Kitabı oku: «Hindurch ins Licht», sayfa 2
Begegnung
Geh nur
Er kommt Dir entgegen
und freut sich auf Dich
Tag für Tag
den kleinen Schritt
die Zeit ist da
Tag für Tag
den letzten Schritt
ins Leben
Tag für Tag
den ersten Schritt
in lichten Tanz
Gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir den schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat!
RB Pr 21
Gemeinschaft
Hilfst Du mir, Herr?
Zu Dir möcht ich doch!
Bist schon bei mir Ich bei ihr Meine Hilfe ist für Dich Gemeinschaft mit mir Komm, es ist noch hell Lauf der Sonne nach Und sie wird nicht untergehen Lauf in meinen hellen Morgen und es wird Ostern sein In Deiner Nacht reift geborgen mein strahlendes Licht Seinem Leuchten zu
Mein Abba!
Dir bebt mein Herz
vor Freude zu
Für alles, was uns von Natur aus kaum möglich ist, wollen wir die Gnade und Hilfe des Herrn erbitten.
RB Pr 41
Verwandlung
Der warme Strahl
göttlichen Erbarmens
trifft Dich zutiefst
Er zieht Dich an sich
sein Kind
hebt Dich an seine Wangen
Traust Du ihm?
Lass ihn durch
den warmen Strahl
Er befreit Dein kleines Ich
Deinen gefesselten Willen
Verwandelt wirst Du
in das Morgenrot
Dreifaltiger Liebe
Wer im Glauben voranschreitet, dem wird das Herz weit und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.
RB Pr 49
Ankunft
Große Leute
vornehm weit
in heller Bewegung
wie gotische Dome
entfachen sie jeden Lichtstrahl
in zahllosen Farben
die jeden entzücken …
Zachäus, komm herunter
heute möchte ich bei Dir einkehren!
Gottes Sonne geht auf
über schwarze Keller – weiße Paläste
stabile Häuser – zerfallene Hütten
mit dem Mut eines Kindes
für alle
Strahle hindurch
durch die Ritzen der Keller und Hütten
Male Deine ganze Wärme
auf das feuchte Holz
Der Herr offenbart oft einem Jüngeren, was das Bessere ist.
RB 3,3
Aufatmen
Kennst Du es auch
dieses Zittern
Deiner allertiefsten Sehnsucht?
Horch – spür es
mit jeder Faser Deines Wesens
Dann schwingst Du plötzlich
in Deiner maßlosen Sehnsucht
durch Schluchten und Täler
ins Weite
Hauchst in nie geahnter Hoffnung
Deine Knospen in die Blüte hinaus
Dein Herz glaubt Ihn da – vor Dir
seufzend – aber voll wärmendem Vertrauen
das Dein zitterndes Ich ruhig horchen lässt
auf den Atem des Erbarmers
der Deine Sehnsucht kennt
Die Liebe drängt sie, zum ewigen Leben voranzuschreiten.
RB 5,10
Herausgerufen
Nicht im Sturm
nicht im Erdbeben
nein – nicht da
Wenn das Denken ruht
ruft Dich schweigend
ein sanftes Säuseln
aus der Höhle ins Freie.
Komm Du heraus –
ja, Du!
Glaub Ihn da
da – für Dich
Deine Erinnerungen fliegen aus
Hoffnung geleitet sie
in den Schoß des Erbarmers
Er, der Dich liebt wie sich selbst,
hebt Dich an seine Wangen.
Und wie eine lodernde Flamme
grüßt Ihn Dein hoffendes Ja
Dann wieder die endlose, schweigende Wüste.
Geh hinein – nur Mut!
Dein Wollen wird weit – unendlich weit
DU LIEBST ALLES IN DEN LIEBENDEN HINEIN
Benedikts Berufungspastoral: »Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht? Wenn du das hörst und antwortest ›Ich!‹, dann sagt Gott zu dir: ›Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach!‹«8
Es lohnt sich, wenn Du das Leben liebst! In diesem kurzen Dialog sieht Benedikt den ersten Schritt auf die Verwirklichung einer Berufung hin, und sei es die »allgemeine« Berufung zum Christsein. Eigentlich sind die Weisungen, die er gibt, fast mehr »Symptom« als Bedingung für dieses neue, längst geschenkte Leben, wenngleich sie natürlich schon aktiv übernommen werden müssen. Wir sehen es hier wieder: Im Grunde müssen wir »nur« einschwingen, dann läuft es, denn wir sind im Wirkungsbereich einer großen lebendigen Dynamik, die wir Christen »Gnade« nennen. Bedingung ist lediglich die Bereitschaft, den Tanzschritt zu lernen und zu üben. Die Musik läuft längst. Die Gnade sprudelt.
Das Gedicht oben meditiert die biblische Frage nach dem Menschen, der das Leben liebt, die Benedikt aufgreift, beziehungsweise die Antwort: Ich! Die kann nur jemand sagen, dem zuvor geschenkt wurde, ein Du zu sein, zu dem ein anderes Ich also bereits Du gesagt hat. Das Gedicht spielt ebenso auf die Gotteserfahrung des Elija an. Elija erfuhr Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer – also nicht im Spektakulären, Starken, Vernichtenden –, sondern im sanften Säuseln, das ihn aus seiner Höhle lockte.9 Unsere tiefste Sehnsucht ist ein solches »sanftes Säuseln«. Wie sie sich auch immer zeigt – was aus der Tiefe pulsiert, ist immer Sehnsucht nach mehr Leben, Ur-Sehnsucht danach, aus der Lebensfülle heraus Gott loben zu können, selbst wenn uns dies nicht bewusst ist. Denn ohne ein verlässliches, ewiges DU, dem wir sie verdanken können, wäre die Fülle nichts als stehendes Gewässer, das langsam fault, oder wie eine Art Supernova10, bei der ein hell aufleuchtender Stern unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammenfällt und zu einem »Schwarzen Loch« wird, das alles in sich hineinreißt und verschluckt.
Das sanfte Säuseln »ruft schweigend«. Je tiefer unsere Sehnsucht, umso wortkarger ist sie. Ja, es gibt eine Tiefe, die keine Worte mehr kennt, sondern eher ein »Ur-Seufzen« ist, das der hl. Paulus dem Heiligen Geist zuschreibt.11 Es ist in der Tat Gottes Geist, der dieses Ur-Seufzen, dieses existenzielle Verlangen nach Leben, nach Liebe, nach … – wenn wir’s wüssten! – freisetzt, ja fast könnte man sagen, selber ist: ein schweigender Ruf. Und dann vernehmen wir es: Jemand sagt »Du«. Ja, DU! Jemand hat es gesagt, weil unsere Sehnsucht bereits darauf antwortet. Wo sich Grashalme bewegen, da ist Wind …
Nein, ich meine keine akustisch hörbaren Worte. Es ist viel mehr: ein Hören im Glauben, ganz substanziell und so real wie der Urschrei eines neugeborenen Kindes, das von seinem eigenen Schrei in den Rhythmus des Atmens geführt wird, in den Luftraum, der diesen Menschen bereits erwartet hat und ihn nun sein Leben lang ständig aufnehmen und begleiten wird. Wir werden im Geist neu geboren. Jemand sagt DU, es dringt bis zum Ohr Deines Herzens – und das Leben blüht! Deine Augen beginnen zu leuchten, alles in Dir entspannt sich. Aber Du bist nicht gezwungen, herauszukommen aus der Höhle Deiner selbstgestrickten Scheinwelt. Du bist eingeladen, da herauszukommen. Das unterscheidet Dich vom neugeborenen Kind.
»Glaub Ihn da – da für Dich.« Der Rest geht fast von alleine. Das Herz löst sich und alles Alte, Belastende strömt in die heilende Beziehungsdynamik, gelangt »in den Schoß des Erbarmers«, zu Gott, der Mitleid mit Dir hat, der Dich versteht wie sonst niemand und Dich heilen möchte – auch wenn es Zeit braucht.
Diese Begegnung mit Gott kann sich zu einem sehr bewegenden Höhepunkt verdichten. Das Herz, die Mitte unseres Wesens, atmet auf, beginnt zu brennen und grüßt lebhaft seinen Schöpfer und Erlöser. Glücklich, wem diese Erfahrung geschenkt wird. Wir können sie nicht »machen« und noch weniger festhalten. Sie wird uns zu ihrer Zeit geschenkt – und dem bewussten Erfühlen wieder genommen. Dann ist Bewährung dran, sie muss sich im Alltag als wahr erweisen und das alltägliche Beziehungsgeflecht durchdringen.
Machen wir uns nichts vor: Der Kontrast zum Alltag, wie er uns in seinen komplizierten Gef(l)echten nun einmal oft entgegenschlägt, kann heftig sein. Einladung zum Tanz? Ja, aber es ist oft ein Tanz in der Wüste; eine Wüste, die für viele Menschen aus täglich zermürbendem Verkehrsstau, zügigen Haltestellen unter der Dunst- und Lärmglocke einer Großstadt, chronisch überfüllten Bussen, farbarmen Räumen im kalten Neonlicht, toten Blicken aus übermüdeten Gesichtern, bedrückenden Ungewissheiten und Enttäuschungen sowie vielen kleinen zersetzenden Machtkämpfen und Revierabsteckungen besteht. Ganz zu schweigen vom wirklich schweren Leid, das den Alltag der Kranken und Behinderten, der Einsamen und Verzweifelten, der Gefangenen, Hungernden, Obdachlosen und vieler anderer prägt. Alle erleben die Wüste auf ihre Weise.
In der je eigenen Öde, sofern wir sie erleben, müssen wir unseren Tanzschritt üben. Es kann gelingen, wenn wir Fixierungen loslassen. »Dein Wollen wird weit, unendlich weit.« Es geht nicht darum, unseren Willen zu brechen und andere über uns herrschen zu lassen. Es geht darum, Fixierungen aufzugeben – wir brauchen sie nicht mehr –, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, unser konkretes Wollen in Einklang mit unserer tiefen Sehnsucht und in einem gewissen Maß mit der unseres Nächsten zu bringen – aber mit der tieferen, ihm selbst oft nicht bewussten. Mag sein, dass wir dann das eine oder andere Schnäppchen beim Shopping verpassen, weil wir uns aufhalten ließen, aber wir nehmen die unsichtbare Träne im stumpf gewordenen Blick unseres Gegenübers wahr und erkennen möglicherweise wichtige Schritte, die zu tun sind.
Wenn unser Wollen »weit« wird, können wir durchaus noch konkrete Einzelheiten erstreben, die uns wichtig sind – müssen es oft. Aber alles ist integriert in die größere Dynamik. »Hineingeliebt« in die Beziehung zum Liebenden schlechthin, zum Urheber des Lebens und – wie auch immer – in den Dienst am Nächsten.
Zweiter Teil
Aufstieg durch Abstieg
Demut ist Wahrheit. Teresa von Ávila
Lebenshauch
Ich weiß nicht,
was geschieht,
wenn etwas in mir hart wird,
was nicht hart werden darf.
Es soll ja schwingen!
Wenn eine Barriere mich plötzlich
vom Strom des Lebens abschneidet,
wenn mein dürstendes Herz
ständig gegen zwei Felsbrocken rennt.
Ich will doch trinken!
Herr, hauche mich an,
dass ich Dich wieder sehe
und das Korn auf den Feldern wieder rauscht,
das Wasser leise murmelt
und die Wüste erblüht.
Schön wär’s, wenn das Leben eine glatte Tanzfläche wäre, auf der wir uns unbekümmert der Musik und dem Tanz überlassen könnten. Aber das Leben gleicht eher einem Ozean, manchmal einer öden Wüste. Tanzen Sie mal auf einem schwankenden Schiff! Oder meinetwegen auf weichen Sanddünen! Immerhin – unser Gehirn wird dabei optimal gefördert.
Wir sind im Leben von Rhythmen und Bewegungen geprägt, die wir nicht beeinflussen können, die uns aber mitunter zusetzen. Es sind biologische Rhythmen unseres Körpers, Unberechenbarkeiten der Natur oder von Ereignissen, Rhythmen der Geschichte, Verhalten anderer Menschen, unser eigenes Stoßen an Grenzen, Schuld und Versagen … Da kann plötzlich – manchmal langsam und unbemerkt – etwas in uns hart werden. Die Leichtigkeit, mit der wir uns ursprünglich Menschen und Aufgaben zuwandten, gerät ins Stocken, unsere Suche nach Liebe und Angenommensein wird frustriert, wir werden ständig auf uns selbst zurückgeschlagen. Das Leben wird schwer und eng, es scheint nicht weiterzugehen.
Doch wir können froh sein, wenn es uns dann möglich ist, uns an einen anderen zu wenden, nicht nur an einen Menschen, der uns gut versteht – das auch, wenn jemand da ist –, aber ich meine jetzt an den, der diesen Einflüssen nicht nur nicht ausgesetzt ist, sondern sie in uns und mit uns zusammen überwinden und zum Besten nutzen kann: an Gott. Es ist ein großes Geschenk seiner Gnade, wenn wir ihn schlicht bitten können, unsere Augen und Ohren wieder zu öffnen für die Schönheit seiner Schöpfung und des Weges, den er uns führt. So bitten – das kann letztlich nur ein demütiger Mensch. Nach Benedikts Ansicht wird der hart, der nicht »demütig« denkt, der meint, alles im Griff zu haben. Er ist von der Quelle, die er nicht zu brauchen meint, abgeschnitten, weil er nichts mit ihr zu tun haben will. Benedikt gebraucht dafür ein sprechendes Bild: »wie ein Kind, das die Mutter nicht mehr an die Brust nimmt«.12 Nicht, weil sie es nicht mehr liebt, sondern weil das Kind nicht trinken will.
Übrigens ist die Öffnung auf Gott hin, die Benedikt meint, so etwas wie ein Evolutionsvorteil – selbst wenn wir jetzt vorübergehend in manchem zu kurz zu kommen scheinen. Auch die Vögel kamen auf der Erde wohl irgendwann »zu kurz«, hielten Ausschau – und »entdeckten« an einem bestimmten Punkt der Evolution ihre Fähigkeit zum Fliegen, mit der sie nun anderen Tieren im wahrsten Sinne des Wortes weit überlegen waren. Das Zu-kurz-Kommen verwandelte sich in einen Vorteil, sobald sie die neue Dimension entdeckten, für die die anderen Tiere blind waren. Aber hier will ich eigentlich von einer Art von »Evolutionsvorteil« reden, der nicht darin besteht, andere zu überholen, sondern sie geheimnisvoll mitzunehmen, letztlich die ganze Schöpfung.
Ist das nicht ein Widerspruch in sich: ein Vorteil, der nicht darin besteht, zu überholen? Nur auf den ersten Blick. Natürlich befinden sich Vorteile per se auf der Überholspur; vielleicht nicht ständig, aber im entscheidenden Moment schon. Sie lassen etwas zurück, was eben im Nachteil ist. Aber hier geht es um etwas anderes: Es ist eine Art Quantensprung im Denken, Empfinden und Handeln. Die bisherigen Gesetze des »Überholens«, der »Ellbogenmentalität« oder – von der Verliererseite aus gesehen – des »Duckmäusertums«, die trotz 2000 Jahren Evangelium immer noch heidnisch tief im Geschöpf Mensch stecken, ja, gerade sie werden verlassen, überholt.
Das ist der Vorteil: Wir überholen die alten Gesetze des Im-Vorteil-sein-Wollens, des Mehr-und-besser-sein-Wollens als unsere Mitmenschen, des Höher-hinauf-Wollens – bzw. des Duckens, das ist die Kehrseite der gleichen Medaille –, den alten Menschen in uns also, der nur nach diesen Gesetzen lebte bzw. mit sich leben ließ, oft kaltblütig auf Kosten anderer oder aber, in der anderen Variante, sich selbst aufgebend. Wir lassen diese »Gesetze« nicht apathisch fallen, wir überholen sie! Wir bewegen uns auf eine neue Ebene unseres Menschseins zu, auf der ein neues Gesetz gilt! »Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander, wie ich euch geliebt.«13 Doch unsere Mitmenschen lassen wir nicht zurück, wir nehmen sie bei diesem ganz neuen »Überholmanöver« mit, denn es besteht ja gerade darin, sie mitzunehmen und nicht zurückzulassen: in der konkreten Nächstenliebe, in der Bereitschaft, an ihrem Leben teilzunehmen, in der geheimnisvollen Dynamik des Gebets, ohne ihre Freiheit auch nur anzutasten. Und sogar alle unsere Mitgeschöpfe nehmen wir mit. Wie? Im Lob und Dank an Gott, im Wahrnehmen unserer Mitverantwortung für die Schöpfung. Das ist der Adel des Menschen.
Aber für dieses Überholmanöver – noch einmal: Es ist der alte Mensch in uns, den wir überholen, weil er tatsächlich überholt, erlöst ist – braucht es Mut. Die Öffnung auf Gott hin ist ein Sprung ins Vertrauen. Und es braucht Zeit. Es ist ein Weg, dessen Stationen uns Benedikt im siebten Kapitel seiner Regel vorstellt. Das ist natürlich für Mönche geschrieben. Aber was da eigentlich geschieht, das betrifft jeden Menschen, der sich tiefer auf Gott einlässt.
Und irgendwann erblüht die Düne, auf der wir tanzen, und ihr Blühen breitet sich aus … Wer es fassen kann, der fasse es!
Jetzt
Glaub Ihn da – da für Dich
Glaub Ihm Seine Liebe zu Dir,
jetzt – ja, jetzt!
Glaub Dich in Seinen Atem hinein
Glaub Ihn in Dein Herz hinein
Es gibt keine alte Liebe
Heute spricht Er zu Dir:
Du bist mein geliebtes Kind an Dir habe ich mein Gefallen
Sein Antlitz ruht auf Dir
im Ewigen Jetzt
Dieses Gedicht meditiert, wie das vorhergehende, das 7. Kapitel der Regel Benedikts, das Demutskapitel, das zu den zentralsten der ganzen Regel gehört. Benedikt beschreibt den Weg zu Gott mit einem seltsam paradoxen Bild: mit einer Leiter, auf der man hinaufkommt, indem man ausgerechnet herabsteigt. Das Bild provoziert. Es geht nicht um Durchsetzungskraft und Cleverness auf dem Weg zu Gott, nicht um das Überholen anderer, auch nicht um ein »heiliges« Überholen. Es geht um die Bereitschaft zur Wahrheit, die die Liebe freisetzt – im Angesicht der ewigen Liebe Gottes. Mit dem Herabsteigen meint er das Herabsteigen in die eigene Wirklichkeit hinein, in der uns Gott erwartet – das ist unser »heiliger Boden«, auf dem wir mit nackten Füßen stehen lernen – und wir in der Begegnung mit Gott und miteinander zum Höhepunkt unserer Existenz finden. Warum aber herabsteigen? Es ist ein Bild, aber, wie ich meine, ein sinnvolles. Denn meistens leben wir nicht auf dem Boden der Wirklichkeit, sondern in einer Sphäre aus Illusionen und Vorspiegelungen, manchmal auch aus übersteigerten Idealen, die sich in unserem Kopf festgesetzt haben. Von dieser Sprosse im Kopf steigen wir herunter ins Herz, in den Grund unseres Wesens. Sicher, es gibt Menschen, die den Kopf in den Sand stecken und stumpf wie ein Maulwurf ihr Dasein fristen. Diese würde man lieber zum Heraufsteigen in die eigene Wirklichkeit einladen. Aber auch sie leben ja in einer Illusion, in die sie sich hinein-gesteigert haben – und wenn es die übernommene »Illusion« ist: Ich bin nichts wert. Auch sie müssen von der Sprosse im Kopf, an der sich die fixe Idee der angeblichen Wertlosigkeit festgemacht hat, zu sich selbst herabsteigen, in ihr Herz, wo die Quelle zu finden ist – das wäre Demut –, um von dort aus zu wachsen und verwirklichen zu können, was in ihnen steckt.
Benedikt beschreibt auf den verschiedenen »Stufen« der Leiter ein wenig von dem, was der Mönch, der Mensch, auf diesem Weg in die Wahrheit so erlebt, wobei die »Stufen« aber nicht chronologisch zu verstehen sind. Es sind Bilder, wie wir sie in zahlreichen Variationen von vielen geistlichen Schriftstellern kennen, um den inneren Prozess zu umschreiben. Die Holme der Leiter sind Leib und Seele, sagt Benedikt. Und was gibt den Holmen Halt? Zwei ganz entscheidende Sätze tauchen irgendwo mittendrin im Text auf, die nach meiner Ansicht und Erfahrung der »Leiter« ihre Stabilität geben. Der eine: »Alles überwinden wir durch den, er uns geliebt hat.«14 Der andere: »Wie ein Lasttier bin ich vor Dir und bin doch immer bei Dir.«15 Sie sprechen von der Ur-Beziehung, die uns trägt: vom Geliebt-Werden und Lieben; vom Gerufen-Werden und Antworten; vom Geborgensein im vorbehaltlosen Wohlwollen Gottes. Ohne diese beiden Gewissheiten oder Zusagen Gottes, an die wir glauben dürfen, wäre der Ab-Auf-stieg eine wackelige Angelegenheit …
Die Beschreibungen des Weges, die Benedikt gibt, sind nicht so sehr als Anweisungen gedacht, sondern sie wollen diejenigen, die sich auf den Weg einlassen, orientieren, ermutigen und vorbereiten auf das, was ihnen begegnen kann, bis das Herz weit geworden und von der Liebe des Heiligen Geistes erfüllt ist.
Die wichtigste ist die ›erste Stufe der Demut‹, der Ausgangspunkt. Ihr widmet er die meiste Aufmerksamkeit, sie gibt sozusagen den Takt an für den ganzen Weg. Durch manche für uns heute etwas befremdlichen Ausdrücke hindurch klingt da eine ganz einfache Botschaft an das Ohr unseres Herzens: ICH BIN DA. Es klingt im Raum unsres Herzens die Zusage einer sich nie entziehenden Präsenz, selbst wenn wir oft bestenfalls nur ein Echo davon wahrnehmen. Dem Bibelkundigen mag die Erzählung von der Begegnung des Mose mit Gott, dem ICH-BIN-DA, am brennenden Dornbusch einfallen.16 Diese Zusage Gottes: ICH BIN DA – für Dich, und ich befreie Dich, sie gilt auch uns, in jedem Augenblick, bis zum letzten Atemzug. Sie brennt und verbrennt doch nicht.
Aber Gott ist nicht irgendwie da als ein »höheres Wesen«, das in einer Art Wolke distanziert über uns schwebt – nein, für Dich, um Dich zu befreien! Er ist da in Deinem ganz konkreten Leben, im Denken, im Wollen und sogar in den Begierden des Fleisches, wagt Benedikt zu behaupten. Er ist da als der gütige Vater, als der Mensch gewordene Gott, als der Heilige Geist, der uns durch alle Regungen hindurch auf unsere tieferen Quellen stoßen und uns immer mehr in die Wahrheit führen will – in die ungeschminkte Wirklichkeit unseres Lebens, die sich auf dem »heiligen Boden« der Wahrheit seiner bedingungslosen Liebe abspielt. Das ist die wunderbare Botschaft. So werden wir zur Freiheit der Liebe neu geboren, zur Freundschaft mit ihm, zu einem neuen Miteinander, zum Leben in Fülle.
Doch Benedikt drückt sich hier eigentlich nicht nur positiv aus. Ich erwähnte bereits die für uns heute befremdlichen Ausdrücke. Er spricht von der Gegenwart Gottes auch in einer leicht Furcht einflößenden Art, zum Beispiel in dem Satz: »Der Mensch erwäge: Gott blickt vom Himmel zu jeder Stunde auf ihn und sieht an jedem Ort sein Tun; die Engel berichten ihm jederzeit davon.«17 Die Älteren unter uns erinnern sich möglicherweise gleich an den Spruch, der vielen in der Kindheit Angst machte: »Es gibt ein Aug’, das alles sieht, wenn’s auch in dunkler Nacht geschieht.« Man könnte dies als zeitbedingt abtun, und solche Sätze sind ja tatsächlich missbraucht worden, um Kinder stillzuhalten. Ist es aber wirklich nur zeitbedingt, wenn Benedikt an dieser Stelle dies und anderes schwer Verdauliche schreibt, zum Beispiel über die Furcht vor der Hölle als mögliche, von ihm offensichtlich akzeptierte Motivation für die Gottsuche – neben der Sehnsucht nach dem ewigen Leben? Am Ende des Kapitels spricht er doch ganz anders! Da wird die »vollendete Gottesliebe« die Furcht vertrieben haben, wie er ausdrücklich sagt.18 Dann wird das Denken an Lohn und Strafe keine Rolle mehr spielen.
Es scheint für Benedikt kein Problem zu sein, dass am Anfang des Weges tatsächlich die Furcht bewusst oder unbewusst stärker im Vordergrund steht. Das hat zum Teil damit zu tun, wie wir als Kinder Autoritäten oder auch die Zusammenhänge zwischen Tun und Ergehen erlebt haben. Dieses Erleben werden wir zunächst ganz natürlich auf Gott und den Weg mit ihm übertragen. Benedikt hält es nicht für nötig, davor zu »warnen«, obwohl ihm Gott doch längst ganz anders begegnet ist und sein Herz geweitet hat, wie er es im Schluss des Kapitels erahnen lässt. Er lehnt es ab, hier sein eigenes »befreiendes« Gottesbild als Modell anzupreisen, vielmehr lädt er zu einem Prozess der Befreiung ein, zu einem Weg der Freundschaft mit dem lebendigen Gott. Es ist ein Weg mit einem Ausgang, den er sehr ernst nimmt, und einem Ziel, auf das er Lust weckt. Benedikt traut den Gottsuchern diesen Weg zu. Sie werden mit der Zeit Gott schon selber immer mehr kennenlernen als den, der er ist. Das Evangelium haben sie ja.
Die Motivation für den Weg ist Benedikt also zunächst relativ zweitrangig. Er scheint sagen zu wollen: Fangt doch einfach mal an mit der Motivation, die euch jetzt möglich ist! Nehmt das Ziel in den Blick und lauft los! Die Motivation des Anfangs ist nun einmal eine gewisse Fokussierung auf das, was wir erreichen wollen, heute nicht so sehr als Lohn und Strafe vorgestellt, sondern eher mit der unpersönlicheren Frage ausgedrückt: Was habe ich davon, wenn ich so lebe? Was entgeht mir, wenn ich nicht so lebe? Das sind typische Anfängerfragen, denen möglicherweise noch eine gewisse Furcht zugrunde liegt. Aber sie sind deswegen nicht falsch, sie gehören eben auch zur Wirklichkeit. Und sie drücken ganz richtig aus: Ich bin für mein Leben verantwortlich. Wichtig ist nur, dass der Anfänger glaubt: Gott ist immer bei mir, ihn wirklich sucht und sich seiner Führung anvertraut. Mehr erwartet Benedikt hier nicht.
Wer von uns sich näher auf Gott eingelassen hat und ehrlich genug ist, wird es bestätigen: Es gab anfangs und vielleicht zwischendurch immer wieder Phasen, in denen eine gewisse Furcht im Vordergrund stand. Sie zeigte sich möglicherweise in einem übertriebenen Leistungsdenken, in einer übermäßigen Sorge um das rechte Glaubensverständnis, in einem erbitterten Sich-Versteifen auf bestimmte Aspekte des christlich-monastischen Lebens, Meditationsmethoden, »Gurus« und Orte oder aber in einem häufigen Ausweichen vor Gott, vor dem Gebet. Ich glaube nicht, dass wir uns heute weniger fürchten als die Menschen damals. Nur ist unsere Furcht subtiler und erfolgreicher verdrängt. Verrät möglicherweise nicht gerade die weitver-breitete Gleichgültigkeit und Beziehungslosigkeit Gott gegenüber, den wir nicht kontrollieren können und daher lieber totschweigen, die verdrängte Angst des aufgeklärten Menschen vor dem Ganz-Anderen? Die stille Angst vor dem Tod aber bleibt und stellt die »Gottesfurcht« der antiken Menschen womöglich in den Schatten …
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