Kitabı oku: «Rossi», sayfa 3
III.
IN EINER LIGA MIT DEN GROSSEN
„In der Saison 1996 hatten wir eine Menge Spaß. Genauer gesagt: Ich hatte eine Menge Spaß. Ich war durchgedrehter denn je – es war echt krass! Auf der Piste hatte ich keinerlei Respekt. Vor niemandem. Für mich waren alle Rennfahrer gleich. Ich machte keinen Unterschied zwischen den Veteranen, die um den Weltmeistertitel fuhren, und blutigen Anfängern wie mir. Ich wollte einfach nur schnell – und zwar richtig schnell – fahren. Sobald sich dazu die Gelegenheit bot, sobald sich eine Lücke auftat, zögerte ich keine Sekunde und gab Gas. Ich wollte alle und jeden überholen. Koste es, was es wolle. Mit anderen Worten: Ich trieb sie alle in den Wahnsinn.“
Seine ersten Schritte im Grand Prix tut Valentino unter der Obhut von Giampiero Sacchi. Der gebürtige Römer und damalige Manager von Max Biaggi stellt auf Drängen von Carlo Pernat ein Grand-Prix-Team aus Aprilia-Fahrern zusammen, damit die italienischen Weltmeisterschaftshoffnungen einmal in Erfüllung gehen werden. „Valentino und Gino Amisano haben mir die Sache leicht gemacht“, erläutert Sacchi. „1995 konnte ich mir ganz in Ruhe ein Bild vom Talent des jungen Rossi machen, weil die Europameisterschaftsläufe orts- und zeitgleich mit den Grand-Prix-Rennen stattfanden. Ich erkannte, dass dieser Bengel echtes Potenzial hatte, auch wenn er verdammt temperamentvoll war. Als mir der inzwischen verstorbene Gino Amisano, der Begründer der Marke AGV, finanzielle Unterstützung für den Aufbau eines neuen Teams anbot, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf.“ Aprilia stellt 250er-Maschinen für Luca Boscoscuro und 125er für Valentino Rossi zur Verfügung. „Sacchi hatte den richtigen Riecher“, erinnert sich Valentino. „Er wusste genau, welche Typen er ansprach, und hat aus ihnen eine starke Truppe geformt.“ Für seinen Einstieg in die Liga der Großen erbt der junge Rookie das frühere Motorrad von Werksfahrer Stefano Perugini. Was die Technik anbelangt, übernimmt einmal mehr der erfahrene Mauro Noccioli die Aufgabe, die Maschine einzustellen. Der Mann aus der Toskana arbeitet seit frühesten Weltmeisterschaftszeiten mit Valentino zusammen – die Chemie zwischen dem jungen Burschen und ihm stimmte einfach. Ende Februar trifft sich das AGV-Team für die ersten IRTA-Tests der Saison in Jerez. Jetzt erst realisiert Rossi, welche Schwierigkeiten vor ihm liegen. „Das war ein echter Schock“, bekennt er. „Alle fuhren dermaßen schnell, dass ich dachte: Mit denen werde ich nie mithalten können. Es sei denn, ich fange sofort an, anders fahren zu lernen, ehe die Weltmeisterschaft beginnt.“ Genau das wird ihm mehr oder weniger gelingen.
Der erste Grand Prix der Saison findet in dem Jahr in Malaysia statt, auf dem Rundkurs von Shah Alam. Nach dem 13. Platz im Training schafft Valentino es als Sechster ins Ziel. Eine starke Leistung – trotzdem ist es eine andere Erfahrung, die dieses Weltmeisterschaftsdebüt prägt: „Ich war aus der dritten Reihe gut gestartet und schloss sofort zur Spitzengruppe auf. Ich fuhr an siebter oder achter Stelle, als sich bei Dirk Raudies, direkt vor mir, der Motor festfraß. Ich bremste instinktiv und änderte meine Fahrlinie, damit wir nicht zusammenstießen. Der hinter mir fahrende Martínez konnte nicht mehr ausweichen und stürzte. Er war in dem Jahr offizieller Aprilia-Fahrer und großer Titelfavorit. Mir war in dem Moment nicht klar, dass ich soeben einen der ‚Unberührbaren‘ zu Fall gebracht hatte. Nach dem Zieleinlauf standen der Spanier und sein Kompagnon Angel Nieto auf einmal vor mir, beschimpften mich und drohten mir. Einer meiner Mechaniker stellte sich schließlich schützend vor mich.“ Auch Sacchi kann sich gut an den Vorfall erinnern: „Solche Szenen gab es im Laufe der Saison mehrmals. Die Alten kamen nicht damit klar, dass ein junger Bursche wie Valentino sie als x-beliebige Gegner betrachtete. Sie erwarteten Respekt. Ich weiß nicht mehr, wie oft Martínez wutentbrannt zu mir kam und mir klar machen wollte, dass Rossi auf der Piste eine zu große Gefahr für die anderen darstelle.“ Bei den nächsten beiden Rennen in Indonesien und in Japan wird Giampieros Schützling jeweils Elfter; beim ersten Saisonrennen auf europäischem Boden in Jerez verpasst er ganz knapp den dritten Podiumsplatz. „Ich kam als Zweiter aus der letzten Kurve, fuhr aber als Vierter ins Ziel“, erinnert er sich. „Am Wochenende darauf erging es mir in Mugello genauso. Mein Motorrad war wirklich nicht das allerschnellste.“ Doch Valentino denkt nicht daran, sich diesem Schicksal zu fügen. Mehr als einmal kommt er von der Piste ab bei dem Versuch, mit halsbrecherischen Attacken das Leistungsmanko seiner Aprilia zu kompensieren. „Ich war schnell, machte aber zu viele Fehler. Damit vermasselte ich eine Menge“, räumt er ein. Schließlich spricht Giampiero Sacchi ein Machtwort. „Ich habe ihn mir unter vier Augen vorgeknöpft“, erzählt der italienische Manager. „Ich sagte zu ihm: Von mir aus kannst du dich in der letzten Runde hinlegen. Ich habe auch nichts dagegen, dass du einen Podiumsplatz ergattern willst. Aber geh nicht aufs Ganze, wenn du als 15. in die dritte Kurve fährst! Du musst ruhiger werden. Manchmal vergaß er schlicht und einfach, dass seine Reifen noch kalt waren. Im Nachhinein scheint mir, dass ein junger Fahrer Stürze braucht, damit er sich weiterentwickelt. Letztlich kann er nur so lernen, wo seine Grenzen sind.“ Damals war der Teammanager jedoch nicht erbaut davon, wie viel Arbeit Valentino den Mechanikern machte und welche Kosten er durch seine Kapriolen verursachte. „Nach einem EM-Lauf in Misano ging es bergauf“, so Sacchi weiter. „Dass er sich dort durchsetzte, gab ihm Selbstvertrauen.“ Ungeachtet seiner Stürze verfolgt Aprilia, wo er einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat, Valentinos Entwicklung aufmerksam.
In der zweiten Hälfte der WM geht Carlo Pernat in die Offensive und überlässt Sacchis Team einen Werkszylinder und eine Carbon-Bremsscheibe, weil Stahl den Bärenkräften des jungen Bengels nicht gewachsen ist. Das zahlt sich schon bald aus. In Österreich wird Valentino Dritter und steht damit zum ersten Mal auf dem Podium. Zwei Wochen danach sichert er sich in der Tschechischen Republik die Poleposition und fährt vor dem spanischen Veteran Jorge „Aspar“ Martínez seinen ersten Sieg ein. Aus „Rossifumi“ wird „Superfumi“. Von allen Siegen, die er mit Valentino erlebt hat, hat Carlo Pernat den Triumph in Brno am meisten genossen. „Bis zu diesem Sieg fragten sich alle, ob es richtig gewesen war, einen Dreijahresvertrag mit ihm abzuschließen“, sagt Pernat, damals Sportchef des Werks in Noale und rechte Hand von Aprilia-Chef Ivano Beggio. „Ich hatte mich mächtig für Valentino ins Zeug gelegt. Beggio war nicht überzeugt, als ich 1995 anfing, Valentino zu unterstützen. Deswegen fühlte sich der Sieg in Brno für mich ungefähr so an, als hätte ich im Casino nach lauter Pleiten den Jackpot geknackt. Valentinos erster Grand-Prix-Sieg war für mich ein ähnliches Erlebnis wie der erste Titel, den Aprilia 1992 mit Gramigni in Südafrika holte.“ Trotz einer Menge Pech gegen Saisonende – Zündkerzendefekt in Imola und in Eastern Creek, eine Verletzung in Rio und ein Zusammenstoß mit Tokudome in Barcelona – hatte Valentino Rossi eine entscheidende Hürde genommen. Er schließt seine erste Grand-Prix-Saison als Neunter ab und fühlt sich gerüstet, einen Gang höher zu schalten. „Solange du keinen Grand Prix gewonnen hast, weißt du nicht, ob du das Zeug dazu hast“, stellt er fest. „Auch wenn es sich albern anhört: Erst nach diesem Sieg in Brno wusste ich, dass ich gewinnen konnte, dass ich dazu in der Lage war.“
1997 reiht sich dann ein Sieg an den anderen. Ein paar Monate zuvor hat sich der italienische Pilot gegen seinen Vater und gegen Carlo Pernat durchgesetzt, die ihn beide dazu bewegen wollten, kein weiteres Jahr mit der 125er zu verlieren und direkt in die 250er-Klasse zu wechseln. Ihr Argument: Valentino sei zu groß für die kleine Aprilia und wäre mit der Zweizylindermaschine besser bedient. Pernat führt außerdem an, Valentino könnte dann 1998 mit einer 250er-Werksmaschine um den Weltmeistertitel fahren. Das kommt für Valentino überhaupt nicht infrage: „In diesem Punkt ließ ich nicht mit mir reden“, berichtet er. „Ich wollte nicht die Klasse wechseln, bevor ich nicht 125er-Weltmeister war. Ich war immer der Meinung, dass ein Rennfahrer einen Schritt nach dem anderen tun und nichts überstürzen sollte. So habe ich es stets gehalten.“ Aus dem gleichen Grund wird er später Honda vertrösten, als die HRC ihm eine NSR 500 anbietet. Ein Jahr zum Lernen, ein Jahr zum Siegen – das ist und bleibt seine Devise. Valentino wird zum Aprilia-Werksfahrer befördert, behält aber dennoch seinen Platz im Team von Giampiero Sacchi und bekommt dort eine 125 RSR. Jan Witteveen – damals Rennchef – bereitet seine Maschine mit großer Sorgfalt vor. „Wir hatten bereits begonnen, seine Sitzposition zu verbessern“, erklärt der Niederländer. „Valentino war sehr schlank und nicht besonders schwer, aber er war schon damals überdurchschnittlich groß. Deshalb musste der Lenker weiter nach vorne. Auch die Position der Fußrasten musste verändert werden. Was die Motorisierung angeht, hatte ich für ihn einen Zylinder mit geringer Leistung, aber höherem Drehmoment entwickelt, damit er eine längere Übersetzung fahren konnte. Er verstand schon damals viel von Motorradtechnik und hörte immer aufmerksam zu. Mit Sacchi und Noccioli pflegte Valentino einen sehr familiären Umgang. Sie arbeiteten, aßen und schliefen zusammen. Sie waren ständig im Austausch. Dadurch lernte er in seiner ersten Grand-Prix-Saison enorm viel.“ Rossi arbeitet nicht nur an der Aerodynamik, er trainiert, den Gashebel verstärkt nach dem On-Off-Prinzip zu bedienen, um für ein mageres Kraftstoff-Luft-Gemisch im Motor zu sorgen und damit mehr Leistung herauszuholen.
„Ich wusste, dass ich mich mit so einem Motorrad leicht würde behaupten können“, erklärt er. „Dass ich den Titel holte, war deshalb nicht überraschend. Aber dass ich elf von 15 Grand-Prix-Rennen gewinnen und so wenige Fehler machen würde, hatte ich nicht erwartet.“ Hatte er 1995 insgesamt 20 Stürze und 1996 immer noch 15 Stürze gebaut, waren es 1997 nur noch drei. „Mein erster Rennsieg gab mir mein Selbstvertrauen zurück“, fügt er hinzu, „und da ich ein gutes Motorrad hatte, konnte ich auf der Strecke viel entspannter sein und bis zum Ziel die Konzentration besser halten. Wenn du in die Offensive gehst, um die mangelnde Leistung deines Materials wettzumachen, wirst du irgendwann kopflos. Und wenn du öfter Stürze hinlegst, sagst du dir irgendwann, dass Asphalt eigentlich zu hart ist, um die ganze Zeit auf dem Boden zu liegen.“ Schon beim ersten WM-Rennen in Malaysia ist Rossi klar, dass keiner seiner Gegner ihm das Wasser reichen kann. Haruchika Aoki tritt nicht mehr an, Jorge Martínez ist auf dem absteigenden Ast, und die Hondas von Ueda und Manako sind einen Tick schwächer als seine Aprilia. Auch für Giampiero Sacchi steht außer Frage, dass sein Schützling triumphieren wird. „Das war einfach vorgezeichnet“, beteuert der damalige AGV-Teammanager. „Das wurde mir schon beim ersten Rennen in Shah Alam klar: In der Startaufstellung wechselten wir im allerletzten Moment die Reifen, der Verantwortliche der Irta drückte beide Augen zu. Die Mechaniker brachten in der Eile aber nur drei von vier Muttern wieder an den Tauchrohren an! Und dann geht Sakata, der allein an der Spitze fährt, eine Zündkerze kaputt, und Valentino gewinnt das Rennen. So viel Glück in so kurzer Zeit – das musste einfach sein Jahr werden.“ Den einzigen groben Schnitzer leistet er sich in Suzuka: Beim zweiten Rennen der Saison stürzt er in der letzten Runde. „Ich dachte, ich könnte gewinnen, aber ich habe mich wie ein Trottel angestellt“, sagt Rossi rückblickend. Als er zu den Boxen zurückkehrt, winkt er trotz des Sturzes in die Menge und legt auch sein Lächeln nicht ab, mit dem er die Herzen des Publikums erobert. Noch heute wirkt Valentino selbst nach einer Niederlage nicht wie ein Geschlagener. Dieser Charakterzug gehört zu seinen Stärken und macht ihn umso populärer. Nach Meinung seines Vaters hat Valentino zwei Persönlichkeiten. Wenn er an den Start geht, ist er ein anderer, als in dem Moment, in dem er nach dem Rennen den Helm abnimmt. „Wie alle Champions“, erläutert sein Vater, „von Mick Doohan bis zu Max Biaggi verwandelt sich Valentino in einen anderen Menschen, sobald er das Visier herunterklappt. Von diesem Moment an sind alle um ihn herum seine Feinde. Mir ist dieses Umschalten übrigens nie gelungen. Sobald er vom Motorrad steigt, ist er wieder Valentino. Niederlagen oder Enttäuschungen verdaut er sehr schnell. Das ist eine Fähigkeit, die vielen anderen Rennfahrern fehlt.“ Auf den Missgriff in Japan folgen zwei Siege in Jerez und Mugello, ein zweiter Platz in Österreich und zwei überzeugende Siege in Frankreich und in den Niederlanden. „Den Sieg in Assen werde ich nie vergessen“, sagt er. „Weil es ein kalter Tag war, hatten wir beschlossen, die Abdeckung auf der Carbon-Bremsscheibe zu lassen. Die wurde dadurch leider sehr schnell heiß, sodass der Bremshebel an den Lenker schlug. Ich hatte Schwierigkeiten, beim Fahren das Hebelspiel nachzustellen, und musste langsamer fahren, um das hinzubekommen. Da zogen alle an mir vorbei. In einer unvergesslichen Aufholjagd überholte ich in der letzten Runde meine Kontrahenten wieder und gewann das Rennen. Dieser Lauf in Assen ist für mich bis heute das schönste Rennen in dieser Klasse.“ Auch in Imola, in Deutschland, in Rio und in England setzt sich Rossi durch.
In Donington, das in der Nähe des berühmten Sherwood Forest liegt, klettert er in Robin-Hood-Verkleidung aufs Podium. Das ist einer seiner ersten Späße, über die man in aller Welt schmunzelt und die den jungen italienischen Piloten noch berühmter machen. „Diese Auftritte“, erinnert er sich, „haben wir uns damals bei unseren Chihuahua-Stammestreffen in der Bar in Tavullia ausgedacht, die unser zweites Zuhause war. Da trafen wir uns abends, plauderten und ließen uns diese Gags einfallen.“ Den „Tribu dei Chihuahua“ gründete Valentino in sehr jungen Jahren zusammen mit seinen Kumpels. Lange Zeit zierte der Name sein Helmvisier. Zu den Chihuahua gehören Uccio, Pirro, Caroni, Nello, Bagaro, Mambo, Fuligna, Gabba, Cico, Cecco, Tia Musto, Bisci, Lele, Filo, Yuri, Pane, La Matta, Spungo, Pedro, Gabbia und Piwi. „Ich kenne niemanden, der seinen Freunden so sehr die Treue hält wie Valentino“, beteuert Carlo Pernat. „Das gehört zu seinen Stärken. Er ist seit eh und je mit den gleichen Freunden zusammen, als wäre er immer noch 15. Sie passen auf ihn auf und helfen ihm, er selbst zu bleiben.“ Ein Einzelgänger war Valentino Rossi nie. Schon als junger Bursche brauchte er Freunde um sich, mit denen er Spaß haben und bei denen er nach der Schule bleiben konnte. Da sein Vater permanent unterwegs und seine Mutter durch ihre Arbeit in der Gemeindeverwaltung von Tavullia eingespannt war, war Valentino oft auf sich gestellt.
Uccio und Valentino kennen sich schon sehr lange. Die Saluccis wurden für Valentino eine Art Zweitfamilie. „Damals wohnten wir nur einen Steinwurf von der Schule entfernt“, erzählt Uccios Vater Rino. „Man kann wohl sagen, dass Valentino als Kind öfter bei uns war als bei sich zu Hause.“ Uccio erinnert sich lebhaft: „Seit der Einschulung saßen wir in der Klasse nebeneinander“, erzählt er. „Bis zum Gymnasium wichen wir uns nicht von der Seite. Valentino war intelligent. Er hatte ein unglaublich gutes Gedächtnis. Das Lernen fiel ihm leicht, machte ihm aber keinen Spaß.“ 1997 fragt Valentino ihn, ob er Lust hätte, ihn zu den Rennen zu begleiten. So wurde Uccio zum Chauffeur, Putzmann und Koch seines Freundes aus Kindertagen. Sein Aufgabenfeld veränderte sich im Lauf der Zeit. Von Saison zu Saison übernahm der treue Schildknappe immer höhere Posten im Rossi-Universum. Heute gehört er zum Management des Sky Racing Teams VR 46. Außerdem leitet er gemeinsam mit Alberto Tebaldi die VR 46 Academy und die damit verbundenen Aktivitäten auf der Motor Ranch. Uccio und sein Vater waren auch die ersten Schlachtenbummler, die Valentino bei seinen Rennen anfeuerten.
Die Gags, mit denen Valentino seine Siege garniert, werden zwar meistens in der Dorfbar aus der Taufe gehoben, aber es gibt noch einen zweiten Ort, an dem sie ausgeheckt werden: ein kleines Lokal an den Stufen, die zum Castello di Tomba führen. Hier hat der „weltweite“ Valentino-Rossi-Fanclub Tavullia seinen Sitz. Offiziell wurde er im August 1997 gegründet, im Jahr des WM-Titels in der 125-cm3-Klasse. Die Präsidentschaft hat seit Jahr und Tag der allseits anerkannte und respektierte Vater Salucci inne. Mit einer Handvoll unentwegter Fans zog Rino schon kreuz und quer durch Europa, als Valentino sich noch in der Europameisterschaft seine Sporen verdiente. Damals nannte sich die Truppe ganz einfach „Supporter Tavullia“. Bis heute bildet sie den harten Kern des Fanclubs. Flavio Fratesi, Kommunikationschef des Fanclubs des neunfachen Weltmeisters, erinnert sich genau an die Saison 1996, in der Valentino erstmals bei Grand-Prix-Rennen antrat. „Valentinos alter Freund Uccio Salucci kam zu mir und bat mich, eine Tifosi-Truppe auf die Beine zu stellen, die den Sohn von Graziano und Stefania unterstützen sollte“, berichtet er. „So kam es, dass sein Vater zum Präsidenten berufen wurde, und genau wie ich hat Rino sein Amt bis heute nicht aufgegeben. Anfangs hatte der Club etwa zehn Mitglieder. Mit den Freunden aus dem Dorf waren es nach kurzer Zeit 200.“ Flavio, Uccio und Rino, Michele Alberti, Patrizio Federici, Maurizio Maggioli, Franco Franca und einige andere halten bei jeder Gelegenheit die Farben des Clubs VR 46 hoch. Flavio und Rino nehmen als Repräsentanten des Fanclubs an allen Reisen teil.
Unterstützt wird der Club seit Langem von Pizzabäcker Paride, dessen Lokal sich früher genau gegenüber befand. Dieser Lebenskünstler ist dafür zuständig, die Fahrten für die Fans und nach den Rennen die Partys und Essen für Valentino und seine Entourage zu organisieren – also für den Stamm der Chihuahua, jene Getreuen, die früher vor allem die Aufgabe hatten, heimlich, still und leise die witzigen Bemalungen und sonstigen Verkleidungen vorzubereiten, für die ihr Champion berühmt ist. Angesichts der vielen Siege, die er eingefahren hat, ist die Liste mittlerweile endlos. Legendär ist die Ehrenrunde 1997 in Mugello mit Claudia Schiffer auf dem Sozius – genauer gesagt mit einer aufblasbaren Puppe, die er so getauft hatte. Er spielte damit auf Gerüchte über eine Romanze zwischen Max Biaggi und Naomi Campbell an, denen Paparazzi auf dem Flughafen aufgelauert hatten. Die Gummipuppe war schon 1996 angeschafft worden. Da Valentino in dem Jahr in Mugello nicht gewann, wurde sie bis auf Weiteres im Schrank verstaut. „Um Biaggi so richtig auf den Arm zu nehmen, wollte Valentino ursprünglich, dass wir Claudia Schiffer nach Mugello einladen“, erzählt Carlo Pernat. „Aber ihr Agent verlangte drei Millionen Lire. Obendrein hätte man sie im Privatjet einfliegen lassen müssen. Dazu war Beggio natürlich nicht bereit. So begnügte man sich mit einer Gummipuppe für 10.000 Lire, die weltbekannt wurde.“
Viele weitere Scherze gingen um die Welt, obwohl sie häufig Insider-Charakter hatten. Valentino hat so oft den Hanswurst gespielt, dass selbst Rino Salucci Mühe hat, den Überblick über alle diese Eskapaden zu behalten. „Vale hat immer neue Überraschungen auf Lager“, so der Fanclub-Präsident. Bei seinem ersten WM-Titelgewinn färbt er sich die Haare grün, weiß und rot. Während der Fußball-WM ist er in den Niederlanden mit orangefarbenen Haaren und vor seinem ersten 250er-Sieg in Donington mit grünem Schopf zu sehen. „In dem Jahr musste ich mir schließlich eine Glatze rasieren, weil meine Haare komplett runiert waren“, gesteht Valentino. Kurz darauf sieht man ihn in Imola seinen Chefmechaniker Rossano Brazzi mit einer unvergesslichen Topffrisur imitieren. 2003 verrichtet Valentino in Brno Zwangsarbeit: Mit seinen als Sträflingen verkleideten Kumpels klopft er Steine am Streckenrand, weil offensichtlich alle Welt von ihm erwartet, dass er mit seiner Honda RCV jedes Rennen gewinnt. 1999 in Jerez fällt ihm, als er mit Uccio die Rennstrecke zu Fuß abgeht, ein Plastik-Klohäuschen am Streckenrand ins Auge. Das bringt ihn auf eine verrückte Idee: Auf der Ehrenrunde stellt er sein Motorrad vor dem mobilen WC ab und verschwindet für einen Moment darin, bevor er auf das Podium klettert. „Das war mein bester Gag“, findet Valentino. In seiner persönlichen Hitliste ebenfalls ganz oben rangieren die Aktion „Polleria Osvaldo“ bei seinem 250er-Debüt und die Polizeikontrolle wegen überhöhter Geschwindigkeit, der er sich 2002 mit seiner Honda RCV in Mugello unterziehen muss.
Die Aktion „Polleria Osvaldo“ – hinter dem Namen verbirgt sich eine fiktive Hühnerfarm, deren Besitzer sich angeblich als neuer Rossi-Sponsor betätigt – ging auf eine alte Geschichte um die Fußballmannschaft des Dorfes und ein Huhn zurück. Im Italienischen wird jemand als „pollo“ (Huhn) bezeichnet, der ein bisschen naiv ist – so naiv wie Valentino damals im Vergleich zu Harada und Capirossi. Die Polizeikontrolle war eine augenzwinkernde Geste an die Adresse derer, die Valentino vorwarfen, bei der MotoGP-Meisterschaft mit einem schnelleren Motorrad unterwegs zu sein als seine Kontrahenten.
1998 stieß ein Auftritt auf scharfe Kritik bei der italienischen Presse: Als Marcellino Lucchi in Mugello den Grand Prix in der 250-cm3-Klasse vor Rossi und Harada gewinnt, steigt Valentino in Badekleidung, Badelatschen, Sonnenbrille und mit Strandtuch um den Hals aufs Podium. „Ich war überglücklich, dass ich Harada und Capirossi hinter mir gelassen hatte. Aber die Leute hatten das Gefühl, ich hätte Lucchi die Show gestohlen, der an diesem Tag seinen ersten Grand Prix gewonnen hatte. Mir wurde vorgehalten, ich hätte ihm seinen Ehrentag vermasselt. Das war zugegebenermaßen eine unglückliche und dumme Aktion. Nach diesem Rennen beschloss ich, solche Spektakel nur noch zu veranstalten, wenn ich gewinne.“ Als er sich anschickt, die Kunst der 500er zu erlernen, legt er sich den Künstlernamen „The Doctor“ zu, den er bis heute trägt. Seither sieht man ihn nach seinen Rennen regelmäßig im weißen Kittel und mit Stethoskop in der Hand seine Maschine abhorchen. Andere Aktionen sind gehaltvoller, wie die in Malaysia 2004: Eine Woche zuvor war dem Rossi-Clan das Lachen vergangen, als Valentino beim Großen Preis von Katar in die letzte Startreihe strafversetzt wurde. Als Revanche fegt er in Sepang die Piste mit einem Besen und trägt dabei ein T-Shirt mit der Aufschrift „La Rapida“, der Name einer Reinigungsfirma, die beim MotoGP für Sauberkeit sorgt. Der – etwas vorschnelle – bitterböse Gag richtet sich gegen den spanischen Fahrer Sete Gibernau, der bei der Rennleitung in Katar dagegen protestiert hatte, dass Jeremy Burgess den für Valentino vorgesehenen Startplatz gesäubert und damit gegen das Reglement verstoßen hatte. Manche Aktionen entstehen aus dem Moment heraus, wie der Kuss, den er seiner Yamaha 2004 nach seinem unglaublichen Sieg in Welkom gibt, andere in letzter Minute, wie das T-Shirt mit der Aufschrift „Che spettacolo!“, mit dem er beim Großen Preis von Australien ins Ziel fährt und mit seinem Sieg den ersten Triumph im Zeichen der Marke mit den drei Stimmgabeln im Logo feiert. „Ich wollte unbedingt mit diesem T-Shirt auf das Podium steigen“, erzählt Valentino. „Nach dem Großen Preis von Malaysia bat ich Uccio und Gibo, das T-Shirt für Phillip Island entsprechend bedrucken zu lassen angesichts meiner Chancen, in Australien den Titel zu holen.“ In den vergangenen 20 Jahren hat die Clique aus Tavullia so viele T-Shirts kreiert, dass sich heute niemand mehr auch nur ansatzweise an alle erinnert. Ähnlich schwer fällt es Rino Salucci, alle Spitznamen aufzuzählen, die sich der Mehrfachweltmeister im Laufe der Zeit zugelegt hat. In jeder Saison kamen, passend zur jeweiligen Situation, neue hinzu – von „Folletto“ und „Rossifumi“ über „Valentinik“ und „Cosmico“ bis zu „Dottore“. Auf diese Weise wurde Valentino Rossi nach und nach der Nabel von Tavullia.
Valentino Rossi, geboren am 16. Februar 1979 in Urbino, mit seinen Eltern Stefania und Graziano.
Der Vater ist Grand-Prix-Pilot – die Ansteckung mit dem Rennfahrervirus ist vorprogrammiert.
Kaum hat Rossi laufen gelernt, posiert er mit beiden Händen am Lenker.
In der Mini-Bike-Schule.
Bevor sich Valentino dem Motorradfahren verschreibt, fährt er Rennen auch auf vier Rädern.
1995 verdient sich Rossi seine Sporen in der 125er-Europameisterschaft.
Vom ersten Tag an bereichert Valentino Rossi den Grand-Prix-Zirkus mit Sinn für spektakuläre Auftritte und Kommunikationsfreudigkeit. Seine unverbrauchte Art und seine Lebensfreude verändern das Image des Motorradsports in der breiten Öffentlichkeit.
Als er 1997 seinen ersten Weltmeistertitel holt, ist Valentino noch ein junger Bursche. Seine Pressekonferenzen gestaltet er aber auch damals schon wie ein Vollprofi.
Mit Uccio verbindet Valentino eine mehr als 30-jährige Freundschaft.
In England klettert Rossi als Robin Hood auf das Podest. Ueda amüsiert sich.
1997 gewinnt Valentino elf von 15 Grand-Prix-Rennen und lässt alle anderen weit hinter sich.
Ein Jahr zum Lernen, ein Jahr zum Siegen. 1999 wird Rossi in seiner zweiten Saison in der 250-cm3-Klasse Weltmeister. Damit endet das Aprilia-Abenteuer.
2001 wird Valentino Rossi der letzte Weltmeister in der Geschichte des 500er-Grand-Prix – ein Titel, der dem Italiener besonders viel bedeutet.
Auf seiner Honda werden die Späße des „Doktors“ fortgesetzt – und seine Siege zahlreicher.
Auf dem Circuit von Sepang ist Valentino 2004 auf dem Weg zu seinem ersten WM-Titel mit Yamaha, verulkt seinen Rennkollegen Sete Gibernau und rechnet mit dem Honda-Lager ab.
Nach dem Einstieg in den Grand-Prix-Zirkus entwickelt Valentino sehr rasch eine große Leidenschaft für die Dekoration seiner Motorräder. Erste Nahrung erhält diese Leidenschaft durch den Kontakt zu den vielen japanischen Piloten, die damals das Hauptfeld in der 125-cm3-Klasse bilden. Die Japaner geben den Zubehörherstellern neue Impulse und gehen radikal neue Wege, was das Deko-Design im Motorradsport angeht. „Die Grafiksprache der Japaner gefiel mir unheimlich gut – bei den Helmen ebenso wie bei den Lederkombis“, sagt er. „Ich bewunderte ihre Liebe zum Detail.“ Einer der wenigen, die das verstehen, ist Masao Furusawa. Er lässt dem Italiener die Freiheit, seine M1 mit Stickern zu bekleben und, wie ein junger Bursche seinen Motorroller, optisch aufzupeppen. Auf diese Weise hat der Yamaha-Rennchef Rossis Vertrauen leichter gewonnen, als jeder andere vor ihm. Den Sinn für die Dekoration seiner Motorräder, der mit der Zeit zur Obsession geworden ist, lebt Valentino vor allem nachts aus. Wenn im Paddock Ruhe eingekehrt ist, die Mechaniker die Maschinen fertig montiert und ihr Werkzeug weggeräumt haben, schleicht sich Vale gern in die Werkstatt, um mit seinen Motorrädern allein zu sein. Dort kann er Stunden damit verbringen, sich über kleinste Details Gedanken zu machen oder in tief empfundener Verbundenheit seine Maschinen zu bewundern. „Die Entscheidung, wie mein Motorrad farblich gestaltet oder beklebt wird, habe ich nie jemand anderem überlassen“, betont er. „Es durfte auch noch nie jemand außer mir einen Aufkleber daran anbringen – es sei denn, es geht um den Aufkleber eines Sponsors oder Technikpartners. Inzwischen darf Roby als Einziger meine Nummer auftragen, weil für diesen speziellen Lack ein besonderes technisches Verfahren nötig ist.“ Valentino wendet sich seiner Yamaha M1 heute ebenso zärtlich zu wie einst seinen Fahrrädern, die er als kleiner Junge mit Aufklebern verziert hat. Seine Akribie grenzt dabei manchmal ans Pedantische.
Soweit sich Aldo Drudi zurückerinnern kann, war das schon immer so. Aldo wird 1958 wenige Kilometer von Tavullia entfernt an der Adriaküste geboren. Er studiert Grafik in Pesaro und ist passionierter Motorradfahrer. Graziano Rossi lernt er kennen, als er bei Morbidelli angestellt wird und sich dort um die Deko der Rennmaschinen kümmert. Der Chef des italienischen Herstellers war auf ihn aufmerksam geworden, weil ihm das selbstkreierte Design von Drudis Maschine auffiel. Aldo und Graziano sind Freunde seit der Zeit, als Valentino sprechen lernte. Als Aldo für Arai arbeitet und unter anderem die Helme von Luca Cadalora, Loris Reggiani und Kevin Schwantz designt, sucht Valentino ihn oft in seiner Werkstatt auf, um ihm über die Schulter zu schauen. „Er interessierte sich für jedes Detail und kannte das Helmdekor aller Grand-Prix-Piloten“, erzählt Aldo. 1996 wird das Design der Aprilia-Maschinen des AGV-Teams natürlich einem Freund der Familie Rossi anvertraut. „Anders als die meisten anderen Fahrer, mit denen ich arbeite, hat Valentino sehr genaue Vorstellungen, wie sein Dekor aussehen soll“, sagt Drudi. „Wir tauschen unsere Ideen aus; das ist immer sehr interessant. Er ist der Einzige, mit dem ich eine echte Zusammenarbeit pflege.“ Die meisten Figuren, Maskottchen, Symbole und sonstigen Deko-Elemente, die Valentino Rossi in den letzten 20 Jahren zur Schau getragen hat, stammen von Aldo Drudi. Ihm verdankt der italienische Fahrer auch das Gelb, das für die Marke VR46 steht. Dieses Gelb wurde von der letzten Version des Arai-Helms übernommen, den Kevin Schwantz Anfang der 1990er-Jahre trug. Mond und Sonne sind seit eh und je seine ständigen Begleiter. „Diese Idee hatte er, als er 16 war“, verrät Aldo. „Er sieht darin die zwei Seiten seiner Persönlichkeit.“ Auch wenn es darum geht, sich neue Glücksbringer auszudenken, die die bösen Mächte fernhalten, kennt Valentinos Fantasie keine Grenzen. „Aus diesen Dingen schöpft er eine Menge Energie“, sagt Aldo, der die Eingebungen des Piloten jederzeit bereitwillig umsetzt. „Wenn er eine schlechte Phase hat, müssen wir uns etwas ausdenken, das ihn aus diesem Tief wieder herausholt.“
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