Kitabı oku: «Ein Gericht für Diebe », sayfa 3
KAPITEL VIER
Wieder und wieder starb Kate.
Oder es hatte zumindest den Anschein, dass sie “starb”. Illusorische Waffen schnitten in ihr Fleisch, gespenstische Hände strangulierten sie bis zur Bewusstlosigkeit. Pfeile flackerten auf und schossen durch sie durch. Die Waffen waren nur Dinge, die der Rauch bildete und die nur von Siobhans Magie ins Leben gerufen worden, aber jede von ihnen tat genau so weh, wie eine echte Waffe.
Sie töteten Kate natürlich nicht. Stattdessen brachte jeder Moment des Schmerzes lediglich ein Geräusch der Enttäuschung von Siobhan, die von der Seite zuschaute, mit wie es schien einer Art Kombination aus Belustigung und Verzweiflung bei der Langsamkeit, mit der Kate lernte.
“Aufpassen Kate”, sagte Siobhan. “Glaubst du, ich mache diese Traumfragmente nur zur Unterhaltung?”
Die Figur eines Schwertmanns erschien vor Kate, gekleidet für ein Duell und nicht für einen Kampf. Er grüßte sie und richtete ein Rapier.
„Das ist die Finnoch Entmantelung“, sagte er in derselben flachen Monotonie, die die anderen zu haben schienen. Er griff sie an und Kate parierte mit ihrem Holzübungsschwert, weil sie immerhin so viel gelernt hatte. Sie war schnell genug, um den Moment zu sehen, als die Person die Richtung änderte, aber die Bewegung überraschte sie dennoch, das vergängliche Schwert glitt durch ihr Herz.
„Noch einmal“, sagte Siobahn. „Es ist nicht viel Zeit.“
Trotzdem sie das sagte, schien es mehr Zeit zu geben, als Kate sich vorgestellt hatte. Die Minuten schienen sich im Wald zu strecken, gefüllt mit Gegnern, die versuchten sie zu töten und während sie das versuchten, lernte Kate daraus.
Sie lernte sie zu bekämpfen, sie mit ihrem Übungsschwert niederzuschlagen, denn Siobhan hatte darauf bestanden, dass sie ihr echtes Schwert beiseite ließ, um das Risiko einer echten Verletzung zu vermeiden. Sie lernte zu drohen, schneiden, parieren und zu täuschen, denn jedes Mal, wenn sie einen Fehler machte, glitt die gespenstische Kontur einer Klinge durch sie, mit einem Schmerz, der sich nur zu echt anfühlte.
Nach denen mit Schwertern kamen die mit Stöcken oder Mauls, Bögen oder Musketen. Kate lernte, mit ihren Händen ein Dutzend Wege zu töten und den Moment zu lesen, in dem ein Gegner mit einer Waffe abfeuerte und sie sich flach auf den Boden werfen musste. Sie lernte, durch den Wald zu rennen, von Ast zu Ast zu springen, vor Feinden zu fliehen, indem sie auswich und sich versteckte.
Sie lernte sich zu verstecken und sich ruhiger zu bewegen, denn jedes Mal wenn sie ein Geräusch machte, fielen die vergänglichen Feinde mit mehr Waffen über sie her, als sie ertragen konnte.
„Können Sie es mir nicht einfach beibringen?“, forderte Kate Siobhan auf, sie rief es in die Bäume.
„Ich zeige es dir doch“, antwortete sie, als sie von denen in der Nähe wegtrat. „Wenn du hier bist, um Magie zu lernen, können wir das mit Wälzern und sanften Wörtern tun, aber du bist hier um unsterblich zu werden. Dafür ist Schmerz der beste Lehrer, den es gibt.“
Kate biss die Zähne zusammen und machte weiter. Zumindest gab es einen Sinn für den Schmerz, nicht wie im Haus der Herrenlosen. Sie ging wieder in den Wald, hielt sich im Schatten, lernte, sich zu bewegen, ohne dabei den kleinsten Zweig oder das kleinste Blatt zu stören, während sie sich auf eine neue Reihe beschworener Feinde stürzte.
Dennoch starb sie.
Jedes Mal wenn sie Erfolg hatte, erschien ein neuer Feind oder eine neue Bedrohung. Jede war härter als die Letzte. Als Kate lernte menschliche Augen zu vermeiden, zauberte Siobhan Hunde herbei, deren Haut im Rauch zu glänzen schien, bei jedem Schritt, den sie machten. Als Kate lernte an der Abwehr eines Gegnerschwerts vorbeizugleiten, trug der nächste Feind eine Rüstung, sodass sie nur zwischen die Lücken der Platten schlagen konnte.
Wann immer sie aufhörte, schien es das Siobhan da war, mit Ratschlägen oder Hinweisen, Ermutigung oder einfach nur um sich lustig zu machen, damit Kate angespornt wurde, es besser zu machen. Sie war jetzt schneller und stärker, aber es schien, als wenn das noch nicht genug war für die Frau, die den Brunnen kontrollierte. Sie hatte das Gefühl, dass Siobhan sie auf etwas vorbereitete, aber die andere Frau wollte nicht sagen was oder jegliche Fragen beantworten, die nicht darauf abzielten, was Kate als Nächstes tun würde.
“Du musst lernen deine Talente zu nutzen, mit denen du geboren worden bist”, sagte Siobhan. “Lerne die Absicht eines Feindes zu sehen, ehe sie zuschlagen. Lerne die Stellen deiner Feinde herauszufinden, ehe sie dich finden können.”
“Wie soll ich das üben, wenn ich gegen Illusionen ankämpfe?”, fragte Kate.
“Ich lenke sie, also werde ich dir erlauben auf einen Bruchteil meiner Gedanken zu schauen”, sagte Siobhan. “Sei vorsichtig. Es gibt Orte, an denen du nicht nachschauen solltest.”
Das weckte Kates Interesse. Sie war bereits die Mauer hochgekommen, die die andere Frau vor sich hielt, damit Kate ihre Gedanken nicht lesen konnte. Jetzt sollte sie nachschauen dürfen? Als sie Siobhans Mauer sich senken spürte, tauchte Kate so weit ein, wie die neuen Grenzen sie ließen.
Es war nicht weit, aber es war dennoch weit genug, um ein Gefühl für den fremden Geist zu bekommen, der so weit von einer normalen Person entfernt war, als Kate je gesehen hatte. Kate wich vor der bloßen Fremdartigkeit zurück und zog sich zurück. Sie tat es gerade rechzeitig ehe ein vergänglicher Feind ihr ein Schwert durch ihren Hals stieß.
“Ich habe dir doch gesagt, du sollst vorsichtig sein”, sagte Siobhan, während Kate würgte. “Versuchs noch einmal.”
Da war ein weiterer Schwertmann vor Kate. Sie konzentrierte sich und dieses Mal erwischte sie den Moment, als Siobhan ihm sagte anzugreifen. Sie duckte sich und streckte ihn nieder.
“Besser”, sagte Siobhan. Es war schon fast ein Lob, als sie kam, aber das Lob stoppte nicht die ständigen Tests. Es bedeute nur noch mehr Feinde, mehr Arbeit, mehr Training. Siobhan forderte Kate, bis sie selbst mit der neuen Stärke die sie hatte, fühlte, dass sie vor Erschöpfung zusammenbrechen würde.
“Habe ich nicht genug gelernt?”, fragte Kate. “Habe ich nicht genug getan?”
Sie sah Siobhan ohne Belustigung lächeln. “Glaubst du, dass du bereit bist, Lehrling? Bist du wirklich so ungeduldig?”
Kate schüttelte ihren Kopf. “Es ist nur –“
“Du glaubst, du hast genug für einen Tag gelernt. Du glaubst, dass du weißt, was kommt oder was gebraucht wird.” Siobhan spreizte ihre Hände. “Vielleicht hast du recht. Vielleicht beherrscht du jetzt, was ich will das du lernst.”
Kate konnte ein wenig Gereiztheit darin erkennen. Siobhan hatte nicht die Geduld als Lehrerin, die Thomas bei ihr gezeigt hatte.
“Es tut mir leid”, sagte Kate.
“Das ist zu spät”, sagte Siobhan. “Ich will sehen, was du gelernt hast.” Sie klatschte in die Hände. “Ein Test. Komm mit.”
Kate wollte widersprechen, aber sie sah, dass es keinen Zweck hatte. Stattdessen folgte sie Siobhan zu einer Stelle, wo sich der Wald in eine grob kreisförmige Lichtung öffnete, gesäumt von Weißdorn und Brombeersträuchern, wilden Rosen und stechenden Nesseln. In der Mitte davon lag ein Schwert auf einem Baumstamm.
Nicht nur ein Schwert. Kate erkannte sofort das Schwert, dass Thomas und Will für sie gemacht hatten.
“Wie …”, begann sie.
Siobhan drehte ihren Kopf in die Richtung. “Dein Schwert war unfertig, so wie du. Ich habe es fertiggestellt, weil ich versuche dich zu verbessern.”
Das Schwert sah jetzt anders aus. Es hatte einen Griff mit dunklen Wirbeln und leichtem Holz, von dem Kate annahm, dass es perfekt in ihre Hand passte. Es hatte Zeichen am Griff, in einer ihr völlig unbekannten Sprache, während die Klinge jetzt mit einer bösartig aussehenden Kante glänzte.
“Wenn du glaubst, du bist bereit”, sagte Siobhan, “dann musst du einfach nur da reingehen und deine Waffe nehmen. Aber wenn du das machst, merke dir eins: die Gefahr ist echt da drin. Es ist kein Spiel.”
Wenn es eine andere Situation gewesen wäre, wäre Kate vielleicht einen Schritt zurückgetreten. Sie hätte Siobhan gesagt, dass sie kein Interesse hätte und hätte noch ein wenig länger gewartet. Zwei Dinge hielten sie davon ab. Das eine war das unerträgliche Lächeln, das Siobhans Gesicht nie zu verlassen schien. Es verspottete Kate, mit der Gewissheit, dass sie noch nicht gut genug war. Dass sie nie gut genug sein würde, um die Ziele zu erreichen, die Siobhan für sie gesetzt hatte. Es war ein Ausdruck, der sie zu lange an die Missachtung erinnerte, die die Nonnen ihr gezeigt hatten.
Im Angesicht dieses Lächelns konnte Kate ihre Wut aufsteigen fühlen. Sie wollte das Lächeln aus Siobhans Gesicht wischen. Sie wollte ihr zeigen, dass, was immer für eine Magie die Frau aus dem Wald auch besaß, Kate die Aufgaben annahm, die sie vorgab. Sie wollte ein wenig Zufriedenheit für all die geisterhaften Klingen, die in sie eingedrungen waren.
Der andere Grund war einfacher: Das Schwert gehörte ihr. Es war ein Geschenk von Will. Siobhan sollte nicht vorgeben, wann Kate es sich holen würde.
Kate lief los und hüpfte auf einen Ast, dann sprang sie über den Dornenring, der die Lichtung umgab. Wenn dies das Beste war, was sich Siobhan vorstellen konnte, dann würde sie ihr Schwert holen und genauso leicht zurückklettern, als wenn sie eine Landstraße entlang gehen würde. Sie ging in die Hocke, als sie landete und schaute auf das Schwert, das auf sie wartete.
Eine Person hielt es jetzt und Kate starrte darauf. Auf sich selbst.
Es war definitiv sie selbst bis ins letzte Detail. Dasselbe kurze rote Haar. Dieselbe drahtige Geschmeidigkeit. Diese Version von ihr jedoch trug andere Kleidung, war in grün und braun aus dem Wald gekleidet. Ihre Augen waren auch anders, Blattgrün von einer Ecke zur anderen und alles, außer menschlich. Während Kate sie ansah, zog die andere Version von ihr Wills Schwert zurück und schnitt damit durch die Luft, als wenn sie es testen würde.
“Du bist nicht ich”, sagte ihr anderes Ich, mit genau demselben Tonfall und genau derselben Stimme.
“Du bist einfach nur eine billige Kopie, nicht halb so gut.”
“Gib mir das Schwert”, forderte Kate.
Ihr anderes ich schüttelte ihren Kopf. “Ich denke, ich werde es behalten. Du verdienst es nicht. Du bist nur Abschaum aus dem Waisenhaus. Kein Wunder, dass die Dinge mit Will nicht funktioniert haben.”
Kate rannte auf sie zu, schwang ihr Übungsschwert mit aller Kraft und Wut, die sie aufbringen konnte, als wenn sie die Dinge mit der Stärke ihres Angriffs durchbrechen könnte. Stattdessen traf ihr Übungsschwert auf den Stahl des echten Schwertes.
Sie kämpfte und schnitt, täuschte und schlug zu, griff mit all den Fähigkeiten an, die sie durch Siobhans brutales Training aufgebaut hatte. Kate brachte sich an die Grenze der Stärke, die der Brunnen ihr gewährt hatte, sie nutzte all die Geschwindigkeit, die sie besaß, um zu versuchen durch die Abwehr ihres Gegners zu brechen.
Die andere Version von ihr wehrte jeden Angriff perfekt ab, sie schien jede Bewegung zu kennen, die Kate machte. Als sie zurückwich, lenkte Kate kaum jeden Schlag ab.
“Du bist nicht gut genug”, sagte die andere Version von ihr. “Du wirst nie genug sein. Du bist schwach.”
Die Wörter rasselten durch Kate schon fast so sehr wie der Einschlag des Schwertschlags gegen ihr Übungsschwert. Sie taten weh und sie taten weh, weil sie alle wie Kate annahm, wahr waren. Wie oft hatten sie das im Haus der Herrenlosen gesagt? Hatten Wills Freunde ihr nicht die Wahrheit in ihrem Übungskreis gezeigt?
Kate schrie ihre Wut hinaus und griff wieder an.
“Keine Kontrolle”, sagte ihr anderes ich, als sie die Schläge abwehrte. “Keine Gedanken. Nichts weiter, als ein kleines Mädchen, das eine Kriegerin spielt.”
Kates Spiegelbild schlug um sich und Kate fühlte den Schmerz des Schwertes, der ihre Hüfte schnitt. Für einen Moment fühlte es sich nicht anders an, wie von den Geistesklingen, die sie so oft erstochen hatten, aber dieses Mal verschwand der Schmerz nicht. Dieses Mal war da Blut.
“Wie fühlt sich das an, wenn man weiß, dass man sterben wird?”, fragte ihre Gegnerin sie.
Ängstlich. Es fühlte sich beängstigend an, weil der schlimmste Teil davon war, dass Kate wusste, dass es wahr war. Sie konnte nicht darauf hoffen, diesen Gegner zu schlagen. Sie konnte nicht hoffen, gegen ihr zu überleben. Sie würde hier sterben in diesem Dornenring.
Kate rannte zum Rand der Lichtung, warf ihr Holzschwert weg, da es sie verlangsamte. Sie sprang an den Rand der Lichtung, hörte, wie ihr Spiegelbild lachte, als sie sich selbst über die Hecke warf. Kate bedeckte ihr Gesicht mit ihren Händen, schloss ihre Augen gegen die Dornen und hoffte, dass es ausreichend wäre.
Sie zerrissen sie, als sie hineinstürzte, zerrissen ihre Kleidung und die Haut darunter.
Kate konnte das Blut tropfen fühlen, als die Dornen in sie stachen, aber sie zwang sich durch das Durcheinander und traute sich erst ihre Augen zu öffnen, als sie auf der anderen Seite war.
Sie schaute zurück, halb überzeugt, dass ihr Spiegelbild ihr folgen würde, aber als Kate zurückschaute, war die andere Version von ihr verschwunden und das Schwert lag auf dem Baumstumpf, als wenn sie nie da gewesen wäre.
Sie brach zusammen. Ihr Herz hämmerte von der ganzen Bemühung, die sie gerade geleistet hatte. Sie blutete aus Dutzenden von Stellen, sowohl von den Dornkratzern als auch von der Wunde an ihrer Hüfte. Sie rollte sich auf den Rücken, starrte in den Waldgipfel, während der Schmerz in Wellen kam.
Siobhan trat in ihr Blickfeld, schaute sie mit einer Mischung aus Enttäuschung und Sorge an. Kate wusste nicht, was schlimmer war.
“Ich habe dir gesagt, dass du nicht bereit bist”, sagte sie. “Willst du mir jetzt zuhören?”
KAPITEL FÜNF
Lady Emmeline Constsance Ysalt d’Angelica las die Benachrichtigung, Marquise von Sowerd und Lady of the Order of the Sash. Angelica war weniger beeindruckt von der Nutzung ihres vollen Namens, als von dem Absender der Nachricht: Die Witwe hatte sie zu einer Privataudienz geladen.
Oh, sie hatte das nicht so gesagt. Da gab es Sätze darüber, dass sie “erfreut über ihre Gesellschaft wäre”, und “hoffte, dass dies genehm wäre”. Angelica wusste genauso wie jeder andere, dass eine Anfrage von der Witwe ein Befehl war, auch wenn die Versammlung der Adligen die Gesetze machte.
Sie zwang sich, nicht zu sehr ihre Sorge zu zeigen, die sie fühlte, als sie sich den Kammern der Witwe näherte. Sie überprüfte ihr Aussehen nicht nervös oder zappelte unnötig. Angelica wusste, dass sie perfekt aussah, weil sie jeden Morgen Zeit vor dem Spiegel mit ihren Bediensteten verbrachte, damit sie gut aussah. Sie zappelte nicht, weil sie sich perfekt unter Kontrolle hatte. Außerdem, über was sollte sie sich Sorgen machen? Sie würde eine alte Frau treffen, und nicht in die Höhle des Löwen gehen.
Angelica versuche sich daran zu erinnern, als sie sich den Türen zu den Gemächern der alten Frau näherte, ein Bediensteter drückte sie auf und kündigte sie an.
“Milady d’Angelica!”
Sie sollte sich sicher fühlen, aber tatsächlich war das die Königin des Königreiches und Sebastians Mutter und Angelica hatte schon zu viel in ihrem Leben getan, um sich je sicher zu fühlen, dass sie Ablehnung vermeiden würde. Dennoch ging sie weiter, zwang sich selbst eine sorgfältig ausgearbeitete Maske an Selbstvertrauen aufzusetzen.
Sie hatte nie einen Grund dafür gehabt, in die privaten Gemächern der Witwe zu gehen. Um ehrlich zu sein, waren sie recht enttäuschend, entworfen mit einer Art schlichter Pracht, die mindestens zwanzig Jahre aus der Mode war. Es gab zu viel dunkle Holzverkleidung für Angelicas Geschmack, und während Gold und Seide im Rest des Palastes nur vereinzelt zu sehen waren, war es dennoch nicht annähernd so extravagant, wie Angelica es sich ausgesucht hätte.
“Hattest du etwas Kunstvolleres erwartet, meine Liebe?”, fragte die Witwe. Sie saß am Fenster, das auf die Gärten blickte, auf einem Stuhl aus dunklem Holz und grünem Leder. Ein Marketerie-Tisch stand zwischen ihr und einem weiteren, nur wesentlich kleinerem Stuhl. Sie trug ein recht einfaches Tagesoutfit anstelle von vollem Gewand und ein Diadem anstelle der Krone, aber es gab trotzdem keinen Zweifel an der Autorität der älteren Frau.
Angelica verfiel in Höflichkeit. Eine geeignete Höflichkeit am Hof, nicht eine der einfachen Dinge, mit denen sich Bedienstete umgaben. Sogar bei so etwas waren die feinen Abstufungen des Status wichtig. Die Sekunden zogen sich, während Angelica auf die Erlaubnis wartete, sich wieder aufzustellen.
“Bitte leiste mir Gesellschaft, Angelica”, sagte die Witwe. “So willst du doch genannt werden, oder?”
“Ja, Ihre Majestät.” Angelica nahm an, dass sie sehr gut wusste, wie man sie nennen sollte. Sie bemerkte auch, dass es keinen entsprechenden Vorschlag aus Informalitätsgründen seitens Sebastians Mutter gab.
Dennoch war sie freundlich genug, bot ihr Himbeer Tisane aus einer Kanne an, der offensichtlich frisch gebraut worden war und servierte Angelica ein Stück Obstkuchen mit ihrer eigenen zart behandschuhten Hand.
“Wie geht es deinem Vater, Angelica?”, fragte sie. “Lord Robert war immer loyal meinem Ehemann gegenüber, als er noch lebte. Hat er immer noch Schwierigkeiten mit der Atmung?”
“Er profitiert von der Landluft, Ihre Majestät”, sagte Angelica und dachte an die ausgedehnten Ländereien, denen sie nur zu gerne fernblieb. “Obwohl, er geht jetzt nicht mehr so oft zum Jagen, wie früher.”
“Die jungen Männer reiten in der Avantgarde der Jagd”, sagte die Witwe, “die sensibleren Seelchen bleiben zurück und nehmen die Dinge in einem Tempo, das ihnen mehr zusagt. Als ich die Jagd besucht habe, war es noch mit einem Falken und keinem Rudel von attackierenden Hunden. Sie sind weniger rücksichtslos und sie sehen mehr.”
“Eine gute Wahl, Ihre Majestät”, sagte Angelica.
“Und deine Mutter, züchtet sie immer noch ihre Blumen?”, fragte die Witwe und nippte an ihrem Drink. “Ich habe ihre Sternentulpen, die sie produziert immer beneidet.”
“Ich glaube, sie arbeitet an einer neuen Vielfalt, Ihre Majestät.”
“Sicherlich verbindet sie Arten miteinander, kein Zweifel”, sagte die Witwe amüsiert und stellte ihr Glas ab.
Angelica wunderte sich über all das. Sie bezweifelte ehrlich, dass die Herrscherin des Königsreichs sie hierhergerufen hatte, nur um die kleineren Details ihres Familienlebens zu diskutieren. Wenn sie regierte, da war sich Angelica sicher, würde sie sich um so Bedeutungsloses nicht kümmern. Angelica schaute sich nicht einmal richtig die Briefe an, die von den Ländereien ihrer Eltern kamen.
“Langweile ich dich, meine Liebe?”, fragte die Witwe.
“Nein, natürlich nicht, Ihre Majestät”, sagte Angelica schnell. Dank der Bürgerkriege, waren die Tage Vergangenheit, als die Könige des Königreichs einfach Reiche ohne Spuren wegsperren konnte, aber es war trotzdem keine gute Idee, zu riskieren, sie zu beleidigen.
“Ich hatte dein Eindruck, dass du meine Familie faszinierend findest”, fuhr die Witwe fort. “Besonders meinen jüngeren Sohn.”
Angelica erstarrte, sie war sich nicht sicher, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte angenommen, dass seine Mutter ihr Interesse an Sebastian bemerken würde. War es denn jetzt so? Eine höfliche Empfehlung, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte?
“Ich bin mir nicht sicher, was Sie meinen”, antwortete Angelica und entschied, dass es am Besten war, den Part des jungen edlen Mädchens zu spielen. “Prinz Sebastian ist natürlich sehr gut aussehend, aber –“
“Aber dein Versuch ihn zu verführen und ihn dann als dein Eigen zu behaupten, hat nicht so funktioniert?”, fragte die Witwe und jetzt war ihre Stimme eisig. “Glaubst du, ich würde nicht von dem kleinen Trick hören?”
Jetzt fühlte Angelica Angst in sich aufsteigen. Die Witwe konnte nicht einfach ihren Tod anordnen, aber das war es, was ein Überfall wie dieser, auf eine königliche Person bedeuten könnte, sogar bei einem Prozess mit ihresgleichen. Vielleicht besonders mit ihnen, denn es würde zweifellos diejenigen geben, die ein Exempel statuieren oder sie aus dem Weg räumen oder mit ihrer Familie ein paar Rechnungen begleichen wollten. “Ihre Majestät –“, begann Angelica, aber die Witwe schnitt ihr das Wort mit einem einzelnen erhobenen Finger ab.
Statt zu reden, nahm sie sich die Zeit ihr Glas auszutrinken und warf es dann in den Kamin, das Porzellan zerbrach mit einem Krachen, dass Angelica an brechende Knochen denken ließ.
“Ein Angriff auf meinen Sohn ist Verrat”, sagte die Witwe. “Ein Versuch mich zu manipulieren und meinen Sohn zur Hochzeit zu tricksen ist Verrat. Traditionell wird das mit der Bleimaske belohnt.”
Angelicas Bauch verkrampfte sich schon beim Gedanken daran. Es war eine schreckliche Bestrafung aus einer anderen Zeit und keine, die sie je gesehen hatte. Man sagte, dass die Menschen schon beim Gedanken daran, Selbstmord begangen.
“Kennst du das?”, fragte die Witwe. “Der Verräter wird in einer Metallmaske eingeschlossen und geschmolzenes Blei wird hineingegossen. Ein schrecklicher Tod, aber manchmal ist angst nützlich. Und natürlich ermöglicht das, dass ein Druck von ihrem Gesicht gemacht wird und anschließend als Erinnerung für alle ausgestellt wird.”
Sie nahm etwas von dem Stuhl neben ihr. Es sah aus wie eine der vielen Masken, die es immer am Hof zur Anbetung der maskierten Göttin gab. Diese hätte aber auch der Guss eines Gesichtes sein können. Ein angsteinflössendes, schmerzerfülltes Gesicht.
“Allan of Courcer entschied sich, sich gegen die Krone zu erheben”, sagte die Witwe. “Wir haben die meisten seiner Männer gehängt, aber bei ihm haben wir eine Ausnahme gemacht. Ich erinnere mich noch an seine Schreie. Es ist lustig, wie diese Dinge verweilen.”
Angelica fiel schon fast haltlos von ihrem Stuhl auf ihre Knie und sah die andere Frau an.
“Bitte Ihre Majestät”, bettelte sie, denn in dem Moment, schien Betteln ihre einzige Option. “Bitte, ich mache alles.”
“Alles?”, fragte die Witwe. “Alles ist ein großes Wort. Was, wenn ich dich bitte das Land deiner Familie zu übergeben oder als Spion in den Höfen dieser neuen Armee zu dienen, die aus den kontinentalen Kriegen kommt? Was, wenn ich mich dazu entscheide, dass du gehen sollst und deine Strafe in einer der entfernten Kolonien ableisten sollst?”
Angelica sah sich die Angst einflössende Totenmaske an und wusste, dass es nur eine Antwort gab.
“Alles, Ihre Majestät. Nur das nicht.”
Sie hasste es, so zu sein. Sie war eine der vornehmsten Adligen im Land, dennoch fühlte sie sich hier und jetzt so hilflos wie der niedrigste Kleinbauer.
“Was ist, wenn ich möchte, dass du meinen Sohn heiratest?”, fragte die Witwe.
Angelica starrte sie verständnislos an, die Wörter machten keinen Sinn. Wenn die andere Frau gesagt hätte, dass sie ihr einen Korb voll Gold gab und sie dann wegschicken würde, hätte es mehr Sinn gemacht als so.
“Ihre Majestät?”
“Knie da nicht mit offenem und schließenden Mund wie ein Fisch”, sagte die andere Frau.
“Setz dich wieder hin. Und versuche wenigstens so auszusehen, wie die Art von kultivierter junger Dame, die meinen Sohn heiraten sollte.”
Angelica zwang sich wieder auf den Stuhl. Dennoch fühlte sie sich, als wenn sie gleich umkippen würde. “Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.”
Die Witwe bewegte ihre Finger. “Es gibt nicht viel zu verstehen. Ich brauche jemanden, der geeignet genug ist, um meinen Sohn zu heiraten. Du bist schön genug, von einer Familie, die ausreichend reich ist, gute Verbindung zum Hof hat und es scheint offensichtlich von deiner kleinen Handlung, dass du an dieser Rolle interessiert bist. Es ist eine Vereinbarung die sich auf alle Beteiligten recht vorteilhaft auswirken wird, stimmst du mir da zu?”
Angelica schaffte es, sich zusammenzureißen. “Ja, Ihre Majestät. Aber –“
“Es ist wahrscheinlich besser als die Alternativen”, sagte die Witwe und ließ ihre Finger dabei über ihre Maske streichen. “In jedem Sinne.”
Wenn sie es so sagte, hatte Angelica keine Wahl. “Es wäre mir eine Freude, Ihre Majestät.”
“Dein Glück ist nicht meine größte Sorge”, schnappte die Witwe. “Das Wohlsein meines Sohnes und die Sicherheit dieses Königreiches sind es. Du wirst keines von beiden gefährden oder es wird eine Abrechnung geben.”
Angelica musste nicht fragen, welche Art von Abrechnung. Sie konnte die Bedrohung des Terrors durch sich laufen fühlen. Sie hasste das. Sie hasste diese alte Hexe, die sogar etwas was sie wollte, sich wie eine Bedrohung anfühlen lassen konnte.
“Was ist mit Sebastian?”, fragte Angelica. “Was ich so auf dem Ball gesehen habe, sind seine Interessen … wo anders.”
Bei dem rothaarigen Mädchen, die angeblich aus Meinhalt kam, aber die sich nicht, wie irgendeine Reiche verhielt, die Angelica je getroffen hatte.
“Das wird nicht länger ein Problem sein”, sagte die Witwe.
“Aber trotzdem, wenn er noch verletzt ist …”
Die andere Frau starrte sie an. “Sebastian wird seine Aufgabe erfüllen, für das Königreich und seine Familie. Er wird heiraten, wen er aufgefordert wird zu heiraten und wir werden das zu einer freudigen Angelegenheit machen.”
“Ja, Ihre Majestät”, sagte Angelica und senkte sittsam ihren Blick. Wenn sie erst einmal mit Sebastian verheiratet war, würde sie nicht mehr so scharwenzeln müssen. Aber im Moment verhielt sie sich, wie sie es musste. “Ich werde gleich meinem Vater schreiben.”
Die Witwe winkte ab. “Das habe ich bereits getan und Robert war erfreut zu akzeptieren. Die Vereinbarungen für die Hochzeit sind bereits auf dem Weg. Von den Boten habe ich gehört, dass deine Mutter bei den Neuigkeiten in Ohnmacht gefallen ist, aber naja sie war ja schon immer ein wenig zart. Ich hoffe, dass dies keine Eigenschaft ist, die du an meine Enkelkinder weitergeben wirst.”
Sie ließ es wie eine Krankheit klingen, die ausgelöscht werden musste. Angelica wurde noch wütender davon, wie alles ohne ihr Wissen geregelt worden war. Dennoch gab sie sich Mühe die Dankbarkeit zu zeigen, die von ihr erwartet wurde.
“Danke Ihnen, Ihre Majestät”, sagte sie. “Ich werde die beste Schwiegertochter sein, die Sie sich wünschen können.”
“Denke einfach daran, dass du keine besonderen Vorteile davon hast, dass du meine Tochter wirst”, sagte die Witwe.
“Du wurdest auserwählt, eine Aufgabe zu erfüllen und du wirst das zu meiner Zufriedenheit tun.”
“Ich werde mich bemühen, Sebastian glücklich zu machen”, sagte Angelica.
Die Witwe stand auf. “Sie zu, dass du das machst. Mache ihn glücklich, sodass er an nichts anderes denken kann. Mache ihn glücklich, damit er nicht mehr weiter an … andere denkt. Mache ihn glücklich, schenke ihm Kinder, tue alles, was die Frau eines Prinzen tun sollte. Wenn du all das machst, wird deine Zukunft ebenfalls glücklich sein.”
Angelicas Gemüt würde das nicht so auf sich sitzen lassen. “Und wenn ich das nicht tue?”
Die Witwe schaute sie an, als wenn sie nichts wäre, anstatt einer der reichsten Adligen im ganzen Land.
“Du versuchst stark zu sein in der Hoffnung, dass ich dich als gleichwertig akzeptiere”, sagte sie. “Vielleicht hoffst du, dass ich etwas von mir selbst in dir sehe, Angelica. Vielleicht tue ich das, aber das ist selten eine gute Sache. Ich will, dass du dich von jetzt an, immer an etwas erinnerst: Ich besitze dich.”
“Nein, Sie –“
Der Schlag war nicht hart. Er würde keine Merkmale hinterlassen, die man sehen konnte. Es brannte kaum, mal abgesehen von Angelicas Stolz. Der brannte.
“Ich besitze dich, als wenn ich die Leibeigenschaft eines Mädchen gekauft hätte”, wiederholte die Witwe. “Wenn du auf irgendeine Art scheiterst, werde ich dich zerstören, dafür, was du versucht hast meinem Sohn anzutun. Der einzige Grund, warum du hier bist und nicht in einer Zelle, ist, weil du für mich so nützlicher bist.”
“Als eine Frau für Ihren Sohn”, sagte Angelica.
“Als das und als eine Ablenkung für ihn”, antwortete die Witwe. “Du hast gesagt, du würdest alles tun. Lasse es mich wissen, wenn du deine Meinung änderst.”
Und dann würde es den schrecklichsten Tod geben, den Angelica sich vorstellen könnte.
“Nein, das dachte ich mir. Du wirst die perfekte Frau sein. Du wirst in absehbarer Zeit die perfekte Mutter sein. Du wirst mir von möglichen Problemen erzählen. Du wirst meinen Befehlen gehorchen. Wenn du an einem dieser Dinge scheiterst wird die Bleimaske noch harmlos im Vergleich dazu erscheinen, was mit dir passieren wird.”
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