Kitabı oku: «Natascha», sayfa 3

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Ich stellte mein, immer noch volles Glas, geräuschvoll auf dem Tisch ab, stand auf und schnappte mir den braunen Umschlag, den Frank mir hinhielt.

Mit einem Blick auf das Halbblut sagte ich zu ihm:

»Ich warte im Auto auf dich.«

Dann drehte ich mich um und ging mit schnellen Schritten aus dem Raum.

Als ich die Haustür hinter mir schloss, musste ich mich dagegen lehnen und kurz durchatmen. Es war immer noch sehr warm draußen, aber alles war besser als diese abgestandene Luft in Franks Wohnzimmer, mit diesem alten, dumpfen Geruch, gepaart mit dem süßen, menschlichen.

Ich ging zu meinem Auto und wedelte mir mit dem Umschlag ein wenig Luft zu.

Die Sonne ging bald unter, dann umschlang uns wieder diese dunkle, satte Nacht.

Ich setzte mich in meinen Wagen und öffnete den Umschlag, um mir anzusehen, wer diese schöne Nacht nicht überlebt.

Alexej hieß er, 1980 geboren. Und heute wird sein letzter Tag sein, dachte ich fröhlich.

Es folgten die üblichen Schandtaten von Alexej und eine Beschreibung seiner Person. Es lag noch ein Foto bei und ein kleiner handgeschriebener Zettel, auf dem die Adresse und Uhrzeit stand. Seine Todeszeit: zwei Uhr morgens.

Schon wieder zwei Uhr, überlegte ich, und hoffte, dass das kein schlechtes Omen sei. Der Kinderschänder von gestern sollte um die gleiche Zeit den Tod finden.

Außerdem befand sich noch ein kleines Stückchen Stoff in dem Umschlag, meine Geruchsprobe. Ich roch an dem Fetzen, der aussah als stammte es von einer Jeans. Der Geruch, den ich einatmete, ja, in mich einsaugte, war nicht schlecht. Natürlich nicht so gut, wie Blondie von gestern, aber auch nicht schlecht. Leicht harzig, nach Nüssen, Holz und ein bisschen blumig. Aber so, das einem das Wasser im Mund zusammen lief.

Zum wiederholten Male wunderte ich mich darüber, wie die Oberen des Clan an diese detaillierten Informationen und an die Geruchsprobe kamen. Es gab immer noch einige Informationen, die mir Frank in meiner Halbblutzeit vorenthielt.

»Wo bleibt denn dieser Justin?«, sagte ich laut, »ich kann ja nicht die ganze Nacht hier vertrödeln.«

Genau in diesem Augenblick ging die Haustür auf und Frank trat, mit Justin zusammen, hinaus.

Ich sah, wie Justin mit weit aufgerissenen Augen hektisch auf Frank einredete. Ich lauschte.

»Ich will nicht mit ihr fahren, Frank. Hast du nicht gesehen, wie sie mich anstarrte da drin, mit ihren hungrigen Augen. Sie hat auch als einzige dieses Blut nicht getrunken, warum?« Seine Stimme überschlug sich fast vor Furcht.

»Frank, ich werde diese Nacht nicht überleben, wenn du mich mit ihr zusammen in dieses Auto steckst. Ich …«

»Jetzt hör schon auf«, unterbrach Frank ihn wütend und mit einem schnellen Seitenblick auf meinen Mustang. »Schließlich kann sie dich hören. Sie wird dir schon nichts tun. Ich vertraue ihr … und das solltest du auch. Du kannst viel von ihr lernen. Nun geh’ schon. Tascha wartet und eine Frau sollte man nicht warten lassen«, fügte er schmunzelnd hinzu.

Ich verdrehte die Augen gen Himmel

Was für eine Memme dieser Kerl, dachte ich bei mir.

Laut sagte ich: »Wenn du jetzt nicht bald einsteigst, fahre ich ohne dich. Komm, die Nacht ist noch jung und ich hab’ noch viel vor.« Dabei ließ ich zweimal kurz meine Augenbrauen in die Höhe schnellen und grinste überheblich. Selbst auf die Entfernung sah ich, wie Justin angestrengt schluckte.

Mit gesenktem Kopf kam er langsam auf mein Auto zu, er war jetzt schon kreidebleich. Als ich kurz zu Frank blickte, sah ich, dass er den Mund verzog und sich mit dem Finger langsam über den Hals fuhr. Ein altbekanntes Zeichen. Ich durfte dem Jungen nichts zu leide tun, sonst war ich dran.

Ich lächelte flüchtig.

Justin stieg endlich ein und schnallte sich blitzartig an. Dabei rückte er in seinem Sitz so weit von mir weg, wie es eben ging. Er war immer noch kreidebleich und stank nach Angst.

»Willkommen an Bord«, sagte ich freundlich, erntete aber nur ein gemurmeltes »Danke.«

Er senkte den Kopf wieder.

Na, das konnte ja heiter werden.

Ich seufzte und lenkte meinen Mustang in Richtung Stadt.

Langsam wurde es dämmrig, die Luft roch anders, nach Nacht, nach Dunkelheit, nach Sicherheit, nach Tod und Verderben … Das roch gut.

Unter mir rollten die Reifen gleichmäßig dahin und brachten mich immer näher an mein nächstes Opfer heran.

Wie wird es diesmal werden?

Wie wird es sein, meine Zähne in seinen Hals zu schlagen?

Wie wird sein warmes süßes Blut wohl schmecken?

Als wir in der Stadt ankamen, war es schon fast dunkel. Justin entspannte sich die ganze Fahrt über nicht. Er presste sich in seinen Sitz. Ich fragte mich, wie weit seine Verwandlung schon fortgeschritten war. Ich kann zwar besser riechen als ein Hund, aber den genauen Stand seiner Verwandlung wusste selbst ich nicht. Ich wusste nur, dass er noch kein Blut geschmeckt hatte. Also fragte ich ihn danach. Er schreckte kurz zusammen, als meine Stimme so plötzlich die Stille zerriss. Er antwortete mir aber erstaunlich ruhig und gelassen.

»Ich bin schon recht schnell«, er überlegte kurz, »und ich kann gut hören und riechen.«

Das war ja schon mal was. Somit stand er mir heute Nacht wenigstens nicht im Weg.

Obwohl ich die Antwort schon kannte, fragte ich ihn nach der Blutsaugersache.

»Hast du auch schon anderes Blut geschmeckt?«

»N-Nein«, antwortete er zögerlich.

Umso besser, dachte ich, dann gehört dieser Alexej heute Nacht mir ganz alleine. Ich konnte mein Glück kaum fassen.

Ich dachte darüber nach, was wir in den nächsten Stunden anstellen könnten. Da ich den Ort und die genaue Zeit kannte, hatte es keinen Sinn früher zuzuschlagen.

Ich überlegte, ob ich mit meinem Schüler eine Kleinigkeit trinken sollte. Mir fiel ein, wohin ich mit ihm gehen könnte. Wo er in Sicherheit vor anderen Vampiren war und andere Menschen vor mir nichts zu befürchten hatten.

»Justin, es ist noch früh, wir gehen einen Trinken bis die Zeit reif ist«, sagte ich und sah ihn an. »Was sagst du dazu?«

Er blickte unsicher zurück, seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

»Von mir aus«, meinte er gedehnt. Er hatte schöne Augen.

»Was ist los, vertraust du mir etwa nicht?« Er gab mir keine Antwort, warf mir nur einen verärgerten Seitenblick zu. Ich grinste vor mich hin.

Am Stadtrand befindet sich das Vergnügungsviertel und mittendrin gibt es eine Bar mit dem bezeichnenden Namen Desmodus. (Desmodus draculae ist der lateinische Name für eine, bereits ausgestorbene, Riesenvampirfledermaus Art)

In unseren Kreisen ist sie ein beliebter und bekannter Treffpunkt für Vampire und auch Halbblüter. Oberste Regel in diesem Etablissement: Hier wird Nichts und Niemand gebissen. Aber es gibt erstklassiges Konservenblut zu trinken und auch noch ein paar andere Köstlichkeiten.

Ich parkte etwas abseits vom Desmodus, da mein Wagen bekannt war und nicht jeder wissen musste, dass ich mich hier amüsierte, vor allem Frank nicht.

Einen Türsteher gab es nicht, dafür eine verschlossene Tür mit Klingel und Videoüberwachung.

Gelobt sei das Computerzeitalter.

»Wer begehrt Einlass?«, dröhnte es über die Gegensprechanlage, als Antwort auf mein doppeltes Klingelzeichen.

Schnell blickte ich die Straße rauf und runter, auf der Suche nach neugierigen Zuhörern, ehe ich antwortete:

»Ein Vampir mit Halbblut im Schlepptau.«

Statt einer Antwort summte es kurz und wir traten ein.

Im Foyer war es kalt

»Tascha«, begrüßte mich dröhnend der Herr und Meister über Klingel und Tür. »Lange nicht gesehen, das ist ja schön, dass du uns noch mal besuchst. Wie ich sehe«, meinte er mit einem Blick auf Justin, »züchtest du dir eine neue Dienerschaft heran.«

»Nein, der gehört Frank. Ich führe ihn nur ein bisschen Gassi.« Ich grinste breit.

»Ich habe einen Auftrag heute Nacht, aber die Zeit ist noch nicht reif. So habe ich gedacht, wir nehmen einen kleinen Drink. Welche Umgebung könnte passender sein als das Desmodus um ein junges Halbblut in unsere Welt einzuführen.«

»Da hast du recht, Tascha, na dann immer rein mit euch, viel Vergnügen. Und nicht vergessen: hier wird Nichts und Niemand gebissen!«

»Schon klar.«

Wir gingen durch die Doppeltür und befanden uns mit einem Mal in einer anderen Welt. Der Geruch, der uns entgegenschlug war wirklich atemberaubend. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass es Justin auch nicht anders erging. Er war erstaunt, mehr als das, eher schon hypnotisiert und augenblicklich berauscht.

Für das erste Mal hielt er sich aber erstaunlich gut.

Diese Geruchsvielfalt war kaum auszuhalten.

Es roch vorherrschend nach Blut, sehr viel Blut, dann dieser süße, feine Duft der Halbblüter und der staubige, alte Geruch der Vampire.

Ich war schon oft hier und bin trotzdem jedes Mal wieder aufs Neue berauscht von diesen verschiedenen Gerüchen.

Der Laden war nicht sehr groß. Es gab nur etwa zehn Tische mit je drei Stühlen, eine kleine Tanzfläche, aber dafür eine schier endlos lange Theke. Hinter der, wie immer, drei Barkeeper ihren Dienst verrichteten.

Ich ging mit Justin im Schlepptau in Richtung Theke.

»Was möchtest du trinken?«, fragte ich ihn.

»W-Was trinkt man denn hier so?«, gab er zögernd zurück

»Na ja, ich weiß schon was ich trinke, du kannst dir bestellen, was immer du möchtest. Eigentlich gibt es hier alles. Also, was darf es sein?«

»Eh, … ich hätte gerne ein Bier.«

Ich wartete an der Theke auf die Bedienung und blickte mich um. Ganz gut gefüllt heute Abend, fast alle Tische waren besetzt. Überall stand Konservenblut herum. Mal wieder mehr Vampire als Halbblute hier.

Ich sah jede Menge bekannte Gesichter unter den Vampiren. Früher, in meiner aufregenden Halbblutzeit, war ich oft mit Frank hier.

Es hatte schon was für sich, wenn man von einem der Oberen des Clans beschützt wurde. Auch wenn, laut der Tradition des Desmodus‘, hier Nichts und Niemand gebissen wird, gab es immer den einen oder anderen Blutrünstigen, der sich nicht an die Regeln hielt.

Die Bedienung kam, eine Vampirin, und fragte nach meinen Wünschen

»Ein Bier und was Leckeres«, gab ich meine Bestellung auf.

»Tascha, ich hab dich gar nicht erkannt. Komm lass dich drücken.« Sie umarmte mich ungeschickt über die Theke hinweg und drückte mir rechts und links einen Kuss auf die Wange.

»Mädchen. Gut siehst du wieder aus. Wie geht es dir?« Es klang so, als interessierte sie das wirklich.

»Gut, Bea, alles bestens. Und bei dir?«

»Prima. Und wer ist das? Gehört der etwa zu dir?«, fragte sie mit einer Kopfbewegung in Justins Richtung.

»Das ist Justin, er gehört zu Frank und ich zeige ihm heute nur ein wenig die Stadt.«

»Aha. Ich bringe euch dann mal eure Getränke.«

Es dauerte nicht lange und sie kam mit einem eiskalten Bier für Justin und einer handwarmen Konserve für mich, wieder.

»Wohl bekomms.«

»Dank dir, Bea«.

Das ist schon was, Blut in Dosen. Es ist natürlich nicht mit dem Original, frisch aus der Vene, zu vergleichen, aber es kommt dem schon recht nahe.

Als ich noch über mein Dosenblut nachdachte, hatte Justin neben mir sein Bier schon in einem Zug geleert.

Gerade stellte er das Glas geräuschvoll auf die Theke. Wie aufs Stichwort erschien auch schon Bea, hob sein Glas an und fragte ob er noch Nachschub möchte.

So ging es ein paar Bierchen weiter und ich fragte mich, ob Justin wohl vorhatte sich hier und jetzt zu betrinken.

Ich war immer noch bei meiner ersten Konserve und hatte diese noch nicht mal halb leer.

Ich beugte mich zu ihm hin und flüsterte ihm eindringlich ins Ohr:

»Du erinnerst dich bitte, dass wir heute noch was vorhaben!«

»Ja, sicher. Ich hab nur Angst, ich könnte den Geschmack von Bier vergessen. Na ja, du weißt schon, wenn ich außer diesem Zeugs«, damit deutete er mit dem Finger auf meine Konserve, »nichts anderes mehr vertrage.«

Entschuldigend lächelte er mir zu und schlug die Augen nieder. »Aber erzähl das bitte nicht Frank.«

Er sah mich an, mit diesem bittenden Hundeblick, ich musste lachen

»So ganz scheinst du ja noch nicht bereit zu sein«, stellte ich amüsiert fest.

»Doch, doch«, entgegnete er und wechselte schnell das Thema. »Gibt es hier auch ein Klo? Ich müsste da mal.«

Ich nickte in die Richtung.

»Geradeaus hinter den Billardtischen rechts, ist ausgeschildert.«

Er ging davon und schwankte ein bisschen. Aber nur ein wenig, man bemerkte es kaum.

Fünf Minuten später kam er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht wieder. Ich legte meine Stirn in Falten und sah ihn fragend an.

»Hast du was Lustiges gesehen, auf dem Klo?«

»Nein«, erwiderte er und lachte kurz. »Ich wusste ja gar nicht, dass die Mädchen hier so heiß sind.«

Irritiert blickte ich ihn an.

Da braute sich das Unheil auch schon zusammen.

Unruhe entstand bei den Billardtischen und ich sah mehrere Kerle, wie sie sich aufgeregt unterhielten. Einer deutete in unsere Richtung.

»Justin, was hast du getan?«, fragte ich ihn leise.

»Nichts, ein Mädchen ist kurz vor den Klos über mich hergefallen. Ich konnte mich noch nicht einmal wehren. Aber es war trotzdem ganz nett.« Er grinste über das ganze Gesicht wie eine zufriedene Katze.

Ich verdrehte meine Augen zur Decke.

Na toll, dachte ich noch, da stürmte einer der Kerle, ein wahrer Riese, auch schon auf uns zu, packte Justin am Kragen und hob ihn hoch, als wenn es gar nichts wäre.

Ich kannte ihn, ein Halbblut, aber kurz vor seiner endgültigen Verwandlung, so auch schon mit großen Kräften ausgestattet. Er gehörte zu der Sorte, die man auch dann nicht leiden konnte, wenn sie Vampire waren. Sie gehörten nie zum eigentlichen Clan dazu, schwammen immer gegen den Strom und waren eine echte Plage. Blutgierig und mordlüstern.

»Du Mistkerl«, brüllte der Riese Justin an, »du hast mein Mädchen angebaggert und abgeknutscht. Dafür wirst du jetzt bezahlen.« Er holte mit seiner Faust zu einem Schlag aus, der Justin sämtliche Knochen im Leib brechen wird.

Das konnte ich natürlich nicht zulassen, also ging ich dazwischen.

»Hey, beruhig dich mal! Lass ihn los, wir reden darüber. Ich wette, es handelt sich hier um ein blödes Missverständnis.«

Der Riese blickte mich wütend an.

»Ich will mich aber nicht beruhigen«, brüllte er lauthals und schlug mit der Faust, mit der er eben noch auf Justin eindreschen wollte, gegen meine Schulter.

Jeden anderen hätte es jetzt drei Meter nach hinten geschleudert. Aber ich blieb stehen und ehe ich darüber nachdenken konnte, hatte ich diesem widerlichen Riesen meine Faust auf die Nase geboxt.

Das Blut spritzte nur so nach allen Seiten, überall sah man Köpfe herumfahren.

Die Köpfe der Vampire.

Frisches Blut ist immer gefragt und erregt schnell die Aufmerksamkeit. Aber was ich wollte, hatte ich erreicht, der Riese ließ Justin los und nicht nur das, er packte sich mit beiden Händen an die Nase und sank auf die Knie.

Blut lief zwischen seinen Fingern hindurch und tropfte auf seine Beine. Ich starrte fasziniert darauf, wie die Tropfen sich auf seiner Hose zu immer größeren Seen formten.

»Die Schlampe hat mir die Nase gebrochen«, erklang es dumpf hinter den vorgehaltenen Händen.

»Zum Reden hat er wohl jetzt keine Lust mehr.« Justin zog sein Hemd wieder glatt.

»Wir gehen«, herrschte ich ihn an, »sofort!«

Ich warf einen Geldschein auf unseren Platz und wir traten den Rückzug an.

Das war ja keine reife Leistung. Ich hatte zwar keinen gebissen, aber Blut, frisches, pulsierendes Blut, floss dennoch.

Ich bemerkte, dass uns keiner beachtete auf dem Weg zur Tür. Alle Blicke hingen an dem riesigen Kerl, der nun gar nicht mehr so riesig aussah, wie er auf dem kalten Boden kniete und sich die Hände vor das Gesicht hielt. Unaufhörlich quoll Blut hervor und tropfte auf sein Hemd und die Hose

Wenn der nicht aufpasste, war er bald das Opfer.

In einem Raum voll mit Vampiren spontan eine Blutung zu haben, war überhaupt nicht ratsam für die eigene Gesundheit.

Auf dem Weg zum Ausgang, packte Bea mich am Arm.

»Du weißt, das war Mist«, zischte sie heiser und war mit einem Mal überhaupt nicht mehr so nett, wie eben noch, »Das hat ein Nachspiel.« Ihre Augen funkelten wütend.

Ich riss mich los und rannte zum Ausgang. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Justin neben mir war.

Guter Junge. Das Foyer war zum Glück wie leergefegt. Vielleicht wollte der Herr über Klingel und Tür auch nachsehen, was da drinnen die Aufmerksamkeit der Vampire auf sich zog.

Schnell waren wir auf der Straße und bei meinem Mustang angekommen.

Wundert mich, dass uns keiner folgte, dachte ich und startete den Motor. Mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr ich wieder in Richtung Innenstadt.

Jetzt endlich kam die Wut.

»Verdammt«, ich schlug mit der flachen Hand auf mein Lenkrad.

»Verdammt, verdammt, verdammt«, jedes Mal schlug ich erneut zu.

Neben mir fing Justin unkontrolliert an zu kichern.

Ich starrte ihn wütend an. Gerne hätte ich ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasst, befürchtete aber, ihm dabei das Genick zu brechen, zu groß war meine Wut.

Justin kicherte nur noch lauter, er lachte glucksend, er prustete und lachte jetzt aus vollem Hals.

Das war einfach zu viel für mich. Ich fuhr meinen Wagen rechts ran, hielt mit quietschenden Reifen an und fiel mit einem Bärengebrüll regelrecht über ihn her.

Ich presste ihn mit meinem Körper an die Beifahrertür und packte ihn an den Haaren.

»Du verfluchter Blutsack«, schrie ich ihn an, »das geht auf dein verdammtes Konto. Das war allein deine Schuld. Nicht nur, dass ich mich nicht mehr da sehen lassen kann, was soll ich bitte Frank erzählen? Hä, schon eine Idee?« Erstaunt bemerkte ich, dass meine Zähne zu spitzen Dolchen wuchsen. Merkwürdig, das passierte sonst nur, wenn ich im Blutrausch war und noch nie nur so, aus Wut.

Diese neue Erkenntnis machte mich gleich noch wütender.

Ich packte ihn am Hemdkragen und schüttelte ihn kurz. Sein Kopf knallte gegen das Seitenfenster und seine Zähne klappern aufeinander.

»Bei meinem Glück sind alle Vampire im Desmodus über den Riesen hergefallen. Man wird mir die Schuld geben«, brüllte ich weiter, »hörst du, … mir

Wenigstens erreichte ich, dass er aufhörte zu lachen. Dafür wurden seine Augen immer größer. Er versuchte von mir abzurücken, was er natürlich nicht schaffte. So konnte er nur seinen Kopf von mir weg drehen und die Augen zukneifen.

Ich war nur wenige Zentimeter von seinem Hals entfernt, es wäre ein Leichtes für mich gewesen, jetzt zu zubeißen und sein süßes Blut zu genießen. Nur so, weil ich gerade so wütend war.

Ich starrte auf seinen Hals, sah sein Blut durch die Adern pulsieren, hörte das Rauschen, es klang wie leise Musik in meinen Ohren.

Ich war ganz kurz davor, meinem Blutdurst nachzugeben … und auf die Konsequenzen zu pfeifen.

Die Sekunden dehnten sich aus, ich hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, alles drehte sich nur noch um die eine Sache, ich wollte ihn töten.

Sein plötzliches, erschrecktes Keuchen weckte mich auf. Ich zwinkerte einmal und war wieder in der Wirklichkeit angelangt.

Angewidert stieß ich ihn am Kragen zurück und rutschte zurück auf meinen Sitz.

Meine Zähne wurden kleiner, ich konnte es ganz deutlich fühlen, ich drehte meinen Kopf hin und her um wieder klar zu werden.

Fast, dachte ich grimmig, fast …

Mit einem Seitenblick auf Justin sagte ich leise:

»Diesmal hat dich dein Keuchen gerettet, ich hoffe, du hast fürs nächste Mal auch schon eine passende Unterbrechung parat.«

Er zog sein Hemd glatt, das zweite Mal heute bereits.

Er antwortete mir nicht, ich hatte allerdings auch nichts erwartet.

Ich startete den Wagen und fuhr langsam wieder auf die dunkle Straße, unserem eigentlichen Ziel entgegen.

Ich war immer noch wütend, auf mich und auf Justin. Ein Blick auf die Uhr in meinem Wagen verriet mir, dass es noch vier Stunden bis zur Vernichtung von Alexej waren. Wie angenehm wäre es gewesen, die Zeit im Desmodus zu verbringen. Aber Justin musste ja das Unheil anziehen, wie der Honig die Bienen.

Wie es diesem widerwärtigen Halbblut jetzt in dem Raum voller Vampire wohl erging, fragte ich mich. Fielen sie über ihn her und töteten ihn, oder zügelten sie ihr Verlangen und verschlossen die gierigen Raubtieraugen vor dem sachte dahin tröpfelnden Blut?

Ich werde es bestimmt in Kürze erfahren, dachte ich grimmig. Frank wird es mir unter die Nase reiben.

Dieser Vorfall wird nicht spurlos an mir vorüber gehen.

Erneut spürte ich die Wut hoch kriechen, ich wollte sie nicht zulassen, aber sie war da und ließ sich nicht mehr verscheuchen.

So konnte ich mich nicht genug auf meinen Auftrag konzentrieren. Außerdem hatte der Geruch von Justin und die bloße Ahnung davon, wie sein Blut unter der warmen Haut dahin floss, in mir ein irres Verlangen ausgelöst. Das musste erst gestillt werden, bevor ich mich auf so eine unbefriedigende und banale Sache, wie die Jagd nach einem Verbrecher einließ.

Ich überlegte, wie ich Justin loswerde, er sollte nicht dabei sein. Rasch warf ich ihm einen Blick zu, er sah müde aus, vielleicht könnte er im Wagen etwas schlafen, während ich … mich abreagierte.

Wie aus dem Nichts traf es mich, schon wieder so ein süßer, köstlicher Geruch, ein Duft der sofort das Feuer in mir entfachte. Es war, als ob das nette Blondinchen von gestern auferstanden wäre, um mich erneut mit ihrem Duft zu verführen, zu umgarnen.

Woher zum Teufel, kommt bloß dieser Geruch? Fragte ich mich und nahm die Augen zur Hilfe.

Drei Wagen vor uns fuhr ein kleines Cabriolet, in ihm saßen drei Mädchen, junge Frauen, von vielleicht 20 Jahren. Sie hielten die Arme in die Höhe und ihr Lachen klang bis zu uns herüber. Eindeutig war eine von ihnen die Quelle dieses Wohlgeruchs.

Wie stelle ich es nur geschickt an, überlegte ich, dass Justin nichts an Frank weitererzählt.

Ich könnte ihn ohnmächtig schlagen, oder ihn töten, dann wäre er auch aus dem Weg. Vor lauter Verlangen konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich fuhr mir mit beiden Händen durch das Gesicht und anschließend durchs Haar.

Alles Blödsinn, überlegte ich weiter, es musste noch einen anderen Weg geben, einen harmlosen, einen der mir auch später noch erlaubt, Frank wieder unter die Augen zu treten.

Da sah ich plötzlich Joshs Buchladen. Das ist die Idee, dachte ich bei mir, er kann mir helfen und so gleichzeitig beweisen, ob er es wirklich ernst meinte.

Vor dem Laden war ein Parkplatz, ich lenkte den Mustang hinein und stellte den Motor ab. Die Mädchen in ihrem Wagen fuhren lachend weiter, das ist nicht schlimm, den Geruch werde ich überall wiederfinden.

Justin schreckte hoch, erstaunt sah er mich an.

»Wo sind wir, ist es schon soweit?«, fragte er murmelnd.

»Nein, es ist noch massenhaft Zeit. Aber du bist müde und ich kann dich nur dabei haben, wenn du ausgeruht bist. Darum wirst du hier im Wagen eine Runde schlafen und ich gehe kurz zu Josh rein«, damit zeigte ich auf den Hexenladen, »und halte mit ihm ein kleines Schwätzchen.«

Lächelnd blickte ich Justin an, seine Augen waren schon ganz glasig, vor Müdigkeit.

»Du bleibst im Wagen«, fuhr ich fort, »komm besser nicht rein. Josh ist ein Vampir und bei ihm weiß man nie, wie … hungrig er gerade ist.«

Und du riechst einfach zu gut, fügte ich in Gedanken hinzu.

»In Ordnung«, er lehnte seinen Kopf an die Kopfstützen und schloss seine Augen, »bis später.«

Ein letztes Mal blickte ich sehnsüchtig auf seinen weißen, reinen Hals.

Ich stieg aus und atmete den nur noch leicht vorhandenen Geruch des Mädchens ein, dann betrat ich den Hexenladen.

Das Glöckchen über der Tür verriet mein Eintreten. Josh stand in seiner gewohnten Haltung hinter dem Verkaufstresen, der Laden war leer.

Josh grinste mich frech an. »So schnell hatte ich nicht mit dir gerechnet.«

Ich blieb ernst. »Ich bin aus einem anderen Grund hier, Josh.« Er hob seine Augenbrauen fragend in die Höhe, bis sie fast in den blonden Haaren verschwand. Dann warf er einen flüchtigen Blick an mir vorbei, durch sein Fenster, auf die Straße hinaus.

»Wie ich sehe, hast du einen … Begleiter.« Er runzelte kurz die Stirn. »Wie kann man nur in deiner Gegenwart schlafen. Wie kann man es nur wagen, man verpasst so viele kostbare Augenblicke mit dir.« Er schüttelte leicht den Kopf.

»Oder ist er etwa dein Nachtmahl?« Joshs Augen strahlten mich wissend an.

»Nein, er ist Franks Halbblut. Ich soll nur auf ihn aufpassen«, erklärte ich ihm leise.

»Im Moment bin ich froh, dass er schläft. Ich hab‘ nämlich noch was vor«, dabei sah ich Josh bedeutungsvoll in die Augen.

Er ist ein Vampir vom richtigen Schlag, er verstand sofort, was ich meine.

»Oh«, seine Augen wurden ein bisschen größer und er richtete sich auf, »du willst gegen die Regeln verstoßen.«

Das breite Grinsen auf seinem Gesicht passte eigentlich gar nicht zu seiner Feststellung.

»Nun ja, ich bin immer noch ein Mitglied des Clan«, ich straffte meinen Körper, »es liegt noch ein Auftrag vor mir, Josh. Ich habe es versprochen … denk daran.«

Lachend winkte er ab. »Ja, ja, Süße. Was kann ich denn für dich tun?«

Ich antwortete nicht sofort, ich dachte darüber nach, wie es wirklich werden könnte, wenn ich in Joshs Lager wechselte.

Er beugte sich weit über die Theke und flüsterte heiser.

»Sag es mir nur, soll ich diesen Blutsack da draußen von der Bildfläche verschwinden lassen, damit du freie Bahn hast?« Josh sah mich fragend an.

»Nein«, ich kreischte fast, »nein, bloß nicht. Mit dem werde ich schon selber fertig. Ich brauche nur deinen Hinterausgang, mehr nicht. Nur … deinen Hinterausgang, damit ich ungesehen verschwinden kann.«

»Okay und wann kommst du wieder, damit dieser Blutsack vor meinem Geschäft verschwindet. Er vergrault mir die Kundschaft.« Josh sah ein wenig enttäuscht aus.

»Zwei bis drei Stunden, mehr brauche ich nicht.«

Hoffe ich, setzte ich in Gedanken hinzu. Ich wusste genau, dass ich nicht eher von der Kleinen lassen konnte, bis ich sie erwische. Rendezvous mit Alexej hin oder her.

»Kein Problem, meine Süße.« Er ging um seine Theke herum und kam gelassen auf mich zu.

Dabei fiel mir ein, das Josh der einzige ist, der mich Natascha und meine Süße nennt. Das machte sonst keiner, jedenfalls würde es derjenige nicht zweimal hintereinander schaffen.

»Ich habe Zeit«, sagte er leise und seufzte, »sehr viel Zeit.«

Er umarmte mich kurz und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

»Du musst jetzt gehen, Natascha. Komm schnell wieder, bitte.« Seine Stimme war wie Honig, zähflüssig, klebrig und sehr süß.

»Ja. Passt du für mich so lange auf Justin auf? Und …«, ich hob spielerisch den Zeigefinger und setzte eine ernste Miene auf, »…keine Dummheiten, lass den armen Jungen leben, wenigstens so lange, bis ich ihn mir kralle.«

Ich grinste ihn frech an.

»Riecht er gut?« Josh zog eine Augenbraue hoch in seine blonden Haare.

Ich verdrehte die Augen. »Du glaubst gar nicht, wie gut. Lange kann ich nicht mit ihm zusammen sein, ohne auf seinen Hals zu starren.« Ich hielt meine Hände neben mein Gesicht und ließ sie wie Raubtierkrallen aussehen.

»Grr. Das macht mich ganz irre.«

Josh lachte kurz auf.

Frustriert ließ ich die Hände sinken, zuckte mit den Schultern und sah ihn an.

»Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für alles. Ich bin bald wieder da.«

»Auf bald, Natascha«, er gab mir den Weg frei.

Schnell lief ich durch den Hinterausgang und befand mich in einem quadratischen Hinterhof. Hier sind die Höfe alle miteinander verbunden. Es wird mir ein leichtes sein, wieder auf die Straße, weit vor meinem Mustang mit dem schlafenden Justin, zu gelangen. Um den Geruch wieder zu finden, diesen herrlichen, köstlichen, betörenden Duft.

Um ihn in mich aufzusaugen.

Um wieder einmal gegen die Regeln zu verstoßen.

Ich lief durch die Hinterhöfe in Richtung Straße. Zwischen zwei kleineren Geschäften kam ich weit vor dem Mustang wieder raus. Die Stadt war noch sehr belebt. Einige Fußgänger waren unterwegs, die mich misstrauisch beäugten, als ich zwischen den Geschäften heraus schoss.

Ich beachtete sie gar nicht, ging in Richtung Norden, wohin der süße Duft entschwand.

Immer wieder zog ich vorsichtig eine Nase voll Luft ein. Die Mädchen waren nicht sehr weit gefahren, denn der Duft hing noch dick und schwer in der Luft. Plötzlich sah ich das kleine Cabrio, es stand auf einem Parkplatz, vor der größten Diskothek hier in der Stadt, ein richtiger In-Laden.

Sie waren bestimmt noch nicht hineingegangen, überlegte ich, da der Geruch viel zu intensiv war.

Plötzlich hörte ich ihr Lachen wieder, es schallte quer über den Parkplatz bis zu mir. Ein herrliches, perlendes und köstliches Lachen.

Ohne den wundervollen Geruch, der dieses Lachen unterstrich, hätte es wahrscheinlich dumm, hysterisch und quakend für mich geklungen, wie sich das Lachen der Menschen eben anhört, aber zusammen mit dem Duft … Eine Komposition, die meine Nervenenden vibrieren ließ.

Plötzlich sah ich die Mädchen, sie hatten sich neben die Disco verzogen und standen dicht beisammen. Ich überlegte, welche von ihnen so betörend duftete und wie ich sie voneinander trennen konnte.

In diesem Moment war das Schicksal scheinbar gegen mich.

Es donnerte, ein Gewitter zog auf. Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, dachte ich, sonst ertrinkt Justin in meinem Mustang.

Die Mädchen blickten ängstlich zum Himmel und kicherten unsicher. Sie machten sich auf den Weg. Grimmig verfolgte ich sie mit meinem Blick, wie sie zum Eingang gingen und in der Disco verschwanden.

»Verdammt«, zischte ich, »hier draußen wäre es ein Leichtes gewesen. Da drinnen, zwischen all den anderen Blutsäcken, kann ich mich nicht so bewegen, wie ich gerne möchte. Das wird ein Problem.«

Ich muss also auch da rein, oder ich blase die ganze Aktion ab. Ich überlegte gründlich und wägte die verschiedenen Möglichkeiten ab. Der Geruch zog mich magisch an und hatte natürlich die höchste Priorität.

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