleines Kind mehr.“

Ich nehme das Angebot gerne an und verstecke mein Gesicht darin. Timo braucht ja nicht sehen, dass ich hier heule wie ein Wasserspender.

Um auf andere Gedanken zu kommen, beschließe ich Yang und Treiber zu besuchen, um zu sehen, wie weit unser neues Pressebüro gediehen ist. Nun haut es mich aber total aus den Socken, steht doch da ein mir nicht unbekannter Arbeiter in einer Latzhose, die den Schmutz eines ganzen Arbeitslebens gespeichert hat.

„Ei jezzard bin ich awwer blatt. S’ Schlämberds ehrn Jingschder. Ah dich häb ich jo Johre nimmi gsäne (ich fühle mich wie von einer Walze überrollt. Treffe ich doch tatsächlich der Familie Schlempert ihren Letztgeborenen, den ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr begrüßen durfte)“, trällert er mir in tiefster Eingeborenensprache entgegen. Leider ist dies auch die einzige Ausdrucksweise, die er beherrscht.

Da bleibt mir ja nichts anderes, als ebenso zu antworten: „Jezd haldemo de Balle flach, was hoschd dann du bei uns zu suche (neige doch bitte nicht zum Übertreiben. Welche Umstände verschaffen uns die Ehre deines Besuches?).“

„Ich sell dänne zwä Kaschber do än Dreese hiezimmere. Awwer die wärren jo nid ähnich, wie hoch des Ding werre sell (Mir wurde der Auftrag erteilt, hier einen Empfangstresen zu errichten. Allerdings konnten die Herren Yang und Treiber mir die Höhe des Tresens bisher noch nicht nennen, was mich an der Ausführung des Auftrages hindert).“

Die beiden bringen mich noch zur Weißglut. „Werte Kollegen“, probiere ich es deshalb im Guten, „woran scheitert es denn, die Höhe eines gewöhnlichen Empfangstresen zu definieren?“

„Laut neuster asiatischer Studien sollte die Höhe eines Tresens im Empfangsbereich einen Meter nicht überschreiten, um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.“ Von wem dieser Satz stammt, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

„Mir sind die asiatischen Studien Jacke wie Hose“, setzt sich nun Treiber zur Wehr, „wenn ich auf einem so tiefen Tresen Formulare ausfüllen soll, bekomme ich Rückenschmerzen. Unter eins zehn ist da nichts zu machen.“

Bin ich denn hier bei der Polizei oder der Leiter einer Kindertagesstätte? Ruhig Schlempert, ganz ruhig. Du bist Führungspersönlichkeit, da zeigt man keine Nerven. Durchatmen, Plan erstellen und dann delegieren, so war einer der Tipps, die mir mein Freund Eberhard Palanowsky mit auf den Weg gegeben hat.

„Du machschd jezerd äfach dänn Drese halwer än Meder un halwer än Meder zeh hoch (Lieber Handwerker, ich bitte dich den Tresen in der Mitte zu teilen und die Höhen den Wünschen des jeweiligen Mitarbeiters anzupassen).“ Nun wende ich mich den beiden Streithähnen zu: „Und Ihr beiden arbeitet nun einmal an der Harmonie eurer Zusammenarbeit und bringt dieses Projekt zeitnahe zu Ende. Wenn euch das nicht gelingt, droht euch die Versetzung zur Putzkolonne, was unserer Immigrationsquote keinen Schaden zufügt.“

Und jetzt nichts wie raus hier, bevor ich noch ausfallend werde.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
234 s. 8 illüstrasyon
ISBN:
9783961451746
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