Kitabı oku: «Ein Reich der Schatten», sayfa 2
KAPITEL DREI
Kyra wappnete sich als sie in das Feld aus Feuer schritt. Die Flammen schossen in den Himmel, versiegten aber genauso schnell wieder. Die Flammen wanden sich in vielen verschiedenen Farben und streichelten sie, als sie mit ausgestreckten Armen hindurchlief. Sie fühlte ihre Intensität, fühlte wie sie sie umschlangen, wie in einer dünnen Umarmung.
Sie wusste, dass sie in den Tod lief und dennoch konnte sie nirgendswo anders hin.
Und doch, unglaublicherweise fühlte sie keinen Schmerz. Sie verspürte ein Gefühl von Frieden, so als ob ihr Leben zu Ende ging.
Sie sah nach draußen durch die Flammen, sie sah ihre Mutter, die irgendwo dort am weiten Ende auf sie wartete, auf der anderen Seite des Feldes. Sie fühlte Frieden und sie wusste endlich, dass sie in der Umarmung ihrer Mutter sein würde.
Ich bin hier, Kyra, rief sie. Komm zu mir.
Kyra starrte in die Flammen und konnte nur das Gesicht ihrer Mutter ausmachen, es war fast durchscheinend und halb hinter einer Flammenwand versteckt. Sie lief tiefer in die knisternden Flammen und war nicht in der Lage anzuhalten, bis sie von allen Seiten umringt wurde.
Ein Brüllen drang durch die Luft, es war sogar lauter als das Geräusch der Flammen. Sie sah nach oben und war verwundert, dass sie einen Himmel voller Drachen sah. Sie kreisten und kreischten und als sie erneut nach oben blickte, sah sie wie ein riesiger Drache brüllte und nun zu ihr hinunterflog.
Kyra spürte wie der Tod kam.
Als der Drachen mit ausgestreckten Klauen näher kam, brach auf einmal der Boden unter ihr zusammen und Kyra merkte wie sie fiel und in Richtung Erde raste. Eine Erde, die voller Flammen war, ein Ort, an dem sie niemals entkommen konnte.
Kyra öffnete überrascht die Augen und atmete schwer. Sie sah sich um und fragte sich, wo sie war und fühlte den Schmerz in jedem Teil ihres Körpers. Sie spürte den Schmerz im Gesicht, ihre Wangen waren geschwollen und pochten und als sie langsam ihren Kopf anhob, da sie nicht richtig atmen konnte, stellte sie fest, dass sie mit dem Gesicht im Schlamm lag. Sie stemmte die Handflächen in die weiche Erde, erhob sich langsam, wischte sich den Schlamm vom Gesicht und fragte sich, was gerade passiert war.
Ein Brüllen durchschnitt die Luft. Kyra sah nach oben und fühlte wie eine Welle der Angst sie überkam, als sie etwas sehr Reales am Himmel erblickte. Die Luft war von Drachen erfüllt. Drachen aller Größen und Farben, sie kreisten, kreischten und spien voller Wut Feuer durch die Luft. Als sie sie beobachtete, sah sie wie ein Drache hinunterflog und einen Feuerwall Richtung Boden spie. Kyra sah sich wieder und wieder suchend um und ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als sie realisierte, wo sie war: Andros.
Nun kam alles zurück. Sie war auf Theon geflogen und nach Andros zurückgekehrt, um ihren Vater zu retten, als sie in der Luft von einer Horde Drachen angegriffen wurden. Sie waren aus dem Nichts am Horizont erschienen, hatten Theon gebissen und sie auf den Boden geworfen. Kyra realisierte, dass sie wohl ohnmächtig gewesen sein musste.
Nun war sie von einer Hitzewelle, von Schreien und von Chaos in der Hauptstadt geweckt worden. Sie sah sich um und realisierte, dass die Hauptstadt unter Flammen stand. Überall rannten Menschen um ihr Leben, sie schrien, als die Flammen wie Wellen, wie ein Sturm herabkamen. Es sah aus, als ob das Ende der Welt gekommen war.
Kyra hörte ein schweres Atmen und als sie Theon sah, wie er nah neben ihr auf der Seite verletzt auf dem Boden lag, sank ihr Herz hinab. Blut lief aus seinen Schuppen. Seine Augen waren geschlossen, seine Zunge hing auf der einen Seite aus dem Maul und er sah aus, als ob er fast tot war. Der einzige Grund, warum sie und Theon noch am Leben waren, war, dass sie beide von einem Schutthügel getarnt wurden. Sie waren wohl in ein Gebäude gefallen, das über ihnen zusammengebrochen war. Aber wenigstens hatte es sie versteckt und aus der Sichtweite der Drachen über ihnen gebracht.
Kyra wusste, dass sie und Theon hier so schnell wie möglich rauskommen mussten. Es blieb ihnen nicht viel Zeit, bevor sie entdeckt werden würden.
„Theon!” drängte sie.
Sie drehte sich um und hievte den Schutt, der über ihr lag zur Seite. Endlich schaffte sie es, die großen Stücke von ihrem Rücken zu schieben und sich selbst zu befreien. Sie rannte rüber zu Theon und schaufelte hektisch den Schutt über ihm zur Seite. Sie war in der Lage die meisten der Felsen zur Seite zu rollen und doch als sie wieder und wieder schaufelte, um den schweren Felsen von ihm zu bekommen, der ihn hinunterdrückte, schaffte sie es nicht. Sie versuchte es wieder und wieder, aber so sehr sie es auch versuchte, sie kam nicht weiter.
Kyra rannte hinüber und ergriff Theons Gesicht, verzweifelt ihn zu wecken. Sie strich über seine Schuppen und zu ihrer Erleichterung öffnete Theon langsam seine Augen. Aber dann schloss er sie bereits wieder und sie fing noch heftiger an ihn zu schütteln.
„Wach auf!” schrie Kyra. „Ich brauche dich!“
Theons Augen öffneten sich wieder leicht, dann drehte er den Kopf und sah sie an. Als er sie erkannte wurden der Schmerz und die Wut in seinen Augen weicher. Er versuchte sich zu drehen und hochzukommen, aber er war offensichtlich zu schwach; der Felsen drückte ihn nach unten.
Kyra stemmte wütend den Felsen zur Seite, aber dann brach sie weinend zusammen, als sie realisierte, dass sie ihn nicht würde bewegen können. Er würde hier sterben. Und sie auch.
Kyra hörte ein Brüllen, sah nach oben und erkannte, dass ein riesiger Drachen mit spitzen grünen Schuppen sie entdeckt hatte. Er brüllte vor Wut und begann in ihre Richtung zu fliegen.
Lass mich zurück.
Kyra hörte eine Stimme tief in sich wiederhallen. Theons Stimme.
Versteck dich. Lauf weit weg von hier. So lange du noch kannst.
„Nein!“ weinte sie zitternd und weigerte sich ihn zurückzulassen.
Geh, drängte er. Oder wir werden hier beide sterben.
„Dann sei es so, dann werden wir beide hier sterben!“ schrie sie. Eine eiserne Entschlossenheit überkam sie. Sie würde ihren Freund nicht im Stich lassen. Niemals.
Der Himmel verdunkelte sich. Kyra schaute nach oben und sah wie der riesige Drache mit ausgestreckten Krallen auf sie zukam. Er öffnete sein Maul und zeigte Reihen scharfer Zähne und sie wusste, dass sie nicht überleben würde. Aber es war ihr egal. Sie würde Theon nicht im Stich lassen. Der Tod würde sie nehmen, aber nicht die Feigheit. Sie hatte keine Angst vorm Sterben.
Nur davor schlecht zu leben.
KAPITEL VIER
Duncan lief humpelnd mit den anderen durch die Straßen von Andros. Er versuchte alles um mit Aidan, Motley und dem jungen Mädchen Cassandra mitzuhalten, während Aidans Hund ihm in die Fersen kniff und ihn weiter drängte. Sein alter und treuer Kommandant Anvin hielt seinen Arm und sein neuer Knappe Septin war an seiner Seite. Anvin versuchte sein Bestes ihn anzutreiben, obwohl er selbst in schlechter Verfassung war. Duncan konnte sehen wie schlimm verletzt sein Freund war und es bedeutete ihm viel, dass er in diesem Zustand gekommen, sein Leben riskiert hatte und all den Weg gereist war, um ihn zu befreien.
Die bunt gewürfelte Gruppe rannte die, vom Krieg zerstörten, Straßen von Andros entlang. Überall um sie herum war Chaos und ihre Überlebenschancen standen schlecht. Auf der einen Seite war Duncan so erleichtert wieder frei zu sein und seinen Sohn wiederzusehen und so dankbar wieder mit all ihnen vereint zu sein. Und doch als er den Himmel absuchte, hatte er das Gefühl zwar das Gefängnis verlassen, aber in einen sicheren Tod geworfen worden zu sein. Der Himmel war voll von kreisenden Drachen, die hinabstürzten und Gebäude mit ihren Klauen wegwischten und die Stadt zerstörten, indem sie ihre schrecklichen Flammensäulen ausstießen. Ganze Straßenzüge standen in Flammen und blockierten ihren Fluchtweg. Eine Straße nach der anderen wurde unpassierbar und die Flucht aus der Hauptstadt schien immer unwahrscheinlicher.
Motley schien diese Hinterstraßen offensichtlich gut zu kennen. Er führte sie gekonnt und bog eine Straße nach der anderen ab. Überall fand er Abkürzungen und schaffte es die umherstreifenden Gruppen von Pandesiern zu umgehen, die das andere Hindernis ihrer Flucht darstellten. Aber auch Motley konnte trotz seiner Gerissenheit die Drachen nicht umgehen und als sie in eine weitere Gasse einbogen stand auch diese bereits in Flammen. Sie alle blieben abrupt stehen, ihre Gesichter brannten von der Hitze und sie zogen sich zurück.
Duncan, in Schweiß gebadet, schaute zu Motley und dieses Mal konnte er keinen Trost darin finden, da auch Motley sich nun mit panischem Gesichtsausdruck suchend in alle Richtungen drehte.
„Hier entlang!” sagte Motley schließlich.
Er drehte sich um und führte sie eine weitere Straße hinunter, sie duckten sich genau in dem Moment unter einem Steinbogen hindurch, als ein Drache direkt vor ihnen den Platz, auf dem sie gerade noch gestanden hatten, in Brand setzte.
Während sie rannten tat es Duncan in der Seele weh zu sehen, wie diese großartige Stadt zerstört wurde, dieser Ort den er einst geliebt und verteidigt hatte. Er konnte nicht anders, er hatte das Gefühl, dass Escalon nie wieder zu seinem früheren Glanz zurückfinden würde und dass sein Heimatland für immer zerstört war.
Ein Schrei ertönte. Duncan schaute über seine Schulter zurück und sah dutzende von pandesischen Soldaten, die sie entdeckt hatten. Sie verfolgten sie, kamen immer näher und Duncan wussten, dass sie sie nicht besiegen – und sie auch nicht abhängen konnten. Der Stadtausgang war immer noch weit und ihre Zeit war abgelaufen.
Auf einmal ertönte ein lautes Krachen – Duncan schaute nach oben und sah wie ein Drache den Glockenturm mit seinen Krallen zerstörte.
„Vorsicht!” schrie er.
Er griff nach vorne und zog Aidan und die anderen, kurz bevor die Brocken des Turmes genau neben ihnen einschlugen, aus dem Weg. Ein riesiges Stück landete mit einem ohrenbetäubenden Schlag direkt hinter ihm und wirbelte eine riesige Staubwolke auf.
Aidan sah voller Schock und Dankbarkeit zu seinem Vater hoch und Duncan war glücklich, dass er zumindest das Leben seines Sohnes gerettet hatte.
Duncan hörte gedämpfte Schreie, drehte sich um und realisierte voller Dankbarkeit, dass der heruntergefallene Schutt den Weg der Soldaten blockiert hatte.
Sie rannten weiter. Duncan hatte Schwierigkeiten mitzuhalten, die Erschöpfung und die Verletzungen seiner Gefangenschafft nagten an ihm; er war immer noch unterernährt, verwundet und geschlagen und jeder Schritt war eine schmerzhafte Anstrengung. Dennoch zwang er sich weiter zu machen und wenn es auch nur dafür war um sicherzustellen, dass sein Sohn und seine Freunde überlebten. Er konnte sie nicht enttäuschen.
Sie bogen an einer engen Biegung ab und erreichten eine Weggabelung. Sie blieben stehen und schauten zu Motley.
„Wir müssen raus aus der Stadt!” schrie Cassandra frustriert Motley an. „Und du hast keine Ahnung wohin du läufst!”
Motley sah nach links und dann nach rechts und war offensichtlich verblüfft:
„Es gab hier die Straße hinunter ein Freudenhaus”, sagte er und schaute nach rechts. „Es führt aus der Stadt raus.”
„Ein Freudenhaus?“ zischte Cassandra. „Schöne Gesellschaft suchst du dir.“
„Mir ist es egal, was für Gesellschaft du hast“, fügte Anvin zu, „solange es uns hier rausbringt.“
„Lasst uns nur hoffen, dass es nicht versperrt ist“, fügte Aidan hinzu.
„Lasst uns gehen!“ schrie Duncan,
Motley fing wieder an zu rennen und bog rechts ab. Er war untrainiert und keuchte.
Sie bogen ab und folgten Motley. Ihre ganze Hoffnung lag auf ihm, während er durch die Hinterstraßen der Hauptstadt rannte.
Wieder und wieder bogen sie ab und endlich kamen sie zu einem niedrigen, steinernen Torbogen. Sie duckten sich alle und rannten hindurch. Als sie auf der anderen Seite wieder auftauchten war Duncan erleichtert ihn offen vorzufinden. Aufgeregt stellte er fest, dass die Tore Andros nur einige hundert Meter entfernt und die offenen Ebenen und die Wüste dahinter lagen. Genau hinter dem Tor standen dutzende von pandesischen Pferden angebunden, die von ihren toten Reitern verlassen worden waren.
Motley grinste.
„Ich habe es euch gesagt“, sagte er.
Duncan rannte mit den anderen, gewann an Geschwindigkeit und fühlte sich fast wieder in seiner alten Form. Ein neuer Hoffnungsschimmer erfüllte ihn – als auf einmal ein Schrei ertönte, der in seine Seele stach.
Er blieb stehen und lauschte.
„Wartet!“ schrie er den anderen zu.
Sie alle blieben stehen und sahen zum ihm zurück, so als ob er wahnsinnig war.
Duncan stand dort und wartete. War es möglich? Er hätte schwören können die Stimme seiner Tochter gehört zu haben. Kyra. Hörte er Dinge?
Natürlich musste er es sich eingebildet haben. Wie konnte sie denn auch hier in Andros sein? Sie war weit weg von hier, auf der anderen Seite von Escalon, sicher im Turm von Ur.
Und doch konnte er sich nicht überwinden zu gehen, nachdem er es gehört hatte.
Er stand dort, erstarrt, wartete und dann hörte er es wieder. Ihm standen die Haare zu Berge. Dieses Mal war er sicher. Es war Kyra.
„Kyra!“ sagte er laut mit großen Augen.
Ohne weiter darüber nachzudenken drehte er den anderen und dem Ausgang den Rücken zu und rannte zurück in die brennende Stadt.
„Wo gehst du hin?“ schrie Motley ihm hinterher.
„Kyra ist hier!“ schrie er und rannte weiter. „Und sie ist in Gefahr!“
„Bist du verrückt?“ sagte Motley, holte auf und ergriff seine Schulter. „Du rennst in den sicheren Tod!“
Aber Duncan schob entschlossen Motleys Hand von seiner Schulter und rannte weiter.
„Ein sicherer Tod“, antwortete er, „wäre es meiner Tochter, die ich liebe, den Rücken zu kehren.“
Duncan blieb nicht stehen als er allein in eine Gasse eintauchte und zurück in Richtung Tod, in Richtung der brennenden Stadt rannte. Er wusste, dass es seinen Tod bedeutete und es war ihm egal, solange er Kyra noch einmal sehen konnte.
Kyra, dachte er. Warte auf mich.
KAPITEL FÜNF
Der heiligste und höchste Ra saß auf seinem goldenen Thron inmitten der Hauptstadt Andros. Er schaute auf den Saal voller Generäle, Sklaven und Bittsteller und presste seine Handflächen verstimmt in die Arme des Throns. Er wusste, er sollte sich siegreich und erfüllt fühlen, nach allem, was er erreicht hatte. Denn Escalon war der letzte Verweigerer des Friedens in der Welt gewesen, der letzte Ort in seinem ganzen Reich, der noch nicht völlig von ihm unterworfen worden war und in den letzten Tagen hatte er es geschafft seine Streitmächte durch die glorreichsten Straßen aller Zeiten zu führen. Er schloss seine Augen und lächelte, wieder rief er sich das Bild ins Gedächtnis als sie das südliche Tor ungehindert überrannten und die ganzen Städte im südlichen Escalon ausrotteten und einen Pfad der Zerstörung Richtung Norden den ganzen Weg bis zur Hauptstadt einbrannten. Er grinste als ihm klar wurde, dass dieses Land, einst so schön, nun ein riesiges Grab war.
Dem Norden Escalons, das wusste er, war es nicht besser ergangen. Seine Flotten hatten es geschafft die glorreiche Stadt Ur zu fluten, die nun nichts mehr außer einer Erinnerung war. Auf der Ostseite hatte seine Flotte das Meer der Tränen eingenommen und alle Hafenstädte entlang der Küste zerstört. Mit Esephus hatten sie begonnen. Nur wenige Meter Escalons lagen noch außerhalb seiner Reichweite.
Und das Beste war, dass Escalons trotziger Kommandant Duncan, der Volksverhetzer, der mit dem Ganzen angefangen hatte, nun als Ras Gefangener im Kerker saß. Tatsächlich, als Ra nach draußen schaute und den Sonnenaufgang durchs Fenster betrachtete, wurde ihm beim Gedanken daran Duncan persönlich zum Galgen zu führen vor Aufregung ganz schwindlig. Er würde selbst das Seil ziehen und ihm beim Sterben zusehen. Er lächelte bei diesem Gedanken. Heute würde ein schöner Tag werden.
Ras Sieg war an allen Fronten erfolgreich – und doch fühlte er sich immer noch nicht erfüllt. Er saß dort, hörte tief in sich hinein und versuchte sein Gefühl von Unzufriedenheit zu verstehen. Er hatte alles was er wollte. Was nagte noch an ihm?
Ra hatte sich noch nie erfüllt gefühlt, nicht bei einem seiner Feldzüge und noch nie in seinem ganzen Leben. Es hatte immer etwas in ihm gebrannt, das mehr und mehr wollte. Und sogar jetzt konnte er es spüren. Was konnte er noch tun, um seine Wünsche zu erfüllen? fragte er sich. Was konnte er tun, damit sich sein Sieg wirklich vollständig anfühlte?
Langsam keimte ein Plan in ihm auf. Er könnte jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, die noch in Escalon übrig waren umbringen. Er könnte zuerst die Frauen vergewaltigen und die Männer foltern. Er lächelte breit. Ja, das würde helfen. Eigentlich könnte er direkt damit anfangen.
Ra sah zu seinen Beratern hinunter, hunderte seiner besten Männer, die alle vor ihm mit gesenkten Köpfen knieten. Keiner von ihnen wagte den Augenkontakt. Sie alle starrten lautlos auf den Boden, so wie es ihnen befohlen worden war. Denn nach allem, hatten sie das Glück sich in der Gegenwart eines Gottes wie ihm aufhalten zu dürfen.
Ra räusperte sich.
„Bringt mir die zehn schönsten Frauen, die es in Escalon noch gibt“, befahl er. Seine tiefe Stimme dröhnte durch den Saal.
Einer seiner Diener senkte den Kopf soweit herab, dass er den Marmorboden berührte.
„Ja, mein Herr!“ sagte er und drehte sich um.
Als der Diener gerade die Tür erreichte ging diese auf einmal auf und ein weiterer Diener stürmte hektisch in den Saal und rannte direkt auf Ras Thron zu. Alle anderen im Raum keuchten vor Angst. Niemand traute sich einfach in einen Raum einzutreten und noch viel weniger sich Ra ohne eine formale Einladung zu nähern. Und wenn doch, dann bedeutete das den sicheren Tod.
Der Diener stürzte sich mit dem Gesicht zuerst zu Boden und Ra starrte angewidert auf ihn nieder.
„Tötet ihn!“ befahl er.
Sofort stürzten mehrere seiner Soldaten nach vorne und ergriffen den Mann. Sie zogen ihn mit sich. Er zappelte und schrie: „Wartet, mein mächtiger Herr! Ich komme mit dringenden Neuigkeiten – Neuigkeiten, die Ihr sofort hören müsst.“
Ra ließ den Mann wegbringen, ihn interessierten die Neuigkeiten nicht. Der Mann zappelte den ganzen Weg und als sie fast schon zur Tür heraus waren schrie er:
„Duncan ist ausgebrochen!“
Ra fühlte, wie ihn der Schock durchfuhr, er hob eine Hand und ließ die Männer, die den Botschafter festhielten, anhalten.
Missmutig verarbeitete Ra langsam die Neuigkeiten. Er stand dort und atmete tief ein. Er lief die elfenbeinernen Stufen hinunter, nahm eine nach der anderen und seine goldenen Stiefel hallten durch den Saal, als er diesen vollständig durchschritt. Die Atmosphäre im Raum war still und angespannt. Endlich erreichte er den Boten. Mit jedem weiteren Schritt konnte Ra die Wut spüren, die in ihm aufstieg.
„Wiederhole es!“ befahl Ra mit dunkler und bedrohlicher Stimme.
„Es tut mir sehr leid, mein großer und heiliger höchster Herr“, sagte er mit zitternder Stimme, „aber Duncan ist geflohen. Jemand hat ihn aus den Kerkern befreit. Unsere Männer verfolgen ihn bereits in diesem Moment während wir hier sprechen!“
Ra fühlte wie sein Gesicht rot wurde und wie das Feuer in ihm brannte. Er ballte seine Fäuste. Er würde es nicht zulassen. Er würde es sich selbst nicht gestatten das letzte Stück Genugtuung, was er verspürte zu verlieren.
„Danke, für das Überbringen der Neuigkeiten“, sagte Ra.
Ra lächelte und für einen Moment sah der Botschafter entspannt aus, er begann sogar zurück zulächeln und sich vor Stolz aufzuplustern.
Ra belohnte ihn tatsächlich. Er trat nach vorne und legte langsam seine Hände um den Nacken des Mannes und drückte fester und fester. Die Augen des Mannes beulten sich aus dem Schädel, dieser holte nach oben aus und ergriff Ras Handgelenke – aber er war nicht in der Lage sich von Ras Händen zu befreien. Ra wusste, dass der Mann es nicht schaffen würde.
Denn nach allem war er nur ein Mann und Ra war der große und heilige Ra, der Mann, Der Einmal ein Gott Gewesen War.
Der Botschafter kollabierte und fiel tot zu Boden. Aber es hatte Ra ein wenig Genugtuung verschafft.
„Männer!“ dröhnte Ra.
Seine Kommandanten wurden aufmerksam und sahen ihn angstvoll an.
„Versperrt jeden Ausgang der Stadt! Sendet jeden Soldaten aus, wir müssen diesen Duncan finden. Und wenn ihr gerade dabei seid, dann bringt jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Escalons Stadt um. GEHT!“
„Ja, höchster Herr!“ antworteten die Männer aus einem Munde.
Sie rannten alle aus dem Saal, fielen und stolperten übereinander her, jeder wollte Ras Befehl zuerst ausführen.
Ra drehte sich wütend um und nahm einen tiefen Atemzug, als er den nun leeren Saal durchquerte. Er ging auf den großen Balkon und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen.
Ra trat nach draußen und fühlte die frische Luft während er die chaotische Stadt unter sich betrachtete. Seine Soldaten, stellte er zufrieden fest, nahmen den größten Teil von ihr ein. Er fragte sich, wo Duncan wohl sei. Er bewunderte ihn, das musste er ihm lassen; vielleicht konnte er sich sogar selbst ein wenig in ihm wiedererkennen. Trotzdem würde Duncan lernen müssen, was es hieß dem großen Ra in die Quere zu kommen. Er würde den Tod gnädig annehmen. Auch er würde, wie der Rest der Welt, lernen sich zu unterwerfen.
Auf einmal ertönten von unten Schreie und Ra sah wie seine Männer ihre Schwerter und Speere in die Rücken von nichtsahnenden Frauen und Kindern stachen. So wie befohlen begannen die Straßen sich mit Blut zu füllen. Ra seufzte zufrieden und fand Genugtuung darin. All diese Escalonier würden daraus eine Lehre ziehen. Er handhabte es immer gleich, egal wohin er auch ging, egal welches Land er eroberte sie würden für die Sünden ihres Kommandanten bezahlen müssen.
Auf einmal durchschnitt ein plötzliches Geräusch die Luft. Es war sogar lauter als die angsterfüllten Schreie von unten und es schreckte Ra aus seiner Träumerei auf. Er wusste nicht, was es war oder warum es ihn so sehr erschreckte. Es war ein tiefes, dunkles Rumpeln, welches ihn an Donner erinnerte.
Gerade als er sich fragte, ob er es wirklich gehört hatte, ertönte das Geräusch wieder und er realisierte, dass es nicht von unten – sondern vom Himmel kam.
Ra sah verdutzt nach oben und blinzelte fragend in die Wolken. Das Geräusch ertönte wieder und wieder und er wusste diesmal, dass es sich nicht um Donner handelte. Es war etwas viel Unheilvolleres.
Als er die aufgewirbelten, grauen Wolken absuchte sah Ra plötzlich etwas, was er nie vergessen würde. Er blinzelte, sicher, dass er es sich eingebildet hatte. Aber sooft er auch wegsah änderte sich nichts an der näherkommenden Bedrohung.
Drachen. Eine ganze Horde.
Sie gingen mit ausgestreckten Krallen und erhobenen Flügeln feuerspeiend auf Escalon nieder. Und kamen genau auf ihn zu.
Bevor er es überhaupt verarbeiten konnte, standen bereits hunderte seiner Soldaten vom Feueratem der Drachen schreiend in Flammen. Weitere hundert ächzten als die Drachen sie in Stücke rissen.
Während er dort panisch und ungläubig stand, fixierte ihn ein enormer Drache mit seinem Blick. Er steuerte auf den Balkon zu, fuhr seine Krallen aus und tauchte hinab.
Einen Augenblick später zertrümmerte er den Stein in zwei Hälften und verpasste den sich duckenden Ra nur knapp. Ra bemerkte panisch wie der Stein unter seinen Füßen nachgab.
Kurz danach merkte er wie er fiel. Er zappelte und schrie als er in Richtung Boden flog. Er hatte geglaubt, er wäre unbesiegbar gewesen, mächtiger als sie alle.
Aber der Tod hatte ihn nach allem doch noch gefunden.