Kitabı oku: «Das Unsichtbare sichtbar machen», sayfa 2

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Immer wieder aufstehen

Eines will sie ihrem Sohn deswegen auf jeden Fall mitgeben: „Diabetes ist eine große Herausforderung, denn unser Körper ist sehr komplex. Wir können nur jeden Tag immer wieder unser Bestes geben. Es wird nicht immer reichen, manche Tage werden trotzdem nicht gut laufen. Dann ist es wichtig, dass wir gut zu uns sind, Pausen machen, wenn wir sie brauchen, uns einfach mal mit einem Tee unter einer dicken Decke auf dem Sofa einkuscheln, unseren Frust rauslassen, wenn wir wütend sind – und sei es, ein altes Messgerät gegen die Wand zu werfen. Und dann wieder aufstehen, weitermachen und wieder unser Bestes geben. Mehr kann niemand verlangen, auch wir selbst nicht.“

Chris
» Dem Diabetes zum Trotz: auf die schönen Dinge im Leben schauen. «


Chris ist 30 Jahre alt, frisch gebackener Diabetiker und steckt mitten in der Ausbildung zum Erzieher. Zusammen mit seiner Frau kümmert er sich um ihren gemeinsamen sieben Monate alten Sohn.

Eine neue Diagnose weckt alte Erinnerungen

Die Diagnose Diabetes ist für Chris noch ganz neu: Er hat erst gut einen Monat vor unseren Gesprächen erfahren, dass er selbst Typ-1-Diabetes hat. Die Erkrankung kannten er und seine Familie aber schon von seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, der im Alter von 20 Jahren im Koma gestorben ist. Chris erzählt: „Mein Bruder kam nie richtig mit seinem Diabetes zurecht, er hat oft einfach nicht gespritzt und musste immer wieder ins Krankenhaus. Es war für uns alle schlimm, nur danebenstehen und zusehen zu können. Als mein Bruder 20 war, ist es dann passiert. Wir waren alle zu Hause, ich habe in meinem Zimmer Videospiele gespielt. Plötzlich habe ich meinen Vater schreien gehört. Ich bin sofort zu meinem Bruder ins Zimmer gelaufen und da lag er ganz bleich und still im Bett. Das war ein riesiger Schock für uns alle.“ Auch wenn das nun fast zehn Jahre her ist, hat Chris es als eine der größten Herausforderungen erlebt, seiner Mutter von seiner eigenen Diabetesdiagnose zu erzählen: „Das war ein schwerer Schlag für sie und hat all die Erinnerungen an meinen kleinen Bruder wieder aufgewühlt. Aber sie weiß, dass ich gut auf mich aufpasse und alles tun werde, was ich kann, damit mir nichts passiert.“


» Mein Sohn macht mich zu einem besseren Menschen. Ich will für ihn ein Vorbild sein, auf das er stolz sein kann. «

Ganz schön viel Neues auf einmal

Deswegen lernt Chris jetzt alles, was er als Typ-1-Diabetes-Neuling über seinen Körper wissen sollte: messen und spritzen, Kohlenhydrate berechnen, Faktoren anpassen – und entscheiden, wie viel er essen muss, wenn der Zucker zu tief, wie viel er spritzen muss, wenn der Zucker zu hoch ist. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus wird seine Einstellung im Moment ambulant angepasst. „Ich habe einen genauen Plan: Abends um neun spritze ich mein Langzeitinsulin, morgens immer sechs Einheiten fürs Frühstück. Da versuche ich, immer das Gleiche zu essen. Mittags und abends esse ich, was ich will, berechne die Kohlenhydrate und spritze dann dafür. Im Moment soll ich eine Einheit für 10 g Kohlenhydrate spritzen. Wenn ich also eine Portion Nudeln mit 90 g Kohlenhydraten esse, brauche ich neun Einheiten. Manchmal esse ich nur eine Scheibe Brot, dann brauche ich nur zwei Einheiten.“ Bei der Berechnung hält er sich an seine Kohlenhydratliste aus dem Krankenhaus und eine App, in der er viele Lebensmittel findet. „Noch toller wäre, wenn ich einfach meinen Teller fotografieren könnte und die App mir dann sagt, wie viele Kohlenhydrate drauf sind“, meint Chris. „Aber das kommt bestimmt in der Zukunft irgendwann, hoffentlich bald.“

Regelmäßige Termine in der Ambulanz

Noch läuft natürlich nicht alles ganz rund und Chris geht alle zwei Wochen mit seinem Blutzuckertagebuch in die Ambulanz, um eine Therapieanpassung zu besprechen. „Gestern Abend zum Beispiel war ich drei Stunden nach dem Abendessen bei 70 mg/dl (3,9 mmol/l) und habe mich ein bisschen zittrig gefühlt. Also habe ich einen Schokoriegel gegessen und war dann später wieder auf 150 mg/dl (8,3 mmol/l). Ich glaube, da bräuchte ich eigentlich weniger Insulin.“ Gerade sind all die neuen Informationen und Veränderungen eben noch ganz schön viel. Um das Basalinsulin abends nicht zu vergessen, stellt Chris sich einen Wecker, oft erinnert ihn auch seine Frau daran. Er versucht auch, weniger oder gar keinen Zucker zu essen – die zwei Würfelzucker im Tee hat er schon gegen Süßstoff ausgetauscht. Und er trinkt weniger Alkohol, vor allem weniger Bier und Cider, auch wenn ihm das fehlt.

„Mein Kind macht mich zu einem besseren Menschen“

Vater zu werden, hat für ihn alles verändert, sagt Chris, schon bevor die Diagnose Diabetes kam: „Mein Sohn macht mich zu einem besseren Menschen. Ich will für ihn ein Vorbild sein, auf das er stolz sein kann. Ich will ihm zeigen, dass er mit harter Arbeit viel erreichen kann und dass man sich Ziele setzen und die dann auch verfolgen sollte. Natürlich mache ich mir jetzt Sorgen um meine und auch seine Gesundheit. Darüber, ob ich Spätfolgen bekomme, vielleicht blind werde, ein Bein verliere oder sogar im Schlaf sterbe wie mein Bruder. Aber im Alltag komme ich eigentlich gut klar, und für mich ist das Glas immer eher halb voll als halb leer. Sollte er irgendwann auch Diabetes bekommen, dann kann ich ihn immerhin super unterstützen. Ich will mich auf die guten Dinge in meinem Leben konzentrieren und das Beste daraus machen.“

Mit Hoffnung in die Zukunft

Deswegen macht Chris jetzt eine Ausbildung zum Erzieher – mit Kindern zu arbeiten macht ihm Spaß, und er findet es spannend, bei seinem kleinen Sohn in Echtzeit die Entwicklungen zu beobachten, von denen in seinen Lehrbüchern die Rede ist. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie und abends spielt er gerne mit Freunden im Pub Darts und Pool. Und wenn ihm das Jonglieren mit Kohlenhydraten und Korrekturfaktoren in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann hätte Chris gerne irgendwann eine Insulinpumpe und einen Sensor, denn: „Das wäre schon praktisch, mich nicht immer stechen und spritzen zu müssen, mit einer Pumpe wäre ich viel flexibler. Aber eines nach dem anderen. Erst mal müssen meine Faktoren stimmen und ich muss die Grundlagen verstehen.“

Connor
» Insulin, Sport und Essen sind meine Medizin. «


Connor ist ein 23 Jahre junger Architekt aus Ayre und arbeitet in Glasgow. Diabetes hat er seit seinem elften Lebensjahr. Drei Jahre später bekam er als einer der ersten in seiner Region eine Insulinpumpe. Heute genießt er die Freiheit, die ihm Pumpe und Sensor ermöglichen. Er treibt viel Sport und achtet mittlerweile auch intensiv auf seine Ernährung. Vor allem die Kohlenhydrate hat er dabei im Blick.

Ungewollter Abnehm-„Erfolg“

Der Weg zur Diagnose für Connor war lang: „Damals bin ich mit meiner Mutter immer zu wöchentlichen Abnehm-Treffen gegangen und habe mich zum Spaß auch jede Woche gewogen. Ich war der erfolgreichste Abnehmer der Gruppe, ohne irgendwas dafür zu tun.“ Statt den unerwarteten Erfolg genießen zu können, fühlte sich Connor aber dabei vor allem erschöpft, abgeschlagen und schrecklich durstig.

„An dem Wochenende vor meiner Diagnose war ich dann mit einer Gruppe von der Schule in den Bergen: campen und wandern. In der Nacht bin ich plötzlich aufgewacht und war so durstig, dass ich einen ganzen Liter Saft heruntergekippt habe. Danach bin ich aufgestanden. Ich habe den nächsten Bach gesucht und aus dem Bachlauf getrunken. Am nächsten Tag habe ich dann alle ständig um ihr Wasser angebettelt, weil ich so einen Durst hatte. Keine Ahnung, wie ich diese Wanderung dann überhaupt noch geschafft habe.“


» Ich habe anfangs gar nicht begriffen, dass Diabetes bleibt. «

„Ich dachte, ich könnte mich selbst heilen“

Nach dem Wochenende brachte Connors Mutter ihn zum Arzt. Dieser schickte den Jungen wieder nach Hause, das sei nur eine Migräne. Nach einigen Tagen der zweite Arztbesuch, dieses Mal mit Blutzuckermessung – und schon fand sich Connor im Krankenhaus wieder, wo er messen und spritzen lernte. „Einige Tage vor meiner Entlassung haben sie mir dann Pen und Messgerät in die Hand gedrückt, damit ich das selbst mache. Ich habe anfangs gar nicht begriffen, dass Diabetes bleibt. Ich war davon überzeugt, mich selbst heilen zu können, wenn ich nur gesund esse, mich bewege und mich insgesamt so gesund wie möglich verhalte.“ So einfach war es aber nicht, und so musste Connor irgendwie in der Schule und im Rest seines Alltags damit umgehen, zu bestimmten Zeiten zu messen, zu essen oder zu spritzen. Gerade in der Schule fiel ihm das schwer: „Ich war sehr schüchtern und die Lehrer in meiner Schule waren ganz schön streng. Wenn man im Unterricht beim Essen oder Kaugummikauen erwischt wurde, wurde man vor die Tür geschickt. Also habe ich, wenn meine Werte zu tief waren, immer versucht, heimlich Traubenzucker zu essen. Und wenn ich vergessen hatte, in der Pause zu spritzen, dann habe ich lieber zu hohe Werte in Kauf genommen, als etwas zu sagen oder aufzufallen.“

Diabetes trifft auf Alkohol

Als Jugendlicher wollte Connor einfach normal sein und dazugehören. Alkohol spielte dabei wie bei vielen seiner Altersgenossen eine große Rolle. „Das ging nicht lange gut, ich bin zweimal mit einer Ketoazidose im Krankenhaus gelandet. Heute versuche ich, möglichst gar nichts Alkoholisches zu trinken.“ Ab und an ein oder zwei Gläser sind kein Problem, aber mehr kann gefährlich werden, egal in welchem Alter: „Vor ein paar Monaten hat meine Freundin mir vermutlich das Leben gerettet: Ich war abends mit Freunden unterwegs und habe doch mehr getrunken als normalerweise. Nachts hat sie dann gemerkt, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Sie hat meinen Zucker gemessen – 30 mg/dl! (1,7 mmol/l) – und mich dann wachgerüttelt, um mir Essen geben zu können. Das war verdammt knapp!“

Selbsthilfe wirkt: „Merken, dass meine Probleme nicht nur meine sind“

Die Unterstützung durch seine Freundin und auch seine Familie, insbesondere seine Mutter, sind wichtige Säulen in Connors Leben mit Diabetes: „Meine Mutter ist der Wahnsinn. Nach meiner Diagnose hat sie sich sofort eingelesen und dann sogar eine Selbsthilfegruppe für Kinder und deren Familien gegründet. Da helfe ich heute noch gelegentlich aus. Erst vor Kurzem hat sie die Leitung der Gruppe an die nächste Generation abgegeben.“ Den Austausch mit anderen Menschen mit Diabetes findet Connor enorm wichtig, denn: „Meine Freundin oder meine Mutter können schon viel verstehen und sich vorstellen, aber wenn ich mit anderen Diabetikern rede, merke ich, dass all meine Probleme auch ihre Probleme sind – und das ist extrem beruhigend.“

Meditation und Sport

Anstrengungen und Herausforderungen gibt es im Alltag mit Diabetes viele, sei es die Hypo während einer Besprechung auf der Arbeit oder die nächtliche Unterzuckerung, nach der man sich am nächsten Tag fühlt, als hätte man einen Kater. Ganz zu schweigen von der Gegenregulation und der Schaukel aus Unterzucker – den Kühlschrank plündern – Überzucker – Überkorrektur – Unterzucker usw. Das schlägt auf Dauer aufs Gemüt, vor allem weil der Diabetes-Stress zu dem Druck hinzukommt, den auch Menschen ohne Diabetes erleben. Im vierten Studienjahr wurde das dann für Connor alles zu viel: „Da war ich physisch und psychisch ganz schön angeschlagen. Ich war gestresst, habe ungesund gegessen, wenig Sport gemacht. Ein Teufelskreis. Was mich gerettet hat, war ein Kurs zu Achtsamkeit und Meditation. Seitdem meditiere ich jeden Tag zweimal und mache mindestens dreimal pro Woche Sport, und es geht mir viel besser. Dieser Ausgleich hilft mir dabei, mit dem Stress im Alltag und mit meinem Diabetes gelassener umzugehen. Aber natürlich ist das ein zerbrechlicher Zustand: Es braucht nur zwei, drei Unterzuckerungen und ich muss wieder von vorne anfangen.“

Ernährung als Teil der Therapie

Vor einem halben Jahr hat Connor noch einen großen Helfer im Diabetesmanagement für sich entdeckt – die Ernährung. „Ich höre viele Podcasts und bin auf einen gestoßen, wo jemand mit Diabetes von seinen Erfahrungen mit der ketogenen Ernährung erzählt, also Essen (fast) ohne Kohlenhydrate. Das fand ich spannend und wollte es ausprobieren, denn weniger Kohlenhydrate heißt für mich auch weniger Insulin und stabilere Werte. Seitdem ich das mache, kann ich viel flexibler Sport treiben und das über die Basalrate steuern, statt vorher essen zu müssen. Mein Zucker bleibt stabil, auch über Nacht. Und ich habe jetzt keine Angst mehr vor einer Unterzuckerung. Denn wenn ich jetzt unterzuckere, dann relativ langsam, sodass ich erstens genug Zeit habe, zu reagieren, und zweitens meistens schon drei Gummibärchen reichen, um das wieder aufzufangen.“ Seine Freundin findet, er übertreibe es im positiven Sinne manchmal ein bisschen. Aber Connor sagt: „Mein Onkel hatte auch Diabetes und hat einen Fuß verloren. Ich will nicht, dass mir das passiert. Außerdem: Ich fühle mich heute so gesund, fit und ausgeglichen wie noch nie in meinem Leben mit Diabetes und ich genieße das, was ich esse.“


» Sie hat meinen Zucker gemessen – 30 mg/dl! (1,7 mmol/l) – und mich dann wachgerüttelt, um mir Essen geben zu können. Das war verdammt knapp. «

Neue Freiheiten dank stabiler Zuckerverläufe

Die Ernährungsumstellung und der stabilere Zuckerverlauf haben ihm auch neue Reise-Optionen eröffnet: „Früher habe ich immer sofort überlegt, wie die Gesundheitsversorgung in dem Land ist, in das ich reisen will. Wie weit weg ist das nächste Krankenhaus? Was, wenn ich plötzlich Hilfe brauche? Jetzt fühlt sich das Risiko viel kleiner an und ich freue mich auf Reisen auch in abgelegenere Gebiete.“

Bewusster Leben „Dank“ Diabetes

Auch wenn es schön wäre, mal einen Tag – oder den Rest des Lebens – frei zu haben von all den Gedankengängen und Entscheidungen, die er im Bezug auf seinen Diabetes ständig treffen muss, findet Connor: „Diabetes hat mich auch stark gemacht. Es erdet mich und erinnert mich, dass Gesundheit wichtiger ist als Geld. Außerdem lebe ich viel bewusster und gesünder, als ich es sonst tun würde. Das finde ich gut.“

Daisy
» Es ist okay, ‚Nein‘ zu sagen und langsam zu machen. «


Daisy ist Anfang 30, Lehrerin und Erlebnispädagogin aus Schottland – und sie hat seit zwölf Jahren Diabetes. Nach dem Schulabschluss ein Jahr nach Malaysia, dann auf ins Studium: Das war ihr Plan. Doch Daisys Körper hatte andere Vorstellungen. Gleich zu Beginn ihres ersten Studienjahres stellte die Diabetesdiagnose ihre Welt auf den Kopf.

Herausforderung für den Körper

„Die Zeit in Malaysia war wunderschön und aufregend. Eine neue Kultur und eine neue Sprache, die unglaubliche Landschaft, zum ersten Mal so weit von zu Hause weg. Irgendwann ging es mir aber körperlich immer schlechter und ich musste wegen akuter Nierenprobleme ins Krankenhaus.“ Zurück in Schottland nahm Daisy ihr Studium auf, doch ihr Körper spielte nicht mit. Sie war ständig müde und extrem durstig. Das schob sie erst auf die Umstellung und die Probleme mit der Niere. Auch ihr Hausarzt vermutete, ihr Körper müsse sich einfach erst wieder an das andere Klima gewöhnen.

» So, jetzt erklär‘ Daisy mal, wie das alles läuft. «
Sportprogramm soll helfen

Also beschloss Daisy, an ihrer Fitness zu arbeiten, und machte täglich zwei Stunden Sport. Trotzdem wurde es nicht besser: „Nachts habe ich mir einen Stuhl ins Bad gestellt und direkt aus dem Wasserhahn getrunken.“ Nach zwei Wochen ging sie zu einem anderen Hausarzt, der sie direkt zum Bluttest schickte. Daisy erinnert sich: „Eine Helferin testete meinen Blutzucker und stürzte aus dem Zimmer. Ich saß da, blätterte die Infobroschüren durch und wartete, dass irgendjemand mir sagt, was los ist. Als der Arzt mir wieder gegenübersaß, fragte er mich, ob ich wisse, was Diabetes sei. Ich hatte absolut keine Ahnung. Also brachten sie mich mit einem Zuckerwert von 612 mg/dl (34 mmol/l) mit Blaulicht ins Krankenhaus.“

„Erklär‘ Daisy mal, wie das alles läuft“

Dort bekam sie einen standardisierten Spritz-Ess-Plan, aber keine intensive Schulung. Aber eine Bekannte brachte gleich eine Freundin mit ins Krankenhaus, die auch Diabetes hatte, und sagte: „So, jetzt erklär‘ Daisy mal, wie das alles läuft.“ Das, so sagt Daisy, war im Rückblick ihre Rettung: „Lily ist selbst Ärztin und hat deswegen Wissen aus zwei Perspektiven. Als jemand, der damit lebt, und als Medizinerin. Das ist einfach unschlagbar.“ Während des Studiums wohnten die beiden sogar gemeinsam in einer WG: „So eine Diabetiker-WG ist schon lustig, überall Teststreifen und Traubenzucker. Aber Spaß beiseite, es war für mich extrem hilfreich, zu sehen, wie Lily mit ihrem Diabetes umgeht. Wie offen sie ist und wie sie sich Hilfe und Unterstützung einfordert, wenn sie sie braucht – und sich nicht von den schwierigen Tagen unterkriegen lässt.“

Den eigenen Körper akzeptieren

Für Daisy war vor allem das erste Jahr sehr schwer: „Ich habe lange gesagt ,Anscheinend habe ich Diabetes‘, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Gespritzt und gemessen habe ich nur gelegentlich und meinen Zucker ansonsten möglichst ignoriert. Nach einem Jahr ging es mir physisch und psychisch so schlecht, dass ich ein Urlaubssemester nehmen musste. Eine kognitive Verhaltenstherapie hat mir geholfen, mich selbst und meinen Körper besser zu verstehen und zu akzeptieren, dass es okay ist, um Hilfe zu bitten. Auch, dass es einfachere und schwierigere Tage gibt. Ich hatte ständig das Gefühl, zu versagen – gesellschaftlich ist Diabetes als „kein großes Ding“ markiert: Man muss halt messen, spritzen und sich ein bisschen zusammenreißen. So einfach ist das aber nicht! Diabetes ist eine große mentale Belastung. Das Anstrengendste daran ist, dass einfach alles den Zucker beeinflusst, nicht nur Essen und Insulin, sondern zum Beispiel auch Stress. Ich weiß noch, ich bin mit 120 mg/dl (6,7 mmol/l) in meine Abschlussprüfungen an der Uni gestartet und nach einer halben Stunde war ich allein durch die Aufregung bei 300 mg/dl (16,7 mmol/l).“

„Mein Zucker gehört mir“

Besonders nervig: Menschen, die fragen „Warum ist dein Zucker gerade zu hoch/zu tief?“, und meist genau dann, wenn die Hypo noch akut ist. Mit der nötigen Distanz kann sie das heute schon mit Humor nehmen: „Wenn ich zu tief bin, werde ich schrecklich streitsüchtig. Einmal hat meine Mutter mir Toast mit Honig gemacht und ich habe mich aufgeregt, weil ich den Toast zu kalt fand. Aber ich würde auch eine Diskussion vom Zaun brechen und argumentieren, dass Rot Blau ist, einfach, weil ich dann so drauf bin“, sagt Daisy lachend. Trotzdem, die Frage nach dem „Warum“ findet sie übergriffig, denn: „Wenn ich wüsste, woran es liegt, hätte ich es ja verhindern können. In der Situation selbst muss ich mich erst einmal darum kümmern, dass es mir wieder gut geht , da habe ich keine Zeit oder Energie, irgendwas zu erklären.“

Einfach mal normal sein

Sich über solche Erfahrungen austauschen zu können, keine Fragen beantworten zu müssen, keine schiefen Blicke zu bekommen, weil sie bestimmte Dinge isst oder nicht isst, also sich einfach ganz normal zu fühlen, schätzt Daisy sehr. Sowohl in der Diabetes-Online-Community auf Twitter als auch in Treffen mit anderen Menschen mit Diabetes im echten Leben – oder auch in ihrer Rolle als Betreuerin auf einer erlebnispädagogischen Freizeit für Kinder mit Diabetes.

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