Kitabı oku: «Traum»

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Dr. Michael Schredl, PD, Universität Mannheim, wiss. Leiter der Abt. Schlafforschung des Zentralinstituts für seelische Gesundheit.

Lektorat / Redaktion im Auftrag des Ernst Reinhardt Verlages: Ulrike Auras, München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

eISBN 978-3-8463-3005-0

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Reihenkonzept und Umschlagentwurf: Alexandra Brand

Umschlagumsetzung: Atelier Reichert, Stuttgart

ISBN 978-3-8463-3005-0 (UTB-Bestellnummer E-Book)

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Inhaltsverzeichnis

Titel Impressum Einleitung 1 - Was ist ein Traum? 2 - Traumerinnerung 3 - Werkzeuge der Traumforschung 4 - Was erleben wir beim Träumen? 5 - Der Zusammenhang zwischen Wachleben und Traum 6 - Träume unter der „Schlaflabor-Lupe“ 7 - Alpträume 8 - Luzide Träume 9 - Sinn und Nutzen der Träume Anhang Sachregister

Einleitung

Die Menschen haben sehr früh begonnen, sich mit Träumen zu beschäftigen ; das zeigen Traumberichte in der Bibel oder die Traumbücher der alten Griechen. Für den wissenschaftlichen Zugang waren zwei Meilensteine in der Geschichte von Bedeutung: Zum einen war dies die Traumdeutung von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, die 1899 (vordatiert auf 1900) erschienen ist. Freud stellte eine Methode vor, Träume in der Psychotherapie sinnvoll zu nutzen. Der zweite Meilenstein war die Entdeckung des ↑ REM-Schlafes (Aserinsky / Kleitman 1953). Die Erforschung des Schlafes und somit auch die des Traumes sind bis heute Gebiete, die sich stark weiterentwickeln.

Neben diesen zwei Strömungen, der Psychoanalyse und dem neurophysiologischen Zugang, hat sich eine dritte Kraft herausgebildet, die psychologische Traumforschung. Einer der Väter dieser Richtung ist Calvin S. Hall, der Ende der 1940er Jahre begonnen hatte, viele Personen nach Traumberichten zu fragen und diese systematisch zu analysieren (Hall / Van de Castle 1966). Durch die Entwicklung der Trauminhaltsanalyse gelang es diesen Pionieren, der Traumforschung zu wissenschaftlicher Anerkennung zu verhelfen.

Das vorliegende Buch gibt einen Einblick in die Ergebnisse der psychologischen Traumforschung. Hier wird der Traum als Rückerinnerung an das Träumen und als subjektives ganzheitliches Erleben aufgefasst, das es zu ergründen gilt. Nach der Diskussion der Traumerinnerung, die sozusagen die Grundvoraussetzung für die Traumforschung und die Anwendung der Träume ist, werden die Werkzeuge der Traumforschung vorgestellt, vor allem die bereits erwähnte Trauminhaltsanalyse. Schließlich werden die wichtigsten Befunde der Traumforschung dargelegt: Was erleben wir beim Träumen? Wie beeinflusst das Wachleben die nachfolgenden Träume? Träumen Männer anders als Frauen? Wie wirken sich Reize, die während des Schlafes auf die Person einwirken, auf die Träume aus? Wie hängen die körperlichen Prozesse, z. B. die Gehirnaktivität oder die Augenbewegungen, mit dem Trauminhalt zusammen? Zwei Kapitel sind besonderen Traumarten gewidmet: Die Alpträume werden thematisiert, weil es eine beträchtliche Anzahl von Menschen gibt, die unter Alpträumen leiden. Die Forschung hat dazu vielversprechende Behandlungsansätze entwickelt. Das luzide Träumen, also Träume in dem Bewusstsein, dass man träumt, sind sowohl für den Träumer 8sehr spannend als auch für die Forschung, da gezielte Experimente zum Zusammenhang zwischen Physiologie und Trauminhalt durchgeführt werden können. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob die Träume eine Funktion haben. Auch wenn es plausibel erscheint, dass Träume bei der Bearbeitung von Problemen helfen können, kreative Anregungen geben und sinnvoll in der Therapie eingesetzt werden können, muss letztendlich die Frage nach der Funktion offen bleiben. Es ist zu wünschen, dass die weitere Forschung noch viele Erkenntnisse ans Licht bringt und so das Rätsel der Träume immer mehr gelüftet wird.

Michael Schredl

Mannheim, im Januar 2008

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Was ist ein Traum?

Der Begriff „Traum“ wird in der Umgangssprache vielfältig verwendet, z. B. in Ausdrücken wie „Traumfrau“, „Träumer“, „Traumhaus“. Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen Traum ist jedoch eine klare Definition notwendig. Auch wenn sich die Forscher über die formalen Kriterien, die einen Traum charakterisieren, nicht einig sind (Schredl 1999), so haben sich die folgenden Definitionen für die Praxis als sinnvoll erwiesen:

Definition

Träumen ist die psychische Aktivität während des Schlafes.


Definition

Der Traum oder Traumbericht ist die Erinnerung an die psychische Aktivität während des Schlafes.

Der Begriff „psychische Aktivität“ ist ein Kunstwort und soll verdeutlichen, dass das Träumen ein ganzheitliches Erleben darstellt, mit Sinneseindrücken, Gefühlen und Gedanken; d.h., dass wir uns im Traum genauso erleben, wie im Wachzustand. Dabei ist zu beachten, dass das Träumen nicht von außen messbar ist. So kann zwar die Schlafphysiologie (Gehirnströme, Augenbewegungen, Herzschlag usw.) mit modernen Aufzeichnungsgeräten erfasst und ausgewertet werden, das psychische Erleben ist jedoch nur durch Befragung zugänglich. Gerade in der Schlaf- und Traumforschung ist es wichtig, diese beiden Ebenen, Physiologie und Psychologie, auseinanderzuhalten.

Die zweite der beiden genannten Definitionen macht einen Punkt sehr deutlich: Das Träumen ist weder der träumenden Person selbst noch dem Forscher direkt zugänglich. Es sind zwei „Hürden“ zu überwinden, um den Traumbericht zu bekommen. Erstens muss die Person aufwachen (Schlaf-Wach-Übergang) und zweitens muss sie sich zurückerinnern an das, was vor dem Erwachen gewesen ist (Zeitdimension). In der 10Forschung stellt sich deshalb immer die Frage, wie gut der Traumbericht tatsächlich das erlebte Geschehen abbildet (siehe dazu den Abschnitt „Trauminhaltsanalyse“ in Kapitel 3). Das Träumen bzw. die Träume lassen sich in einige typische Gruppen unterteilen (Schredl 1999).

• REM-Träume: Rückerinnerung an psychische Aktivität während des REM-Schlafes

• NREM-Träume: Rückerinnerung an psychische Aktivität während des NREM-Schlafs

• Einschlafträume: Rückerinnerung an psychische Aktivität während des NREM-Schlafstadiums 1

• Alpträume: REM-Träume mit stark unangenehmem Affekt, der zum Erwachen führt

• Pavor nocturnus: Nächtliches Aufschrecken mit Angst aus dem Tiefschlaf, evtl. Auftreten von NREM-Träumen

• posttraumatische Wiederholungen: REM- oder NREM-Träume, die eine realistische Wiederholung eines Traumas darstellen

• Luzide Träume: REM-Träume, in denen das Bewusstsein vorliegt, dass gerade geträumt wird

Bei den ersten Schlaflaborstudien (Dement / Kleitman 1957) wurden die Probanden aus dem ↑ REM-Schlaf geweckt, und die Forscher erhielten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (über 80 %) einen lebhaften und bilderreichen Traum. Der REM-Schlaf zeichnet sich durch schnelle Augenbewegungen und hohe Gehirnaktivität aus und nimmt ca. 20 % des Gesamtschlafes ein (Borbely 2004). Nach dem Wecken aus dem ↑ NREM-Schlaf wurde dagegen selten ein Traum berichtet. Foulkes (1962) machte allerdings darauf aufmerksam, dass in diesem Zusammenhang die Definition von „Traum“ eine große Rolle spielt. Er fragte nicht spezifisch nach bildhaften Träumen, sondern ganz offen, was den Versuchspersonen vor dem Wecken durch den Kopf gegangen ist und erhielt Berichtsraten von über 50 %. Das Ergebnis konnte durch weitere Studien bestätigt werden (eine Übersicht findet sich bei Nielsen 2000). Auch die anfangs angenommenen Unterschiede zwischen REM-Träumen und NREM-Träumen sind wahrscheinlich nicht so stark ausgeprägt, wie man zunächst dachte. Auch wenn NREM-Träume meist kürzer, weniger intensiv und eher gedankenartig sind, sind die Übergänge fließend (Antrobus, 1991). Circa 25 % der NREM-Träume lassen sich der Form und dem Inhalt nach nicht von REM-Träumen unterscheiden.

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Einschlafträume treten im NREM-Stadium 1 auf und in der Regel vergisst man sie, wenn man nicht durch ein Geräusch beim Einnicken geweckt wird. Meistens sind die Einschlafträume Fortsetzungen der Gedanken beim Einschlafen und haben manchmal einen stark bizarrem Charakter. Aber es gibt auch viele Personen, die während des Einschlafens einzelne Bilder und auch Bildabfolgen erleben, sodass auch hier ein fließender Übergang zu den REM-Träumen besteht.

Kernaussage

Die Einteilung der Träume anhand der zugrunde liegenden Schlafstadien – trotz fließender Übergänge – soll auch die heute gängige Auffassung unterstreichen, die besagt, dass während der ganzen Schlafzeit geträumt wird.

Warum die Erinnerung an die Träume sehr unterschiedlich ausfallen kann, ist Gegenstand von Kapitel 2 und 3.

Die folgenden drei Traumphänomene sind mit dem Auftreten von Angst verbunden (siehe auch Kapitel 8). Alpträume sind REM-Träume, bei denen der starke negative ↑ Affekt zum Erwachen führt. Davon werden belastende oder „schlechte“ Träume unterschieden, die ebenfalls starke negative Emotionen wie Angst, Ekel oder Trauer enthalten, aber nicht direkt zum Aufwachen führen (Zadra / Donderi 2000). Beim Pavor nocturnus kommt es zum Aufschrecken mit Angst aus dem Tiefschlaf, aber die betroffene Person erwacht nicht richtig und kann sich meistens an den Vorfall gar nicht zurückerinnern. Die posttraumatischen Wiederholungen gehen auf schreckliche Erlebnisse wie sexueller Missbrauch oder Kriegserlebnisse zurück und können während des gesamten Schlafes auftreten; auch tagsüber kann es zu solchen posttraumatischen Wiederholungen kommen, dann werden sie als „Flashbacks“ bezeichnet.

Die luziden Träume oder Klarträume sind Traumberichte von Träumen, in denen sich das Traum-Ich während des Träumens bewusst ist, dass es träumt. Da dieser Zustand sowohl für die Forschung als auch für die Person selbst sehr spannend ist, wird dieser Traumtyp in Kapitel 8 ausführlicher besprochen.

Auch in anderen Bewusstseinzuständen werden traumartige Vorstellungen erlebt, so zum Beispiel in Narkose oder bei Nahtod-Erlebnissen. Auch im Wachzustand kann es zu traumartigen Phänomenen kommen: Foulkes und Fleischer (1975) konnten viele Parallelen zwischen Tagträumen und REM-Träumen aufzeigen, wenn die Erhebungsbedingungen 12gleich waren. Das heißt, die Versuchspersonen lagen entspannt in einem abgedunkelten Raum im Bett und die Forscher führten „Weckungen“ durch. Diese so erhaltenen Tagträume waren den REM-Träumen sehr ähnlich, auch wenn die meisten Tagträume als weniger wirklich erlebt werden wie die Nachtträume. Für die wissenschaftliche Traumforschung sind Tagträume keine Träume im engeren Sinne, jedoch sehr verwandte Phänomene.

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Traumerinnerung

Trotz der Tatsache, dass wahrscheinlich während des gesamten Schlafes geträumt wird, ist die Erinnerung an das nächtliche Geschehen sehr variabel. Es gibt Personen, die fast jeden Morgen etwas berichten können, und andere behaupten, sie träumen (bzw. erinnern sich) nie.

Zunächst werden die theoretischen Ansätze vorgestellt, die die Unterschiede in der Traumerinnerung erklären sollen, im Anschluss daran die Messmethoden und die mannigfaltigen Studien auf diesem Gebiet. Schließlich erfolgt eine Bewertung des bisherigen Forschungsstandes und ein Ausblick auf die Fragen, die noch zu beantworten sind.

Erklärungsmodelle

Seit Sigmund Freud wurden immer wieder neue Erklärungsansätze hinsichtlich der Traumerinnerung formuliert.

• Verdrängungshypothese (Freud, 1900)

• Life-Style-Hypothese (Schonbar, 1965)

• Interferenz-Hypothese (Cohen / Wolfe, 1973)

• Salience-Hypothese (Cohen / MacNeilage, 1974)

• Arousal-Retrieval-Modell (Koulack / Goodenough, 1976)

• Zustands-Wechsel-Modell (Koukkou / Lehmann, 1980)

Freuds Verdrängungshypothese (Freud 1900) besagt, dass der Traum als Ganzes verdrängt (d.h. nicht erinnert wird), wenn er seine Aufgabe der „Veränderung“ (Traumarbeit in der Terminologie von Freud) nicht wahrgenommen hat. Die Traumarbeit verhindert, dass unbewusste Triebimpulse ins Wachbewusstsein dringen können. Hier sei gleich angemerkt, dass bei diesem wie auch bei den anderen Ansätzen eine direkte Prüfung im Experiment nicht möglich ist, da der nicht erinnerte Traum nicht zugänglich ist. Die Frage, ob er sich tatsächlich von den erinnerten Träumen unterscheidet, muss immer unbeantwortet bleiben.

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Die Life-Style-Hypothese von Schonbar (1965) besagt, dass eine gute Traumerinnerung Teil eines Lebensstils ist. Personen, die kreativ, introvertiert sind, inneren Prozessen viel Aufmerksamkeit schenken, erinnern sich auch häufiger an Träume. Dieser Ansatz erklärt allerdings kaum, warum diese Personen sich im Prozess des Aufwachens besser an ihre Träume erinnern sollen als andere.

Diesbezüglich ist die Interferenz-Hypothese von Cohen und Wolfe (1973) schon spezifischer. Unter Berufung auf die klassische Gedächtnistheorie wird hier postuliert, dass der Traum dann besser erinnert wird, wenn möglichst wenig Störungen zwischen dem Aufwachen und dem Berichten des Traumes liegen.

Auch die Salience-Hypothese (Cohen / MacNeilage 1974) geht auf die klassische Gedächtnistheorie zurück. Das Wort „Salience“ kann mit „Bedeutung“ oder „Wichtigkeit“ übersetzt werden. Je salienter ein Traum, desto besser wird er erinnert. Auch hier gilt jedoch, dass die direkte Prüfung – wie es bei Gedächtnisaufgaben im Wachzustand ein Leichtes ist – nicht möglich ist. Der Ausgangspunkt (alle Träume) bleibt verborgen, nur die erinnerten Träume sind zugänglich.

Etwas komplexer ist das Arousal-Retrieval-Modell von Koulack und Goodenough (1976). Es werden zwei Schritte angenommen, die zu einer erfolgreichen Traumerinnerung führen. Zunächst muss ein gewisser Wachheitsgrad vorliegen, d.h., die Person muss während des Traums oder unmittelbar danach aufwachen, zumindest für kurze Zeit, weil der Traum sonst nicht im Gedächtnis gespeichert wird. Im zweiten Schritt wird der Traum aus dem Zwischenspeicher dann komplett erinnert, wenn er besonders wichtig war und wenig Störeinflüsse vorhanden sind. Auch die Verdrängungshypothese wurde mit aufgenommen, besonders intensive und „verdrängungswürdige“ Träume werden nach diesem Denkansatz auch schlecht erinnert.

Als Grundlage des Zustands-Wechsel-Modells (Koukkou/Lehmann 1980) dient ein Modell des Gehirns bzw. Bewusstseins, das verschiedene funktionelle Zustände mit zugehörigen Gedächtnisspeichern vorsieht. Die Zustände mit hoher Aktivierung („Wach“) können nur bedingt auf die Gedächtnisspeicher der niedrigeren Zustände („Schlaf“) zugreifen, während es umgekehrt keine Probleme gibt. Das würde bedeuten, dass Träume aus besonders aktiviertem Schlaf besser erinnert werden.

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Messmethoden der Traumerinnerungshäufigkeit

Um die empirischen Studien adäquat bewerten zu können, ist es wichtig, sich mit den Messmethoden sowie deren Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen. Im Wesentlichen kommen drei verschiedene Ansätze zum Zuge: Fragebogenskalen, Schlaf- bzw. Traumtagebücher, Schlaflaborweckungen.

Die Vorgabe einer Fragebogenskala eignet sich vor allem für die Untersuchung großer Stichproben. Dabei werden sehr unterschiedliche Formate angewendet. So wurde z. B. bei einer Studie die Frage gestellt, ob man sich am Morgen dieses Tages an einen Traum erinnert hat, oder in einer anderen Studie nach der Zahl der Träume in den letzten vier Wochen gefragt. Mittlerweile haben sich dabei sogenannte Rating-Skalen bewährt, die in zwei Gruppen unterteilt werden. Die Antwortkategorien auf die Frage „Konnten Sie sich in der letzten Zeit an Ihre Träume erinnern?“ bestehen aus „nie“, „selten“, „manchmal“, „oft“ und „sehr oft“. Beim zweiten Skalentyp sind dagegen in der Skala explizit Häufigkeiten angeben, da es durchaus nicht der Fall sein muss, dass jede Person unter „selten“ oder „manchmal“ dieselbe Häufigkeit versteht:


Wie häufig erinnern Sie sich in der letzten Zeit (einige Monate) an Ihre Träume?
Ofast jeden Morgen
Omehrmals pro Woche
Oetwa einmal pro Woche
O2 bis 3mal im Monat
Oetwa einmal im Monat
Oweniger als einmal im Monat
Ogar nicht

Obwohl die ↑ Korrelation zwischen diesen beiden Skalen sehr groß ist (r = .647, N = 444; Schredl et al. 2003a) zeigten die Studien doch, dass die Retest-Reliabilität (↑ Reliabilität) als Maß für die Messgenauigkeit bei den Skalen mit absoluten Kategorien (obiges Beispiel) höher ist (r = .85, N = 198, 55 Tage; Schredl 2004), während eine Skala mit relativen Kategorien nur einen Wert von r = .56 (Bernstein / Belicki 1995-96) lieferte. Das Hauptproblem bei der Anwendung solcher Skalen stellt die Fähigkeit der Probanden dar, sich retrospektive daran erinnern zu können, 16ob sie sich morgens nach dem Aufwachen an einen Traum erinnert haben. Die hohe Retest-Reliabilität lässt darauf schließen, dass trotzdem eine relativ genaue Schätzung möglich ist, da bei wiederholter Messung ähnliche Ergebnisse erzielt werden. Diese Befunde sprechen auch für stabile Unterschiede in der Traumerinnerung zwischen Personen.

Bei der Tagebuchtechnik wird die Versuchsperson gebeten, jeden Morgen anzugeben, ob sie sich an mindestens einen Traum der Nacht erinnern kann. Dazu werden ebenfalls zwei verschiedene Formate verwendet: Zum einen sind das Checklisten, in die nur eingetragen werden muss, ob ein oder mehrere Träume erinnert wurden. Bei der anderen Technik wird die Person gebeten, den Trauminhalt aufzuschreiben. Der zweite Ansatz erhöht den Aufwand für die Versuchspersonen, vor allem für die Vielträumer, erheblich, sodass es nicht verwunderlich ist, wenn die Traumerinnerung nach einer Woche Tagebuchführen schon etwas absinkt, ein Befund, der sich bei dem Führen von Checklisten nicht zeigt (Schredl / Fulda 2005a). Obwohl die Korrelation zwischen Tagebuchmaß und Fragebogenskala mittelhoch ist (r = .562, N = 444, Schredl et al. 2003a), zeigen sehr viele Studien, dass – vor allem bei Personen mit niedriger Traumerinnerung zu Beginn der Studie – die Traumerinnerung durch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung drastisch zunehmen kann (Schredl 2002). Durch die Tagebuchtechnik wird also zwar der Fehler, der durch Rückerinnerung entsteht, minimiert, aber durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Träumen die Traumerinnerung erhöht.

Ganz besonders deutlich wird dies bei Traumweckungen im Schlaflabor. Bei gezielten Weckungen aus dem ↑ REM-Schlaf liegt die Berichtsrate bei über 80 % (Nielsen 2000), sodass bei vier oder fünf Weckungen pro Nacht sehr viel Material zusammenkommt. Trotz dieser dramatischen Steigerung durch Schlaflaborweckungen ist es so, dass Personen, die zu Hause wenig Träume berichten, auch im Labor weniger erinnern als die Hocherinnerer (46 % vs. 93 %; Goodenough et al. 1959).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Erhebungsmethoden hinsichtlich der Traumerinnerung, zufrieden stellend sind und sich die Ergebnisse verschiedener Studien miteinander vergleichen lassen.

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Einflussfaktoren

Es wurden sehr viele Studien durchgeführt, die untersucht haben, mit welchen Faktoren die Traumerinnerung zusammenhängt. Um die Darstellung etwas zu vereinfachen, wurden die Faktoren in zwei Gruppen eingeteilt: State-Faktoren und Trait-Faktoren.

Definition

State-Faktoren sind kurzfristig wirksame Einflüsse, wie z. B. Stress am Vortag oder nächtliches Erwachen, die vor allem für die Schwankungen der Traumerinnerung bei einer Person verantwortlich sein können, während Trait-Faktoren über die Zeit stabiler sind und Unterschiede zwischen verschiedenen Personen erklären können.

Die wichtigsten Trait-Faktoren sind:

• Soziodemographische Variablen (Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Status)

• Genetische Faktoren

• Persönlichkeitsfaktoren (Verdrängung, Neurotizismus, Ängstlichkeit, Introversion, Hypnotisierbarkeit, Absorption, „dünne“ Grenzen)

• Kognitive Faktoren (Intelligenz, Gedächtnis, Phantasie, Kreativität)

• Schlafverhalten

• Einstellung zu Träumen

Eine eigene Metaanalyse, die über 150 Studien von 1889 bis heute einschließt und aktuell in Arbeit ist, zeigt, dass sich Frauen im Schnitt häufiger an ihre Träume erinnern als Männer. Beim Alter zeigen Querschnittsstudien eine Abnahme der Traumerinnerung mit dem Alter, beginnend mit dem 30. Lebensjahr (z.B. Giambra / Jung / Grodsky 1996). Echte Längsschnittstudien, die Personen über 10 oder 20 Jahre verfolgen, wurden zu diesem Thema jedoch noch nicht durchgeführt. Der Literaturüberblick von Schredl und Montasser (1996–97) erbrachte folgendes Ergebnisse hinsichtlich des sozioökonomischen Status: Es liegen zwei Studien vor, die zeigten, dass Personen aus höheren Schichten eine höhere Traumerinnerung aufweisen.

Ein genetischer Einfluss für die Traumerinnerung konnte in zwei Zwillingsstudien nicht nachgewiesen werden. Am häufigsten wurde der Zusammenhang zwischen der ↑ Persönlichkeitsdimension „Verdrängung“ 18und der Traumerinnerung untersucht. Das Bild ist jedoch uneinheitlich, die groß angelegten Studien zeigten keinen signifikanten Effekt. Auch für die Dimensionen „Neurotizismus“, „Ängstlichkeit“ und „Introversion“ waren keine eindeutig positiven Zusammenhänge zu berichten. Vielversprechender waren Eigenschaften, die mit der Dimension „Offenheit für Erfahrungen“ in Verbindung stehen, wie zum Beispiel „Absorption“ und „Dünne Grenzen“. Allerdings konnte eine kürzlich durchgeführte Studie (Schredl et al. 2003a) zwar Zusammenhänge nachweisen, diese waren jedoch sehr klein: Varianzaufklärung (↑ Varianz je Faktor unter 5 %).

Die allgemeine Intelligenz zeigte keinen Einfluss auf die Fähigkeit, sich an Träume zu erinnern. Bei älteren Menschen war – wegen der bildhaften Qualität der Träume wie erwartet – das visuelle Gedächtnis von Bedeutung, nicht jedoch bei jungen Erwachsen. Dies führte zu der Vorstellung, dass kognitive Faktoren nur dann wirksam werden, wenn sie einen bestimmten Grenzwert unterschreiten. Diese Annahme wird auch gestützt durch die Befunde, dass Patienten mit einer demenziellen Erkrankung sich seltener an Träume erinnern (Kramer et al. 1975). Viele Studien belegen, dass kreative Personen mit viel Phantasie und Tagträumen sich auch besser an ihre Nachtträume erinnern können (z. B. Schredl 1995b). Allerdings war der Zusammenhang in der Untersuchung von Schredl et al. (2003a) zwar statistisch bedeutsam, aber sehr schwach ausgeprägt.

Eine schlechte Schlafqualität und das damit verbundene häufigere Erwachen in der Nacht gehen mit einer erhöhten Traumerinnerung einher. Das klingt plausibel, da die Chance, sich an einen Traum zu erinnern, zunimmt, wenn man häufiger erwacht. Die gewohnheitsmäßige Schlafdauer scheint nur einen sehr schwachen Einfluss auf die Traumerinnerung zu haben.

Die positive Einstellung zu Träumen zeigte in vielen Studien einen deutlichen Zusammenhang mit der Traumerinnerung (Hill et al. 1997). Schredl et al. (2003a) konnten jedoch nachweisen, dass dem vor allem ein methodisches Problem der verwendeten Skalen zur Messung der Einstellung zu Träumen zugrunde lag. Viele Skalen erfassten z.B. die Häufigkeit, mit der über Träume nachgedacht wurde. Es liegt auf der Hand, dass das entsprechende Ergebnis stark mit der Traumerinnerungshäufigkeit korreliert. Verwendet man jedoch Aussagen wie „Ich finde es gut, sich mit Träumen zu beschäftigen“, so sind die Korrelationen zur Traumerinnerungshäufigkeit viel schwächer ausgeprägt.

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Die wichtigsten State-Faktoren sind:

• Vortag, Stress

• Therapie

• Schlafdauer/nächtliches Erwachen

• Aktiviertheit im Schlaf

• Störungen im Aufwachprozess

• Psychische Erkrankungen

• Ausfälle im bestimmten Gehirnarealen

Stress führt hinsichtlich des Geschlechts zu unterschiedlichen Ergebnissen: Zunahme der Traumerinnerung bei Frauen und eine Abnahme der Traumerinnerung bei Männern (Armitage 1992). Wenn die Personen selbst nach Erklärungen für Phasen mit gesteigerter Traumerinnerung gefragt werden, sind Stress und belastende Lebensereignisse die Hauptgründe (sowohl für Männer als auch für Frauen).

Patienten, die sich einer Psychotherapie unterziehen, vor allem einer psychoanalytisch orientierten, berichten über eine deutliche Zunahme der Traumerinnerung (Schredl et al. 2000). Selbst die Teilnahme an einer Traumstudie führt zu einer verbesserten Traumerinnerung (Redfering /Keller 1974b).

In vielen Studien zeigte sich kein Einfluss der gewohnheitsmäßigen Schlafdauer auf die Traumerinnerung, aber Schwankungen der Schlafdauer bei einer Person verändern auch die Chance, sich an einen Traum zu erinnern; eine Stunde länger schlafen erhöhte die Chance an eine Traumerinnerung um 20 % (Schredl / Fulda 2005b). Auch das nächtliche Erwachen wirkte sich fördernd auf die Traumerinnerung aus.

Während in der ursprünglichen Laborstudie von Cohen und Wolfe (1973) Störeinflüsse einen negativen Effekt auf die Traumerinnerung hatten (die Versuchspersonen mussten den Wetterdienst anrufen), zeigte sich bei der Tagebuchstudie von Schredl (1995a) kein Effekt von Störungen auf die Traumerinnerung im normalen Alltag.

Die Studien, in denen die physiologische Aktiviertheit (gemessen mittels ↑ EEG-Maßen oder autonomen Parametern wie Herzschlag etc.) mit der Traumerinnerung in Verbindung gesetzt wurde, lieferten keinen eindeutigen Beleg für einen Zusammenhang (Schredl 1999). Einen deutlichen Einfluss auf die Traumerinnerung hat jedoch das Vorliegen einer Depression; die betreffenden Patienten erinnern sich seltener an Träume als Gesunde (Schredl 1995c). Bei anderen Erkrankungen wie 20Angst- oder Essstörungen zeichneten sich kaum Unterschiede ab (Schredl / Engelhardt 2001).

Aufschlussreich waren die Untersuchungen an Patienten mit Hirnverletzungen. Vor allem bei Schädigungen von Hirnarealen, die mit der visuellen Vorstellungskraft zu tun haben, kam es subjektiv zu einem Traumverlust, d.h., die Patienten konnten keine Träume mehr erinnern (Solms 1997).

Bewertung und Ausblick

Angesichts der Fülle der Befunde ist eine Bewertung der Theorien nicht einfach. Eine groß angelegte Studie (Schredl et al. 2003a) hat den gleichzeitigen Einfluss von mehreren Faktoren untersucht. Insgesamt haben Schlafverhalten (Häufigkeit des nächtlichen Erwachens), Kreativität, Persönlichkeit (Offenheit für Erfahrungen) und die Einstellung zu Träumen nur 8,5 % der Gesamtvarianz der Traumerinnerung erklärt. Das bedeutet, dass über 90 % der Unterschiede unerklärt blieben. Dazu kommt der Befund, dass schon einfache Ermunterungen die Traumerinnerung dramatisch steigern können (Halliday 1992), sodass stabile Faktoren nicht viel Erklärung bieten.

Insgesamt sprechen die Befunde für das Arousal-Retrieval-Modell von Koulack und Goodenough (1976). So spielt das nächtliche Erwachen in vielen Studien eine Rolle. Auch die Persönlichkeitsfaktoren, die Kreativität, die Einstellung zu Träumen und der Einfluss von Stress lassen sich in dieses Modell integrieren, sodass die Salience-Hypothese und die Life-Style-Hypothese mitenthalten sind. Für die Verdrängungshypothese und die Interferenzhypothese ist die Befundlage sehr schwach. Auch für das komplexe Zustands-Wechsel-Modell (Koukkou /Lehmann 1980) liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass sich die Aktivität des Gehirns schlecht mit nur einer Dimension beschreiben lässt, vielmehr sind es unterschiedliche Muster von Aktivierungen, die beispielsweise Schlaf vom Wachzustand unterscheiden.

Letztendlich bleibt die Frage, welche Faktoren während des Aufwachvorgangs für eine erfolgreiche Traumerinnerung verantwortlich sind, unbeantwortet. Spannend sind hierzu die Befunde, dass nach dem Aufwachen das Gehirn bis zu 15 Minuten braucht, um „hochzufahren“, d.h., dass bestimmte Leistungen wie Reaktionsgeschwindigkeit, aber auch das Gedächtnis nicht gleich auf Hochtouren laufen. Im englischen 21Sprachraum wird das „sleep inertia“ genannt (Tassi/Muzet 2000). Es wäre interessant, zu prüfen, ob dieser Sleep-Inertia-Effekt etwas mit der Traumerinnerung zu tun hat. In Zukunft werden bildgebende Verfahren wie die Kernspintomographie aufklären können, welche Gehirnareale bei einer erfolgreichen Traumerinnerung aktiviert sein müssen.

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