Das Feuerzepter

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Kapitel drei

Schreiend wurde Esther aus dem Vortex katapultiert und flog durch die Luft. Hart landete sie auf dem Boden, rollte weiter und wirbelte eine Staubwolke auf.

„Uff“, rief sie, als sie endlich zum Stillstand kam.

Benommen und zerschrammt setzte sich auf und sah sich um. Es war ein auffallend heißer und sonniger Tag. Sie befand sich in einer Art Wüste, um sie herum war außer einigen wenigen, dürren Büschen kaum etwas zu sehen.

Einige Kilometer von dem Punkt, wo das Portal sie ausgespuckt hatte, erblickte sie in der Ferne die Zeichen einer geschäftigen Stadt. Sie sah die Türmchen einer Burg und die Spitze einer Synagoge. Hinter der Stadt ragten zahllose Berge und ein Kieferwald auf.

Bevor sie die Möglichkeit hatte, herauszufinden wann (und wo) sie war, hörte sie ein Schreien von hinten, das immer lauter wurde.

Sie drehte sich um und beobachtete, wie Simon durch den Vortex geschleudert wurde. Walter war direkt hinter ihm.

Beide flogen sie durch die Luft bis sie auf den trockenen Wüstenboden prallten. Esther zuckte zusammen, als sie dabei zusah, wie sie über den harten Boden rollten.

„Au!“, stöhnte Walter.

Endlich hielten sie, inmitten einer Staubwolke, an.

Esther sprang auf und rannte zu ihnen. Als der Staub langsam verschwand, sah sie ein verschlungenes Wirrwarr aus Armen und Beinen.

Esther erreichte das Knäuel und griff nach einer Hand. Sie fand Simons und zog daran. Die Jungs schafften es, sich voneinander zu lösen und mit Esthers Hilfe setzte Simon sich schließlich auf.

„Du meine Güte“, sagte er japsend. „Das war eine ziemlich ungemütliche Reise.“

Walter zog seinen Arm unter Simons Körper hervor. „Das kannst du laut sagen.“

Er rieb sich den Kopf und blickte dann zum Portal hinüber. Esther folgte seinem Blick und sah, dass das lilafarbene, elektrische Knistern verschwunden war. Mit einem Zipp schloss sich das Portal. Dann wurde es still.

Walter blinzelte schnell. Ihm stand die Angst ins Gesicht geschrieben. „Wo sind die anderen?“, fragte er.

„Oh!“, rief Esther, die sich plötzlich daran erinnerte, dass Oliver, Hazel und Ralph in Richtung des linken Tunneleingangs geschlittert waren, während sie und die anderem im rechten verschwanden. Sie fühlte einen tiefen Schmerz in ihrem Herzen. „Sie sind in die andere Richtung gegangen.“

Simon und Walter tauschten einen mitleidigen Blick.

Aber Esther wollte ihr Mitleid nicht. Und sie brauchte es auch nicht. Seitdem sie das Elixier getrunken hatte, fühlte sie sich so gut wie nie zuvor. Ihr Verstand war schärfer, ihre Sinne wachsamer. Sie fühlte sich so gesund wie noch nie. Das Letzte, was sie jetzt tun wollte, war, sich mit negativen Gedanken zu befassen.

Sie klopfte den Staub von ihrer Kleidung und sah sich um. „Okay. Wir müssen los. Professor Amethyst meinte, dass eines der Portale uns zum Feuerzepter bringen wird. Es gibt also keine Zeit zu verlieren.“

„Warte, warte“, sagte Simon in seiner gezierten, viktorianischen Stimme. „Warum nehmen wir uns nicht einen Moment, um uns zu sammeln?“

Esther konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören. Sie wusste, dass er nicht die holprige Reise durch das Portal meinte. Er bezog sich auf ihre Nahtoderfahrung und das Lebenselixier, das sie getrunken hatte, um ihre Gesundheit zurück zu gewinnen. Noch vor Minuten war sie dem Tod so nahe gewesen. Aber darüber wollte sie jetzt nicht wirklich sprechen. Sie wollte nicht einmal daran denken. Nicht, wenn sie die Mission hatten, die Schule zu retten.

„Hast du den Schulleiter nicht gehört?“, wiederholte sie. „Wir müssen das Feuerzepter finden.“

Die Jungs tauschten einen weiteren besorgten Blick aus.

„Wir haben es gehört“, sagte Walter. „Und ich verstehe, dass du sofort loslegen willst.“

„Aber du hast eine ziemliche Tortur hinter dir“, fügte Simon hinzu.

„Und wenn du Zeit brauchst…“, fuhr Walter fort.

„Oder jemanden zum Reden…“

„Eine Schulter zum Anlehnen…“

Esther schüttelte den Kopf und hob ihre Hände, um sie zum Aufhören zu bewegen. „Jungs. Mir geht es gut. Ihr braucht mich nicht anzusehen, als bestünde ich aus Porzellan und könnte jeden Moment auseinanderbrechen. Ich bin okay. Besser als okay. Ich lebe. Und jetzt will ich dieses Zepter finden und die Schule retten. Können wir das tun? Bitte?“

Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass Oliver schon wieder von ihr losgerissen worden war. Gerade als sie endlich vereint waren, hatte das Schicksal sie erneut getrennt. Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass sie ihm ihr Leben schuldete oder dass er derjenige war, in den sie sich verliebt hatte. Darüber konnte sie später nachdenken. Wenn sie sich jetzt auch nur eine Sekunde damit auseinandersetzte, würde sie zusammenklappen und in Tränen ausbrechen. Das wusste sie.

Simon und Walter wechselten einen letzten Blick, zuckten dann beide mit den Achseln und schienen offensichtlich einzusehen, dass es keinen Sinn machte, mit der sturen Esther zu argumentieren.

„Also, wo sind wir?“, fragte Walter.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Esther und betrachtete die unbekannte Landschaft.

„Und wie wollen wir das Feuerzepter finden?“, fragte Simon.

Auch darauf wusste Esther keine Antwort. „Ich weiß es nicht.“

In den Moment sah Esther, wie etwas durch die Luft gesegelt kam. Es sah wie ein Cricket-Ball aus Messing aus und flog mit unglaublicher Geschwindigkeit genau auf ihr Gesicht zu.

Dank ihrer Switchit-Fähigkeiten war Esther in der Lage, den katapultierenden Metallball aufzufangen. Er kam so schnell auf sie zu, dass sie zurück stolperte. Schockwellen prallten in ihren Armen ab.

Nachdem sie sich von der Überraschung erholt hatte, betrachtete Esther das Objekt in ihren Händen. Es war Olivers magischer Kompass.

„Wie ist das hierhergekommen…?“, stotterte sie.

Nichts war so, wie es sein sollte. Der Schulleiter hatte mit ihnen durch den Vortex hindurch gesprochen. Das Portal hatte sich aufgeteilt. Der Kompass hatte seinen Weg zu ihr gefunden. Aus Gründen, die sie nicht vollkommen verstand, hatte es sich bei dem Portal um etwas Besonderes gehandelt. Die normalen Regeln schienen hier nicht zu gelten.

„Der Kompass kann uns führen!“, sagte sie aufgeregt und blickte von dem alten Gerät auf und zu den anderen.

„Wie funktioniert es?“, fragte Simon.

„Es zeigt die Zukunft“, sagte Esther. „Wenn wir die Symbole korrekt interpretieren, wird es uns die Richtung weisen. Der Kompass wird uns zeigen, wo wir sein sollen.“

Walter runzelte die Stirn. „Wo wir sein sollen?“, fragte er. „Oder einfach, du weißt schon, wo wir sein werden?“

Esther hielt inne, um seine Frage in Betracht zu ziehen. Wenn Olivers Team den richtigen Tunnel genommen hatte und in der Zeit des Feuerzepters gelandet war, dann sähe die Zukunft von Esther und ihrem Team vollkommen anders aus. Doch egal, welche Zukunft der Kompass ihr anzeigen würde – es war ihr Schicksal, ihm zu folgen. Wenn das Zepter nicht ihr Ziel war, dann war es eben etwas anderes. Das zu wissen, reichte ihr für den Moment.

Esther entschied, sich nicht zu lange mit Walters Aussage aufzuhalten. Sie konnten nicht wissen, welches Team dort gelandet war, wo das Zepter verschwunden war, bis sie es tatsächlich in den Händen hielten.

Sie betrachtete die Symbole. Der Hauptzeiger deutete auf das kleine Bild einer Sonne. Ein weiterer war auf einen Anker gerichtet. Der dritte zeigte eine Art Strichmännchen, das einen Speer warf.

Esther kratzte sich am Kopf und war genauso ratlos wie zuvor. Sie suchte in der einsamen, sandigen Gegend nach Hinweisen. Sie musste sich die Hände vors Gesicht halten, um sich vor der unglaublich hellen Sonne zu schützen. Es gab nichts, was ihnen Schatten spenden konnte, außer ein paar spindeldürren Bäumen und einigen wenigen dünnen, grasenden Ziegen.

„Und?“, fragte Walter. „Wo sind wir?“

„Ich weiß es nicht“, gab sie zu.

„Ich kann das Meer sehen“, meinte Simon und zeigte in die Ferne, wo ein silberner Streifen am Horizont glitzerte. Er blinzelte. „Es scheint sich um einen Hafen voller Schiffe zu handeln. Vielleicht sind wir auf einer Insel? Einer Art Handelszentrum?“

„Oh, ja!“, sagte Esther und ihr Verstand begann, die Puzzleteile zusammen zu fügen. „Das würde den Anker erklären. Was haben wir noch?“

„Ist das ein Orangenhain?“, fragte Simon und deutete auf ein dichteres, bewaldetes Gebiet. Die Bäume trugen hell leuchtende Orangen.

Esther nickte. Auf dem Kompass gab es auch dazu ein passendes Symbol: ein Klecks Orange, der wie ein Farbspritzer aussah. „Ich glaube wir sind irgendwo im Mittelmeerraum“, schlug sie vor. „Vielleicht Griechenland? Das würde das Symbol des Speerwerfers erklären. Es könnte die Olympischen Spiele repräsentieren.“

Simon wurde lebhaft, als sie Griechenland erwähnte. „Oh, das war einwandfreie Detektivarbeit, Esther. Also befinden wir uns möglicherweise in Griechenland. Aber zu welcher Zeit?“

Doch bevor Esther die Möglichkeit hatte, ihm zu antworten, weiteten sich Walters braune Augen plötzlich angstvoll. Mit zitterndem Finger zeigte er nach vorne.

„Was…Was…Was ist das?!“, rief er.

Mit klopfendem Herzen drehte sich Esther um und sah, wie ein riesiges Gefährt, das in der Sonne glitzerte und große, hölzerne Rädern hatte, rasant auf sie zugeschossen kam.

„Das“, sagte Esther, die ihren eigenen Augen kaum traute, „ist ein goldener Streitwagen!“

Ein Pferd zog den Streitwagen, die Hufe klapperten laut auf dem harten Boden. Die großen Holzräder quietschten, als sie sich drehten und den Streitwagen mit unglaublicher Geschwindigkeit in ihre Richtung schickte.

Sie hatten kaum eine Sekunde, um zu reagieren, also hechteten die Kinder in alle Richtungen. Esther sprang auf die eine, die Jungs auf die andere Seite.

Esther landete in einem Graben. Der Streitwagen donnerte an ihr vorbei und feiner Staub regnete auf sie herunter.

 

Das Geräusch von galoppierenden Hufen und quietschenden Holzrädern verstummte langsam. Esther setzte sich auf, schüttelte sich und schielte über die Straße hinweg zu Walter und Simon. Als die Staubwolke, die der Wagen ausgelöst hatte, sich langsam beruhigte, sah sie, dass die Jungs sich erneut in einem Wirrwarr aus Extremitäten befanden.

„Runter!“, rief Walter und versuchte, Simon von sich zu schieben.

„Du sitzt auf meiner Hand!“, erwiderte Simon und schob zurück.

„Jungs!“, rief Esther, sprang auf die Füße und eilte zu ihnen. „Seid leise. Ich glaube, ich weiß, wo wir sind.“

Ihr Blick folgte dem Weg und sie beobachtete, wie der goldene Streitwagen in der Ferne verschwand. Sie konnte kaum glauben, was ihr als nächstes über die Lippen kam.

„Wir sind nicht einfach nur in Griechenland“, kündigte sie an, als die Jungs sich endlich entheddert hatten und neben ihr standen. „Wir sind im antiken Griechenland.“

„Antikes Griechenland?“, fragte Walter. „Du meinst…“

„Ich meine“, sagte Esther und drehte sich zu ihnen. „Wir sind über zweitausend Jahre in die Vergangenheit gereist. Wir befinden uns in einer Zeit vor Christus.“

Kapitel vier

Oliver taumelte aus dem Portal. Hazel stieß mit ihm zusammen. Einen Moment später kam auch Ralph an und raste in sie hinein.

„Au!“, stöhnten sie, als sie auf einem Haufen dalagen.

„Alles okay?“, rief Oliver, der sich um das Wohlbefinden seiner Freunde sorgte.

Hazel nickte und rieb sich den Ellbogen, den Ralph gerammt hat. „Ja. Aber wo sind wir?“

Sie sah sich um. Ralph rieb sich mittlerweile den Bauch – die Stelle, die Hazels Ellbogen getroffen hatte.

„Hey!“, sagte er mit großen Augen. „Hier waren wir doch schonmal!“

Verwirrt runzelte Oliver die Stirn und besah sich die Gebäude. Sie waren alle drei oder vier Stockwerke hoch, standen dicht aneinander und hatten flache Fassaden und passende Dächer in der Farbe gebrannter Umbra. Das Kuppeldach einer Kathedrale ragte hinter den Gebäuden hervor und überschattete alles mit seiner dominierenden Ausstrahlung. Ralph hatte recht. Der Ort kam ihm bekannt vor.

Oliver rang nach Luft, als ihm klar wurde, wo sie waren.

„Wir sind wieder in Florenz.“

Hazels Augen wurden groß. „Florenz? Das muss ein Fehler sein. Denkst du, Professor Amethyst hat uns aus Versehen durch Leonardo da Vincis Portal geschickt?“

Oliver schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Da Vincis Portale waren rot. Professor Amethysts sind lila.“

„Vielleicht sind wir hier, weil Leonardo uns erneut helfen kann?“, schlug Ralph vor. „Vielleicht weiß er, wo das Feuerzepter ist? Oder er kann wieder die Zeit für uns anhalten, damit wir es finden können?“

Doch als Oliver sich umsah, bemerkte er etwas. „Nein. Es gibt viel mehr Gebäude als bei unserem letzten Besuch. Es ist zwar derselbe Ort, aber eine andere Zeit. Wir sind nicht hier, um uns von Leonardo helfen zu lassen. Wir sind hier, um jemand anderen zu finden.“

Aus irgendeinem Grund fühlte es sich sogar noch seltsamer an, an einem Ort zu sein, den sie zuvor schon einmal besucht hatten. Erst vor Stunden waren sie gemeinsam mit Leonardo da Vinci auf diesen Straßen gegangen, um ihre Mission zu erfüllen. Jetzt befanden sie sich auf denselben Straßen, aber Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, später. Es war verrückt.

„Es ist nicht allzu viel Zeit vergangen“, sagte Hazel und kratzte sich am Kinn. „Es gibt mehr Gebäude, aber es handelt sich um denselben architektonischen Stil. Ich denke nicht, dass wir mehr als hundert Jahre nach unserem letzten Besuch gelandet sind. Welche anderen außergewöhnlichen Italiener gibt es, zu denen Professor Amethyst uns geschickt haben könnte?“

„Naja, neben da Vinci und Michelangelo“, begann Oliver, „gibt es natürlich noch…“

Aber er konnte seinen Satz nicht vollenden, da genau in dem Moment jemand um die Ecke gerannt kam und mit ihm zusammenprallte.

„Tut mir leid!“, rief der junge Mann.

Oliver richtete sich auf und strich seine Kleidung glatt. „Alles gut. Keine Sorge.“

Hazel keuchte. „Oliver, du sprichst italienisch!“

„Tatsächlich?“, fragte Oliver.

Doch der junge Mann unterbrach ihn.

„Ich bin spät dran für meinen Unterricht in der Accademia delle Arti del Disegno“, sagte er. „Es ist der Unterricht von Professor Galileo.“ Dann eilte er weiter.

Oliver drehte sich zu seinen Freunden um. „Hat der Mann italienisch gesprochen?“

Sie nickten beide.

„Ja!“, rief Ralph. „Genau wie du!“

Oliver schüttelte den Kopf. „Aber ich verstehe nicht. Wie ist das möglich?“

Dann erinnerte er sich. Lucia Moretti, die Lehrerin, die er bei seinem letzten Abenteuer kennenlernen durfte, hatte einige ihrer Fähigkeiten auf Oliver übertragen. Vielleicht war auch die italienische Sprache darunter?

„Warte“, sagte Oliver plötzlich. „Er meinte, er sei auf dem Weg zu seiner Vorlesung bei Galileo.“

Hazels Augen traten hervor. „Natürlich. Galileo ist ein Florentiner, der nach da Vinci lebte. Wir müssen uns im Italien des sechzehnten Jahrhunderts befinden.“

„Wir sollten ihm folgen“, sagte Ralph.

Oliver nickte zustimmend und sie rannten dem Mann hinterher.

Kapitel fünf

„Wir sind also in der griechischen Antike“, sagte Walter. „Und was nun?“

Esther sah sich um und hob erneut die Hand vor die Augen, um sich vor dem hellen Sonnenlicht zu schützen. „Wir sollten in Richtung Stadt gehen“, sagte sie.

Die Jungs stimmten ihr zu und sie machten sich auf den Weg. Dabei folgten sie den Rillen, die der Streitwagen im Boden hinterlassen hatte.

Die Stadt bestand aus vielen interessanten Gebäuden. Tempel aus riesigen Steinblöcken. Gigantische kreisförmige Freiluft-Theater, in denen dramatische Stücke aufgeführt wurden. Lärm und Geschrei schallten aus dem naheliegenden Stadion. Sie sahen eine Burg mit großen Säulen und einem wuchtigen Zugbrückentor, das bestimmt fünfzehn Meter hoch war. Sie passierten ein großes, quadratisches Gebilde, das aus mehreren Säulen und einem Dach bestand. Esther fand, dass es wie ein Palast aussah. Die Griechen waren für ihren architektonischen Stil berühmt und es war ziemlich beeindruckend, all das mit eigenen Augen sehen zu dürfen.

Sie erreichten einen kleinen, aber geschäftigen Markt, an dessen Holzständen man Lebensmittel wie frische Orangen und Olivenöl kaufen konnte. Stoffe hingen zwischen den Ständen und boten den nötigen Schatten.

„Das ist ziemlich fantastisch“, kommentierte Simon.

„Vielleicht“, sagte Walter. „Aber die Ortsansässigen sehen nicht so freundlich aus.“

Esther sah sich um. Walter hatte recht. Sie wurden vorsichtig und aufmerksam von den Einheimischen beobachtet.

Sie schauderte und das Gefühl drohender Gefahr ließ ihre Haare zu Berge stehen.

„Wir müssen andere Kleidung finden, damit wir uns optisch angleichen können“, sagte sie, als ihr plötzlich einfiel, dass sie noch immer ihren Krankenhauskittel trug, der hinten offen war.

„Wie sollen wir das anstellen?“, forderte Simon und stemmte die Hände in die Seiten. „Wir haben kein Geld, um uns Kleidung zu kaufen.“

Esther kaute nachdenklich auf der Lippe herum. Er hatte recht, Geld hatten sie keines. Aber sie konnten sicherlich nicht weiterhin so rumlaufen. Walter trug neben seinen weißen Turnschuhen ein T-Shirt mit leuchtenden Farben, das mit einer Comicfigur der 80er Jahre bedruckt war. Simon war in eine braune Tweed-Weste und einer passenden Anzughose gekleidet. Und Esther trug ihr dünnes, puderblaues Krankenhaushemd. Sie waren alles andere als unauffällig. Aber Stehlen war falsch und das wusste sie. Es musste also einen anderen Weg geben.

„Seht mal, hier drüben“, sagte sie und zeigte auf einen Müllhaufen.

Zusammen besahen sie sich den Berg. Er schien aus zerbrochenem Geschirr, verdorbenem Essen, toten Pflanzen, Ästen und anderen Verwachsungen zu bestehen. Aber am wichtigsten war, dass sie außerdem zerlumpte Kleidung, Stoffe, Togen und Sandalen fanden. Obwohl es sich dabei offensichtlich um sehr schmutzige und abgenutzte Kleidung handelte, so war es doch wesentlich besser als das, was sie im Moment am Leib trugen.

„Bingo!“, rief Esther.

Simon sah unzufrieden aus. „Erwartest du wirklich, dass ich mich durch einen Müllhaufen wühle?“

Esther verschränkte die Arme vor der Brust. „Hast du eine bessere Idee?“

Simon wirkte ratlos. Er zog die Nase hoch und ging langsam auf den Müllberg zu. Behutsam schob er ein Teil nach dem anderen beiseite. Walter dagegen hatte keine Hemmungen und kramte in Rekordzeit eine Toga und ein Paar Ledersandalen heraus. Er zog sich um und grinste breit.

„Wie scharf sehe ich bitte aus?“, sagte er grinsend und stemmte die Hände in die Hüften. „Man muss natürlich die Flecken ignorieren.“

Auch Esther zog sich ihre Toga über. „Vielleicht ein bisschen groß“, sagte sie und betrachtete den breiten Streifen Stoff, der sie nun bedeckte. „Um ehrlich zu sein war mein Krankenhauskittel auch nichts anderes! Aber es gefällt mir, mehr oder weniger.“

Die Toga war alles in allem doch wesentlich besser als das stinkige Krankenhauskleid und sie wusste, dass sie damit weniger auffallen würde und sich besser integrieren konnte.

Nun kam auch Simon hinter dem Berg hervor. Er sah noch immer durchweg unzufrieden aus. Er hatte lediglich ein kleines Stück Stoff gefunden, das er wie einen Rock um seine Taille gewickelt hatte. Um seinen Oberkörper hatte er ein Seil geschlungen; wie ein Gürtel wandte es sich um seine rechte Schulter und dann diagonal um seinen Körper herum.

Walter lachte laut auf. Und sogar Esther, die normalerweise immer relativ ernst war, musste ein Kichern zurückhalten.

Simon schmollte. „Ich werde einen furchtbaren Sonnenbrand bekommen. Wir suchen uns besser einen Schattenplatz. Und zwar schnell.“

Aber Esther knirschte entschlossen mit den Zähnen. Sie war nicht in der Stimmung, Simons Beschwerden über Sonnenbrand zuzuhören.

„Wir haben einen Auftrag“, erinnerte sie ihn. „Einen sehr wichtigen. Wir müssen die Schule für Seher retten. Die Mission ist so wichtig, dass Professor Amethyst uns in zwei Gruppen aufgeteilt hat.“ Sie spürte, wie sich in ihrer Kehle ein Klumpen bildete, als sie an Oliver dachte und die Tatsache, dass er sich irgendwo im Universum befand – an einem anderen Ort und einer anderen Zeit. „Also hör auf, dich zu beschweren.“

Simon seufzte. „Ja, du hast vermutlich recht. Die Mission ist viel wichtiger als mein dämlicher Look und die Tatsache, dass meine extrem helle Haut furchtbar leicht verbrennt und ich dann wie ein Hummer aussehen werde. Ein nackter Hummer.“

„Danke“, antwortete Esther, die sich dafür entschieden hatte, seinen sarkastischen Ton zu ignorieren. „Also, die Mission muss beginnen. Lasst uns das Feuerzepter finden und die Schule für Seher retten.“