Kitabı oku: «Hindurch ins Licht»
Mirijam Schaeidt
Hindurch ins Licht
Mirijam Schaeidt
Hindurch
ins Licht
Wege der Hoffnung
im Geist der
Benediktusregel
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© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de Umschlag: Peter Hellmund (Bild: © Angelika Lutz) Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 978-3-429-03484-9 (Print)
978-3-429-04633-0 (PDF)
978-3-429-06042-8 (ePub)
Inhalt
Hinführung
Erster Teil: Das Leben tanzen
Zweiter Teil: Aufstieg durch Abstieg
Dritter Teil: Heilige Zeiten
Vierter Teil: Resonanzräume im Alltag
Anmerkungen
Hinführung
Es war Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ich befand mich in der Erholungsphase nach einer langwierigen Erkrankung und suchte mich in meinem Alltag wieder neu zurechtzufinden. Krank war ich zwar nicht mehr, aber auch noch nicht so richtig gesund. Ich musste lernen, in der veränderten Situation meine Kräfte, Grenzen und Spielräume sowie meinen Platz in der Gemeinschaft neu wahrzunehmen und zu gestalten. Parallel dazu gab es die eine oder andere Verlusterfahrung zu verarbeiten. Das war nicht leicht, und so suchte ich verstärkt nach Hilfen.
Die Regel Benedikts1, nach der ich einige Jahre zuvor meine Profess abgelegt hatte, lag vor mir. Konnte sie mir Hilfe sein? Manches in ihr, woran ich mich anfangs noch gestoßen hatte, war mir nach zehn Jahren Gottsuche im Kloster verständlicher geworden. Dann gibt es eine ganze Reihe »Perlen« in ihr, die mich von Anfang an tief angesprochen hatten und immer noch ansprachen. Aber Benedikts Sprache aus dem 5./6. Jahrhundert klang in meinen verwöhnten Ohren des ausgehenden 20. Jahrhunderts streckenweise immer noch etwas spröde und trocken (was von einer alten Ordensregel an sich nicht unbedingt anders zu erwarten ist). Manches blieb mir nach wie vor fremd. Ihre Sprache war – mit Ausnahme der »Perlen« – nicht die Sprache, die in meinem Herzen neue Energie weckte, zumindest nicht in jener Situation. Trotzdem schätzte ich den Geist, der immer wieder aus dem uralten Text durchscheint, in dem ich noch verborgene Tiefendimensionen ahnte. Aber es war ein eher nüchternes Ahnen und Schätzen, keine überschwängliche Begeisterung, im Gegensatz zu mancher Mitschwester, die damals wie eine inkarnierte Regel auf mich wirkte. Ich dagegen hatte mir lediglich die Perlen oder Rosinen, die ich fand, herausgepickt und versucht, mich daran zu halten. Es waren Sätze wie:
Der Liebe zu Christus nichts vorziehen. (RB 4,21) An Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln. (RB 4,74) Wer im klösterlichen Leben und im Glauben voranschreitet, dem wird das Herz weit. (RB Pr 49) Wer still für sich beten will, trete einfach ein und bete. (RB 52,4) Stehen wir so beim Gottesdienst, dass Herz und Stimme in Einklang sind. (RB 19,7) Wer mehr braucht [als die anderen], werde demütig wegen seiner Schwäche und nicht überheblich wegen der ihm erwiesenen Barmherzigkeit. (RB 34,4) Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben. (RB 63,10) Christus führe uns gemeinsam zum ewigen Leben. (RB 72,12)
Vermutlich hatte ich mit meinen herausgepickten Rosinen gerade die wesentlichen Linien der Regel getroffen. Das ist nicht allzu schwer, denn in Benedikts Regel sind die schönsten Sätze meist die wesentlichsten, deren Grundtenor sich dann in den mehr organisatorischen und »spröde« klingenden Kapiteln durchzieht, dort jedoch nicht gleich ins Auge springend. Möglicherweise tat manche eifrige Mitschwester meiner Eintrittsgeneration letztlich auch nichts anderes als Rosinen herauspicken, nur dass deren Rosinenspeicher vielleicht größer und geordneter war als meiner. Wie dem auch sei, diesen Linien wirklich zu folgen, ist etwas anderes als Rosinen-Picken. Ich wäre kein Mensch und keine Benediktinerin, wenn mir dies kein Ringen abverlangt hätte. Was heißt etwa Christus nichts vorziehen, wenn mir gerade alles gegen den Strich geht oder eine Mitschwester mich mächtig herausgefordert hat?
Ohne Störungen, Kämpfe, Versagen, Umwege und die Notwendigkeit, in der je konkreten Situation nach der evangeliumsgemäßen Haltung leidenschaftlich zu suchen, um Christus im Blick zu behalten, geht niemand den Weg. Und hier kommen neben den »stärkenden« die weniger beliebten Stellen der Regel Benedikts zum Zug; heute zwar allgemein interpretiert und geglättet, also nicht mit der Härte der an der Schwelle zum Mittelalter üblichen Bräuche, Verbote und Strafen, doch darum nicht weniger herausfordernd und korrigierend in dem Anliegen, um das es geht: die Teilnahme am Leben Jesu Christi, die Communio untereinander in seinem Geist.
Wie gesagt, mein Verhältnis zur Regel Benedikts war trotz Profess noch etwas unausgegoren. Die Profess verstand ich auf der Beziehungsebene des Vertrauens, der Hingabe, der Liebe, der Communio im Geist. Das klingt ja nicht schlecht, nur – was sollte da die Regel? War sie denn nur dafür da, damit der klösterliche Alltag funktioniert? Wer so fragt, hat noch viel zu entdecken. Denn die Regel will mit ihren Weisungen und Strukturierungen – auch wenn sie in jeder Epoche neu interpretiert und den jeweils aktuellen Gegebenheiten der Menschen angepasst werden müssen – ja genau dies: den Boden für Vertrauen, Hingabe, Liebe und Freundschaft mit Christus und untereinander bereiten und schützen, also einfach dem »Beziehungsgeschehen« dienen, sonst nichts. Aber abgesehen davon, dass diese Ausrichtung, konsequent gelebt, allein schon eine große Herausforderung für eine Gemeinschaft ist – es ist ja nicht einfach mit Gesetzen getan –, setzt jede Schwester je nach Charakter und Lebenssituation ihre Schwerpunkte, findet ihre eigenen Zugänge und braucht ihre Zeit, bis sie versteht, was das bedeutet: Einklang von Herz und Stimme, von Gebet und Arbeit, von Vertrauen und Verantwortung, von Sehnsucht und Vereinbarungen, von Individuum und Gemeinschaft usw. Anfangs sind tendenzielle Fixierungen in die eine oder andere Richtung kaum zu vermeiden.
Erschwerend kommt hinzu: Zur normalen gemeinschaftlichen Erfahrung im Kloster gehört es, dass nicht bei allen Mitgliedern einer Gemeinschaft dieser Reifungsprozess offensichtlich glückt. Und selbst diejenigen, bei denen er zu gelingen scheint, sind vor Krisen und unerwarteten Herausforderungen, an denen sie zu scheitern drohen, nicht gefeit. Immer wieder müssen wir erneut Anfänger werden. Auch das müssen »echte« Anfänger erst verstehen lernen. Für mich war wohl die Zeit gekommen, zur tieferen Ebene zu finden, und – um im Bild zu bleiben – mit meinen Rosinen einen guten Kuchen zu backen, zu dem nicht nur Rosinen gehören. Aber wie?
Es kam mir eine Idee: Warum übersetze ich die Regel nicht in meine Sprache? Nicht eine Sprache aus Vorschriften und Anordnungen, die schwer lastet, sondern eine eher lyrische, bilderreiche Sprache, die mich beschwingt und neue Energien weckt. Ich wollte einfach etwas leichter und spielerischer mit dem alten Text umgehen und bei meinen Ressourcen ansetzen, anstatt mich nur tapsig in irgendwelchen Vorschriften und entsprechenden Vorsätzen zu verstricken, die ich so kaum oder nur mit »unerwünschten Nebenwirkungen« zu erfüllen vermochte. Der Rest, so hoffte ich, käme dann schon (fast) von selber. Nicht ohne mich, aber leichter, natürlicher, lebendiger, mir gemäßer, als Folge der Gnade, die mehr freudige Bewegungsbereitschaft und Kreativität in mir vorfinden würde, ja diese überhaupt erst freisetzt.
Ich begann also, Gedichte zur Regel zu schreiben, ganz einfache, aus dem Herzen kommende. Es war eine Neuentdeckung für mich. Die wichtigste Entdeckung war, dass mir die Regel nichts ist, was ich »befolgen« könnte. Sie ist mir mehr Raum als eindimensionale Richtschnur; sie ist wie ein Experimentierlabor – das ist ja gar nicht so weit weg von Benedikts Bild der Schule2 oder der Werkstatt3 –, ein Angebot, um meine Erfahrungen auf dem Weg der Freundschaft mit Gott und der Beziehung zur Gemeinschaft, zu mir selbst und zu allen Menschen zu orten und in der Kraft des Evangeliums weiterzugehen. Es fällt mir noch das Bild einer Landkarte ein. Die Landkarte ist nicht selber der Weg. Man »beobachtet« sie nicht wie ein Gesetzbuch, man orientiert sich an ihr. Sie hilft, den eigenen aktuellen Standpunkt und den weiteren Weg zu finden. Die Kraft, den Weg zu gehen, kommt nicht von der Regel, sondern vom Wort Gottes.
Das Schreiben weckte in mir tatsächlich erstaunliche Energie und eröffnete mir neue Erfahrungsräume. Zwar hielt ich mit meinen Gedichten nicht die ganze Regel durch. Irgendwann fand ich es aber auch gar nicht mehr nötig und blieb auf die ersten Kapitel4 beschränkt, die die Grundlage benediktinischer Spiritualität bilden. Umso mehr entwickelte das Gedichte-Schreiben an sich bald seine eigene Dynamik, und so schrieb ich weitere Texte, nicht mehr ausdrücklich von der Regel inspiriert, aus ganz verschiedenen Situationen meines Weges in einer monastischen Gemeinschaft heraus. Diese späteren Gedichte oder Gebete habe ich ebenfalls in das vorliegende Buch aufgenommen.
Zwischen den lyrischen Texten finden Sie längere Texte in Prosa. Sie stammen aus neuerer Zeit und sollen helfen, die Zusammenhänge leichter zu erkennen und die Gedanken zu vertiefen. Dabei habe ich Ergebnisse der Regel-forschung außer Acht gelassen, da sie nicht Thema des Buches sind. Zu bedenken ist, dass Benedikt nicht alle Regelkapitel selbst schrieb. Zwar wähle ich der Einfachheit halber ohne Unterschied Formulierungen wie »Benedikt schreibt: …«, doch manches hatte er von anderen übernommen. Immerhin war er es aber, der sorgfältig übernahm, wegließ und ergänzte. Als Endredakteur der Regel können wir ihn also ansehen.
Ich danke allen, die mich bei diesem Projekt in vielfältiger Weise unterstützt haben, meinen Mitschwestern und vor allem Hannelore Bares und Professor Werner Schüßler, die den entscheidenden Anstoß zur Veröffentlichung gaben und mir hilfreich zur Seite standen.
Sr. Mirijam Schaeidt OSB | Trier, im Dezember 2010 |
Erster Teil
Das Leben tanzen
Ich liebe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge. Augustinus
Leben – ein Tanz? Nein, ist Leben nicht eher ein Marathon, ein Rennen um den ersten Platz? Ein Kampf ums Überleben? Andersherum: ein ständiges Sich-Ducken, damit man nicht allzu viele Wunden abbekommt? Oder aber ein kurzes Genießen in vollen Zügen, bis Krankheit und Tod uns einholen? Ist Leben ein nie zu stillender Durst? Eine Enttäuschung ohne Ende, weil es seine Versprechen nie einhält? Ein endloses Hintergangenwerden, bis wir nichts mehr haben, was hintergangen werden könnte, weil wir nichts mehr sind?
Oder doch – ein Tanz? Warum eigentlich nicht? Tänze sind auch nicht immer leicht. Zumindest die Materie, die einen guten Teil von uns ausmacht und ohne die wir nicht leben könnten, tanzt uns ständig etwas vor, von den Elementarteilchen in den Atomen bis zu den Sternen und Galaxien. Woher hat sie nur den Schwung?
Mit Fragen beginnt dieses Buch. Fragen zum Frag-würdigsten, was es gibt: dem Leben selbst. Aus Fragen entstanden die folgenden Gedichte. Aber nicht nur aus Fragen, sondern ebenso aus der Meditation von überlieferten Antworten und eigenen Erfahrungen. Die Antworten stammen ebenfalls von Fragern und Fragerinnen. Hier ist es vor allem Benedikt von Nursia, der große Frager und Hörer, geprägt von vielen anderen, die wie er fragten und hörten. Er hat seine Antworten nicht in klugen Abhandlungen überliefert, sondern in einer kleinen schlichten Regel für Menschen, die in einer monastischen Gemeinschaft leben wollen.
Aber sind es wirklich Antworten? Er verweist auf die eine Antwort: auf Jesus Christus, auf die Führung des Evangeliums. Er scheint nicht im Geringsten daran zu zweifeln, dass uns diese Führung zur Antwort, zur Erfüllung bringt. Und er lädt ein zu hören. Alle Weisungen in den einzelnen Kapiteln seiner Regel dienen nur diesem »Hören«, dieser Offenheit für Gottes Geist, für das Wort der Liebe, das Gott uns zuwendet und in Jesus Christus Fleisch wird. Das Hören soll so gut wie möglich gelingen können, bei Schwachen und Starken, Intellektuellen und Schlichten, Praktikern und Philosophen. So beginnt also Benedikts Regel: »Höre!«5 Was daraus wird, überlässt er dem Heiligen Geist und der Bereitschaft der Adressaten seiner Regel, dabei zu sein und mitzumachen.
Wer fragt, will eine Antwort. Wer fragt, spitzt die Ohren, um die Antwort zu hören. Wer fragt, lernt hören. Und wer hört, steht bereits in Beziehung zu dem, der spricht. Er muss sich einstellen auf die Person, die spricht, genauso wie die Tänzerin auf ihren Partner und umgekehrt. Für Benedikt ist es klar, wer der Partner ist, der uns die Hand reicht: der einladende Gott, der die Welt erschaffen hat, dem jeder Mensch am Herzen liegt und nach dem der Mensch sich zutiefst sehnt, ob er es weiß oder nicht.
Komm
Hörst Du die lichte Melodie?
Schwing Dich hinein
lass Dich los
lass Dich ein
tanz doch bloß
Komm, ich lad’ Dich ein
in die strahlende Melodie
Ein Tanz ohne Musik geht nicht. Aber wovon singt die »Musik«, die ich hier meine? Sie singt von einer lebendigen Präsenz, von einer unendlichen Liebe, nicht als diffuse Kraft, sondern als Person, hier und jetzt. Benedikt spricht vom »gütigen Vater«. Liebe kann immer nur Person sein, weil sie immer persönlich ist, den Geliebten ganz persönlich meint, immer im Hier und Jetzt. Es singt durch Dein ganzes Leben hindurch, auch im Dunkeln, die Liebe in Person, die das All erschaffen und einen Blick für Dich hat. Das ist Dein Schwung, aus dem heraus Du den ersten Schritt in den Tanz der Liebe tust, den ersten Schritt ins Vertrauen.
Wenn Benedikt seine Regel mit dem Wort »Höre« beginnt, will er uns dorthin führen: diese liebevolle Gegenwart Gottes, die Gegenwart des ICH-BIN-DA, die er durch das Zeugnis der uralten Überlieferungen des Alten und Neuen Testamentes und von gläubigen Menschen kennengelernt und selbst erfahren hat, wahr-zu-nehmen, ihr zu vertrauen, aus ihr und auf sie hin zu leben.
Wer sich einlässt, lernt mit der Zeit, wirklich zu lieben: Gott, die Mitmenschen, sich selbst.
Nimm und lies
Nimm und lies
das heil’ge Wort
es weckt Dich
Das Leben sprießt
Er spricht ja dort
im Osterlicht
Komm, steh auf
Er ruft Dich
Lauf ins Licht!
Hören? Ja, aber was? Wohin? In den Äther hinein? Wer so praktisch fragt, kann sich ruhig zu unserem Benedikt setzen, denn der dachte ebenso praktisch, konkret. Er war vertraut mit der »Lectio Divina«, die viele Nonnen und Mönche in den Klöstern sowie andere Christen bis heute praktizieren. Das ist eine konkrete Form des Hörens, des betenden Lesens der Bibel. Hören auf das Wort Gottes, das in der Heiligen Schrift bezeugt wird. Und ins eigene Herz: »Neige das Ohr deines Herzens«6, heißt der zweite Satz des Regelprologs. Aber ein Herz, das eben auf Gottes Wort hört. Von dort aus gestaltet sich dann ganz natürlich das Hören in den Alltag hinein, in die konkreten Situationen, in die Zeichen der Zeit, in das Leben der Mitmenschen, um ihnen angemessen zu dienen.
Doch in der Bibel steht bekanntlich nicht nur Aufbauendes, sondern auch manches Widersprüchliche, Unverständliche, Anstoß-Erregende, zumindest auf den ersten Blick. Trotzdem: In der Bibel finden wir Gottes Wort in Menschenwort. Nicht vom Himmel diktiert, sondern so, dass Menschenworte sozusagen in Dienst genommen wurden vom Geist Gottes – sogar in ihrer Begrenztheit. Auf diesen krummen Linien schreibt Gott seinen Liebesbrief an die Menschen. Um die Dynamik der Heilsgeschichte geht es da, die auch in uns Wirklichkeit werden will; um Grunderfahrungen der Menschen mit Gott, ausgedrückt in manchmal sehr zeitbedingter Sprache und doch wieder in zeitlos gültige Worte und Bilder gekleidet, die unseren eigenen Erfahrungen auf der Suche nach Gott plötzlich Farbe und Sinn geben. Es geht um einen Gott, der Mensch wird, um uns ganz nahe zu sein. Es geht um die Offenbarung von Gottes unendlicher Liebe mitten in unsere konkrete Welt hinein, in Ihren konkreten Alltag. Es geht um die Kraft der Liebe, die selbst vom Tod nicht besiegt werden kann.
Mein Vorschlag: Beginnen Sie mit einem Bibeltext, der nicht allzu schwer ist. Am besten mit einem, der Ihnen schon etwas bekannt ist.
• Bitten Sie Gottes Geist um Hilfe.
• Lesen Sie den Text langsam durch und achten Sie darauf, welche Worte oder Sätze Sie besonders ansprechen. Wiederholen Sie sie mehrmals langsam, eine ganze Weile, auch laut. Versuchen Sie dabei zu erspüren, was sie in Ihnen auslösen, aber ohne zu grübeln.
• Als nächsten Schritt versuchen Sie, aus dem Hören dieser Worte heraus eigene Worte an Gott zu richten. Sie können eng angelehnt an die Worte der Schrift sein, die Sie gerade gelesen haben, oder ganz anders: eine Frage, ein Gedanke, ein Dank, eine Bitte, eine Klage oder auch nur eine Geste, ein Seufzen. Nichts Kompliziertes oder Aufgesetztes. Seien Sie ganz Sie selbst.
• Anschließend können Sie versuchen, einen Moment auf die Stille zu hören, im Glauben an den Geist, der im Wort, mit dem Wort und durch das Wort hindurch gegenwärtig ist und wirkt. Das Hören in die Stille hinein sollte ungezwungen und eher kurz sein, es sei denn, Sie spüren so etwas wie neues Leben, ein Aufatmen, eine tiefe Entspannung, eine neue Erkenntnis. Dann bleiben Sie so lange, wie es guttut.
• Schließen Sie mit einem kleinen Dank und einer Bitte für die Kirche, für die Welt oder für konkrete Menschen, die Ihnen am Herzen liegen.
Wenn Sie diese Art von Hören oft praktizieren, wird sich Ihr Leben verändern. Wichtig ist allerdings, sich parallel zur »Lectio Divina« – »göttliche Lesung«, so heißt diese Gebetsform – um Grundkenntnisse im Verständnis der Heiligen Schrift zu bemühen.7 Dem Geist Gottes bleibt dann immer noch unendlich viel Spielraum – nun erst recht, wenn manche unnötigen Stolpersteine weg sind –, um Ihnen durch das Wort hindurch zu begegnen und Sie seine Gegenwart und sein Wirken erfahren zu lassen.
Es folgen nun sechs Gedichte, die ein wenig von dem bezeugen, was »Lectio Divina« sein kann. Sie beziehen sich auf verschiedene Abschnitte des Prologs und der ersten Kapitel der Regel Benedikts. Der Prolog besteht fast nur aus Bibelworten, die zum Aufbruch und zur Begegnung mit Gott ermutigen.
Die Gedichte sind so etwas wie Momentaufnahmen, aus dem Herzen geboren. Ich habe einfach ein wenig von dem, was ich erlebt habe an Begegnung, Gemeinschaft mit Gott in seinem Wort, Verwandlung von Angst und Enge in Vertrauen und Glück, Erbarmen und tiefes Aufatmen, in Worte gegossen. Ergänzen muss ich dazu: oft nach langen Durststrecken; bzw. die Erfahrungen führten mich erneut in Durststrecken hinein, wo sie sich bewähren sollten. Auch das finde ich übrigens in der Heiligen Schrift bezeugt, etwa in der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste nach der Befreiung aus Ägypten oder im babylonischen Exil. Die Durststrecken brauchen uns nicht zu entmutigen, sie gehören dazu als Weg des Kennenlernens des eigenen Herzens und der Öffnung auf Gott hin. Nicht zuletzt helfen sie uns, andere Menschen, die ebenfalls auf der Suche sind, besser zu verstehen. Durststrecken und Nächte werden für jeden Gott suchenden Menschen immer wieder »dran« sein, aber sie verlieren ihren Schrecken, weil wir wissen dürfen: Sie führen ins »Gelobte Land«, zur Quelle.
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