Kitabı oku: «Drachenkind - Die Magie der Versöhnung», sayfa 2

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Jonnef lächelte, schien aber immer noch nicht gänzlich zufrieden.

Dragon Feu spürte es. „Wir Zauberer haben uns von den Menschen entfernt, weil wir es nicht verantworten mochten, was sie einander angetan haben. Nur noch wenige Magier, wie dein Vater, leben unter ihnen und haben ihre ursprünglichen Wurzeln abgelegt, um dort Fuß zu fassen. Das ist auch der Grund dafür, warum er dir bislang deine wahre Herkunft verschwiegen hat. Dass du eines Tages Schwierigkeiten mit denen dort bekommen würdest, war abzusehen, jedoch nicht unabwendbar. Umso erleichterter bin ich, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, da du deiner wahren Bestimmung wirst gewahr.“

*

Die Kraft der Imagination

Am nächsten Morgen war Jonnef aus unruhigen Träumen erwacht. Zu sehr hatte ihn die Erzählung vom Drachenkind, den magischen Kräften und dem Psaridos beschäftigt. Darüber hinaus war ihm nun bewusst geworden, dass er sein früheres Leben als Schuljunge für immer hinter sich gelassen hatte, um ein großer Magier zu werden.

Hierzu galt es, neue Wege zu beschreiten, die noch ungewohnt und womöglich auch ein wenig unbequem sein würden. Zu gerne wäre er nochmals in die Menschenwelt des 21. Jahrhunderts zurückgekehrt, um sich noch einmal – und diesmal richtig –, für immer von ihr zu verabschieden. Zu verabschieden von einer Welt, die nichts als Unverständnis für ihn übrig hatte und ihn doch irgendwie liebte. Nun aber war er hier und an diesen Ort gebunden. Um nicht unangenehm aufzufallen, hatte er sich an alles zu gewöhnen und sich auf jegliches Fremde einzulassen. Nur so konnte er überleben und seiner wahren Bestimmung folgen.

„Hast du gut geschlafen Jonnef?“

Jonnef nickte, obgleich er vom Gegenteil überzeugt war.

„Das schien aber nicht gerade glaubhaft“, erwiderte Dragon Feu mit einem schiefen, doch wohlmeinenden Lächeln, sodass ihm Jonnef gestand, einfach zu viel nachgedacht zu haben. „So? Na dann los, lass uns zum Tagwerk schreiten. Heute beginnt deine Ausbildung zu einem der größten Magier von Magictown, so will ich hoffen.“ Dragon schmunzelte und zwinkerte ihm mit einem Auge zu, um dann wieder ernsthafter zu werden. „Du bist nun mein Zauberlehrling und ich hoffe, du wirst dich meiner würdig erweisen.“

Jonnef dankte und verneigte sich tief vor seinem Meister. „Ich werde mich darum bemühen, Euch nicht zu enttäuschen, Meister Dragon Feu.“ Sie reichten einander die Hände zum Zeichen ihres Einverständnisses.

„Was immer auch geschieht, Jonnef. Und es geschieht sehr viel in dieser Welt, was sich unserer Kenntnis und Kontrolle entzieht, ich werde immer bei dir bleiben und zu dir halten. Ich werde dich beschützen, solange ich dein Meister und am Leben bin.“

Jonnef schien bewegt und dankte ihm für seine Worte. Dann wurde Dragon Feu wieder strenger. Er forderte ihn auf, sich aufzurichten, seine Arme gen Himmel zu strecken und seine Hände halbmondförmig zu öffnen.

Jonnef tat, wie angewiesen.

„Und nun schließe deine Augen und spüre in dich hinein.“

Jonnef schloss sie und versuchte, seine Konzentration nach innen zu richten, um in sich hineinzufühlen, wobei Dragon Feu ihm viel Zeit und Ruhe ließ.

„Was spürst du, Jonnef?“, wollte Dragon Feu nach einer Weile von ihm wissen.

„Ich fühle, wie etwas in mir aufsteigt und nun zu brodeln beginnt. Eine innere Kraft, eine Macht, die mir Stärke verleiht und sich in mir erhebt.“ Ein wenig furchtsam blickte er Dagon Feu an, der jedoch zufrieden nickte.

„Das ist die Zauberkraft. Gebrauche sie weise!“

Jonnef nickte abermals und schien, mit sich zu ringen.

„Schließe noch einmal die Augen und konzentriere dich auf deine Hände. Versammele nun all deine Kraft und richte sie hin zu deinen Handflächen. Deine ganzen Gedanken müssen nun auf sie ausgerichtet sein. Was fühlst du?“

„Ich spüre, wie meine Hände immer wärmer und wärmer werden und wie die Magie darin ruht.“ Jonnef zitterte. „Sie wünscht, von mir freigesetzt zu werden.“

„Gut so. Dann, lass sie frei! Lass sie los! Wirf sie von dir! Wirf sie fort! Wirf sie aus dir hinaus! Heraus damit!“, rief Dragon Feu ihm zu, der in weiser Voraussicht ein wenig Abstand nahm. Dann machte er eine Bewegung nach vorne, als werfe er etwas von sich, sodass Jonnef es ihm gleichtat.

Nichts aber geschah.

„Wie soll das geschehen?“, rief ihm Jonnef ein wenig verzweifelt entgegen, als sich nichts regte.

„Über die Kraft deiner Imagination“, entgegnete ihm Dragon Feu nun ein wenig harscher werdend, beinahe streng, so als sei dies selbstverständlich. „Du musst es dir vorstellen! Stelle dir einfach vor, wie du sie aus deinen Händen entlässt. Vor deinem inneren Auge muss es geschehen. Du musst es sehen und fühlen. Und dann tritt es ein.“

Jonnef lächelte ein wenig über die Selbstverständlichkeit, die Tragweite und Bedeutung dieser Worte, dann tat er, wie angewiesen, konzentrierte sich und versammelte all seine Kräfte zu seinen Händen hin. Und plötzlich, in der Tat entsprangen daraus zischende, violette Blitze, die aus seinen Adern über seine Handflächen hinaus hell erleuchtet in den Himmel sich erhoben. Erschrocken sank Jonnef zu Boden und blieb dort eine Weile in der Hocke sitzen. So überwältigt und erstaunt war er von den magischen Kräften in sich drin.

„Das war gewaltig“, rief Dragon Feu ihm zu. „Und ziemlich gut für den Anfang.“

Jonnef aber kniete und begann, unaufhörlich zu zittern. Das Zittern münzte in ein inneres Beben und ließ ihn am ganzen Leib schütteln. Zu tief saß der Schock. Zu tief, das Wunder, das er soeben gesehen hatte. Mit einer Wolldecke in der Hand kam Dragon Feu zu dem Jungen gelaufen, um ihn fürsorglich darin einzuwickeln. Dann reichte er ihm eine Tasse stärkenden Kräutertees. „Komm, setz dich erst einmal hin und beruhige dich.“ Seine Stimme war diesmal ganz sanft, fernab des Grummelns und Polterns, das Jonnef sonst von ihm gewohnt.

„Ich habe plötzlich Angst vor mir“, gestand ihm Jonnef noch immer zitternd wie Espenlaub und um Worte ringend.

„Das geht vorüber, mein Junge“, brummelte er wieder. „Du wirst dich vorerst daran gewöhnen müssen und solltest dich nicht allzu sehr vor deiner eigenen Macht fürchten. Schließlich sollen wir uns nicht vor uns selbst und anderen gegenüber ein Leben lang verschließen und verstecken, um unsere Gaben, Talente und Fähigkeiten für uns zu behalten, sondern die Menschen damit bereichern und ihnen ein Segen sein. Traue dich, zu zeigen, was in dir steckt. Entdecke dich und deine Gaben und lerne, mit ihnen angemessen umzugehen, auf dass du deine Wunden zu Perlen verwandelst und mit deiner individuellen Persönlichkeit den Menschen zum Wohlgefallen dienst. Nosce te ipsum, Jonnef, und du wirst mich verstehen.“

Obgleich Jonnef den letzten Worten Dragon Feus aufmerksam zugehört hatte, schien er doch wie abwesend und noch immer nicht Herr über sich und seine Geisteskräfte zu sein.

„Lass uns nun weitermachen“, forderte Dragon Feu ihn auf. „Du hast nun die magischen Kräfte in dir kennengelernt und sie ertragen. Jetzt werde ich dir die wichtigste meiner Zauberkünste beibringen. Einen Feuerabwehrzauber.“

Jonnef willigte ein und richtete sich erneut auf, so wie Dragon Feu es ihm beigebracht hatte.

Er lobte ihn: „Gut, nun tue genau das, was ich dir sage.“

Wieder begann Jonnef zu zittern angesichts seiner Angst vor der ihm noch unbekannten Macht, welche er noch nicht recht einzuschätzen wusste und die ihn in einen Zustand der Ohnmacht versetzte. Jonnef erkannte es ganz deutlich und auch, dass sich diese Angst in ihm einfach nicht unterdrücken ließ. Trotzdem versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Dragon Feu erkannte Jonnefs innere Anspannung und bat ihn zunächst, nichts zu tun, als einfach nur auszuatmen. „Nun sollst du mir zuhören und dir vor deinem geistigen Auge vorstellen, wie riesige Wassertropfen dir aus deinen Händen kommen und in die Lüfte aufsteigen.“

„In Ordnung“, erwiderte Jonnef.

„Nimm die Position ein wie vorher und stelle es dir bildlich vor“, ermahnte ihn Dragon Feu noch einmal.

Jonnef kniff die Augen krampfhaft zusammen und versammelte all seine Kräfte hin zu seinen Handflächen, bis er erneut zu zittern begann, doch diesmal nicht aus Furcht oder Nervosität, sondern vor Anstrengung.

„Na los!“, rief Dragon Feu.

„Ich versuche es ja, aber die Vorstellung allein ist einfach zu grotesk“, beklagte sich Jonnef in seiner Verzweiflung angesichts seines Unvermögens. Der Lehrmeister schien einfach zu viel, ja gar Unmögliches von ihm zu verlangen, zumindest etwas, das seine Kräfte überstieg.

„Ich dachte, du bist in der Menschenwelt ein Träumer gewesen, und nun hast du keine Imagination?“

Worte, die Jonnef äußerst schmerzhaft trafen. Sie ließen ihn seine Hände nun in eine solche Spannung versetzen, dass er erneut die in ihm aufkommende Macht spürte. Stärker und immer stärker wurde sie nun, bis sie in ihm zu rütteln begann. Jonnef glaubte, fast keine Kontrolle mehr über sie und seinen Körper zu haben, so mächtig brodelte sie in ihm und verlangte geradezu danach, freigelassen zu werden. Plötzlich schrie Jonnef wider Willen auf. Solch einen Schrei hatte er noch nie von sich vernommen. Und hervor kamen zwei riesige Wassertropfen, die er unverzüglich gen Himmel sandte.

Zu früh jedoch hatte die Spannung in seinen Händen nachgelassen, sodass die Tropfen unerwartet zerbarsten und sich über ihn in einem einzigen Wasserschwall ergossen. Völlig durchnässt stand Jonnef nun da und stimmte schließlich in das Gelächter Dragon Feus ein, der vor Freude in die Hände klatschte und sichtlich zufrieden mit Jonnef, seinem Drachenkind, war.

*

Eine streng geheime Mission

„Calisto“, rief Sir Ruven de Light. „Wo ist er denn, wenn man ihn braucht?“, fluchte er in seiner Ungeduld weiter.

„Ihr habt nach mir gerufen?“, fragte der junge Knappe höflich und verneigte sich dienstbeflissen.

„So ist es“, bestätigte er dem Knappen. „Hör zu, ich habe einen Auftrag für dich, der von größter Wichtigkeit und Geheimhaltung ist. Es handelt sich um einen Brief, dessen Nachricht für seinen Empfänger von großer Bedeutung ist und in niemandes Hände sonst geraten darf, verstehst du?“

Calisto nickte würdevoll, auch wenn ihm erst allmählich der Ernst der Sache bewusst wurde und die Bürde, die er nun zu tragen hatte.„Was ist geschehen?“, wollte er von seinem Herrn wissen, welcher in Eile und Unrast schien.

„Alles, einfach alles ist in Bewegung geraten, in Aufruhr und Unruhe versetzt, schon jetzt. Nichts hat mehr Bestand, nichts Halt, in dieser haltlosen Welt. Nichts, was ist, wird mehr so sein, wie es war. Nichts ist mehr sicher. Darum habe ich dich auserwählt. Denn wer vermutet schon einen so schwergewichtigen Brief in der Brusttasche eines einfachen Knappen?“ Begleitet von einem schiefen Lächeln, übergab er Calisto den Brief.

Auf beiden Handflächen aufgelegt, empfing Calisto ihn würdevoll, gar dankbar angesichts des von seinem Herrn entgegengebrachten Vertrauen, das er ihm damit schenkte.

„Er ist für Meister Dragon Feu bestimmt, einem der mächtigsten Zauberer in Magictown. Bei Tagesanbruch wirst du zu ihm reiten und vor Einbruch der Dunkelheit hier bei mir zurück sein.“

„In Ordnung“, erwiderte Calisto.

„Hierzu gebe ich dir Ayalla, eines meiner schnellsten Pferde. Du kennst sie, bist sie schon einmal geritten und hast lernen müssen, ihrem Naturell gemäß angemessen mit ihr umzugehen. Sie wird dich sicher nach Magictown bringen und ebenso sicher wieder zurück. Ich vertraue auf deine Reitkünste, Calisto, und auf dein Geschick!“

Calisto nickte abermals. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen“, sagte er mit einer solchen Würde, die seinem Ritterstand zu eigen war.

„Das will ich doch hoffen, schließlich handelt es sich hier um keine Kleinigkeit, sondern um das Schicksal von ganz Maryland, wenn nicht sogar um das Schicksal des gesamten Psaridos.“

Ein kalter Schauer lief Calisto den Rücken hinunter, doch er ließ sich nichts anmerken und verneigte sich erneut vor seinem Herrn, indessen er den Brief behutsam in seinem Gambeson verschwinden ließ. Kein weiteres Wort war mehr nötig. Sie nickten nur noch einander zu zum Zeichen ihres Einverständnisses.

„Du wirst das schon meistern“, lauteten die letzten Worte des Edelmannes, dann ließ er seinen Knappen mit sich selbst allein.

Gedankenverloren ging Calisto seiner Stallarbeit nach und striegelte, wie abwesend, ein Pferd nach dem anderen. Mit Kardätsche und Striegel durchfuhr er das allmählich dichter werdende Pferdehaar, das sich zum Winter hin wechselte, während das Sommerhaar in kleinen Büscheln hinabfiel. Dann sah er nach Sattel und Zaumzeug, wusch Trensen und Riemen, Ringe und Gebisse und kehrte erneut die Stallgasse wie in Trance. Zu sehr war er mit dem Brief in seiner Brusttasche beschäftigt. Zu sehr mit der Mission, die ihm bevorstand. Schließlich griff er in diese, um sicherzugehen, dass der Brief gut verwahrt war, oder vielmehr um festzustellen, ob er überhaupt noch da war. Vorsichtig, ganz sacht zog er ihn ein Stück weit aus seinem Gambison hervor und besah das rote Siegel auf weiß vergilbtem Pergament, auf dem ein Drachenkopf abgebildet war. Plötzlich hörte er Geräusche von hinten auf sich zu kommen. Sofort ließ er den Brief in seinem Gambeson verschwinden und drehte sich erschrocken um, wobei er zu seiner Beruhigung hin feststellen musste, dass die vermeintlichen Schritte nur dem Scharren eines Pferdes in der hintersten Box angehörten, das nach Freilauf verlangte. Erleichtert griff er sich an sein Herz und beschloss, seinen überstrapazierten Nerven ein wenig Ruhe zu gönnen. Noch einmal sah er nach Ayalla und strich ihr beruhigend über den Pferdehals. Dann suchte er das Haus seines Herrn auf, um sich ein wenig auszuruhen. Ruhe aber fand er nicht. Zu nervös und aufgeregt war er in Anbetracht des ihm Bevorstehenden, zumal ihn schwere Träume plagten, die ihn des Öfteren schon hatten heimgesucht und von Zeit zu Zeit auftraten. Träume, angereichert von dunklen Bildern, die aus einer schmerzhaften Vergangenheit herrührten. Und so sah er es immer und immer wieder, wie er vor der Bettstätte seiner schwer erkrankten Mutter stand, um sie herum die Geschwister betend, indessen er die stille Kerze trug.

Zehn Kinder hatte sie, eine schwache, stets kränkelnde Frau ausgetragen, von welchen nur fünf überlebten. Dies hatte ihren Körper schließlich so geschwächt, dass sie dem Tod entgegensah. Schlimmer aber noch das Bild des skrupellosen Mordes an seinem Vater. Der Mörder, ein Jugendfreund der Mutter, der den Vater für den Tod der Geliebten verantwortlich gemacht hatte. Ein Racheakt, den Calisto mit eigenen Augen hatte ansehen müssen, bevor er als Vollwaise, von seinen Geschwistern getrennt, dem Ritter Sir Ruven de Light übergeben worden war. Damals konnte er es kaum fassen, solch ein Glück im Unglück gehabt zu haben, und nicht begreifen, weshalb Sir Ruven de Light, der einen verborgenen Schatz in dem Jungen sah, sich seiner angenommen und um das Sorgerecht für ihn, den verwaisten Jungen, gebeten hatte, indes seine Geschwister einem Bauern überlassen wurden, der sie schweren Frondienst für ihren Unterhalt leisten ließ.

Calisto glaubte, so vom Schicksal begünstigt worden zu sein, währenddessen er seine Geschwister bemitleidete und ihnen doch nicht helfen konnte. Nichts als Demut und Dankbarkeit empfand er darum gegenüber Sir Ruven de Light, dem er ein gutes Leben und eine Ausbildung zu einem Knappen zu verdanken hatte. Und so liebte er seinen Herrn und war bestrebt, alles für ihn zu tun und zu seinen Gunsten auszurichten.

Während er dies dachte, war er doch eingeschlafen und am nächsten Morgen von einer großen Unruhe, Aufregung und Hektik im Haus erwacht. Wild eine Schublade nach der anderen durchsuchend, erblickte er seinen Herrn, bis er das ersehnte Schriftstück fand und es vor Calistos Augen hielt, welcher sich gerade den Schlaf aus den Augen rieb. „Was ist geschehen?“, fragte er.

„Was geschehen ist?“, meinte Sir Ruven de Light mehr als bestürzt. „Eine neue Macht erhebt sich und wir sitzen untätig herum anstatt zur Tat zu schreiten. Los, Calisto, nimm Ayalla und reite geschwind davon. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Dieses Schriftstück muss zusammen mit dem Brief sofort zu Dragon Feu gelangen, um uns vor noch größerem Unheil zu bewahren. Hast du ihn in deiner Brusttasche noch sicher verwahrt?“

Calisto befühlte sie und nickte. Dann folgte er den Anweisungen seines Herrn, sattelte das schnelle, wendige Pferd und ritt los.

„Reite geschwind und fürchte keine Dunkelheit, schließlich sind wir ritterlichen Geblüts“, rief Sir Ruven de Light ihm nach und Calisto verschwand.

Ausschließlich auf dem dunklen Pfad, wo ihm weniger Fußvolk begegnen konnte, hielt sich Calisto, so wie man es ihm empfohlen hatte. Nicht verleiten solle er sich lassen von einem lichteren, der diesen durchkreuzt. Je länger er jedoch auf dem dunklen aus dichten Nadelbäumen bestehenden Pfad ritt, desto stärker überkam ihm ein Gefühl der Verlassenheit, das ihn bedrückte und ihn sich nach dem helleren Pfad sehnen ließ. Immer und immer wieder aber hörte er die ihn ermahnende Stimme in seinem Ohr, einem Echo gleich, das ihn zurechtwies. Darum war er froh, das Pferd bei sich zu haben, an dessen Hals er sich nun schmiegte, und das ihn zu trösten schien. Er horchte das zufriedene Schnauben Ayallas und war dankbar, nicht allein zu sein. Dem Rhythmus der Bewegung des Pferdes folgend empfand er nun bald keine Niedergeschlagenheit mehr oder Dunkelheit in sich aufkommen.

Am langen Zügel ließ er Ayalla gehen und war froh, einen Partner an seiner Seite zu haben, auf den er sich verlassen konnte. Obgleich er wusste, dass Ayalla ihrer feinen Nerven wegen auch blitzschnell reagieren und in Panik geraten konnte, um Gefahr von sich abzuwenden, wobei der Reiter Mühe hatte, sie zu zügeln und sich auf ihr zu halten, angesichts ihrer hohen Geschwindigkeit. Calisto aber fühlte sich auf ihr sicher und glaubte, sich bald fest mit ihr verbunden, beinahe wie beschützt vor jeglichen Gefahren. Darum liebte und fürchtete er sie zugleich. Mit einem leichten Druck seiner Schenkel gab er ihr nun das Zeichen zum Antraben. Doch etwas im Gebüsch raschelte, das Ayalla sofort aufhorchen und aufschrecken ließ, sie unruhig machte und wild mit den Ohren spielen oder vielmehr gestikulieren ließ.

Ruckartig hatte Calisto die Zügel aufgenommen und wieder in Anlehnung zum Pferdemaul gebracht, indessen er tief in ihren Rücken einsaß, um vorbereitet zu sein, wenn sie scheute und mit ihm durchgehen, davongaloppieren sollte. Doch das Pferd blieb bei ihm und ruhig an seiner Hand, während die Umgebung kühler und kühler wurde und der morsche Waldboden die Huftritte des Pferdes dumpf aufklingen ließ.

Dann bewegte sich etwas im Unterholz, das ihn nun selbst dazu veranlasste, Ayalla das Zeichen zum Angaloppieren zu geben. Mit nach vorne gerichteten Händen und nach hinten zurückgelehntem Oberkörper sowie einem weit hinten verwahrenden, angespannten Schenkel, der auf das Pferd einwirkte und entsprechenden Druck ausübte, galoppierte Ayalla los, indessen Calisto seinen Oberkörper nun nach vorne richtete, um ihrer Geschwindigkeit standzuhalten. Wild schlug ihm die lange Mähne ins Gesicht, die in den Winden peitschte. Doch er war erfreut und erstaunt darüber, wie gut das Pferd selbst auf feinste Hilfen reagierte. Kein klopfender Schenkel war vonnöten, nur ein sachter Druck der Wade und ein tiefer Absatz, der ihn gut in das Pferd ein- und sowohl gefestigt dran sitzen ließ, als auch locker und gelassen, um jeder Bewegungen aus der Hüfte heraus zu folgen und mitzuschwingend, anstatt nur hölzern oben auf zu sitzen. Auch seine Hand war gefestigt und weich zugleich, nicht allzu starr und allzu lose der Zügel, der in guter Anlehnung zum Maul gebracht, ein wenig angespannt und doch beweglich im Gebiss blieb, sodass Ayalla zufrieden schnaubte.

Dann zügelte er sie, um sie vom Trab in den Schritt zu veranlassen, wobei er die Zügel erneut auf und kürzer nahm, ohne das Treiben mit der Wade zu versäumen, sodass sich die Bewegungen des Pferdes in seinem Rahmen verkürzten und dennoch flüssig blieben. Calisto lobte sie, indem er sichtlich erfreut ihren Hals klopfte, wobei er bemerkte, dass das Pferd selbst Freude an ihrem gemeinsamen Ritt, dem harmonischen Zusammenspiel und der gelungenen Kooperation und Kommunikation empfand. Ruhig schnaubte es und ging willig in einem fleißigen Schritt voran, indessen es zufrieden am Gebiss kaute, sodass das ganze Pferdemaul schäumte, was verdeutlichte, dass es gelöst und gut geritten worden war. Die größtmögliche Harmonie zwischen Reiter und Pferd war auf diese Weise hergestellt und Calisto wusste, dass er von diesem Tier, dem er wie anzugehören schien, nicht so leicht lassen würde.

Noch einmal lobte er sie, noch einmal galoppierten sie wie schwebend über das Gras hinweg, dann ließ er sie ausruhen und am langen Zügel laufen, indessen er sich gänzlich auf den Spürsinn des Pferdes verließ, das ihn intuitiv in die richtige Richtung leitete und schließlich an einem Schild haltmachte, auf dem in großen schwarzen Lettern Magictown geschrieben stand.

Langsam stieg Calisto von seinem Pferd ab, ließ es zur Erholung an einem Bachlauf, der ruhig vor sich hin plätscherte und zu murmeln schien, grasen und trinken, während er dem munteren Zwitschern der Vögel lauschte und das Dasein in der Natur genoss. Alles um ihn herum wirkte friedlich, zumal die Sonne schien, die zwischen den Wipfeln und Wolken hindurch sich sehen ließ. Wolken, die in den unterschiedlichsten Formationen leicht an ihm vorüberzogen und wie Kinder mit dem Licht der Sonne spielten. Dann aber hörte er wieder diese Stimme in seinem Ohr, die ihn ermahnte, seine Pflicht nicht zu versäumen. Aufgeschreckt davon griff er nach dem Zügel und dem Brief in seiner Brusttasche, der sich darin zu regen schien, was jedoch nur Ursache seines unruhigen Atems war, wie er feststellte. Dennoch in Unruhe versetzt, schwang er sich sofort auf Ayallas Rücken, um nach Magictown zu Meister Dragon Feu zu reiten.

An Birken vorbei fand er schließlich die besagte morsche Hütte Dragon Feus, die mit einem Drachenkopf als Türklopfer verziert war, welcher sie vor anderen Hütten auszeichnete. Vorsichtig näherte er sich ihr. Dann klopfte er sacht, zaghaft an.

Ebenso vorsichtig wie sein Klopfen öffnete sich die quietschende Tür, die nur einen Spaltbreit aufgemacht wurde. Calisto blickte hinein und noch ehe er sich versah, wurde er von einem gigantisch großen Mann am Kragen gepackt und in das Zimmer der Hütte hineingeholt, indes sich die Tür ruckartig schloss und der Mann in einem der hinteren Zimmer verschwand. Ängstlich blickte Calisto sich um, bis er einen jungen Mann seines Alters in einer Ecke am Kamin sitzend vorfand, welcher ruhig über seinen Büchern gebeugt diese zu studieren schien. Calisto betrachtete ihn lange und stellte schließlich fest, dass etwas an ihm oder in ihm war, das ihm gefiel. Vielleicht seine Haltung, die von Disziplin und Fleiß geprägt und seine innere Einstellung, kurzum seine Gesinnung verriet. Oder waren es doch vielmehr seine Gesichtszüge, die sehr fein und schön, sanft und freundlich auf ihn wirkten im Kontrast zu seinen Tigeraugen, die streng und bedrohlich blickten und ihn herauszufordern schienen. Eine Mischung, die Calisto gefiel und dem jungen Mann ein schönes Ansehen gab. Der blickte auf und sah ihn freundlich an, sodass Calisto leicht lächelte, was der junge Mann durchaus zu erwidern verstand und was den jungen Ritter erfreute. Etwas Edles, das er nicht recht zu bestimmen vermochte, ging von seinem Wesen aus. Eine stille Kraft, ein inneres Leuchten, das Calisto zu beeindrucken schien. Sacht blätterte der Fremde eine Seite nach der anderen um, in einer Handbewegung, die von Wertschätzung geprägt. Dann ging er, in einer angespannten Gelassenheit und Ruhe, die Jonnefs Wesen eigen war, auf den Knappen zu. „Ich habe Euch bereits erwartet“, meinte er so, als sei nichts Ungewöhnliches an Calistos Besuch. „Ihr müsst der Knappe Calisto sein, der aus Maryland zu uns gekommen. Dragon Feu hat mir bereits von Euch erzählt.“

Calisto nickte ein wenig befangen und verwundert. Dann stellte er sich ihm selbst vor. „Ich bin in der Tat der Knappe Calisto und unterwegs im Auftrag meines Herrn Sir Ruven de Light.“ Er wollte weitersprechen, doch in diesem Augenblick nahte sich ihnen Dragon Feu, dessen bloße Präsenz dem Knappen imponierte und ihn einzuschüchtern schien. Mit einem gewissen Unbehagen blieb er vor dem Magier stehen und betrachte lange seinen weißen Rauschebart, der fast zum Boden reichte, als auch seinen braunen, filzenen Mantel und Zaubererhut, dessen Spitze die Decke berührte, sowie den kunstvoll geschnitzten Krummstab, auf den der Magier sich stützte und sich dem Knappen näherte. Von Ehrfurcht erfüllt verneigte sich Calisto.

Doch Dragon Feu blieb davon unbeeindruckt und unberührt. „Wie ich sehe, habt ihr Euch schon bekannt miteinander gemacht“, sagte er in seiner dunklen, altehrwürdigen Baritonstimme, die auf Calisto Furcht einflößend wirkte und ihn, an die Wand angelehnt, verstummen ließ. „Verzeiht mir die harsche Behandlung an der Tür, die Euch womöglich vor mir abgeschreckt hat, weswegen ich meinen Zauberlehrling Jonnef den Vortritt gelassen habe, Euch willkommen zu heißen. Doch seid ohne Furcht. Es geschah nicht aus Boshaftigkeit oder schlechter Absicht, sondern zu Eurer eigenen Sicherheit. Man kann nie vorsichtig genug sein. Wer weiß, wer oder was hier noch so herumschleicht. Schließlich tragt ihr keine Kleinigkeit bei Euch, die Euch zu uns geführt hat, nicht wahr?“ Dragon Feus Worte waren harsch und streng, doch Jonnefs Lächeln besänftigten sie.

„Hier drin ist er sicher verwahrt“, sagte Calisto wie aus einem Traum erwacht und deutete auf seine Brusttasche. Langsam holte er den schwergewichtigen Brief aus dem Gambeson hervor, um ihn auf Dragon Feus Handfläche, mit dem Siegel obenauf, aufzulegen.

„Diesen Brief, Meister Feu, hat mir mein Mentor und Meister Sir Ruven de Light übergeben mit dem Auftrag, ihn sicher in Eure Hände zu legen.“

Dragon Feu dankte ihm mit einer leichten Neigung seines Hauptes. Dann verschwand er mit dem Brief in sein Hinterzimmer und ließ den Knappen wieder mit Jonnef allein. Über ein Feuer gehalten, brachte er das Wachs des Siegels, auf dem ein Drache abgebildet war, zum Schmelzen. Dann entnahm er dem Umschlag sein Papier, dessen Botschaft in Runen gehalten war, wie zu Zeiten Richard und Rubeus Deboskos, die von niemandem sonst, außer von ihm und einigen wenigen Schriftgelehrten aus Churchtown zu entziffern waren. Doch die Zeit, in welcher er sich zuletzt mit ihnen befasst und sie studiert hatte, reichte sehr weit zurück, sodass er sich einiger Zeichen nicht mehr recht entsinnen konnte und darum Buch für Buch aus sämtlichen Truhen und Schränken hervorholte, die ihres Alters wegen schon verstaubt und deren Blätter vergilbt waren. Rune um Rune versah er nun und verglich sie mit denen der Lehrbücher, um sie zu dechiffrieren. Um eine ordentliche Transkription bemüht, vertiefte er sich schließlich ganz in die Schrift und Bücher, indes er dem Geschehen wie entrückt nicht bemerkte, wie Calisto und Jonnef ihm bei der Arbeit zusahen und seinen Ehrgeiz und Fleiß bewunderten.

Um ihn nicht zu stören, zogen sie sich schließlich zurück und gerieten in ein inspirierendes Gespräch, das Calisto den Wunsch verspüren ließ, Jonnefs Freundschaft zu erlangen und ihn häufiger besuchen zu dürfen. Doch insgeheim glaubte er, dass er sich dies hart verdienen müsse und nicht leicht zustande kommen würde. Und doch sehnte er sich danach.

Weitere Stunden vergingen, bis Dragon Feu das ganze Konzeptpapier vollgeschrieben hatte, jedoch ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Frustriert davon zerraufte er sich das Haar. Inzwischen war die Kerze schon fast heruntergebrannt und die Dunkelheit hüllte ihn ein. Dann murmelte Dragon Feu etwas Unverständliches, das einer fremden Sprache anzugehören schien und nach einer Zauberformel klang, die, mehrmals ausgesprochen, etwas zu beschwören schien. Ruckartig stand Dragon Feu auf und lief euphorisch im Zimmer umher. Die Worte, sie hatten endlich einen Sinn ergeben und ihm zur Erkenntnis gereicht.

„Meister Feu, habt Ihr etwas herausgefunden?“, wollten Jonnef und Calisto in ihrer Aufregung wissen.

Doch der Zauberer stellte sofort wieder seine Begeisterung ein und erklärte nun wieder etwas nüchterner, gesetzt und gedämpft: „Noch nicht ganz, aber ich befinde mich auf dem Weg dahin.“ Eine Antwort, die die Erwartungen der beiden nicht ganz erfüllte.

„Etwas ist erwacht. Etwas in Aufruhr geraten. Es handelt sich um das Schwert Esdracollum, das einst in der Brust des Drachens hat gesteckt und sich in Churchtown aufbewahrt befindet. Nun ist es wieder auferstanden und verlangt nach seinem Herrn, von dem es getragen zu werden wünscht.“ Mit einem Leuchten versah er Jonnef, der seinen Blick fragwürdig erwiderte. Dragon aber ging nicht weiter darauf ein, sondern blätterte weiter, wie wild in seinen Schriften, um noch mehr Antworten auf seine Fragen zu finden. Deshalb zog er sich abermals in sein Hinterzimmer, als Studierstube genutzt, zurück und geriet erneut in einen solchen Schaffensrausch, welcher ihn Zeit und Raum vergessen ließ, bis Calisto erklärte, aufbrechen zu müssen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein. Dragon Feu dankte Calisto und reichte ihm die Hand zum Abschied.

„Mein Auftrag ist nun erfüllt. In streng geheimer Mission habe ich ihn ausgeführt und ebenso stillschweigend werde ich nun gehen“, sagte er mit dem Pflichtbewusstsein und der Loyalität eines Edelmanns, die seinem Ritterstand eigen. Dann verließ er die Hütte und schwang sich auf Ayallas Rücken, die wiehernd mit ihm davongaloppierte, indes ihm Jonnef lange noch schweigend hinterher sah, bis des Knappens Umrisse nur noch schemenhaft zu erkennen waren und er sich in der Dunkelheit des Waldes verlor.

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