Kitabı oku: «Tara», sayfa 5

Yazı tipi:

8 Sightseeing in Berlin

Das Rauschen einer Dusche klang in meinen Ohren. Ich versuchte mir zu erklären, warum in meiner Wohnung die Dusche lief, obwohl ich im Bett lag und warum ich sie hören konnte, obwohl das Bad von meinem Schlafzimmer relativ weit entfernt lag.

Ich überlegte, warum ich mich so schlecht fühlte und was ich denn die Nacht gemacht hatte. Hatte ich einen fremden Mann mit nach Hause genommen? Das wäre für mich untypisch gewesen, andererseits wusste ich nicht einmal, warum ich im Bett lag und wo ich zuvor gewesen war.

Als mein Geist schließlich auch zu sich kam, erinnerte ich mich jedoch wo ich war und wer im Bad sich erfrischte. Vorsichtig öffnete ich die Augen.

Genau, Fine duschte, denn die Bettseite neben mir war leer. Ich streckte mich und schloss die Augen wieder. Ich war noch zu müde, um aufzustehen. Aber ich war mir sicher, sobald Fine aus dem Bad kam, würde sich die Situation ändern und das nicht zu meinen Gunsten.

Wenige Minuten später bestätigte sich meine Vermutung. Ich war gerade wieder leicht eingedöst, als Fine die Badezimmertür öffnete und anfing mich an den Füßen zu kitzeln.

„Aufwachen Schlafmütze. Wach werden, ich bin aufgestanden und will jetzt beschäftigt werden. Los, mach die Augen auf, rede mit mir, mir ist langweilig. Komm, du bist doch sowieso schon wach, antworte.“ Ich wusste, Fine würde nicht aufhören mich zu nerven, eh ich reagierte. Also grummelte ich etwas und schaute sie schlaftrunken an.

„In deinem Kopf ist kein Kater mitsamt Kratzbaum und Wollknäuel eingezogen oder?“, knurrte ich sie an.

„Nö und in deinem Kopf ist die Mieze auch bald weg. Unten wartet Kaffee auf dich, ganz frisch und voller Koffein“, grinste Fine.

Ich räkelte mich und brachte mich vorsichtig in eine sitzende Position.

„Du siehst aus, als hätte dir ein Indianer eine Kriegsbemalung mit Kajal verpasst“, neckte mich meine Freundin, wohlwissend, dass ich nach diesem Satz schnellstens ins Bad zum Spiegel huschen würde, um neugierig einen Blick auf mein Gesicht zu werfen. Ich strich meine langen Haare nach hinten und gähnte. Meine Neugier siegte und ich schleppte mich ins Bad.

Ja, Fine hatte recht. Dieser Anblick wäre ein Foto wert gewesen. Die ganze schwarze Schminke war quer durch das Gesicht gezogen, über die Wangen zogen sich Streifen und von den Augen über die Stirn erstreckten sich zackenartige Gebilde.

Ich musste Lachen über diese Bemalung. Ich stieg unter die Dusche und ließ das Wasser über meinem Kopf und meinen Körper laufen. Ich wusste aus Erfahrung, dass ich frisch gewaschen und mit geputzten Zähnen mich viel besser fühlen würde und auch dieses Mal verfehlte dies nicht seine Wirkung. Ein bisschen wie Neugeboren verließ ich das Bad und freute mich schon auf den Kaffee, der mich wohl wieder vollständig herstellen würde.

„Na, geht’s jetzt besser?“, fragte mich Fine. Ich nickte und zog mich an.

„Auf zum Frühstück“, murmelte ich und Fine, die meine Eigenschaft als Morgenmuffel kannte, folgte mir schmunzelnd.

Wir liefen die Treppen runter in den Frühstücksraum, der sich im Erdgeschoss befand. In dem Raum gab es nur ungefähr zehn Tische mit je vier Stühlen. An einer kleinen Tafel war das Frühstücksbuffet angerichtet. Es gab Obst, Käse, Wurst, Müsli, Brötchen und Brot, gekochtes Ei, Saft, Milch und ganz wichtig: Kaffee! Ich nahm mir eine Schüssel Schokoladen-Haferflocken-Müsli mit warmer Milch und eine große Tasse Kaffee, Fine stürzte sich auf Brötchen mit Marmelade und Honig, dazu Kaffee mit Milch, besser gesagt Milch mit Kaffee, soviel Milch, wie sie da hinein goss konnte von Kaffee kaum noch die Rede sein.

Wir gingen an einen der Tische. Gespannt verfolgte sie, wie ich den ersten Schluck Kaffee trank und meinte spöttisch: „So, jetzt bist du ansprechbar, oder?“

„Ja, jetzt geht es. Langsam kannst du mit mir Kontakt aufnehmen“, antwortete ich grinsend.

„Sehr gut. Ich will dich ja noch nicht überfordern, aber irgendetwas müssen wir ja heute noch so unternehmen. Was würdest du davon halten, wenn wir ein bisschen Kultur schnuppern und uns einer Stadtführung anschließen?“

„Klingt gut, soviel haben wir ja von Westberlin noch nicht gesehen, außer unsere Diskotheken“, stimmte ich ihr zu. Wir entschlossen uns daraufhin eine Stadtrundfahrt zu machen, die ausschließlich durch Westberlin ging, da wir den Osten von Berlin bereits gut genug kannten. Von der Pensionswirtin, einer kleinen, rundlichen Frau mit einer echten „Berliner Schnauze“, jedoch für meinen Geschmack etwas zu laut und ständig am nörgeln, erfuhren wir, von wo aus wir an solchen Stadtrundfahrten teilnehmen konnten.

„Da jibt’s aba nur olle Jebäude zu kiecken. Da is’ nix mit Feez. Dit is’ sicher nix für so junges Jemüse wie euch. Da jehn doch nur eure Kreten flöten und eure Zeit verbumfiedelt ihr och noch“, polterte die Wirtin uns an, nach ihrer kurzen Wegbeschreibung zum Startpunkt der Rundfahrt.

„Wir interessieren uns aber für Kultur und Historie. Außerdem haben wir noch kaum etwas von Westberlin gesehen und dachten, so wäre es die beste Möglichkeit möglichst viel davon kennen zu lernen“, antwortete ich leicht verdutzt.

„Wat? Dit interessiert euch? Naja, hat halt so jeder seins, wa?!“ Skeptisch und leicht beleidigt musterte uns die Wirtin von oben bis unten.

„Hört nich’ uf die olle Klafte, Mädels. Die redet nur Makulatur. Dit wird euch schon jefallen. Is ja och richtig so, hier mal wat anzukiecken, wenn ma’ schon mal hier is’“, mischte sich ein Mann, der auf einem durchgesessenen Sofa neben der Rezeption saß und eine Zeitung las, in unser Gespräch.

„Mach lieber noch was von deiner Lorke, Hilde, mein Pott is’ schon alle“, wandte sich der Mann an die Wirtin und verschwand wieder hinter seiner Zeitung.

Wortlos ging Hilde an uns vorbei in die Küche. Verwundert und achselzuckend sahen Fine und ich uns an und gingen in entgegengesetzter Richtung zur Ausgangstür.

„Die is’ nur einjeschnappt, weil’s nich nach ihrer Nase jing. Macht euch nix d’raus, Mädels“, brummelte der Mann hinter seiner Zeitung uns nach, als wir zur Tür hinaus gingen.

„Unsympathische Frau“, meinten Fine und ich gleichzeitig, als wir die drei Stufen der Pension hinunter gingen. Wir schauten uns an und lachten.

„Die Hilde meinte ja, dass die Rundfahrt beim Olympiastadion beginnt, aber ich glaube das wird zeitlich zu eng, wenn wir erst bis dorthin fahren und alle Punkte der Rundfahrt mitnehmen“, überlegte Fine.

„Ja, das glaube ich auch. Wie wäre es denn, wenn wir zum Kurfürstendamm fahren und von dort aus in die Rundfahrt einsteigen?“, fragte ich.

„Ja, genau und bis zum Flughafen Tempelhof brauchen wir ja auch nicht fahren. Da steigen wir am Check Point Charlie in Kreuzberg wieder aus.“

Ich stimmte Fine zu und wir machten uns auf den Weg zur nächsten U-Bahn.

Als wir auf dem Kurfürstendamm, oder Ku’damm, wie er auch genannt wurde, angekommen waren, bereuten wir, in der Pension gefrühstückt zu haben bei dem Anblick des Frühstücksangebots in den Cafés, die sich zwischen Läden und Hotels erstreckten. Jedoch waren wir zu satt um dennoch ihr Angebot anzunehmen und es reichte auch die Zeit nicht aus, um sich für einen Kaffee hineinzusetzen.

Auch bei den Läden musste ein Blick durch die Schaufenster reichen und so schlenderten wir mit, an den Fenstern platt gedrückten Nasen zu dem Haltepunkt der Stadtrundfahrt.

Eine Familie mit zwei Kindern, ein Rentnerehepaar und drei befreundete Rentnerinnen warteten bereits an der Haltestelle. „Gucke ma’ Erna, was sin’ das denn für kom’sche Vöschel.“

„Also ne, die seh’n ja aus als wär’n se’ aus der Geisterbahn gekrochen. Hoffentlich fahr’n die ne mit uns. Da habsch bissl Angst“, tuschelte das Rentnerehe-paar mit einem auffällig sächsischen Dialekt als wir uns neben sie stellten. Abfällig und leicht verängstigt beäugten sie uns.

Das kleine Mädchen der Familie schaute mit großen Augen auf meine Schellen an der Tasche, die bei jeder Bewegung klingelten und fragte laut

„Mami, bekomme ich auch solche Glöckchen?“ Entsetzt schaute die Mutter erst auf mich und dann auf ihre Tochter und schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich band daraufhin eine meiner Schellen ab und gab sie dem Mädchen, welches sie freudestrahlend entgegennahm.

„Schau mal Mami, das hat mir die Tante geschenkt.“ Freudig bimmelte sie die Schelle.

„D-Danke“, stammelte die Mutter leise und schaute an mir vorbei.

Inzwischen ruhten nicht nur alle Augenpaare auf Fine und mir, sondern ein großes Schweigen setzte ein in dem nur die Schelle hörbar war, die nach wie vor von dem Mädchen geschwungen wurde. Ich war daher sehr erleichtert, als endlich der Bus kam.

Der Bus war schon ziemlich voll, aber Fine und ich erwischten zum Glück noch einen Zweier-Sitzplatz. Ich glaube auch nicht, dass einer der Fahrgäste neben einem Grufti hätte sitzen wollen, somit war dies für beide Seiten glücklich ausgegangen. Die Reiseleiterin begrüßte die zugestiegenen Gäste und erklärte die Geschichte des Kurfürstendamms während der Bus langsam anfuhr.

Nach noch einem Stopp an der Gedächtniskirche verließen wir den Kurfürstendamm. Die Rundfahrt ging vorbei an dem Europacenter, dem KaDeWe, dem Rathaus Schöneberg, durch den Tiergarten, zu den Botschaften, an der Siegessäule vorbei, welche auf mich einen besondere Eindruck hinterlassen hatte, bis zum Schloss Bellevue und letztendlich in das Regierung-sviertel. Dort schauten wir uns das Bundes-kanzleramt und den Bundestag an.

An dieser Stelle war das größte Gedränge an Menschen unterschiedlichster Nationalitäten. Besonders fiel mir eine Reisegruppe Japaner auf, die mit gezückten Fotoapparten vorbeieilten, als müssten sie noch ganz Berlin an einem Tag durchreisen.

Von dort aus ging es mit dem Bus weiter ans Brandenburger Tor zum Potsdamer Platz. Die nächste Haltestelle war Check Point Charlie und somit auch unsere Ausstiegsstelle. Wir hörten uns noch die Informationen zu diesem historisch wichtigen Ort an und trennten uns von der Reisegruppe.

„Also ich fand, die Rundfahrt hat sich gelohnt, oder was meinst du?“, fragte ich Fine.

„Ja, das finde ich auch. Die Wirtin hat wohl einfach echt kein Interesse an der Geschichte ihrer Stadt. Jetzt kennen wir wenigstens auch mal Westberlin und nicht nur eine Ecke davon. Aber nun habe ich Hunger.“ Ich stimmte Fine zu und mein gerade einsetzendes Magenknurren tat dies ebenfalls.

„Naja ist ja auch schon um sechzehn Uhr. Wahrscheinlich gab es keine Gaststätte, die historisch wertvoll war um in ihr Mittag zu essen.“

„Wollen wir heute noch einmal zu dem Italiener gehen? Es gibt da noch so einiges auf der Karte, was ich noch probieren würde?“, fragte mich Fine.

Anstatt eine Antwort zu geben zog ich sie am Arm hinter mir her in die Richtung des Italieners. „Chianti! Chianti! Chianti!“, frohlockte ich.

„Du hast recht, was war das denn für ein trockener Tag bisher. Das muss geändert werden“, lachte Fine und stimmte ein: „Lambrusco! Lambrusco! Lambrusco!“

Nachdem wir wieder ein hervorragendes Essen genossen hatten, gingen wir zurück in die Pension um uns für das Konzert fertig zu machen. Ich hoffte, dass mein bauchfreies Oberteil nach dem reichlichen Abendbrot noch tragbar wäre, aber ein prüfender Blick in den schmalen Ganzkörperspiegel an der Schranktür beruhigte mich. Der Rock und die Korsage saßen perfekt. Ich musste selbst zugeben, dass ich wirklich eine schöne Figur hatte. Zufrieden kämmte ich mein langes, blutrotes Haar und band es wegen dem Schminken zu einem Zopf zusammen.

Auch Fine sah in ihrem Kleid zum Niederknien aus. Ihre schlanke Taille kam in dem engen Kleid richtig zur Geltung und bei jeder ihrer Bewegungen wuchs die Spannung, ob der Po unter dem Kleid raus schauen würde oder nicht, da es so kurz war.

„Tara, welche Schuhe soll ich dazu anziehen?“, fragte mich Fine und stand mit zwei Paar Stiefeln vor mir, wovon eines aus Lack mit Plateausohlen war und der andere aus Leder mit einem mörderisch hohen, spitz zulaufenden Absatz.

„Nimm den aus Leder“, riet ich ihr. „Der passt besser zum Kleid und außerdem ist er höher. Du wirkst sonst wie ein Zwerg neben mir, wenn ich meine hohen Schuhe trage.“

Fine nickte und stellte die Lackstiefel zurück in den Schrank. Fine war mit ihren 1,65cm eigentlich durchschnittlich groß, jedoch überragte ich sie bei meiner Körpergröße von 1,76 cm um einen halben Kopf. Mit unterschiedlichen Absatzhöhen konnte sich das zu einem Unterschied von bis zu 20 cm gestalten, was für uns beide nicht mehr schön aussah, wenn wir neben einander standen.

Meine Freundin band ihre leicht über die Schultern reichenden und fast weiß blondierten Haare ebenfalls zu einem Pferdeschwanz zusammen und setzte sich mit ihrem Rasierspiegel vor das Bett.

Sie fing an ihre blauen Augen mit Kajal, Eyeliner und Co in Szene zu setzen. Ich nahm mir ebenfalls den zweiten Rasierspiegel und setzte mich ihr gegenüber an die andere Seite vom Bett.

Die große Kunst war es, die Wimpern durch mehrmaliges Tuschen lang genug zu bekommen, damit sie dennoch gegen den schwarzen Lidschatten auffielen. Da ich von Natur aus lange Wimpern hatte, fiel es mir weitaus einfacher als Fine.

Ein paar Pinselstriche und einem kleinen Klopa-pierhaufen in der Mitte später waren wir endlich fertig. Das Klopapier brauchten wir, um den Lidschatten, der beim Auftragen stets auf das restliche Gesicht bröselte, wieder mit Creme von der Haut zu bekommen, damit das Gesicht anschließend perfekt weiß gepudert werden konnte.

Wir räumten unsere Schminksachen beiseite, öffne-ten wieder unsere Zöpfe und kämmten unsere Haare nochmals durch. Fine setzte sich noch eine kleine Sonnenbrille mit runden Gläsern auf die Nasenspitze. Sie war der Meinung das würde ihre Zusammenstellung komplettieren, auch wenn sie über die Ränder hinweg schauen musste, da es bereits draußen stockfinster war.

Wir zogen unsere Ledermäntel an, hingen uns unsere Taschen über die Schulter und verließen die Pension in heller Aufregung auf das heutige Konzert. Heute Abend spielten neben der Hauptattraktion „Das Ich“, noch „Project Pitchfork“, „Lacrimosa“ und „Endraum“. „Das Ich“ und „Endraum“ hatte ich bereits schon einmal live gesehen, jedoch auf „Project Pitchfork“ war ich sehr gespannt, da ich sie live noch nicht kannte.

9 Das Konzert

Der Wind wehte noch kälter als an dem gestrigen Abend. So sehr wir auch die Mäntel um uns schlangen, dem Zittern entgingen wir nicht. Wir konnten es kaum erwarten im „Dark Hole“ anzukommen, um der Kälte zu entfliehen.

„Da hätte ich mir die Haare auch gleich toupieren können“, jammerte Fine neben mir und versuchte, ihre vom Wind zerzausten Haare unter Kontrolle zu bekommen. Doch der Wind war stärker und wedelte sie stets aufs Neue wieder durch.

„Wir sind ja gleich da“, versuchte ich sie zu trösten und bemühte mich die Tränen, die mir der Wind in die Augen trieb, rechtzeitig abzufangen, eh sie mir das Make Up ruinieren konnten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir das „Dark Hole“ und stürzten so schnell wir konnten hinein. Nur der Kerl am Einlass konnte uns bremsen. Wir bezahlten und gingen den langen, schmalen und dunklen Gang entlang, der nur mit einzelnen Laternen beleuchtet wurde, um uns an einem Fenster anzustellen, durch welche man seine Garderobe abgeben konnte. Es war schon einiges los. In der Luft schwebte der Duft von Patchouli gepaart mit Zigarettenqualm.

Ein paar Schritte weiter von der Garderobe entfernt befanden sich auf der rechten Seite die Toiletten. Fine und ich betraten sie um unser Aussehen im Spiegel zu überprüfen. Ein Mädchen mit Zigarette im Mund richtete gerade ihre Strapse als wir herein kamen. Sie löschte ihre Zigarette im Waschbecken, schmiss sie in den Eimer und sprühte sich noch eine halbe Flasche Haarspray in ihre auftoupierten Haare. Schließlich verschwand sie in der schwarzen Menge im Gang.

Erst als sie gegangen war, konnten wir an den Spiegel treten. Der Vorraum der Toiletten war so eng, dass man Mühe hatte, sich zu zweit darin zu bewegen. Schnell brachten wir die teils verlaufene Schminke wieder in Ordnung, kämmten unsere Haare und machten den nächsten zwei Mädchen Platz, die ebenfalls vom Wind massakriert waren.

Wir folgten den letzten paar Metern des Ganges in den großen Raum, in dem das Konzert stattfand. Auch darin wurde es nicht heller. Einzelne Lämpchen an der Wand, von denen manche flimmerten, sorgten für eine bizarre Beleuchtung.

Ich freute mich schon auf den Moment, wenn der Nebel dazu stieß und Strobolichter die Atmosphäre brachen. Es saßen bereits einige Konzertbesucher in der Mitte des Raumes auf dem Boden und lauschten der Musik aus den Boxen, während andere an der Seite standen und sich leise unterhielten.

Durch einen kleinen Durchgang gelangte man rechts von dem großen Raum in einen kleineren. In diesem befand sich die Bar mit fünf Tischen und ein paar Stühlen dazu. Fine bestellte sich eine Bloody Mary, ich einen Rotwein. Beides wurde in Plastikbechern gereicht.

Wir setzten uns an den noch letzten freien Tisch, auf dem ein kleines Teelicht flackerte. Genüsslich sogen wir an unseren Strohhalmen, die wir uns hatten geben lassen um beim Trinken unseren Lippenstift nicht zu entfernen und schauten uns das schwarze Treiben um uns herum an.

Wir hielten Ausschau, ob das eine oder andere bekannte Gesicht vorbei kam. In der Zeit, wo wir noch regelmäßig nach Berlin zum Feiern fuhren, hatten wir einige Leute kennen gelernt. Doch durch die Beziehung zu Max wurde es immer seltener, dass wir hierher kamen. Allein wollte Fine auch nicht so oft fahren und eine Begleitung aus Potsdam fand sie nur selten. So hatte auch sie schon lange niemanden mehr von den Bekannten hier getroffen.

Ich zündete mir eine Zigarette an. Fine griff beiläufig in meine Schachtel und redete, als ob nichts wäre. Ich grinste in mich hinein. Von wegen Nichtraucher. Ich sagte aber nichts.

„Wenn Matti oder Tobi heute da sind, müssten wir sie doch aber auf jeden Fall sehen, die müssen ja hier vorbei zur Bar“, grübelte Fine und renkte sich fast den Hals aus um durch den Durchgang in den großen Raum linsen zu können.

„Wir können ja, wenn wir aufgeraucht haben, mal herum laufen und schauen, ob wir noch jemanden entdecken“, meinte ich, wobei ich „wir“ besonders betonte.

Um Fines Mund spielte ein Grinsen, sie ging aber auf meine Anspielung nicht ein. „Ja, das können wir machen“, antwortete sie stattdessen und nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas, an welchem sie sich halb verschluckte, als sie mit den Armen wild zu fuchteln anfing. „Hey, Maren!“, rief sie, nachdem sie es geschafft hatte ihre Bloody Mary herunter zu schlucken.

Ich drehte mich in die Richtung, in die Fine winkte und sah auch schon Maren auf uns zu laufen. Sie hatte ihre schwarzen langen Haare auf einer Seite abrasiert, die andere Seite war wild toupiert. In ihrem rechten Auge trug sie eine rote Kontaktlinse. Ihren Hals und ihre Handgelenke zierten Stachelnietenarmbänder. Das zerrissene Netzoberteil, über dem sie ein schwarzes Lackminikleid trug, arrangierte sich hervorragend mit den zerrissenen Netzstrapsen, die darunter hervor lugten. Mit schweren Lackstiefeln, welche extrem hohe Plateausohlen besaßen, stapfte sie zu uns an den Tisch. Als sie näher kam erkannte ich, dass ein Piercing mehr ihr Gesicht zierte.

Das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, trug sie eines in Lippe und Nase, nun hatte sie sich auch eines in die Augenbraue stechen lassen. Ihre Ohren waren bereits voll mit Ringen, da konnte ich mit meinen neun Piercings in den Ohren nicht mithalten.

„Hallo! Mensch ihr seid auch mal wieder hier“, begrüßte uns Maren und drückte uns.

„Ja, ich konnte Tara endlich mal wieder dazu überreden hierher zu kommen. Aber sag mal, warum redest du so komisch?“, fragte Fine und zog eine Augenbraue hoch.

„Oh achso ja, das ist nur vorübergehend. Ich habe mir heute ein Zungenpiercing stechen lassen“, antwortete Maren und streckte stolz ihre Zunge heraus. Darauf prangte eine silberne Kugel, welche sich eng an die Zunge schmiegte.

„Sieht so aus, als drückt dir das Ding die Zunge ab“, meinte ich und beäugte es noch einmal.

„Das ist normal. Die Schwellung ist bald weg und dann kann ich damit schön herum spielen und das nicht nur allein“, antwortete sie mit einem Augenzwinkern.

„Na solange du dich damit nicht an seinem Intimschmuck verfängst“, meinte ich und wir lachten.

„Hast du eigentlich noch deinen komischen Freund?“, fragte mich Maren und setzte sich zu uns an den Tisch.

Bumm, da war es wieder. Ich wartete gerade auf den Stich im Herzen, aber nichts rührte sich. Keine Trauer, keine Wehmut, noch nicht einmal ein „schade“ empfand ich. Ich wollte nicht nur nicht darüber reden, sondern ich brauchte es auch nicht mehr. Das Gefühl, sich die Seele frei reden zu müssen, war wie weggeblasen. Sie fühlte sich noch nicht einmal schwermütig an. Das einzige was ich spürte war aufkommende Wut auf Max. Aber auch die ließ sich mit einem Schluck Rotwein schnell wieder hinunter spülen.

„Ne, mit ihm ist es aus. Ist auch gut so. Ich komme inzwischen damit klar“, antwortete ich schnell und versuchte flink das Thema zu wechseln. Zum Glück konnte ich da voll und ganz auf Fine zählen. Ihren prüfenden Blick auf mich spürend, ob auch wirklich alles in Ordnung war mit mir, fing sie an sofort über unseren gestrigen Shoppingtag zu reden und ließ sich von Maren den neuesten Tratsch erzählen.

So verging schnell eine halbe Stunde und während wir an der Bar neue Getränke bestellten, um im bald beginnenden Konzert nicht zur Bar zu müssen, klopfte es von hinten auf unsere Schultern.

Matthias und Tobias, oder auch Matti und Tobi, wie wir sie nannten, standen hinter uns.

Matti hatte immer noch seine Robert Smith - Frisur, während sich Tobi einen Undercut hatte schneiden lassen. Er besaß somit nur noch sein langes Deckhaar, dass er sich nach hinten als Pferdeschwanz gebunden hatte.

Tobi roch richtig gut nach Patchouli als ich ihn umarmte, so dass ich noch ein paar Sekunden länger ihn drückte, um an ihm zu schnuppern.

Die schwarz geschminkten Augen der beiden Jungs strahlten. Sie freuten sich ehrlich uns nach langer Zeit wiederzusehen.

Fine schien ihren Barkeeper vom gestrigen Abend schnell vergessen zu haben, während sie sich angeregt mit Matti unterhielt. Kein, in der Menge suchender Blick ließ den Augenkontakt zu Matti unterbrechen.

Zu fünft gingen wir vor zur Bühne. Der Raum war inzwischen sehr gut gefüllt. Alle standen ruhig und erwartungsvoll mit dem Blick in Richtung Bühne.

Als die erste Band die ersten Takte spielte und der Nebel begann in die Menge zu strömen, wurde mein ganzer Körper von Gänsehaut überzogen. Die Individuen um mich herum verschmolzen zu einer Masse. Wir wurden eine Gemeinschaft, die das gleiche sah, hörte und fühlte. Wir in diesem Raum waren eine Einheit geworden.

Während die erste Band „Lacrimosa“ nicht so ganz nach meinem Geschmack war, sorgte „Project Pichfork“ für einen Sound, bei dem man einfach mittanzen musste. Die Klänge durchströmten meinen Körper und ließen ihn sich im Rhythmus bewegen.

Im Laufe des Auftritts begann ich jedoch eine gewisse Unruhe in mir zu spüren. Ich wusste nicht woher sie kam. Die Leute um mich herum wirkten alle vergnügt und waren total bei der Sache. Die Musik war gut.

Ich versuchte das Gefühl zu ignorieren und hoffte, dass der Rotwein sein Übriges dazu tat, mich wieder in die vorhergehende Stimmung zu bringen.

Jedoch wurde das Gefühl immer stärker. Ich glaubte Blicke auf meinem Rücken zu spüren, als ob ich beobachtet werden würde. Ich drehte mich zu allen Seiten um, aber ich konnte niemanden ausmachen, der mich beobachten würde.

Ich versuchte mich wieder auf die Band zu konzentrieren, doch während der abschließenden Klänge ihres letzten Liedes war nicht nur das Gefühl noch da, ich spürte ebenfalls einen eisigen Windhauch in meinem Nacken.

Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die dunklen Augen von IHM. Der Typ aus der Bar von gestern Abend, der plötzlich verschwunden war, stand ein paar Schritte von mir entfernt und starrte mich an.

Obwohl er auch dieses Mal sah, dass ich es bemerkte, schaute er dennoch erneut nicht weg. Mein Herz fing an wie wild zu schlagen. Mit so einem Beat konnte nicht einmal diese Band mithalten. Mir wurde es abwechselnd heiß und kalt und eine feine Röte stieg mir ins Gesicht. Am liebsten hätte ich meinen Blick von ihm abgewandt, so peinlich war mir dies, aber ich konnte nicht. Wie versteinert stand ich da. Ich konnte nicht denken und mich nicht bewegen. Ich wünschte, ich hätte es gekonnt um ihn zu fragen wer er ist. Aber mein Körper und mein Gehirn arbeiteten nicht mehr zusammen.

Von ganz weit weg hörte ich meinen Namen rufen und spürte eine leichte Berührung. Die Stimme wurde immer lauter und der Druck in meinem Arm immer stärker.

„Tara, hey, was ist denn los? In welchen Gedanken bist du denn versunken?“ Fine kniff mir in den Arm. Als ob ich aus einer Trance erwachte, konnte ich nur langsam wahrnehmen, was sie von mir wollte und drehte wie in Zeitlupe meinen Kopf in ihre Richtung.

„In welcher Welt warst du denn versunken? Oder hast du dort drüben etwas Hübsches entdeckt? Vielleicht der Barkeeper von gestern?“, neugierig lugte sie über meine Schulter.

„D-D-Der Typ v-v-v-von ges-gestern Abend... d-der ist hi-hi-hier“, stammelte ich noch total unter Schock stehend.

„Wo denn? Wo? Ich sehe ihn nicht?“ Fine verrenkte sich fast den Hals auf der Suche nach ihm.

Schnell drehte ich mich um und schaute in die Richtung, wo er zuvor gestanden hatte. Weg war er. Wieder. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich suchte den ganzen Saal mit den Augen ab, aber ich konnte ihn nirgends entdecken. „Er ist weg“, stieß ich fassungslos aus.

„Oder vielleicht war er auch nicht da?“, fragte Fine vorsichtig. „Vielleicht hast du bereits ein bisschen zu tief ins Glas geschaut und ihn dir nur her gewünscht?“, neckend stieß sie mich in die Seite.

Verwirrt schaute ich mich weiter um. Ich hatte es doch nicht geträumt. Er stand doch wirklich da. Oder nicht? Das Gefühl beobachtet zu werden war ebenfalls weg. Tobi legte seinen Arm um mich.

„Wen suchst du denn? Ich bin doch hier. Du verpasst doch den ganzen Auftritt von 'Endraum'“. Ich schaute in sein schmales Gesicht. Seine Augen mit den weißen Kontaktlinsen schauten mich aufmunternd an.

Ich atmete tief durch und richtete meinen Blick wieder auf die Bühne. Tatsächlich waren „Endraum“ bereits mitten am Spielen. Fine und Maren waren am Tanzen und auch Matti bewegte sich leicht mit.

„Prost!“, flüsterte Tobi mir ins Ohr und stieß mit seinem Bier an meinem Wein an.

„Prost!“, lächelte ich zurück und nahm einen tiefen Schluck. So ganz konnte ich mich nicht auf die Band konzentrieren. Zu sehr kreisten meine Gedanken noch um das merkwürdige Geschehen von gerade eben.

Doch dann kamen „Das Ich“ auf die Bühne und rissen mich mit Haut und Haar in ihren Bann. Vergessen war der Typ, zumindest für diesen Moment. Ich befreite mich aus dem Arm von Tobi und tanzte mit der Menge und die Menge tanzte mit mir.

Nach der dritten Zugabe gingen „Das Ich“ letztendlich von der Bühne. Die Konzertbeleuchtung wurde auf Fetenbeleuchtung umgestellt und aus den Boxen dröhnten die ersten elektronischen Klänge von Welle:Erdball: „Ich träum von dir“. Diese Band wurde auch gestern gespielt, als wir die Bar betraten und ich den Fremden zum ersten Mal sah.

Ich versuchte keinen Zusammenhang darin zu sehen und drängte die Gedanken zur Seite.

Wir fünf gingen zur Bar, an der nun reges Gedränge herrschte. Ich überlegte mir, ob ich noch einen 0,2 Becher mit Rotwein mir bestellen sollte. Aber ich beschloss, dass der Alkohol nichts mit der Erscheinung des Typen zu tun hatte und bestellte mir daher einen weiteren Rotwein.

Zusammen stießen wir an auf einen weiterhin schönen Abend.

„Hast du schon lange ein Bauchnabelpiercing? Das habe ich ja noch nie bemerkt“, fragte mich Tobi und betrachtete den rot leuchtenden Stein, der an einem Anhänger am Bauchnabel hing.

„Ja, das habe ich schon eine Weile“, meinte ich.

„Hm, ich glaube du zeigst mit eindeutig zu selten deinen Körper. Was versteckst du denn noch so unter deiner Kleidung?“, raunte Tobi und zwinkerte mir zu.

„Nichts, was dich zu interessieren hätte“, antwortete ich und streckte ihm die Zunge raus.

„Na zumindest ein Zungenpiercing hast du noch nicht. Den Rest finde ich schon noch raus“, meinte Tobi zuversichtlich und drückte mir einen Kuss auf die Wange, eh er sich an mir vorbei drückte und sich in Richtung Toilette aufmachte. Gespielt drohend erhob ich den Zeigefinger und grinste ihm kopfschüttelnd hinter-her.

Maren hatte inzwischen an der Bar eine neue Bekanntschaft geschlossen. Der Typ war mindestens um die dreißig Jahre und somit gut zehn Jahre älter als sie. Er hatte kurze, an den Seiten hoch toupierte Haare und über sein rechtes Auge fiel eine breite leicht toupierte Strähne. Drei silberne schwere Ketten hingen in unterschiedlichen Längen um den Hals. Auch an den Handgelenken und an den Klamotten hingen schwere, Metallketten. Zwei große Siegelringe zierten seine Hände, von denen die eine anfing, mit einzelnen Haarsträhnen von Maren zu spielen.

Ohne Zweifel würden die beiden heute noch eine sehr befriedigende Nacht zusammen verbringen. Maren lag nichts an festen Beziehungen. Sie mochte es ungebunden zu sein und soviel Spaß wie möglich zu haben. Wenn sich dabei die eine oder andere Gelegenheit mit dem anderen Geschlecht ergab sich zu vergnügen, nahm sie das ohne lange oder ohne überhaupt zu überlegen gerne an.

Fine war da ganz anders. Sie hatte keinen Freund, weil sie wohl zu anspruchsvoll war und es auch nicht darauf anlegte einen zu finden. Sie mochte es, sich sämtliche Möglichkeiten offen zu halten, ohne eine auch nur für ein kleines Abenteuer zu nutzen. Sie war nicht der Typ, der sich schnell auf einen Mann einließ und sie war der Meinung, dass sie irgendwann dem Mann schon begegnen würde, mit dem sie eine Beziehung eingehen wollte.

₺189,48

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
471 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783748598732
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Serideki Birinci kitap "Tara und Tristan"
Serinin tüm kitapları