Kitabı oku: «Herrscher, Rivale, Verbannte », sayfa 2

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KAPITEL ZWEI

Ceres konnte noch immer nicht glauben, dass sie entkommen waren. Sie lag an Deck des kleinen Bootes, das sie gestohlen hatten, und es schien ihr unmöglich zu glauben, dass sie sich gerade hier befand und nicht in irgendeinem Kampfgraben unter dem Schloss ihrem Tod entgegensah.

Nicht, dass sie hier in Sicherheit waren. Der Pfeilregen über ihr machte das mehr als deutlich.

Ceres blickte über die Reling des Bootes und versuchte herauszufinden, ob es etwas gab, das sie tun konnte. Bogenschützen feuerten ihre Geschosse vom Ufer aus ab. Der Großteil ihrer Geschosse landete im Wasser und nur wenige donnerten in das Holz ihres Gefährts, wo schwingend ihre Energie verpuffte.

„Wir müssen einen Zahn zulegen“, sagte Thanos neben ihr. Er griff eilig eines der Segel. „Hilf mir, das Segel zu hissen.“

„Noch... nicht“, krächzte eine Stimme von der anderen Seite des Decks.

Akila lag ausgestreckt dort. In Ceres’ Augen machte er einen besorgniserregenden Eindruck. Das Schwert des Ersten Steins hatte noch vor wenigen Minuten in ihm gesteckt, und jetzt da Ceres es herausgezogen hatte, verlor er immer mehr Blut. Dennoch schaffte er es, den Kopf zu heben und sie mit einer Dringlichkeit anzublicken, die sie schlecht ignorieren konnten.

„Noch nicht“, wiederholte er. „Die Schiffe im Hafen vereinnahmen den gesamten Wind für sich. Das Segel jetzt zu hissen macht aus uns nur unnötig ein Ziel. Nehmt die Ruder.“

Ceres nickte und zog Thanos dorthin, wo die Kampfherren, die sie gerettet hatten, an den Rudern saßen. Es war nicht gerade leicht, neben den muskelbepackten Männern genug Platz zu finden. Doch sie quetschte sich neben einen und unterstützte ihre Bemühungen mit letzter Kraft.

Sie ruderten in den Schatten einer ankernden Galeere und der Pfeilregen ließ augenblicklich nach.

„Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen“, sagte Ceres. „Sie können uns nicht töten, wenn sie uns nicht finden.“

Sie ließ ihr Ruder los und die anderen taten es für einen kurzen Augenblick in gleicher Weise. So folgte ihr Boot der Strömung eines größeren Schiffes, sodass sie unmöglich vom Ufer aus gesehen werden konnten.

Das verschaffte ihr einen kurzen Augenblick, nach Akila zu sehen. Ceres hatte ihn nur flüchtig kennengelernt, und doch gab sie sich für das, was ihm widerfahren war, die Schuld. Er hatte für ihre Sache gekämpft, als ihm diese Wunde an seiner Seite, die noch immer wie ein gieriger Mund aufklaffte, zugefügt worden war.

Sartes und Leyana knieten sich neben ihn und versuchten, die Blutung zu stillen. Ceres stellte erstaunt fest, wie gut ihnen das gelang. Sie vermutete, dass der Krieg die Menschen gezwungen hatte, sich Fähigkeiten anzueignen, die sie sonst niemals erlernt hätten.

„Wird er es schaffen?“ fragte Ceres ihren Bruder.

Sartes blickte zu ihr auf. Seine Hände waren voller Blut. Leyana neben ihm sah bleich aus.

„Ich weiß es nicht“, sagte Sartes. „Ich habe schon viele Schwertwunden gesehen, und wenn ich das richtig sehe, hat das Schwert bei ihm alle wichtigen Organe verfehlt. Aber das vermute ich nur, weil er noch nicht gestorben ist.“

„Du machst das sehr gut“, sagte Leyana und legte ihre Hand auf Sartes’. „Auf einem Boot sind die Optionen immer beschränkt. Wir brauchen eigentlich einen echten Heiler.“

Ceres war froh, dass sie da war. Ihrem ersten Eindruck von dem Mädchen nach, schienen Leyana und ihr Bruder gut zusammenzupassen. Mit Sicherheit versuchten sie alles, um Akila gemeinsam am Leben zu halten.

„Wir werden dich zu einem Heiler bringen“, versprach Ceres, auch wenn sie sich nicht sicher war, wie sie dieses Versprechen würde einhalten können. „Irgendwie.“

Thanos befand sich jetzt am Bug des Boots. Ceres ging in der Hoffnung zu ihm, dass er mehr als sie selbst eine Idee hatte, wie sie von hier entkommen konnten. Der Hafen war gerade voller Schiffe und die Flotte der Besatzer trieb wie eine schwimmende Stadt neben der eigentlichen im Wasser.

„In Felldust war es noch schlimmer“, sagte Thanos. „Das hier ist die Hauptflotte. Mehr Schiffe sind auf dem Weg.“

„Um das Reich auseinanderzunehmen“, vermutete Ceres.

Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Sie hatte das Reich in die Knie zwingen wollen, aber das hier... jetzt wurde nur noch mehr Menschen Leid zugefügt. Gewöhnliche Menschen und Adlige würden von den Besatzern gleichermaßen versklavt, wenn man sie nicht gleich tötete. Mittlerweile mussten sie auch Stephania gefunden haben. Ceres hätte wahrscheinlich irgendeine Form von Genugtuung bei diesem Gedanken spüren sollen. Tatsächlich war sie jedoch in erster Linie erleichtert, dass sie nun aus ihrem Leben verschwunden war.

„Bereust du es, Stephania zurückgelassen zu haben?“ fragte Ceres Thanos.

Er legte einen Arm um sie. „Ich bedaure, dass es so weit kommen musste“, sagte er. „Aber nach allem, was sie getan hat... nein, ich bereue es nicht. Sie verdient es. Das und noch viel mehr.“

Er klang aufrichtig, aber Ceres wusste auch, wie schwierig die Dinge werden konnten, wenn es um Stephania ging. Wie es auch gewesen war, jetzt war sie weg und höchstwahrscheinlich sogar tot. Sie hingegen waren frei. Oder würde es zumindest sein, wenn sie es lebendig aus dem Hafen schafften.

Sie sah, wie ihr Vater nickte und auf etwas deutete.

„Dort, seht ihr diese Schiffe? Sie sehen so aus als würden sie aufbrechen.“

Es stimmte, dort waren einige Galeeren und Koggen, die den Hafen im Pulk verließen. Sie fuhren dichtgedrängt im Pulk davon, so als hätten sie Angst, dass ihnen jemand all das wegnähme, was sie mit sich nahmen. So wie sie Felldust kannte, würde genau das wahrscheinlich passieren.

„Was sind das?“ fragte Ceres. „Handelsschiffe?“

„Ein paar bestimmt“, antwortete ihr Vater. „Gefüllt mit Raubgut aus den Eroberungen. Ich würde vermuten, dass einige von ihnen Sklavenhalter sind.“

Bei dieser Vorstellung wurde Ceres schlecht. Dass es dort vor ihr Schiffe gab, die die Menschen ihrer Stadt verschleppten, um ihnen ein Leben in Ketten aufzuzwingen, erfüllte sie mit einer solchen Wut, dass sie diese Schiffe am liebsten mit ihren bloßen Hände in Stücke gerissen hätte. Doch das konnte sie nicht. Sie waren nur ein einzelnes Boot.

Ihrem Ärger zum Trotz konnte Ceres sehen, dass sich ihnen hier eine Gelegenheit bot.

„Wenn wir es dort rüber schaffen, wird sich niemand wundern, dass wir den Hafen verlassen“, sagte sie.

„Wir müssen es immer noch erst einmal dorthin schaffen“, bemerkte Thanos. Doch Ceres konnte sehen, dass er bereits versuchte, eine Route zu finden.

Die vollbeladenen Schiffe trieben so nah beieinander, dass es ihnen so vorkam als manövrierten sie ihr Boot eher durch eine Reihe von Kanälen als über ein offenes Gewässer. Sie bahnten sich mit Hilfe ihrer Ruder ihren Weg an den zusammengepferchten Schiffen vorbei und versuchten, keine Aufmerksamkeit zu wecken. Jetzt da sie es aus der Reichweite der Soldaten am Ufer geschafft hatten, würde niemand Verdacht schöpfen, dass sie hier nicht hingehörten. Sie konnten in der großen Masse der Felldustflotte untertauchen und sie als Tarnung nutzen, auch wenn einige unter den Besatzern noch immer auf der Jagd nach ihnen waren.

Ceres umklammerte das Schwert, das sie aus Akilas Leib gezogen hatte. Es war so groß, dass sie es kaum hochheben konnte, doch wenn sich ihr jemand in den Weg stellte, würde dieser schnell erkennen müssen, wie gut sie damit umgehen konnte. Vielleicht würde sich ihr sogar eines Tages die Gelegenheit bieten, es seinem Besitzer zurückzugeben, mit der Spitze zuerst in das Herz der Ersten Steins.

Doch vorerst konnten sie sich keinen Kampf erlauben. Es würde sie als Fremde enttarnen und ihnen jedes Boot in ihrer Umgebung auf den Hals jagen. So wartete Ceres ab. Sie spürte ihre eigene Anspannung, als sie an der bunt durchmischten Landungsflotte vorbeiglitten, an den Wracks ausgebrannter Schiffe und an jenen Schiffen, denen noch Schlimmeres angetan worden war. Ceres sah ein Boot, in dem Menschen wie Vieh gebrandmarkt worden waren, eines, in dem zwei Männer sich unter dem Jubel von Matrosen zu Tode prügelten, eines, in dem –

„Ceres, sieh“, sagte Thanos und deutete auf ein Schiff in ihrer Nähe.

Ceres blickte auf und sah ein weiteres Beispiel des Grauens um sie. Eine seltsam aussehende Frau, deren Gesicht von etwas ascheartigem bedeckt war, hatte man wie eine Galionsfigur an den Bug eines Schiffes gebunden. Zwei Soldaten peitschten sie abwechselnd aus, sodass sich ihre Haut langsam abzulösen schien.

„Es gibt nichts, was wir tun könnten“, sagte Ceres’ Vater. „Wir können es nicht mit allen gleichzeitig aufnehmen.“

Ceres verstand, was er meinte, und dennoch war ihr die Vorstellung, nur daneben zu stehen, während jemand gefoltert wurde, ein Graus.

„Aber das ist Jeva“, antwortete Thanos. Er fing Ceres’ verwirrten Blick ein. „Sie hat mich zum Knochenvolk geführt, das die Flotte angegriffen hat, damit ich in die Stadt entwischen kann. Es ist meine Schuld, dass das hier geschieht.“

Bei diesen Worten zog sich Ceres’ Herz zusammen, denn Thanos war nur ihretwegen zurück in die Stadt gekommen.

„Trotzdem“, sagte ihr Vater, „wenn wir versuchen, ihr zu helfen, bringen wir uns alle in Gefahr.“

Ceres konnte seine Bedenken nachvollziehen, und trotzdem wollte sie helfen. Thanos schien ihr einen Schritt voraus zu sein.

„Wir müssen ihr helfen“, sagte Thanos. „Tut mir leid.“

Ihr Vater streckte seine Hand nach Thanos aus, doch der war schneller. Er sprang ins Wasser und begann auf das Schiff zu zu schwimmen. Mögliche Gefahren die im Wasser lauerten, schien er dabei vollkommen zu ignorieren. Ceres wägte noch einen kurzen Moment lang ab... und dann warf sie sich ihm folgend ebenso in das Nass.

Es war schwer, mit dem schweren Schwert, das sie gestohlen hatte, zu schwimmen. Doch sie würde jede Waffe brauchen können. Sie tauchte in die kühlen Wellen ein und hoffte, dass die Haie sich an den Gefallenen der Schlacht sattgefressen hatten und dass sie der Dreck, den so viele Schiffe über Bord warfen, nicht töten würde. Ihre Hände schlossen sich um die Seile einer ankernden Galeere. Ceres begann hinaufzuklettern.

Es war nicht leicht. Die Schiffseite war glitschig und ihre Klettertour wäre auch ohne, dass Ceres unter Stephanias Händen viele Tage ausgelaugt worden wäre, beschwerlich gewesen. Irgendwie gelang es ihr dennoch, sich auf das Deck zu hieven. Sie warf das große Schwert vor sich auf den Boden als wäre sie ein Taucher, der gerade ein Netz mit Muscheln aus dem Wasser zog.

Sie kam rechtzeitig wieder zum Stehen, um einen Matrosen auf sich zurennen zu sehen.

Ceres griff mit beiden Händen nach ihrem gestohlenen Schwert, zog daran und schwang es in die Luft. Sie schnitt mit ihm in einem Halbbogen durch die Luft und machte den Matrosen einen Kopf kürzer. Dann blickte sie sich nach der nächsten Bedrohung um. Thanos rang bereits mit einem der Matrosen, der sich an der Frau aus dem Knochenvolk ergangen hatte. Ceres rannte ihm zu Hilfe. Sie schlitze dem Matrosen den Rücken auf, und Thanos warf den sterbenden Mann dem nächsten Matrosen entgegen.

„Mach sie frei“, sagte Ceres. „Ich halte sie solange auf.“

Sie schwang ihre Klinge in Bögen umher und hielt so die Matrosen auf Abstand, während Thanos an der Befreiung von Jeva arbeitete. Aus der Nähe sah sie noch seltsamer aus als aus der Ferne. Ihre weiche dunkle Haut war durchzogen von blauen Kreisen und Mustern, die wie qualmende Tentakel auch ihren kahl geschorenen Schädel bedeckten. Teile von Knochen baumelten an ihren sonst seidenen Kleidern, während ihre Augen angesichts ihrer Notlage herausfordernd funkelten.

Ceres blieb keine Zeit Thanos zuzusehen, wie er sie befreite, denn sie musste sich darauf konzentrieren, die Matrosen zurückzuhalten. Einer hackte mit einer Axt nach ihr. Die Axt schwang über ihre Hand hinweg. Ceres nutzte den Raum, der durch diesen Angriff entstanden war. Sie erledigte ihren Gegner im Vorbeigehen und schwang das Schwert in einem Kreis, um andere so zurückzudrängen. Sie öffnete das Bein eines Mannes und versetzte diesem einen Tritt gegen seinen Kieferknochen.

„Ich hab sie“, sagte Thanos. Als sich Ceres zu ihm umdrehte, konnte sie sehen, dass er die Frau aus dem Knochenvolk tatsächlich befreit hatte. Diese sauste schon an ihr vorbei und griff nach dem Messer eines gefallenen Mannes.

Sie bewegte sich wie ein todbringender Wirbelwind durch die Menge der Matrosen. Ceres blickte sich nach Thanos um, bevor sie versuchte, der Frau, die sie eigentlich hatte retten wollen, nachzufolgen. Sie sah, wie Thanos einen Hieb abwehrte und zurückschlug. Doch Ceres bekam es in diesem Moment mit einem anderen Kämpfer zu tun.

Die drei kämpften gemeinsam und wechselten ihre Positionen, als tanzten sie einen dieser Standardtänze, in dem sie es mit einem scheinbar nie endenden Strom aus Tanzpartnern zu tun hatten. Im Unterschied zu solchen waren diese Gegenüber jedoch bewaffnet, sodass jeder Fehltritt tödlich enden konnte.

Sie kämpften mit aller Kraft, und Ceres schrie ihnen jedes Mal herausfordernd entgegen, wenn sie sie angriffen. Sie schlug zu und sprang herum, dann schlug sie wieder zu. Sie sah, wie Thanos gegen die kantigen Umrisse eines Adligen kämpfte, während neben ihm die Frau aus dem Knochenvolk in teuflischer Aggression um sich schlug.

Dann tauchten die Kampfherren neben ihnen auf, und Ceres wusste, dass es Zeit war zu gehen.

„Über die Seite!“ schrie sie und rannte auf die Reling zu.

Sie tauchte in das Hafenbecken und spürte erneut die Kühle des Wassers. Sie schwamm auf das Boot zu und zog sich in sein Inneres hinein. Ihr Vater zog sie an Bord, dann half sie den anderen hinein.

„Was hast du dir dabei gedacht?“ fragte ihr Vater, als sie wieder auf dem Deck saßen.

„Ich dachte, dass ich nicht einfach zusehen kann“, antwortete Thanos.

Ceres wollte Einwand erheben, doch sie wusste, dass dies Teil von Thanos’ Persönlichkeit war. Es war ein Grund, weshalb sie ihn liebte.

„Dummheit“, sagte die Frau aus dem Knochenvolk mit einem Grinsen. „Eine wunderbare Dummheit. Danke.“

Ceres blickte sich nach den Booten in ihrer Nähe um. Sie waren jetzt in Alarmbereitschaft und viele der Matrosen liefen herum, um ihre Waffen zu holen. Ein Pfeil sauste in ihrer Nähe ins Wasser, dann ein zweiter.

„Rudert!“ schrie sie den Kampfherren zu, aber wohin sollten sie rudern? Sie konnte schon jetzt sehen, wie die anderen Schiffe sie abfangen würden. Schon bald würde es für sie keinen Ausweg mehr geben. Es war eine jener Situationen, in denen sie von ihren Kräften Gebrauch gemacht hätte, aber über diese verfügte sie jetzt nicht mehr.

Bitte, Mutter, bat sie stillschweigend, du hast mir schon einmal geholfen. Hilf mir auch jetzt.

Sie spürte die Gegenwart ihrer Mutter irgendwo flüchtig und ruhig am Rande ihres Seins. Sie spürte, wie sie die Aufmerksamkeit ihrer Mutter geweckt hatte, die jetzt durch sie hindurch sehen konnte und versuchte, herauszufinden, was ihr widerfahren war.

„Was haben sie dir angetan?“ flüsterte die Stimme ihrer Mutter. „Das ist das Werk des Zauberers.“

„Bitte“, sagte Ceres. „Ich fordere nicht meine Kräfte zurück, aber ich brauche jetzt irgendeine Hilfe.“

In der Stille, die folgte, flog Ceres ein Pfeil zwischen die Füße. Sie kamen ihnen immer näher.

„Ich kann das Getane nicht ungeschehen machen“, sagte ihre Mutter. „Aber ich kann dir dieses eine Mal eine andere Gabe leihen. Es wird jedoch nur dieses eine Mal sein. Ich glaube nicht, dass dein Körper mehr aushalten könnte.“

Das war Ceres egal, solange sie dadurch entkommen konnten. Die Schiffe hatten bereits begonnen, sie einzukesseln. Sie brauchte das.

„Berühr das Wasser, Ceres, und vergib mir, denn es wird wehtun.“

Ceres stellte keine weiteren Fragen. Sie legte ihre Hand auf das Wasser und spürte, wie das Nass über ihre Haut spülte. Sie machte sich bereit...

... und konnte kaum an sich halten, als etwas sie zu durchströmen begann. Es schimmerte über dem Wasser und breitete sich in der Luft aus. Es schien ihr, als hätte jemand einen Schleier über die Welt gelegt.

Ceres konnte dennoch sehen, wie sich Bogenschützen und Krieger entsetzt umblickten. Sie konnte die Verwunderung in ihren Stimmen hören, auch wenn ihr Rufen wie durch einen Schalldämpfer zu kommen schien.

„Sie können nichts sehen“, sagte Jeva. „Sie sagen, es sei dunkle Magie.“ Sie blickte Ceres mit einer gewissen Ehrfurcht an. „Mir scheint, Thanos hat im Hinblick auf dich nicht übertrieben.“

Da war sich Ceres nicht sicher. Den Schmerz zu ertragen war ihr eine größere Last, als sie glauben mochte. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie ihn noch würde aushalten können.

„Rudert“, sagte sie. „Rudert bevor es nachlässt!“

KAPITEL DREI

In den hohen Gewölben des Schlosstempels beobachtete Irrien ungerührt, wie Stephania von den Priestern für die Opferung vorbereitet wurde. Er rührte sich nicht vom Fleck während sie umherhuschten, um die schreiende und sich windende Stephania auf dem Altar festzubinden.

Normalerweise hatte Irrien wenig Zeit für solcherlei Dinge. Die Priester waren ein Haufen blutrünstiger Narren, die glaubten, dass man den Tod auf diesem Wege beschwichtigen konnte. Als könnte irgendjemand den Tod aufhalten als wenn nicht durch die Stärke des eigenen Arms. Betteln nützte nichts, nicht bei den Göttern und nicht bei ihm, wie Delos’ kurzzeitige Herrscherin bald erfahren würde.

„Bitte Irrien, ich werde alles tun, was du von mir verlangst! Willst du, dass ich vor dir niederknie? Bitte!“

Irrien stand immer noch wie versteinert da und ignorierte sie so wie er die Schmerzen seiner Wunde ignorierte. Gaffende Adlige und Krieger umringten ihn. Sie zusehen zu lassen, war von ebenso großem Wert wie den Priestern ihre Opferung zu gewähren. Ihre Gunst war letztlich eine weitere Quelle der Macht, die er anzapfen konnte, und Irrien würde nicht so dumm sein, sich diese Möglichkeit durch die Lappen gehen zu lassen.

„Begehrst du mich denn nicht?“ bettelte Stephania. „Ich dachte, du wolltest mich zu deiner Gespielin machen.“

Auch gegen Stephanias Charme konnte sich Irrien nicht völlig erwehren. Das war Teil des Problems. Als ihre Hand auf seinem Arm gelegen hatte, hatte er etwas gespürt, das sich von den gewöhnlichen Regungen, die er für andere schöne Sklavinnen empfand, unterschied. Das würde er nicht zulassen. Das konnte er nicht zulassen. Niemand würde Macht über ihn haben, selbst nicht, wenn diese Macht ihren Ursprung in ihm selbst hatte.

Er blickte über die Menge. Dort gab es genügend schöne Frauen. Stephanias ehemalige Zofen knieten dort angekettet. Einige weinten angesichts dessen, was ihrer früheren Herrscherin gleich bevorstehen würde. Er würde sich schon bald mit ihnen ablenken. Jetzt musste er sich erst einmal von Stephania und der Bedrohung, die durch das, was er für sie fühlte, von ihr ausging, befreien.

Der Ranghöchste unter den Priestern trat zu ihm. Das Gold und Silber in seinem Bart klirrte, während er sich bewegte.

„Alles ist bereitet, gnädiger Herr“, sagte er. „Wir werden das Kind aus dem Mutterleib schneiden und es dann in traditioneller Weise auf dem Altar opfern.“

„Und euren Göttern wird das gefallen?“ fragte Irrien. Wenn der Priester den feinen Spott in seinen Worten wahrgenommen hatte, so wagte er nicht, es sich anmerken zu lassen.

„Es wird ihnen gefallen, Erster Stein. Sogar sehr.“

Irrien nickte.

„Dann soll es geschehen, wie du gesagt hast. Allerdings werde ich derjenige sein, der das Kind töten wird.“

„Ihr, Erster Stein?“ fragte der Priester. Er klang überrascht. „Aber warum?“

Weil es sein Sieg war, nicht der des Priesters. Weil Irrien derjenige gewesen war, der sich seinen Weg durch die Stadt gekämpft hatte, während diese Priester aller Wahrscheinlichkeit irgendwo auf einem Schiff in Sicherheit gesessen hatten. Weil er derjenige gewesen war, der dafür eine Wunde davongetragen hatte. Weil sich Irrien gerne selbst um die durch ihn zum Tode Geweihten kümmerte anstatt sie Männern von niedrigerem Rang zu überlassen. Er würde ihnen jedoch diese Erklärung schuldig bleiben. Er schuldete solchen Menschen keine Erklärungen.

„Weil ich es so will“, sagte er. „Hast du irgendwelche Einwände?“

„Nein, Erster Stein, ich habe keine Einwände.“

Irrien bemerkte zufrieden die in diesen Worten mitschwingende Furcht, nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie ein Beweis seiner Macht war. Alles das hier waren Beweise seiner Macht. Es war zu gleichen Teilen eine Siegeserklärung wie eine Danksagung an die schaulustigen Götter. Auf diesem Weg konnte er zeigen, dass er diesen Ort für sich beanspruchte, während er gleichzeitig sich ein Kind vom Halse schaffte, dass, wenn es alt genug wäre, Anspruch auf seinen Thron erheben könnte.

Weil es ein Beweis seiner Macht war stand er hier und beobachtete die Menge während die Priester begannen, ihr Blutbad in die Wege zu leiten. In ordentlichen Reihen aufgestellt knieten sie sich hin, die Krieger und Sklaven, Händler und jene die von sich behaupteten von adligem Blut zu sein. Er konnte ihre Angst riechen, ihre Tränen und ihre Abscheu.

Hinter ihm sangen sie Priester in einer alten Sprache, die ihnen angeblich von den Göttern selbst gegeben worden war. Irrien blickte sich um und sah, dass der höchste der Priester eine Klinge über Stephanias entblößten Bauch hielt. Die Klinge setzte an, während Stephania sich noch immer zu wehren versuchte.

Irrien wendete sich wieder den Zuschauern zu. Hier ging es um sie und nicht um Stephania. Er sah ihr Entsetzen als sich hinter ihm Stephanias Bitten in Schreie verwandelten. So konnte er ihre Reaktionen sehen, die Ehrfurcht, die Angst, den stillen Hass und jene, die das Spektakel zu genießen schienen. Er sah auch, wie eine der Zofen beim Anblick dessen, was dort hinter ihm vor sich ging, ohnmächtig wurde, und er nahm sich vor, sie dafür zu bestrafen. Eine andere weinte so sehr, dass eine andere sie festhalten musste.

Irrien fand, dass diese Beobachtungen ihm mehr über jene, die ihm dienten, verriet als irgendeine Loyalitätsbekundung es vermocht hätte. Schweigend machte er jene unter den Sklaven aus, die noch immer noch vollends gebrochen worden waren und jene unter den Adligen, die ihn mit zu großem Neid ansahen. Die Aufmerksamkeit eines klugen Mannes ließ auch im Augenblick des Sieges nicht nach.

Stephanias Schreie wurden einen Moment lang noch greller. Sie schienen sich zu einem Crescendo zu steigern, das sich mit den Gesängen der Priester in perfekter Weise ergänzte. Es folgte ein Wimmern. Irrien bezweifelte, dass sie das überleben würde. Doch das war ihm gerade egal. Sie erfüllte ihren Zweck, indem sie der Welt zeigte, wer hier der Herrscher war. Alles andere war unnötig. Beinahe geschmacklos.

Irgendwo inmitten dieses Lärms mischte sich ein neues Geschrei, das des Neugeborenen, unter das von Delos’ schönster Adliger. Irrien trat wieder an den Altar und breitete seine Arme aus, um so die Aufmerksamkeit der Zuschauenden zu gewinnen.

„Wir sind hergekommen und das Reich war schwach. Also haben wir es eingenommen. Ich habe es eingenommen. Die Schwachen sollen dienen oder sterben und ich bestimme, welches Schicksal ihnen gehört.“

Er wandte sich dem Altar zu, auf dem Stephania lag. Ihr Kleid war zerschnitten worden und so kleidete sie jetzt zu gleichen Teilen Blut und Gedärme wie Samt und Seide. Sie atmete noch immer, doch unregelmäßig. Solch eine Wunde würde eine schwache Person wie sie es war nicht einfach wegstecken können.

Irrien blickte die Priester an und nickte in Richtung von Stephanias ausgestrecktem Leib.

„Schafft das weg.“

Sie beeilten sich, ihm zu gehorchen und trugen sie davon, nachdem einer der Priester ihm das Kind wie ein Geschenk von größtem Wert überreicht hatte. Irrien starrte es an. Es kam ihm komisch vor, dass ein solch kleines und schwaches Ding eine Gefahr für jemanden wie ihn darstellte, doch Irrien war kein Dummkopf, ein solches Risiko einzugehen. Eines Tages würde der Junge zu einem Mann herangewachsen sein, und Irrien hatte mehrfach erfahren müssen, was geschah, wenn ein Mann nicht das bekam, was er glaubte zu verdienen. In seiner Zeit als Erster Stein hatte er mehrere Male töten müssen.

Er legte das Kind auf den Altar und wandte sich erneut an das Publikum während er sein Messer zog.

„Seht alle her“, befahl er. „Seht her und vergesst nie, was ihr gesehen habt. Die anderen Steine sind nicht hier, um diesen Sieg zu vollziehen. Ich aber bin es.“

Er drehte sich wieder zum Altar und wusste in der selben Sekunde, dass etwas nicht stimmte.

Dort stand eine Gestalt, ein jungaussehender Mann mit knochenweißer Haut, hellem Haar und Augen von einem dunklen Bernsteinton, der Irrien an den von Katzen erinnerte. Er trug ein Gewand, das an den Stellen hell war, wo das der Priester dunkel war. Er zog ohne Ekel sondern eher mit einem gewissen Interesse seinen Finger durch das Blut auf dem Altar.

„Ah, Lady Stephania“, sagte er mit einer Stimme, die ausgeglichen und angenehm und wahrscheinlich falsch war. „Ich habe ihr angeboten, meine Schülerin zu werden. Sie hätte mein Angebot annehmen sollen.“

„Wer bist du?“ fragte Irrien. Er veränderte seinen Griff um das Messer von einem zum Hinrichten zu einem zum Kämpfen geeigneten. „Wie kannst du es wagen, meinen Sieg zu stören?“

Der andere Mann breitete seine Hände aus. „Ich will dich nicht stören, Erster Stein, aber du wolltest gerade etwas zerstören, das mir gehört.“

„Etwas...“ Irrien erkannte erstaunt, was der Fremde meinte. „Nein, du bist nicht der Vater des Kindes. Der ist ein Prinz dieses Landes.“

„Das habe ich auch nicht behauptet“, sagte der andere Mann. „Aber mir wurde das Kind als Bezahlung angeboten, und ich bin gekommen, um diese Schuld einzutreiben.“

Irrien konnte spüren, wie er wütend wurde. Er umklammerte den Griff seines Messers noch stärker. Er drehte sich zu seinen Wachen, um ihnen zu befehlen, den Narren festzunehmen. Erst jetzt bemerkte er, dass die Anderen sich nicht mehr bewegten. Sie standen wie hypnotisiert da.

„Ich sollte dir wohl meinen Glückwunsch aussprechen, Erster Stein“, sagte der Fremde. „Wie ich feststellen musste, haben die meisten Männer, die von sich behaupten, mächtig zu sein, eigentlich einen schwachen Willen, aber du scheinst nicht einmal meinen... kleinen Trick bemerkt zu haben.“

Irrien drehte sich erneut zu ihm. Er hielt jetzt Stephanias Kind in seinen Armen und wiegte es in einer erstaunlich fürsorglich anmutenden Weise.

„Wer bist du?“ fragte Irrien. „Sag es mir, damit ich es auf deinen Grabstein schreiben lassen kann.“

Der andere Mann hob nicht einmal seinen Blick. „Er hat die Augen seiner Mutter, oder was meinst du? Bei den Eltern wird er zu einem starken und gutaussehenden Mann heranwachsen. Ich werde ihn natürlich ausbilden. Er wird ein gefürchteter und todbringender Kämpfer werden.“

Irrien machte ein wütendes Geräusch, das tief aus seiner Kehle zu kommen schien. „Wer bist du? Was bist du?“

Jetzt blickte der andere Mann zu ihm auf, und dieses Mal schienen seine Augen voll von Feuer und Hitze zu sein.

„Es gibt jene, die mich Daskalos nennen“, sagte er. „Aber es gibt auch jene, die mir viele andere Namen gegeben haben. Zauberer, natürlich. Mörder der Uralten. Schattenweber. Gerade bin ich ein Mann, der seine Schulden eintreibt. Gewähre mir das und ich werde dich in Frieden lassen.“

„Die Mutter dieses Kinds ist meine Sklavin“, sagte Irrien. „Sie hat nicht das Recht, ihr Kind zu verschenken.“

Daraufhin hörte er den anderen Mann lachen.

„Es ist dir wichtig, nicht wahr?“ sagte Daskalos. „Du musst gewinnen, weil du der Stärkste sein musst. Vielleicht ist das meine Lektion an dich, Irrien: es gibt immer jemanden, der stärker ist.“

Irrien hatte genug von ihm Zauberer hin oder her. Er hatte schon zuvor Männer und Frauen getroffen, die behauptet hatten, magische Kräfte zu besitzen. Einige von ihnen waren sogar fähig gewesen, Dinge zu tun, die Irrien nicht erklären konnte. Doch nichts davon hatte ihnen im Kampf gegen ihn genützt. Wenn man es mit Magie zu tun hatte, musste man einfach so schnell und brutal angreifen wie man konnte.

Er sprang nach vorne und stieß dem jungen Mann das Messer in seiner Hand in die Brust. Daskalos blickte an sich hinab. Dann trat er so ruhig und gelassen einen Schritt zurück, als hätte Irrien nichts weiter getan als sein Gewand zu streifen.

„Lady Stephania hat etwas ähnliches versucht, nachdem ich ihr vorgeschlagen hatte, ihr Kind zu nehmen“, sagte Daskalos leicht amüsiert. „Ich werde dir jetzt sagen, was ich ihr gesagt habe: es gibt einen Preis den man zahlt, wenn man versucht, mich anzugreifen. Vielleicht werde ich sogar den Jungen auf dich ansetzten.“

Irrien warf sich ein zweites Mal auf ihn und versuchte sich dieses Mal an dem Hals des Fremden, um diesen zum Schweigen zu bringen. Er stolperte an dem Altar vorbei und verlor beinahe das Gleichgewicht. Der Zauberer war verschwunden. Irrien blinzelte und blickte sich um. Er konnte kein Anzeichen von ihm mehr entdecken.

„Nein!“ brüllte Irrien. „Ich werde dich dafür töten. Ich werde dich jagen!“

„Erster Stein?“ sagte einer der Priester. „Geht es euch gut?“

Irrien schlug ihm mit der Rückseite seiner Hand ins Gesicht, sodass der Mann krachend zu Boden ging. Er hörte, wie die Menge erschrocken die Luft anhielt. Anscheinend lag der Bann des Zauberers nicht länger auf ihnen.