Kitabı oku: «Liebe auf den zweiten Blick - Insulaner küssen anders», sayfa 3
Kapitel 4 – Kleiner Wink des Schicksal
Nachdem die beiden Freundinnen nach dem doch recht kopflastigen Morgen einen kurzen Spaziergang unternommen hatten, griff Luisa zu ihrem Handy und wählte die Telefonnummer auf Sylt. Zwischenzeitlich hatte sie sich im Netz schlau gemacht.
Das Hotel, welches inseriert hatte, gehörte einer großen Versicherungsgruppe, wurde auch sehr gern für Tagungen gebucht, doch überwiegend residierte hier die gutsituierte Klientel. Das Hotel genoss einen ausgezeichneten Ruf und lag unweit des Lister Hafens.
Die überwiegende Anzahl der Zimmer verfügte über Meerblick. Das Hotel punktete ferner mit einer Aussicht auf eine einzigartige Dünenlandschaft, herrlichen Spazierwegen und einer sehr ruhigen Lage. Dazu das einzigartige Reizklima, das hatte schon Stil.
Luisa, die die Insel recht gut kannte, war sofort angetan. Von List selbst hatte sie allerdings so gar keine Ahnung. Hier oben war sie nicht so oft gewesen, und wenn dann eben eher im besagtem Hafenviertel, wo man an der nördlichsten Fischbude Deutschlands nicht vorbeikam.
Als sie in ihre Suchmaschine List, Sylt eingab, musste Luisa feststellen, dass sich auch dieser Ort einer großen Wandlung unterzogen hatte. Einige sehr exquisite Manufakturen hatten sich hier niedergelassen, dazu einige elegante Boutiquen.
Zwar kam List nicht gegen Orte wie Kampen, Keitum und Westerland an – aber vielleicht war das auch gar nicht gewünscht. Immer noch war diese unverwechselbare Ruhe und die einzigartige Dünenlandschaft rund um den Sylter Ellenbogen das Highlight, was die Urlauber anzog – weitab vom Trubel genoss man hier die Ruhe, Weite und die Schönheit der Insel.
Noch einmal las Luisa die Anzeige Wort für Wort, verinnerlichte sich den Text. Sie neigte dazu, leicht zu stottern wenn sie aufgeregt war. Das konnte sie in diesem Fall überhaupt nicht gebrauchen. Und sie war total aufgeregt!
»Na dann mal los, mehr als eine Absage kann es nicht geben«, meinte Tine.
Es dauerte nicht lange, da meldete sich eine wohlklingende Stimme: »Hotel Aurora, mein Name ist Maria. Was kann ich für Sie tun?«
»Ja, hallo, mein Name ist Luisa Sart… äh … Tanner, und ich rufe aufgrund ihrer Anzeige wegen dem Dog-Sitter an? Sagt Ihnen das irgendetwas.«
»Ja, durchaus. Ich verbinde Sie mit Frau von Stetten, einen Moment, bitte.«
Da Luisa im Internet recherchiert hatte, fand sie es etwas ungewöhnlich mit der Personalleiterin verbunden zu werden, eher hatte sie angenommen an irgendeine Assistentin dieser verwiesen zu werden, da es ja nicht gerade um einen hochwertigen Job ging, aber umso besser.
Sabrina von Stetten leitete mit ihrem Mann Heiko gemeinsam das Resort – so viel hatte sie bereits herausbekommen. Das Ehepaar von Stetten teilte sich die Aufgaben – Carola von Stetten war für das Personal zuständig, Heiko von Stetten für die Finanzen und den allgemeinen Ablauf in einem Hotel der Spitzenklasse. Soweit die Vita auf der Internetseite des Hotels.
Luisa brach der kalte Schweiß aus. Schwitzflecken bildeten sich unter ihren Achseln. Gott, wann hatte sie sich das letzte Mal auf eine Stelle beworben? Eigentlich noch nie, wenn sie ehrlich mit sich selbst war.
»Von Stetten, was kann ich für Sie tun?«
Luisa wollte etwas sagen, doch ihr Mund war völlig trocken, staubtrocken. Sie räusperte sich kurz und gestikulierte ihrer Freundin, dass sie gern etwas zu Trinken hätte. Tine kam schnell mit einem Glas Wasser.
Nachdem Luisa ein ganz klein wenig ihre Lippen befeuchtet hatte, räusperte sie sich noch einmal und begann: »Guten Tag Frau von Stetten, mein Name ist Luisa Tanner, ich würde mich gern mit Ihnen über die vakante Stelle der Dog-Sitterin unterhalten. Ich hätte Interesse an dem Job - ist er noch frei?«
Frau von Stetten sagte trocken: »Ja, in der Tat ist die Stelle noch frei – ich muss gestehen, dass ich gar nicht damit gerechnet hatte, dass sich auf die Anzeige überhaupt jemand meldet, aber umso besser. «
Sie begann ihren einstudierten Text herunterzurattern. Für den Augenblick hörte Luisa nur zu: »Für den Anfang hatten wir an eine geringfügige Beschäftigung in unserem Hause gedacht. Die Gäste verlangen nach einem Escort-Service für ihre Vierbeiner, diesen sollen sie bekommen – zu einem angemessenen Preis versteht sich. Wir müssen dringend nachziehen. Jedes Hotel, welches etwas auf sich hält bietet diesen Service bereits an – da dürfen wir nicht außen vor stehen. Das vereinbart sich nicht mit unserer geschäftlichen Philosophie.«
Luisa hätte fast gelacht. Hallo, hier ging es um einen Dog-Sitter-Job und nicht um ein Empfehlungsschreiben des Hotels. Doch sie hörte weiter interessiert zu. Frau von Stetten hatte viel zu erzählen, fest umrissen schien das Ganze noch nicht zu sein.
Luisas Sternstunde kam.
»Wie hatten Sie sich denn generell den Ablauf vorgestellt, Frau von Stetten. Ein Gassi-Geh-Service ist, wie Sie selbst erwähnten, bereits Usus auf Sylt und gehört zum guten Ton eines renommierten Fünf-Sterne-Luxus-Resorts, nicht wahr. Sicherlich werden Sie weiterführende Pläne haben, um sich aus der breiten Masse hervorzuheben – denkbar wäre doch beispielsweise ein Spa-Bereich für Hunde?«
Tine zeigte Daumen hoch und war beeindruckt, wie souverän Luisa auf einmal das Gespräch an sich riss, wo sie vorher so holperig begonnen hatte.
»Einen was …?«, jetzt war es Frau von Stetten die sich räusperte, »ehrlich gesagt, darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Der Job, ist wie gesagt, ja auch erst einmal auf Vierhundertfünfzig-Euro-Basis. Sicher, man kann über Einiges nachdenken, aber grundsätzlich … nun ja. Sind Sie denn grundsätzlich an dem Job interessiert?«, fragte Sabrina von Stetten Luisa, was diese bejahte.
Frau von Stetten fuhr fort: »Sie haben Erfahrung mit Hunden, das hört man schon an ihrer Fragestellung. Sie sollten sich dringend mit unserem Tierarzt, Ole Jansen in Verbindung setzen. Er wäre auch ihr Ansprechpartner nach Stand der Dinge – er hat uns seine Unterstützung zugesichert und sie beide würden sicherlich ein gutes Team bilden um dem Aurora in dieser Hinsicht. Ole faselt zwar viel rum, ist aber im Grunde seines Herzens ein feiner Kerl – wenn ich das mal so sagen darf … also, darf ich auf Sie zählen, Frau Tanner?«
Luisa bestätigte noch einmal ihr Interesse und Frau von Stetten sagte nur noch: »Ja dann …«
Sie erläuterte Luisa weitere Einzelheiten in kurzen prägnanten Sätzen. Zwar ließen diese Luisa leicht erschauern, was alles von ihr erwartet wurde, doch man konnte auch aus diesem Minijob einen Traumjob machen – kam ganz auf die innere Einstellung an und auf die eigene Ideenmaschinerie.
»Also, Frau Tannen es erwarten Sie acht Euro fünfzig Stundenlohn, Kost und Logis sind sehr moderat gehalten … wenn Sie bei uns im Hotel wohnen möchten. Wir haben für unsere Mitarbeiter, die auf dem Festland wohnen oder sich hier keine eigene Wohnung nehmen können, einige Zimmer freigehalten.«
»Wären Sie interessiert?«
»Ja, sehr gerne sogar.« Ihr Herz machte einen Freudensprung.
»Gut, dann würde ich doch sagen, kommen Sie sobald Sie können. Sie sind sozusagen herzlich willkommen. Ehrlich gesagt, sind Sie die Erste und wahrscheinlich auch die Einzigste, die sich auf die Stellenanzeige bewirbt. Aber wir brauchen Sie! Wer will schon die Hinterlassenschaften der Hunde entfernen und sich von sechs Hunden an der Leine hinter sich her zerren lassen.«
»Ich freue mich wirklich sehr, Frau von Stetten, vielleicht sehen Sie das alles ein bisschen zu verkniffen – vielleicht läuft ja alles besser als Sie je gedacht haben – man muss zu den Hunden Kontakt aufbauen, sie spüren lassen wer der Boss ist. Hunde sind soziale Lebewesen – habe ich erst einmal die Aufmerksamkeit des Hundes, erledigt sich Vieles von allein.«
»Na, die Hinterlassenschaften derer ganz sicher nicht«, meinte Frau von Stetten trocken. »Die Tüten, einmal als Wundermittel gepriesen, fliegen mittlerweile überall hier herum. Anstatt dass die Leute sie dahin tun wo sie hingehören, nämlich in den Mülleimer! Jeden Abend rennt unser Hausmeister Kuddel ums Hotel und sammelt dieses elende Zeugs auf. Ekelhaft!«
Offensichtlich schien das wirklich ein Problem zu werden, im feinen Aurora. Zumindest, wenn Luisa den Tonfall der Dame richtig deutete. Sie redete sich ja jetzt schon fast in Rage. Gut für sie.
»Darf ich daraus schließen, dass der Hund nicht unbedingt zu ihren Lieblingstieren gehört?«
»Dürfen Sie. Ich bevorzuge Katzen, die gehen allein aufs Töpfchen und kratzen ihre Hinterlassenschaften auch noch zu – wenn Sie das einem Hund beibringen, haben Sie den Job Ihres Lebens!«
»Und das geben Sie mir schriftlich?« Luisa lachte.
Irgendwie war ihr die Dame sogar sympathisch. Klare Linien, direkt Ansagen. Vielleicht war genau das etwas, was sie gerade brauchte.
»Das würde ich Ihnen sogar schriftlich geben, in der Tat!«, auch Frau von Stetten bewies nun Humor und erzählte noch ein wenig von dem Hotel, der Landschaft Sylts und wo Luisa gut mit den Hunden spazieren gehen könne. »Alles Weitere sollten Sie mit dem Tierarzt besprechen, der sich sehr für diese Erneuerung eingesetzt hatte«, fuhr die Dame fort. »Er hatte dafür plädiert, weil viele Gäste einfach nicht wussten, wohin mit ihren Vierbeinern, wenn sie einmal ausgehen möchten. Wenn dann ein Rückzugsort für die Gästehunde da war, kam dies natürlich wieder dem Sylter Kulturverein oder der Insel zugute. Sozusagen eine WinWin-Situation. Alles in allem recht vielfältige Ansatzpunkte.«
»Ja, das leuchtet mir ein.« Luisa konnte das in der Tat nur bestätigen. Generell fand sie, dass manch Hundebesitzer es ein wenig mit seinen Hunden übertrieb – was jedoch auf einem anderen Papier stand und hier nicht zur Debatte stand.
»Ich sehe wir sprechen eine Sprache – also, was denken Sie, Frau Tanner, wann darf ich Sie auf Sylt erwarten? Ach, ihr Alter, das bräuchte ich noch.«
»Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, frisch geschieden und habe sehr viel Interesse, diesen Job zu übernehmen.«
»Das sollte fürs Erste genügen. «
Luisa sicherte Frau von Stetten zu, am Mittwoch nächster Woche auf Sylt einzutreffen. Sie würde sich bis dato wetterfeste Kleidung kaufen, Gummistiefel, das alles musste natürlich nicht gleich danach aussehen als käme sie direkt von einer Kuhweide.
Reichlich Lektüre zum Thema Hund würde fällig sein und vielleicht noch das eine oder andere Teil was wirklich unumgänglich war. Ansonsten waren die nächsten zwei, drei Monate erst einmal in Sachen Geldausgaben so gut wie gesperrt. Sie musste vorsichtig agieren, denn ihre eiserne Reserve wollte sie anrühren.
»Mensch, das ist doch super gelaufen, Luisa! Wusste gar nicht, dass du so spontan bist! Super!«
Tine fiel ihr um den Hals.
»Na ja komm, ist ja nun nicht gerade der Brüller von Job – aber immerhin ein Anfang!« Luisa ballte die Fäuste. »Hey Tine, ich habe einen Job! Die Frau hat offensichtlich Null-Ahnung wie sie das Ganze aufziehen will – mit einem Tierarzt soll ich mich in Verbindung setzen. Eh, das gibt es doch gar nicht. Gibt es dafür nicht irgendwelche Architekten, oder so etwas?«
Tine wiegte leicht den Kopf. »Wie man's nimmt, meine Liebe. Es ist auch eine Chance für dich, eigene kreative Ideen einfließen zu lassen. Du weißt ja, wenn du erst einmal Blut geleckt hast … ich meine in der Zeit vor deiner Ehe, da hattest du die größte Klappe von uns allen. Sollte das in der Tat so eine Art Pilotprojekt sein, wäre es nicht von der Hand zu weisen, dass die Hotelleitung erst einmal austesten möchte, wie der Service angenommen wird. Dazu könnte unter anderem auch gehören, dass sich die jeweilige Person die eigenen ›Räumlichkeiten‹ selbst gestaltet, gar nicht so abwegig. Sehe ich nicht unbedingt als Gradmesser.« Tine machte eine Pause und meinte dann: »Du weißt doch gar nicht wie die ticken. Die haben sogar einen eigenen Tierarzt … finde ich zum Beispiel schon recht abgefahren.«
Luisa lachte. »Ja stimmt, aber was soll's. Das Hotel ist top, und verschrobene Typen gibt's überall.«
»Tine, ich habe dich so vermisst!« – Luisa umarmte sie und gab ihr einen dicken Kuss auf die Wange.
»Also, let's go! Gehen wir shoppen, essen und ins Kino. Am Mittwoch habe ich meine Freundin, die ich gerade erst wieder in die Arme schließen durfte, schon wieder verloren.«
»Na, komm.« Tine grinste.
»Du bist doch auf Sylt fast genauso zu Hause wie hier in Hamburg. Du warst doch mit deinem Ex oft dort.«
»Eben«, sagte Luisa, deswegen habe ich ein komisches Gefühl. Hoffentlich erkennt mich niemand, ich will das nicht. Ich möchte es aus eigener Kraft schaffen und nicht immer als die Sartor betitelt werden. Aber sag mal, du bist doch selbst halbe Sylterin!«
»Nee, nicht mehr«, meinte Tine, »seit einigen Jahren bevorzuge ich Amrum. Die Insel ist viel gemütlicher, es nicht so trubelig dort und ich kann in meinen Straßenklamotten dort herumlaufen, muss nicht immer so überkandidelte Sachen tragen, wie auf Sylt. Bin nicht so der Typ dafür!«
»Ah ja – und das sagst du mir jetzt, wo ich gerade auf dem Weg auf die andere Insel bin!« Luisa schaute sie gespielt böse an.
»Du, die brauchen auf Amrum keinen Dog-Sitter-Service, das geht da anders ab – die lassen ihre Hunde im Kniepsand laufen, und wenn einer mal etwas einsackt, dann sackt er eben ein, bis jetzt ist da jeder Hund wieder allein rausgekommen. Musst mal hinfahren – auch eine ganz tolle Insel, wie gesagt, sehr nette Leute dort.«
Luisa war schwer begeistert. »Wenn das erste Geld kommt, werde ich ab Hörnum die Tour mal in Angriff nehmen«, versprach Luisa und drückte Tine noch einmal. »Ach Tine, wenn ich dich nicht getroffen hätte, ich glaub, ich wäre abgesoffen.«
»Komm, nun mach jetzt mal kein Drama draus. No Drama, Baby, wie es immer so schön heißt. Du hast meine Telefonnummer gewählt, ich war zufällig an Bord und wir haben zusammen einen Plan geschmiedet. Es ist noch nichts passiert. Du bist der Boss, und du bist am Zug Luisa. Es ist dein privates Ding!«
Ja, jetzt war Luisa am Zug. Und sie hatte den festen Willen diese Stelle, sei sie noch so klein und banal nicht zu versemmeln, sondern sich reinzuknien, sie roch förmlich die Möglichkeiten die sich ihr dadurch bieten würden. Frau von Stetten hatte noch nicht den richtigen Durchblick, was für Potenzial hinter der Idee Rund um den Hund einfließen könnten. Es war eine komplette Maschinerie, die sich da auftat.
Also, wie Luisa das sah, war da durchaus eine Steigerung dieser Geschäftsidee drin.
Aber eines nach dem anderen.
Das Aurora punktete in allem, was der zweibeinige Gast verlangte – da war es doch wohl nicht mehr als recht und billig auch für die vierbeinigen Freunde des Hauses einen gewissen Wohlfühlcharakter zu schaffen und sie nicht nur auf Schaffellen in den Suiten ihrer Menschen schlafen zu lassen.
Luisa war aufgekratzt und fühlte sich seit langer Zeit richtig gut. Tine warf ihr ihre Tasche zu und beide flitzten schnell die Treppe hinunter.
Ein neues Leben begann. Endlich
Kapitel 5 – Einmal Sylt, bitte
Es gibt Tage, an denen sich die Zukunft entscheidet.
Für Luisa war dies der Mittwochmorgen, der schneller kam als ihr lieb war. Schon morgens hatte sie vor Aufregung feuchte Hände und versuchte sich mit Entspannungsübungen zu beruhigen.
Eigentlich muss ich mich doch jeden Tag für irgendetwas entscheiden. Aber nicht für deine Zukunft, Luisa. Diese innere Stimme begann zu nerven. Sie schluckte hart.
In ihrer Handtasche befand sich eine Fahrkarte für eine einfache Fahrt nach Westerland. Luisa hatte nicht die Absicht in der nächsten Zeit zurück in ihre Heimatstadt Hamburg zu kommen. Gestern war ein echt cooler Tag gewesen. Sie hatten Spaß gehabt die beiden Freundinnen. Tine und Luisa hatten im Alsterhaus praktische Kleidung gekauft. Heruntergesetzte Ware – hieß ja heute das ganze Jahr über Sale, aber in der Tat hatten sie einige Schnäppchen ergattern können.
Wetterfeste Kleidung lief selbst im Januar nicht so gut, sie aber brauchte diese dringend, weil sie mindestens vier Stunden am Tag frischen Wind um die Nase haben würde und damit rechnen musste, dass es im Herbst und Winter auf der Insel ganz schön zur Sache ging. Sturm und Regen würden sie und ihre Hunde ganz schön durchpeitschen.
»Nimm noch einen Ostfriesennerz und einen Südwester dazu!«, meinte Tine und lachte, als Luisa in der Tat dazu griff. »Wow, du siehst sexy aus – umwerfend, jeder Mann bekommt da echte Gefühle.«
»Tine, hör doch bitte auf! Ich weiß ja selbst wie bescheuert das aussieht, aber was soll's. Ist halt praktisch! Hey, jetzt hätte ich fast die Gummistiefel vergessen. Alter Schwede! Die sind genauso wichtig.« Sie erstand zwei Paar, auch runtergesetzt – super, schonte die Haushaltskasse.
»Weißt du, Luisa, ich hätte das nicht für möglich gehalten, dass du dich in so kurzer Zeit völlig umkrempeln kannst, ich bin zutiefst beeindruckt.« Tine schmunzelte und nickte anerkennend. »Du kniest dich da echt rein.«
»Tja, ich bin wie ein Chamäleon, ich passe mich den Gegebenheiten problemlos an!« Luisa grinste.
»Nee, im Ernst, Tine, ich habe eine scheißangst! Aber ich weiß, da muss ich durch und ich weiß auch, dass es nicht anders geht als in dieses Haifischbecken zu springen. Also los, komm weiter.«
Luisa kaufte noch eine dickgefütterte Winterjacke und zwei Jeans. Sie liebäugelte noch mit einem Parka, entschied sich aber letztendlich dagegen. Musste ja nicht jeder an der Kasse mitkriegen, warum sie solche Kleidung erwarb, sonst kam noch der Verdacht auf, dass sie irgendwo in die Pampa reiste. Luisa konnte allerdings an einem Kleid nicht vorbeigehen – ein schickes zweiteilig geschnittenes Pailettenkleid, das total gut zu ihren Augen passte.
»Willst du damit den Hunden schönen Augen machen, oder was?«, meinte Tine grinsend. »Vielleicht wollt ihr heimlich eine Strandparty schmeißen. ›Nur für Mitglieder‹ oder so ähnlich.«
»Ach, Tine.«
Luisa kriegte sich vor Lachen nicht wieder ein.
»Eine Superidee, klaro! Vielleicht brauche ich das einfach für mein Ego? Ich habe hier echt coole Gummistiefel, einen total sexy Südwester, einen supercoolen Ostfriesennerz, eine dicke Winterjacke. Alles keine Brüller um einen Kerl unruhig zu machen – hey, vielleicht ergibt sich ja was! Und das Kleid ist eben für die Seele. Basta, aus!«
»Mensch, du hast gerade einen Typen abserviert, fängst du schon wieder an die Fühler auszustrecken. Nichts gelernt, oder was?« Tine sah sie vieldeutend an.
»Wieso gelernt«, meinte Luisa, »man wird doch noch Träumen dürfen? So, nun lass mich den Kram hier bezahlen und dann ab nach Hause, ich habe Hunger.«
***
Luisa, die eigentlich nicht damit gerechnet hatte, dass so viele Menschen in diesen Tagen ihr zu Hilfe eilten, war sehr berührt. Frau Buddenschön war ihr entgegengekommen und hatte ihr die Miete für den Rest des Monats erlassen. Luisa hatte im Gegenzug Frau Buddenschön das karge Mobiliar, welches sie ihr Eigen nannte, überlassen. Die Dame engagierte sich für das hiesige Sozialkaufhaus auf St. Pauli und freute sich deshalb über die Spende.
Luisas Mutter hatte sich um die administrativen Dinge gekümmert. Wenn man wie Luisa ein neues Leben begann, fielen Behördengänge an. An- und Abmeldungen mussten erledigt werden und auch die Unterlagen, welche dem Arbeitgeber vorzulegen waren mussten geordnet werden– um all das kümmerte sich ihre Mutter und Luisa hätte sie dafür küssen können – doch ihre Mutter mahnte, in der Kürze der Zeit hätten sie keine Zeit für irgendwelche Liebesbezeugungen, sie würde sich ihren Liebesbeweis ein anderes Mal von ihrer Tochter holen. Luisa grinste.
Typisch Mutsch.
Eine einzige Mappe barg Luisas bisheriges Leben in sich und eine leichte Wehmut überkam Luisa.
»Verlier die bloß nicht, Kind!«, hatte ihre Mutter sie noch gewarnt, »da ist dein Leben drin, bewahr die Mappe gut auf. Vielleicht nimmst du dir ein kleines Bankschließfach, das ist sicherlich nicht so teuer, dafür aber sicher! Versprichst du mir das?«
Luisa versprach es ihrer Mutter, denn sie selbst hatte schon daran gedacht, die wichtigen Dokumente irgendwo zu hinterlegen, wo sie sicher waren und da bot sich besagtes Bankschließfach einfach als beste Alternative an. Luisa hätte diese Dokumente nicht in ihrer Wohnung aufbewahren mögen. Luisas Mutter war es auch, die für ihre Tochter ein neues Konto bei der Sylter Volksbank eröffnete. Das Gehalt konnte dorthin überwiesen und vielleicht hin und wieder die eine oder andere Zuwendung angewiesen werden. Wichtig war ihrer Mutter, dass die Familie Sartor endlich aus Luisas Leben verschwand, denn Mark kannte sehr wohl die Kontonummer seiner Ex-Frau. Vieles fügte sich nun.
»Danke, Mutsch! Du bist doch die Beste.« Luisa nahm ihre Mutter fest in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dich lieb!«
»Ja, Mütter und Töchter. Oftmals ein unaufgeräumtes Verhältnis, nicht wahr?«, meinte diese und schluckte doch schwer. Versprich mir einfach, dass du glücklich wirst auf Sylt, okay!«
Auch Luisa musste schwer schlucken, So viele Hände hatten geholfen, dass sie diesen Neustart überhaupt hinlegen konnte. Wahre Freunde kannst du an einer Hand abzählen, hatte einmal ihr Schwiegervater zu ihr gesagt. Wie wahr!
Wahre Freunde, dachte Luisa jetzt, es gibt sie noch, doch du musst sie hüten wie einen Schatz.
Sie freute sich, dass Tine wieder in ihr Leben getreten war, auch über den neuen Kontakt zu ihrer Mutter war sie hocherfreut. Es gab Dinge, die konnte man einfach nicht mit Geld bezahlen. Freundschaft gehörte dazu.
Es ist nicht das Geld das glücklich macht, sondern die Dinge die man eigentlich nicht für Geld kaufen konnte. So oder so ähnlich hatte es schon Albert Einstein geschrieben, erinnerte sich Luisa. Sie fand dieses Zitat auf ihre derzeitige Lebenssituation bezogen sehr passend.
***
Nun also stand sie auf dem Bahnsteig des Hamburger Hauptbahnhofes um nach Altona und von dort mit der Nord-Ostsee-Bahn weiterzufahren. Sie kam sich ziemlich einsam und verlassen vor, es zog wie Hechtsuppe und war zudem unangenehm kühl. Eisig pfiff der Wind um die Ecken.
»Huhu!«
Luisa schaute sich um. »Nein, das konnte jetzt nicht wahr sein!«
Tine hatte es sich nicht nehmen lassen, sich noch einmal persönlich von ihrer Freundin zu verabschieden.
»Oh, Tine, du bist so cool! Du bist die tollste, supernetteste Freundin aller Zeiten. Wenn ich daran denke, was ich in den ganzen fünf Jahren verpasst habe. So viel Spaß hätten wir haben können – stattdessen hab ich dich irgendwo einfach vergessen – ich bin tief beschämt, wie konnte ich nur so blind sein!«
»Ach komm, lass stecken«, meinte Tine, »denk jetzt mal an deinen neuen Job und an deine neuen Freunde, die alten kannst du getrost vergessen. Das hat jetzt erst mal oberste Priorität in deinem Leben, meine Liebe.«
»Luisa, du schaffst das, du bist kein ›No go‹. Komm gib mir mal deinen Koffer, ich fahre dich schnell nach Altona, da brauchst du mit dem ganzen Gedöns hier, sie zeigte auf den doch recht großen Koffer, da brauchst du nicht noch mal umzusteigen. Komm gib das Ding mal her, du kümmerst dich bitte um deine Handtasche und deinen Rucksack, okay?«
Luisa konnte nur nicken und folgte Tine in gebührendem Abstand. Als die beiden Freundinnen den Altonaer Bahnhof erreichten, fing Luisa hemmungslos zu weinen an. Tine nahm sie fest in die Arme und umarmte sie innig.
»Auch ich hasse Abschiede, Süße. Doch denk dran, Sylt liegt nicht in der Karibik. Hey, in zwei Stunden bin ich bei dir.«
Luisa lächelte gequält.
»Hast du mal Sehnsucht - wozu gibt's denn Skype oder WhatsApp. Wir leben doch nicht mehr in der Steinzeit. Also …auf geht’s!«
»Hast recht, Tine … sorry … ist nur gerade so ein emotionaler Moment. Wenn ich angekommen bin, melde ich mich bei dir. Mach's gut. Du warst und bleibst mein rettender Engel!«
Der Schaffner, der die Abschiedsszenerie verfolgt hatte, mahnte nun zur Eile und pfiff bereits dem Zugführer zu.
»Kommt Mädels, nu' ist Schluss«, sagte er, »wir müssen los, sonst gibt's Probleme mit dem Fahrplan, und das wollt ihr doch nicht, oder.«
Zügig setzte sich die Bahn daraufhin in Bewegung und Tine winkte dieser lange hinterher. Solange bis fast nicht mehr zu sehen war.
Luisa Tanner, nun beginnt dein neuer Lebensabschnitt! Versau ihn nicht! Du bist auf dem Weg zu deiner Lieblingsinsel, du wirst eine tolle Dog-Sitterin und sicherlich wirst du auch bald deinen Ex-Mann aus deinem Gehirn verbannt haben. So viele neue Eindrücke warten auf dich und »Hallo!«, es ist erst Januar. Im Sommer bist du angekommen in deinem neuen Leben, Luisa Tanner.
Sie atmete tief ein.
Ja, sie würde ankommen, das war sie vor allem Tine schuldig, die gemeinsam mit Luisa den Schlachtplan entwickelt hatte. Sie konnte ihrer Freundin nicht genug danken.
Das Smartphone summte. Luisa sah auf das Display. Ihre Schwester.
Freudig nahm sie das Gespräch an. »Hi, Katharina, willst du mir alles Gute wünschen?«
»Auch das, Schwesterherz … aber ich wollte dir eine Überraschung mitteilen. Ich komme im Spätsommer nach Sylt. Genaues steht noch nicht fest, doch das Haus Chanel hat dort eine Session und rat mal, wer einen Teil der neuen Kollektion vorführen darf? Na! Na?«
»Ist nicht wahr!« Luisa war platt.
»Du hast es echt geschafft, Katharina. Du gehörst zu den Größten in dem Business! Ich freu mich total für dich. Das ist so … echt, stimmt das wirklich?«
»Klar stimmt das, meinst du ich verarsche dich nach all deinen privaten Schreckensszenarien in der letzten Zeit. In der Sturmhaube ist die Session, so viel weiß ich – du weißt wo das ist?«
»Logo«, meinte Luisa, »in Kampen, stand damals lange leer, aber jetzt – Ehre wem Ehre gebührt, ist schon eine tolle Location! Ich freu mich drauf, dich endlich wiederzusehen, ist verdammt lange her, Kati!«
»Ja, das stimmt, ich wollte dir auch nur Bescheid sagen, weil ich total überrascht wurde. Weißt du, es ist wie ein Ritterschlag, wenn man für das Haus Chanel laufen darf – und ich musste es dir einfach erzählen. Du hast sicher im Augenblick andere Probleme.«
»Ach, komm! Ich freu mich wirklich für dich, Katharina. Man muss auch mal seine eigenen Sorgen vergessen können. Ich freue mich meine Schwester wiederzusehen, ich hoffe du erkennst mich noch.«
»Och, das ist doch kein Problem. Es machte Pling … und prompt war ein Selfie von Katharina auf Luisas Smartphone angekommen.
»Ein Hoch dem technisierten Zeitalter!«, lachte Luisa, »man kann doch wirklich nichts mehr verbergen. Hey, Katharina, du hast einen Pickel auf der Nase!«
»Waas?«
»Hilfe!«
»Angeschmiert!« Luisa lachte und verabschiedete sich von Katharina. Der Zug begann langsamer zu fahren.
»Mach's gut, Schwesterherz, ich liebe dich«, sie drückte einen Kuss auf ihr Smartphone und Luisa musste grinsen. So emotional hatte sie ihre Schwester selten erlebt. Sie war immer diejenige gewesen die Biss und Ehrgeiz entwickeln konnte, die regelrecht brannte, wenn sie irgendetwas erreichen wollte.
Nun war es an Luisa nachzuziehen.
Sie musste einfach die Chance ergreifen.
***
Villa der Familie Sartor, Elbchaussee – zur selben Zeit
Nils Sartor wartete mit Ungeduld auf das Eintreffen von Frau von Brelie, Luisas Anwältin, die er zu einem Gespräch geladen hatte. Lange hatte er darüber gegrübelt ob er das Richtige tat, doch gegen seine Gefühle hatte man oftmals keine Chance – und so gelangte Nils Sartor zu der Ansicht, dass er die richtigen Schritte für sich einleitete, die anderen konnten ihm gestohlen bleiben.
Frau von Brelie war auf die Minute pünktlich und Nils Sartor begrüßte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. Die beiden waren sich auf Anhieb sympathisch.
Nils Sartor war ein Grandseigneur und genauso benahm er sich auch: »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, verehrte Frau von Brelie bevor wir in unsere Verhandlungen eintreten? Kaffee, Tee, vielleicht einen Orangensaft?« Er schaute sie fragend an.
»Ein Tee wäre wundervoll.«
Frau von Brelie bedankte sich, fragte sich allerdings seit geraumer Zeit, weswegen Nils Sartor sie hergebeten hatte. Nun, er würde es ihr sicherlich gleich sagen.
»Ich habe Sie hergebeten, verehrte Frau von Brelie, um mit Ihnen etwas zu besprechen und abzuhandeln was – darum muss ich Sie vorab ersuchen – sie bitte für sich behalten werden. Niemand muss davon erfahren, solange ich unter den Lebenden weile. Nicht meine Frau, auch nicht dieser Luftikus von Sohn. Das müssen Sie mir versprechen.«
Frau von Brelie zog die Augenbrauen hoch – der Tee, der mittlerweile gebracht worden war, schmeckte vorzüglich.
»Es handelt sich doch hier nicht etwa um ein kriminelles Delikt, dann allerdings müsste ich Sie enttäuschen, Herr Sartor«, schmunzelte sie maliziös.
»Gott bewahre!« Der alte Mann schüttelte vehement den Kopf. »Nein, nein, ich habe vor, mein Testament neu zu verfassen. Ich möchte meiner Ex-Schwiegertochter Luisa die Hälfte meines Vermögens vermachen. Wie Sie sicher verstehen, liebe Frau von Brelie, können wir das natürlich nicht an die große Glocke hängen. Ich habe also Ihr Wort? Der Mantel des Schweigens sozusagen?«
Frau von Brelie stutzte, sagte aber nichts. Sie hatte Nils Sartor im Gerichtssaal einer Analyse unterzogen und war zu der Erkenntnis gekommen, dass diesem Mann alles zuzutrauen war. Allerdings auf eine Neuverfügung eines bereits bestehenden Testaments – darauf war Sie nicht vorbereitet gewesen. Respekt!
»Sie haben meine volle Unterstützung und auch mein vollstes Verständnis für Ihre Vorgehensweise«, sagte Frau von Brelie. »Auch ich mag Luisa sehr gern, sie hat sehr viel Rückgrat bewiesen als sie alles ausschlug, nur um endlich wirklich frei zu sein. Vieles hatte ich damals versucht ihr auszureden, aber sie beharrte auf ihre Grundsätze.«
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.