Kitabı oku: «Queste der Helden», sayfa 5
„Aber Vater!“, rief Gareth aus, sein Gesicht aschfahl. „Ich bin der älteste legitim geborene Sohn! Immer, in der gesamten Geschichte der MacGils, ging die Herrschaft auf den ältesten Sohn über!“
„Ich bin der König“, erwiderte MacGil düster, „und ich bestimme die Tradition.“
„Aber das ist nicht gerecht!“, flehte Gareth mit klagender Stimme. „Ich bin es, der König sein sollte. Nicht meine Schwester. Nicht eine Frau!“
„Zäume deine Zunge, Junge!“, rief MacGil, zitternd vor Zorn. „Wagst du es, mein Urteil zu hinterfragen?“
„Werde ich also zugunsten einer Frau übergangen? So also denkst du von mir?“
„Ich habe meine Entscheidung getroffen“, sagte MacGil. „Du wirst sie respektieren und dich ihr gehorsam fügen, so wie jeder andere Untertan in meinem Königreich. Und nun könnt ihr alle gehen.“
Seine Kinder beugten rasch ihre Köpfe und eilten aus dem Zimmer.
Nur Gareth blieb an der Tür stehen, unfähig, sich zu überwinden, den Raum zu verlassen.
Er kehrte um und stellte sich alleine seinem Vater.
MacGil konnte die Enttäuschung in seinem Gesicht lesen. Sichtlich hatte er erwartet, heute zum Erben benannt zu werden. Mehr noch: er hatte es begehrt. Unbedingt. Was MacGil nicht im Geringsten überraschte—und was genau der Grund war, warum er es ihm nicht gewährt hatte.
„Warum hasst du mich, Vater?“, fragte er.
„Ich hasse dich nicht. Ich finde dich nur nicht geeignet, mein Königreich zu regieren.“
„Und warum das?“, bestand Gareth.
„Weil es genau das ist, was du begehrst.“
Gareths Gesicht lief feuerrot an. Offenbar hatte MacGil ihm einen Einblick in seine wahre Natur verschafft. MacGil beobachtete seine Augen, sah, wie sie von einem Hass für ihn erfüllt waren, den er nie für möglich gehalten hätte.
Ohne ein weiteres Wort stürmte Gareth aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Das hallende Echo ließ MacGil erschaudern. Er dachte an den Blick seines Sohnes zurück und verspürte einen Hass von enormer Tiefe, tiefer noch als der seiner Feinde. In dem Moment erinnerte er sich an Argons Worte, seine Ankündigung, dass Gefahr nahe lag.
Konnte sie gar so nahe liegen?
KAPITEL SECHS
Thor rannte mit all seiner Kraft über das weite Feld der Arena. Hinter ihm konnte er die Schritte der königlichen Wachen hören, die ihm dicht auf den Fersen waren. Sie jagten ihm durch die heiße, staubige Umgebung hinterher, im Laufen fluchend. Vor ihm ausgebreitet standen die Angehörigen—und neuen Rekruten—der Legion, dutzende Jungen wie er selbst, nur älter und stärker. In unterschiedlichen Formationen trainierten sie und wurden geprüft, manche beim Speerwerfen, manche schleuderten Wurfspieße, einige übten ihren Griff an der Lanze. Sie zielten auf entfernte Zielscheiben und verfehlten diese nur selten. Dies waren seine Rivalen, und sie schienen ihm überlegen.
Unter ihnen befanden sich ein Dutzend wahre Ritter, Angehörige der Silbernen, die in einem weiten Halbkreis standen und dem Treiben zusahen. Urteilend. Entscheidend, wer bleiben durfte und wer nach Hause geschickt würde.
Thor wusste, dass er sich beweisen, diese Männer beeindruckten musste. In wenigen Augenblicken würden die Wachen ihn eingeholt haben, und wenn er irgendeine Chance haben wollte, einen Eindruck zu hinterlassen, war jetzt der Zeitpunkt dafür. Nur wie? Seine Gedanken rasten, während er mit dem festen Entschluss über den Platz schoss, nicht abgewiesen zu werden.
Während Thor über das Feld raste, erregte er die Aufmerksamkeit der anderen. Einige der Rekruten stellten ihre Übungen ein und blickten ihm nach; einige der Ritter ebenso. Innerhalb weniger Augenblicke merkte Thor, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Sie sahen verwirrt drein, und ihm wurde klar, dass sie sich wohl fragten, wer er war, der da quer über ihr Feld rannte, von drei königlichen Wachen gejagt. So wollte er nicht unbedingt seinen ersten Eindruck hinterlassen. Sein ganzes Leben schon träumte er davon, sich der Legion anzuschließen; in seiner Vorstellung war es nicht so abgelaufen.
Während Thor rannte und hin und her überlegte, was er tun sollte, wurde sein nächster Schritt für ihn entschieden. Ein großgewachsener Junge, einer der Rekruten, hatte beschlossen, es auf sich zu nehmen, die anderen damit zu beeindrucken, dass er Thor aufhielt. Er war muskulös und fast doppelt so groß wie Thor, und er hatte sein Holzschwert erhoben, um Thor den Weg zu versperren. Thor konnte sehen, dass er dazu bereit war, ihn zu Boden zu schlagen, ihn vor allen Augen zu blamieren, und sich dadurch einen Vorteil vor den anderen Rekruten zu verschaffen.
Dies machte Thor wütend. Thor hatte nichts gegen diesen Jungen, und dieser Kampf war nicht seine Angelegenheit. Doch er machte ihn zu seiner Angelegenheit, nur, um sich vor den anderen zu behaupten.
Als sie einander näherkamen, konnte Thor die Größe dieses Jungen kaum glauben: er türmte sich über ihm auf und warf finstere Blicke auf ihn hinunter; dichte schwarze Locken bedeckten seine Stirn und er hatte das breiteste, kantigste Kinn, das Thor je gesehen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er diesem Jungen auch nur einen Kratzer zufügen könnte.
Der Junge rannte mit seinem Holzschwert auf ihn zu und Thor wusste, wenn er nicht schnell handelte, würde er k.o. geschlagen werden.
Thor handelte instinktiv. Er zog reflexartig seine Schleuder hervor, holte aus und schoss einen Stein auf die Hand des Jungen. Er fand sein Ziel und riss ihm das Schwert aus der Hand, gerade, als der Junge zum Hieb ansetzte. Es flog davon und der Junge hielt sich schreiend die Hand.
Thor vergeudete keine Zeit. Er nutzte den Augenblick und griff an, sprang in die Luft und trat den Jungen mit beiden Füßen genau auf die Brust. Doch der Junge war so standfest, dass es sich anfühlte, als hätte er gegen den Stamm einer Eiche getreten. Der Junge stolperte nur wenige Handbreit nach hinten, während Thor abrupt zu stehen kam und zu Füßen des Jungen hinfiel. Das heißt nichts Gutes, dachte sich Thor, als er mit einem dumpfen Knall am Boden aufschlug. Seine Ohren klingelten.
Thor versuchte, auf die Beine zu kommen, aber der Junge war ihm einen Schritt voraus. Er packte Thor am Rücken und warf ihn mit dem Gesicht voraus in den Staub.
Um sie herum hatte sich ein Kreis an Jungen gebildet, die nun aufjubelten. Thor lief vor Scham rot an.
Thor drehte sich um und wollte aufstehen, doch der Junge war zu schnell. Schon war er über ihm und drückte ihn zu Boden. Bevor Thor wusste, wie ihm geschah, war daraus ein Ringkampf geworden, und das Gewicht des Jungen war enorm.
Thor konnte gedämpft die Rufe der anderen Rekruten hörte, die im Kreis um sie standen und schreiend nach Blut lechzten. Das Gesicht des Jungen hing finster über ihm; der Junge streckte seine Daumen aus und drückte sie Thor auf die Augen. Thor konnte es nicht glauben: es schien, als wollte dieser Junge ihn ernsthaft verletzen. War es ihm wirklich derart ernst damit, sich hervorzuheben?
In letzter Sekunde rollte Thor seinen Kopf aus dem Weg und die Hände des Jungen fuhren an ihm vorbei in die Erde. Thor ergriff die Gelegenheit, unter ihm hervorzurollen.
Thor kam auf die Beine und drehte sich zu dem Jungen um, der ebenfalls aufstand. Der Junge griff an und schlug nach Thors Gesicht, und Thor duckte sich in letzter Sekunde; er fühlte den Luftzug auf seinem Gesicht und ihm wurde klar, dass ihm dieser Schlag das Kiefer gebrochen hätte, hätte er ihn getroffen. Thor holte aus und schlug dem Jungen die Faust in den Magen—doch das bewirkte kaum etwas: es war, als würde er einen Baum schlagen.
Bevor Thor reagieren konnte, schlug der Junge ihm mit dem Ellbogen ins Gesicht.
Thor stolperte rückwärts, vom Schlag erschüttert. Es fühlte sich an, als hätte ihn ein Hammer getroffen, und seine Ohren klingelten.
Während Thor noch taumelte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, griff der Junge an und trat ihm kräftig in die Brust. Thor flog nach hinten und krachte mit dem Rücken am Boden auf. Die anderen Jungen jubelten.
Thor war schwindlig und er richtete sich langsam auf, doch gerade als er dazu ansetzte, griff der Junge ein weiteres Mal an, schwang seine Faust und schlug ihn erneut kräftig ins Gesicht, und er landete wieder flach auf dem Rücken, diesmal endgültig weggetreten.
Thor lag da, hörte den gedämpften Jubel der anderen, spürte den salzigen Geschmack von Blut, das ihm die Nase hinunterlief, und die Beule auf seinem Gesicht. Er stöhnte vor Schmerzen. Er blickte hoch und sah, wie der große Junge sich wegdrehte und zu seinen Freunden hinüberging, sich seines Sieges bereits sicher.
Thor wollte aufgeben. Dieser Junge war riesig, ihn zu bekämpfen war aussichtslos, und er würde keinen weiteren Treffer aushalten. Aber etwas in ihm trieb ihn voran. Er konnte nicht verlieren. Nicht vor all diesen Leuten.
Gib nicht auf. Steh auf. Steh auf!
Irgendwie schaffte es Thor, die Kraft aufzubringen: stöhnend rollte er sich auf den Bauch und stemmte sich auf seine Hände und Knie, und dann, langsam, auf seine Beine. Er drehte sich dem Jungen zu, blutend, mit geschwollenen Augen, schlecht sehend, schwer atmend, und hob die Fäuste.
Der riesige Junge drehte sich um und starrte auf Thor hinunter. Er schüttelte ungläubig den Kopf.
„Du hättest unten bleiben sollen, Junge“, drohte er, als er langsam wieder auf Thor zuging.
„GENUG“, schrie eine Stimme. „Elden, lass ihn!“
Ein Ritter trat plötzlich hervor, stellte sich zwischen sie, hob die Hand und hielt Elden davon ab, Thor näherzukommen. Die Menge wurde ruhig und alle sahen den Ritter an: offensichtlich war dies ein Mann, der Respekt verlangte.
Thor blickte voller Ehrfurcht zu der Gestalt des Ritters hoch: er war hochgewachsen, mit breiten Schultern, einem kantigen Kiefer, braunem, gepflegtem Haar, in seinen 20ern. Thor mochte ihn sofort. Seine erstklassige Rüstung, ein Kettenpanzer aus poliertem Silber, war mit königlichen Abzeichen übersät: dem Falken-Emblem der MacGil-Familie. Thors Kehle wurde trocken: er stand vor einem Angehörigen der königlichen Familie. Er konnte es kaum glauben.
„Erkläre dich, Junge“, sagte er zu Thor. „Warum stürmst du uneingeladen in unsere Arena?“
Noch bevor Thor antworten konnte, brachen plötzlich die drei Mitglieder der königlichen Wache durch den Kreis. Der Wach-Hauptmann stand keuchend da und zeigte mit dem Finger auf Thor.
„Er hat sich unserem Befehl widersetzt!“, schrie der Wachmann. „Ich werde ihn in Ketten legen und in den Kerker des Königs bringen!“
„Ich habe nichts Falsches getan!“, protestierte Thor.
„Ach wirklich?“, schrie der Wachmann. „Uneingeladen auf königlichen Privatgrund stürmen?“
„Ich wollte doch nur eine Chance!“, schrie Thor und wandte sich flehend an den Ritter vor ihm, den Mann aus der königlichen Familie. „Alles, was ich wollte, war eine Chance, mich der Legion anzuschließen!“
„Diese Trainingsgründe sind nur für Eingeladene zugänglich“, ertönte eine schroffe Stimme.
In den Kreis herein trat ein Krieger in seinen 50ern, breit und stämmig, mit Glatze, kurzem Bart und einer Narbe, die sich über seine Nase zog. Er sah aus, als wäre er schon sein ganzes Leben Berufssoldat—und den Abzeichen auf seiner Rüstung, der goldenen Nadel an seiner Brust nach zu schließen, war er ihr Kommandant. Thors Herz schlug bei seinem Anblick schneller: ein General.
„Ich wurde nicht eingeladen, Herr“, sagte Thor. „Das ist schon richtig. Doch es ist mein Lebenstraum, hier zu sein. Alles, was ich will, ist eine Chance, zu zeigen, was ich kann. Ich bin so gut wie jeder andere dieser Rekruten. Gebt mir nur eine Chance, es zu beweisen. Ich bitte Euch. In die Legion zu kommen ist das Einzige, wovon ich je geträumt habe.“
„Das Schlachtfeld ist nichts für Träumer, Junge“, kam die schroffe Antwort. „Es ist für Kämpfer. Es gibt keine Ausnahme für unsere Regeln: Rekruten werden ausgewählt.“
Der General nickte, und der Wachmann trat mit den Ketten in der Hand auf Thor zu.
Doch plötzlich trat der Ritter aus der königlichen Familie vor und hob die Hand, dem Wachmann Einhalt gebietend.
„Vielleicht wäre es bei Gelegenheit möglich, eine Ausnahme zu machen“, sagte er.
Der Wachmann blickte ihn fassungslos an; offensichtlich wollte er etwas dazu sagen, musste aber aus Respekt vor einem Mitglied der königlichen Familie seine Zunge in Zaum halten.
„Ich bewundere deinen Schneid, Junge“, fuhr der Ritter fort. „Bevor wir dich wegschicken, würde ich gerne sehen, was du drauf hast.“
„Aber Kendrick, wir haben unsere Regeln—“, sagte der General mit offensichtlichem Missmut.
„Die königliche Familie schreibt die Regeln“, antwortete Kendrick schroff, „und die Legion untersteht der königlichen Familie.“
„Wir unterstehen Eurem Vater, dem König—nicht Euch“, widersprach der General, ebenso ungehalten.
Es war ein Kräftemessen, die Luft war spannungsgeladen. Thor konnte kaum fassen, was er da angezettelt hatte.
„Ich kenne meinen Vater und weiß, was sein Wille wäre. Er würde wollen, dass dieser Junge eine Chance erhält. Und genau das werden wir tun.“
Nach einigen weiteren angespannten Momenten gab der General schließlich nach.
Kendrick drehte sich zu Thor um und blickte mit braunen, eindringlichen Augen direkt in die seinen; das Gesicht eines Prinzen, aber auch eines Kriegers.
„Du bekommst eine Chance von mir“, sagte er zu Thor. „Sehen wir mal, ob du das Ziel dort treffen kannst.“
Er zeigte auf einen Heuballen weitab am anderen Ende des Feldes, mit einem winzigen roten Fleck in der Mitte. Mehrere Speere steckten bereits im Ballen, doch keiner davon im roten Bereich.
„Wenn du das schaffst, was keiner der anderen Jungen geschafft hat—wenn du die Markierung von hier aus treffen kannst—dann darfst du dich uns anschließen.“
Der Ritter trat zur Seite, und Thor fühlte alle Augen auf sich ruhen.
Er erblickte ein Gestell voller Speere und betrachtete sie sorgfältig: sie waren von höherer Qualität, als er je welche gesehen hatte, aus solider Eiche, mit feinstem Leder umwickelt. Sein Herz pochte, als er vortrat und sich mit dem Handrücken das Blut von der Nase wischte, nervöser als je zuvor in seinem Leben. Es war klar, dass ihm eine nahezu unmögliche Aufgabe gestellt wurde. Doch er musste es versuchen.
Thor streckte die Hand aus und wählte einen Speer, nicht zu lang, nicht zu kurz. Er wog ihn in der Hand—er war schwer, solide. Nicht so wie die, die er zuhause verwendete. Aber er lag ihm gut in der Hand. Er hatte das Gefühl, dass er es mit ihm vielleicht sogar tatsächlich schaffen konnte, sein Ziel zu treffen. Immerhin war Speerwerfen die Fertigkeit, die er gleich nach Steinschleudern am besten beherrschte, und die vielen Tage des Umherziehens in der Wildnis hatten ihm ausreichend Übungsmöglichkeiten beschert. Er war immer schon in der Lage gewesen, Ziele zu treffen, die sogar seine Brüder verfehlten.
Thor schloss die Augen und holte tief Luft. Falls er verfehlen sollte, würden die Wachen über ihn herfallen und ihn ins Gefängnis schleppen—und seine Chancen, zur Legion zu kommen, würden für immer ruiniert sein. Alles, wovon er je geträumt hatte, lag in diesem Augenblick.
Er betete zu Gott, so stark er nur konnte.
Ohne zu zögern öffnete Thor die Augen, machte zwei Schritte vorwärts, holte aus und schleuderte den Speer.
Mit angehaltenem Atem sah er zu, wie er durch die Luft segelte.
Bitte, Gott. Ich bitte dich.
Der Speer schnitt durch die schwere Totenstille, und Thor konnte spüren, wie hunderte Augenpaare ihn verfolgten.
Dann, nach einer Ewigkeit, kam das Geräusch, das unverkennbare Geräusch einer Speerspitze, die sich in Heu vergrub. Thor brauchte nicht einmal hinzusehen. Er wusste, konnte einfach spüren, dass es ein perfekter Treffer war. Die Art, wie der Speer sich anfühlte, als er seine Hand verließ, der Winkel seines Handgelenks, verrieten ihm, dass er treffen würde.
Thor wagte einen Blick—und stellte mit enormer Erleichterung fest, dass er recht hatte. Der Speer hatte sein Ziel im Mittelpunkt der roten Markierung gefunden—der einzige Speer an dieser Stelle. Er hatte geschafft, was die anderen Rekruten nicht tun konnten.
Atemloses Schweigen umhüllte ihn, und er spürte, wie die anderen Rekruten—wie auch die Ritter—ihn fassungslos anstarrten.
Endlich trat Kendrick vor und klopfte Thor kräftig auf den Rücken, mit einem Klang der Genugtuung. Er grinste breit.
„Ich hatte recht“, sagte er. „Du bleibst!“
„Was, mein Herr!“, schrie der königliche Wachmann. „Das ist nicht rechtens! Dieser Junge kam ohne Einladung!“
„Er traf die Markierung. Das reicht mir als Einladung.“
„Er ist um vieles jünger und kleiner als die anderen. Das hier ist doch kein Winzlingskommando“, sagte der General.
„Ein kleinerer Soldat, der sein Ziel trifft, ist mir lieber als ein Bulle, der es nicht kann“, entgegnete der Ritter.
„Ein Glückstreffer!“, schrie der große Junge, gegen den Thor gerade gekämpft hatte. „Wenn wir mehrere Anläufe hätten, würden wir auch treffen!“
Der Ritter drehte sich um und starrte den Jungen nieder.
„Würdet ihr also?“, fragte er. „Wollen wir uns das jetzt gleich ansehen? Wollen wir um deinen Platz hier darauf wetten?“
Nervös senkte der Junge seinen Kopf, beschämt, sichtbar nicht gewillt, das Angebot anzunehmen.
„Aber dieser Junge ist ein Fremder“, protestierte der General. „Wir wissen nicht einmal, woher er stammt.“
„Er kommt aus den Tieflanden“, ertönte eine Stimme.
Die anderen drehten sich herum, um den Sprecher zu finden, aber Thor hatte das nicht nötig—er erkannte die Stimme. Es war die Stimme, die ihn durch seine gesamte Kindheit hindurch gequält hatte. Die Stimme seines ältesten Bruders Drake.
Drake trat zusammen mit seinen anderen beiden Brüdern vor und blickte finster und voller Missbilligung auf Thor hinunter.
„Sein Name ist Thorgrin vom Clan der McCleod in der Südprovinz des Westlichen Königreichs. Er ist der Jüngste von vier Brüdern. Wir alle stammen aus dem gleichen Haus. Er hütet die Schafe unseres Vaters!“
Die gesamte Gruppe von Jungen und Rittern brach in johlendes Gelächter aus.
Thor spürte, wie er rot anlief; in diesem Moment wollte er sterben. Noch nie hatte er sich mehr geschämt. Das sah seinem Bruder ähnlich, ihm seinen ruhmreichen Augenblick wegzunehmen, zu tun, was er konnte, um ihn klein zu halten.
„Hütet die Schafe, wie?“, wiederholte der General.
„Dann werden sich unsere Feinde wohl vor ihm in Acht nehmen müssen!“, schrie ein anderer Junge.
Ein weiterer Chor an Gelächter brach aus, und Thors Demütigung wuchs.
„Genug!“, rief Kendrick mit Nachdruck.
Allmählich ließ das Gelächter nach.
„Ich hätte alle Tage lieber einen Schafhirten, der ein Ziel trifft, als euch Haufen—der ihr gut im Lachen zu sein scheint, aber auch nicht viel mehr als das“, setzte Kendrick hinzu.
Mit diesen Worten legte sich ein Schweigen über die Jungen, denen das Lachen vergangen war.
Thor war Kendrick unendlich dankbar. Er schwor sich, es ihm auf jede Art zu vergelten, die er konnte. Egal, was mit Thor geschehen würde, dieser Mann hatte zumindest seine Ehre gerettet.
„Hat dir niemand gesagt, Junge, dass es nicht die Art eines Kriegers ist, über seine Freunde zu lästern—noch weniger über seine eigene Familie, sein eigenes Blut?“, fragte der Ritter Drake.
Drake senkte verlegen seinen Blick, eines der wenigen Male, dass Thor ihn verunsichert erlebt hatte.
Doch ein anderer seiner Brüder, Dress, trat vor und protestierte: „Aber Thor wurde nicht einmal ausgewählt. Wir aber schon. Er ist uns einfach nur hierher nachgelaufen.“
„Ich bin nicht euch nachgelaufen“, bestand Thor, endlich das Wort ergreifend. „Ich bin wegen der Legion hier. Nicht wegen euch.“
„Es ist doch egal, warum er hier ist“, sagte der General genervt und trat vor. „Er vergeudet unser aller Zeit. Ja, es war ein guter Treffer mit dem Speer, aber er kann sich uns trotzdem nicht anschließen. Er hat keinen Ritter, der sich für ihn verpflichtet, und keinen Knappen, der sein Partner sein möchte.“
„Ich kann sein Partner sein“, rief eine Stimme aus.
Thor wirbelte herum, genau wie die anderen. Er war überrascht, als er nur wenige Fuß entfernt einen Jungen in seinem Alter stehen sah, der sogar wie er aussah, nur mit blondem Haar und hellen grünen Augen, und die edelste königliche Rüstung trug: ein mit scharlachroter und schwarzer Musterung bedecktes Kettenhemd—ein weiteres Mitglied der Familie des Königs.
„Unmöglich“, sprach der General. „Die königliche Familie nimmt niemandem aus dem gemeinen Volk zum Partner.“
„Ich kann tun, was mir gefällt“, warf der Junge zurück. „Und ich sage, dass Thorgrin mein Partner sein wird.“
„Selbst wenn wir das gestatten“, sagte der General, „macht es keinen Unterschied. Er hat keinen Ritter, der sich für ihn verpflichtet.“
„Ich verpflichte mich für ihn“, ertönte eine Stimme.
Alle drehten sich in die andere Richtung, und ein unterdrücktes Raunen kam unter den anderen auf.
Thor erblickte einen Ritter auf seinem Pferd, gerüstet in schönste, glänzende Rüstung, und mit allerlei Waffen an seinem Gürtel. Er leuchtete geradezu—es war, als würde man in die Sonne schauen. Thor konnte an seinem Äußeren, seiner Haltung, und an der Kennzeichnung auf seinem Helm erkennen, dass er anders war als die anderen. Er war ein Meisterritter.
Thor erkannte diesen Ritter. Er hatte Gemälde von ihm gesehen und von seiner Legende gehört. Erec. Er konnte es nicht glauben. Er war der größte Ritter innerhalb des Rings.
„Aber mein Herr, Ihr habt bereits einen Knappen“, protestierte der General.
„Dann habe ich eben zwei“, antwortete Erec mit tiefer, selbstbewusster Stimme.
Ein fassungsloses Schweigen legte sich über die Versammlung.
„Dann gibt es nichts weiter zu sagen“, sagte Kendrick. „Thorgrin hat einen Ritter und einen Partner. Die Angelegenheit ist geklärt. Er ist hiermit ein Legionär.“
„Aber, Ihr habt auf mich vergessen!“, schrie der Wachmann der königlichen Wache, und trat nach vorne. „Nichts davon entschuldigt, dass der Junge ein Mitglied der königlichen Wache verletzt hat und bestraft werden muss. Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden!“
„Der Gerechtigkeit wird Genüge getan werden“, antwortete Kendrick kalt. „Doch das wird nach meinem Ermessen geschehen. Nicht Eurem.“
„Aber mein Herr, er muss an den Pranger! An ihm muss ein Exempel statuiert werden!“
„Wenn Ihr Euch nicht zurück haltet, werdet Ihr am Ende noch am Pranger stehen“, erwiderte Kendrick dem Wachmann mit stählernem Blick und harter Stimme.
Endlich gab der Wachmann nach; widerwillig drehte er sich um und zog davon, mit rotem Gesicht und einem finsteren Blick auf Thor.
„So ist es also offiziell“, rief Kendrick mit lauter Stimme aus. „Willkommen, Thorgrin, in der Legion des Königs!“
Die Ansammlung an Rittern und Jungen jubelte auf. Dann wandten sie sich ab und gingen weiter ihrem Training nach.
Thor fühlte sich taub vor Schock. Er konnte es kaum glauben. Er war nun ein Legionär des Königs. Es war wie ein Traum.
Thor wandte sich an Kendrick, dankbarer als er je ausdrücken konnte. Noch nie zuvor hatte es jemanden in seinem Leben gegeben, dem er die Mühe wert gewesen wäre, für ihn einzustehen, ihn zu beschützen. Es war ein seltsames Gefühl. Schon jetzt fühlte er sich diesem Mann näher als seinem eigenen Vater.
„Ich weiß nicht, wie ich Euch danken kann“, sagte Thor. „Ich stehe tief in Eurer Schuld.“
Kendrick lächelte zu ihm hinab. „Kendrick ist mein Name. Du wirst ihn schon bald gut kennen. Ich bin der älteste Sohn des Königs. Ich bewundere deinen Mut. Du wirst ein feiner Beitrag zu diesem Haufen sein.“
Während Kendrick sich abwandte und davoneilte, schlurfte der große Junge vorbei, mit dem Thor gekämpft hatte.
„Du solltest aufpassen“, sagte der Junge. „Wir schlafen in der gleichen Kaserne, musst du wissen. Und glaub ja nicht für einen Augenblick, dass du in Sicherheit bist.“
Der Junge drehte sich um und stürmte davon, bevor Thor antworten konnte; also hatte er sich jetzt schon einen Feind gemacht.
Er fragte sich, was hier alles auf ihn zukommen würde, als der jüngste Sohn des Königs zu ihm herüberlief.
„Beachte ihn nicht“, sagte er zu Thor. „Er zettelt ständig Streit an. Ich bin Reece.“
„Danke dir“, sagte Thor und streckte die Hand aus, „dass du mich zum Partner genommen hast. Ich weiß nicht, was ich sonst gemacht hätte.“
„Ich würde mit Freuden jeden nehmen, der sich diesem Grobian entgegensetzt“, sagte Reece erfreut. „Das war ein feiner Kampf.“
„Machst du Witze?“, fragte Thor, wischte über das getrocknete Blut auf seinem Gesicht und spürte, wie seine Beule anschwoll. „Er hat mich völlig auseinandergenommen.“
„Aber du hast nicht aufgegeben“, sagte Reece. „Beeindruckend. Jeder andere von uns wäre einfach am Boden liegengeblieben. Und das war ein verdammt guter Speerwurf. Wo hast du gelernt, so zu werfen? Wir werden Partner fürs Leben sein!“ Er sah Thor bedeutungsvoll an, während er seine Hand schüttelte. „Und Freunde auch. Ich spüre es.“
Als Thor seine Hand schüttelte, konnte er eindeutig fühlen, dass er einen Freund fürs Leben gewonnen hatte.
Plötzlich wurde er von der Seite angestupst.
Er wirbelte herum und sah einen älteren Jungen mit pockennarbiger Haut und einem langen, schmalen Gesicht neben ihm stehen.
„Ich bin Feithgold. Erecs Knappe. Du bist jetzt sein Zweiter Knappe. Das heißt, du unterstehst mir. Und wir haben in zwei Minuten ein Turnier. Wirst du hier einfach so herumstehen, nachdem du gerade zum Knappen des berühmtesten Ritters im Königreich gemacht worden bist? Mir nach! Aber schnell!“
Reece war bereits davongegangen und Thor beeilte sich, den Knappen einzuholen, während der über das Feld lief. Er hatte keine Ahnung, wohin sie unterwegs waren—aber es war ihm egal. Er jubelte innerlich.
Er hatte es geschafft.