Kitabı oku: «Nun muss ich Sie doch ansprechen»
Monika Stocker
Nun muss ich Sie doch ansprechen
Zürcher Stadtmeditationen
Mit einem Vorwort von Daniel Hell
TVZ
Theologischer Verlag Zürich
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.
Gedicht S. 103f.: Dorothee Sölle, Nachts um vier, aus: Dorothee Sölle, Verrückt nach Licht, Gedichte © Wolfgang Fietkau Verlag, Kleinmachnow
Umschlaggestaltung: Mario Moths, Marl
ISBN 978-3-290-17762-1 (Buch)
ISBN 978-3-290-17262-6 (E-Book)
© 2014 Theologischer Verlag Zürich
Alle Rechte vorbehalten
Inhalt
Cover
Titel
Inhalt
Vorwort
Ach, Herr Zwingli Austausch mit Denkmälern
Grüss Gott, Herr Zwingli
Guten Tag, Herr Escher
Grüss Gott, Herr Karl
Es rührt mich immer wieder, Herr Hans Heinrich
Ihr Kopf, werter Gottfried Keller, ist markant
Die besonderen Tage und Nächte im Jahr Im Gespräch mit dem Stadtengel
Ostern scheint eine besondere Sache
Natürlich kenne ich diese Situation
Oh, guten Abend, respektive gute Nacht
Aha, auch in dieser Nacht sind Sie unterwegs
Es soll Ungeheuerliches passiert sein Über geschichtliche und zeitgenössische Figuren
Man sagt, die Geister in der Sihl
Grüss Gott, Hohe Frau
Liebe Katharina
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, Hohe Frau, liebe Katharina
Es soll in Zürich Ungeheuerliches passiert sein
Man habe nächtlicherweile
Willkommen in Zürich, Frau Regula und Herr Felix
Manchmal fragen wir uns schon
Und wo ist eigentlich der Dritte,der Exuperantius?
Herr Felix, ich kenne Sie zu wenig
Frau Regula, Sie geben schon ein spezielles Bild
Ach, da sind Sie ja wieder Gespräche mit Engeln
Ach, da sind Sie ja wieder
Guten Morgen
Hallo, Frau E.
Aha, willkommen, selbstverständlich
Ich habe keine Ahnung
Nun muss ich Sie doch ansprechen, Frau E.
Aha, ja bitte, setzen Sie sich
Oh, guten Morgen, Sie sind wieder da
Guten Abend
Unsere Bekanntschaft ist ja schon speziell
Das möchte ich mit Ihnen nun schon klären, verehrte Frau E.
Vorwort
Wir sind es gewohnt, dass uns die Geschichte Zürichs rückblickend erzählt wird. Monika Stockers kreativer Ansatz kehrt die Sache um. Sie geht vom Vergangenen aus und befragt das Heute aus dem Blickwinkel von gestern. Das ist nicht nur erfrischend, sondern in der lyrischen Gesprächsform, die Monika Stocker mit leichter Feder beherrscht, auch köstlich zu lesen. Da wird nicht mit ernster Miene vorgetragen, sondern mit einem Augenzwinkern zuerst das Gespräch mit den Grossen der Zürcher Geschichte gesucht – mit Karl dem Grossen, Zwingli, Pestalozzi, Alfred Escher und Gottfried Keller. Ihnen hat die Stadt ein Denkmal gesetzt.
Die listige Autorin fragt sich nun, was diese versteinerten Stadtväter so erleben und denken, wenn sie von ihrem Sockel auf das quirlige Leben um sie herum herabsehen. So werden die Monumente, an denen wir meist gedankenlos vorbeigehen, zu dem, was sie einmal waren: Menschen mit Kopf und Herz. Wir hören mit, wie es ihnen als lebendig gemachte Denkmäler z. B. vor der Wasserkirche oder am Bahnhofplatz mitten im heutigen Verkehr zumute ist.
Monika Stocker wäre nicht Monika Stocker, wenn ihr origineller Ansatz nicht auch System hätte. So kommt das sozialpolitische Engagement mit einer Prise Feminismus in ihren Dialogen nicht zu kurz. Doch was sie an kritischen Fragen ins Gespräch mit den monumentalen Herren der Zürcher Vergangenheit einwebt, ist zwar aufmüpfig, aber nie aufdringlich oder ohne Schalk. Es darf überhaupt geschmunzelt werden in dieser Stadtzürcher Geschichte, die einen das Staunen lehrt. Denn wer hätte gedacht, dass Alfred Escher, Stammvater des Zürcher Freisinns und der Zürcher Banker, sich einmal resolut für den Staat eingesetzt hat? Aber das ist nur überraschend, wenn man von heute ausgeht, wo alles so anders ist, dass sich auch Alfred Escher nicht mehr auskennt.
Wirklich erstaunlich ist aber, wie die Monumente dieser grossen Herren – denn ein gefordertes Denkmal für die «unbekannte Hausfrau und Mutter» fehlt ja noch – der Autorin geduldig zuhören, ja mitunter zustimmend nicken, wenn vom Kontrast zwischen ihren Wunschvorstellungen und dem heutigen Zürich die Rede ist. Das Erstaunlichste mag aber für manche sein, wie einfühlsam und liebevoll sich Monika Stocker auf die älteren Herren einlässt. Das kommt mitunter schon einer Liebeserklärung nahe. Oder hat es mit der geschwisterlich erlebten Verbindung von liberaler Tradition und humanistischer Widerständigkeit zu tun?
Am wohlsten fühlt sich die Autorin aber in der Nähe der «Hohen Frau» Katharina, der Äbtissin des Fraumünster Klosters, die in der Reformationszeit auf Widerstand verzichtete, um Gewalt zu vermeiden. Da bleibt es nicht beim unterhaltsamen Gespräch, sondern es kommt zu heimlichen Versammlungen, die Utopisches bezwecken.Den Höhepunkt hat die Autorin für den Schluss des kleinen, aber reichen Werkes aufgespart. Er ist betitelt mit «Ach, da sind sie ja wieder» und gibt Gespräche mit den Stadtengeln wieder. Wie Monika Stocker die Schutzengel ermutigt, bei aller Mühe und Erschöpfung die Geduld mit den säkularisierten und gestressten Menschen nicht zu verlieren, ist höchst vergnüglich zu lesen. Es zeugt von der Gewitztheit der Autorin, die Engel als virtuelle Wesen dem Wohl der realen Menschen zu verpflichten und nicht umgekehrt die Virtualität über den Menschen siegen zu lassen – eine Gefahr, die der digitalisierten Spätmoderne und ihrer virtuellen Medien nicht unbekannt ist. In diesem Zusammenhang findet Monika Stocker Worte, die so leicht daherkommen, als hätten sie kein Gewicht, und die doch eine ganze Lebensphilosophie zusammenfassen. Etwa:
«Klar doch, er sieht, was er sieht
ich spüre was ich spüre.»
Es sind gerade solche banal wirkenden Zeilen, die es verdienen, langsam und wiederholt gelesen zu werden. Dann können im Dialog mit der Autorin auch Fragen und Einwände auftauchen, die die Lektüre noch anregender machen. So scheinen mir gerade in locker geschriebenen Versen, die Zustimmung wecken, Widerhaken angelegt, etwa wenn Monika Stocker als Stadtzürcherin einem Engel erklärt, dass Zürich «nicht gerade die geeignete Stadt [ist], um über Vergänglichkeit und Ewigkeit, über Lebenszeit und irgendwelche Grenzen zu debattieren». Aber, so kann eingewendet werden, widerlegt Monika Stocker nicht selber diese Behauptung? Ist ihr Buch nicht gerade eine verspielte Auseinandersetzung mit dem Vergänglichen und ein Blick vom Vergänglichen auf uns selbst?
Daniel Hell
Ach, Herr Zwingli
Austausch mit Denkmälern
Grüss Gott, Herr Zwingli
Sie haben einen rechten Platz bekommen
Hier hinter der Wasserkirche
nahe beim Grossmünster
Blick auf die Limmat
Seit kurzem ist hier weniger los
Verkehrsbefreit nach Jahrzehnten
Wo wir eigentlich dagegen waren
Das heisst, schon dafür
aber nicht mit ohne Autos
Ach, Herr Zwingli, das verstehen Sie ja nicht
Wie sollten Sie auch
Ich frage mich schon,
was Sie da den ganzen Tag sinnieren, auf Ihr Schwert gestützt
Ein Schwert, das geht eben auch nicht mehr bei uns
Nicht, dass wir es schon zu Pflugscharen umgeschmiedet hätten
Wie Sie und andere das ja seinerzeit gefordert haben
So weit wollen wir ja nicht gehen
Aber ein Schwert ist ein Schwert
und das mitten in der City
Es heisst, Sie seien ein friedfertiger Mensch
so ganz sicher bin ich mir da nicht
Wenn ich so lese
was Sie alles angestellt haben in der Vergangenheit
die Kriege
die Schlachten
Wie war das noch in ihren Glaubenskriegen?
Bis heute
weltweit
das ist doch eine deutliche Marke
Und bei Kappel?
Aber Zürich ist nicht nur nachtragend
Nein, eine gewisse Grosszügigkeit ist uns eigen
Ja, Herr Zwingli
Es muss für Sie nicht einfach sein
Hier zu stehen
und zuzuhören
was Touristen und Städter
edel und weniger edel
von Kirche und Kultur so halten
und meinen von Ihnen und Ihresgleichen
Aber die Zeiten
wo man
wie Ihr Kollege Herr Martin
einfach Thesen an die Tür schlagen konnte
die sind vorbei
und werden nicht wieder kommen
Es wird auch kein zweites Mal geben
dass wir Sie verschieben
Das verstehen Sie doch, Herr Zwingli?
Damals war es möglich
Kultur erlebbar zu machen
Das wollte man
als man Sie in den Kreis 5 gefahren hat
Heute muss alles seinen Platz haben und nicht mehr viel Neues
Sie verstehen
Wir sind in den mageren Jahren
Nicht aus Not
nein, aus Staatstugend
und wegen des Marktes
Das ist jetzt unser neuer Heiliger
Aber das verstehen Sie ja nicht
Wie sollten Sie auch?
Ach, Herr Zwingli
besondere Mühe machen Sie uns, wenn Sie zum Eigenschaftswort werden
Ja, tatsächlich
zwinglianisch ist out
Man ist so stolz
dass man das nicht mehr nötig hat
Mag hart sein für Sie
aber so ist es
Aber eben, das verstehen Sie ja nicht
Was – zum Teufel – entschuldigen Sie –
war denn heute Nacht bei Ihnen los?
Es gab Reklamationen in der Nacht
ja sicher
wir Zürcher kennen da nichts
Nach 24 Uhr und noch lachen?
Nach 2 Uhr und noch Alkohol ausschenken?
Jetzt haben wir Sie doch extra kommen lassen, damit Sie dem Einhalt gebieten
Und was kommt?
So ist es eben nicht mehr
Wer sich aufregt, ist selbst schuld
Die Party beginnt doch erst um Mitternacht
Der Alkohol ist doch dann besser
Sie fragten nach, Herr Zwingli
was das denn sei
Ein fröhliches Völklein aus der Innerschweiz, das nichts weiss
von unseren Regeln, den Stat(d)tregeln!
Aha, Fasnacht, sagen Sie
was soll denn das sein?
Das kennen wir in Zürich nicht
Das brauchen wir in Zürich nicht
Das wollen wir in Zürich nicht
Fertig!
Falsch, Herr Zwingli, das ist doch völlig okay, sagen wir
Auch Fasnacht darf sein
Wir bringen sie zwar nicht so richtig hin
aber es gibt sie
Aber eben, Sie verstehen das ja nicht
Und, Sie fragen weiter
gestern war doch noch alles in Ordnung
und jetzt ist der Teufel los
Ja, tatsächlich: Teufel sagten Sie!
Da wunderten Sie sich mächtig
Es seien die Vermummten, sagt man
Woher die nur kommen mögen?
Aus unserer Stadt auf alle Fälle nicht
Das wissen wir zu verbieten
Und das alle Jahre zur selben Zeit
Mal am 1. Mai
Mal zwischendurch
Und sie sind unflätig
Was nur sollen wir tun?
Sie verschwinden schon wieder
zum Glück,
aber zuerst bringen sie alles durcheinander
ziehen durchs Dörfli
durch die Bahnhofstrasse
durch die Langstrasse
Sie dürfen das nicht, nein, da sind wir einer Meinung
Aber alles andere verstehen Sie ja nicht
Wir übrigens auch nicht
Und dann, ich verstehe ja, dass das nicht einfach ist für Sie
Kommen einmal im Jahr so viele daher, dass Ihr Standort gefährdet ist
Und sie sind nackt
Fast jedenfalls
Oder ein bisschen angezogen
Oder ein bisschen angemalt
Und sie tanzen tanzen tanzen
Und es ist ein Krach, jammern Sie
Nein, das ist Musik, werter Herr Zwingli
Aber das verstehen Sie ja nicht
Wer das nur wieder aufwischen wird?
Und was das kosten wird?
Und überhaupt
sie trinken
viel in der Regel
Und was dann kommt
das weiss man ja
Sehen Sie, das ist eben heute anders
Die Hotels sind zufrieden
Die Bars auch
Ihr Geist ist nicht mehr gefragt
Sie werden da stehen bleiben
wenn Sie sich ruhig verhalten
Keine moralische Rede bitte
Das geht uns auf den Wecker
Wir sind jetzt nämlich anders
Fröhlich
Weltoffen
Lustig
Ich bitte Sie, Herr Zwingli, respektieren Sie das oder … oder … oder
Sie verstehen, oder?
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