Kitabı oku: «SchattenSchnee», sayfa 3

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Wie abgesprochen schüttelten Peter und Wolf gleichzeitig den Kopf. Da waren sie sich einig.

„Die?“

„Nie im Leben!“

„Na, dann will ich mal zum Abendbrot rollen“, beschloss Wolf.

Peter sah auf die Uhr. Gerade mal halb fünf.

„Sag nichts“, bat Wolf.

„Wieso, Buletten oder Hähnchenschenkel kann ich zu jeder Tageszeit essen oder auch ein schönes paniertes Schnitzel.“ Peter kam ins Schwärmen.

„Darf ich euch noch einen guten Rat geben?“, erkundigte sich Wolf vorsichtig. Es sollte sich nicht nach Chef anhören, denn das war er im Moment definitiv nicht.

„Klar“, antwortete Detlef. „Immer gerne!“

„Passt auf, dass nichts an die Presse dringt. Wir haben Advent. Wenn die erst spitzkriegen, dass die Tote wie ein Rauschgoldengel drapiert war, gibt es wilde Spekulationen. Glaub mir, das solltet ihr in eurem eigenen Interesse lieber verhindern. Sonst rennen sie euch hier die Bude ein.“

„Wir wissen aber noch nicht, wer sie ist“, wandte Peter ein.

„Schöpft erst mal alle anderen Quellen aus, bevor ihr die Medien um Hilfe bittet“, schlug Wolf vor. „Das könnt ihr notfalls immer noch machen.“

„Okay“, sagte Peter leichthin und ahnte nicht, dass es anders kommen sollte.

Die Kräuterhexe

Am noch früheren Morgen war nämlich schon Sissy Schulte mit ihrer Katze Miss Marple durch den Herminenpark gegangen. Das nach der bekannten Detektivin benannte Tier war in Richtung Gebüsch gesprungen und hatte dort mit den Locken des Rauschgoldengels gespielt.

Schnell hatte Sissy ihre Katze dort weggenommen und war noch einen Moment stehen geblieben, um das Werk eines unbekannten Performance-Künstlers inbrünstig zu betrachten. Er hatte wohl schon mit seiner Adventsdekoration begonnen. Davon war gar nichts in der Zeitung zu lesen gewesen, wie schade, dachte sie. Vielleicht hatte der Himmel einen Engel geschickt. Die Welt brauchte mehr als einen, fand sie.

Nie im Leben wäre sie darauf gekommen, dass hier eine Tote vor ihr lag. Die gute Sissy hatte einen an der Waffel, wie ihre Nachbarn am Südharrl zu wissen glaubten, und das lag nicht nur daran, dass sie mit ihrer Katze Gassi ging. Nein, sie pflegte in ihrem Garten einen umfangreichen Kräutergarten, dessen Erzeugnisse sie behutsam pflückte und in Gefriertüten an ihre Nachbarn verteilte. Wer genauer hinsah, fand Löwenzahn, Giersch und Gänseblümchen neben Borschtsch oder Petersilie. Wer die unfreiwillige Gabe nicht sofort wegwarf, fischte sich ein paar Stängel Schnittlauch für sein Abendbrot heraus.

Gelegentlich konnte man Sissy auch beim Trampolinspringen beobachten. Sie ruhte dann ganz in sich, als wäre sie in weiten Sphären unterwegs und hörte ätherische Musik über einen Lautsprecher, die den Leuten auf den Wecker ging, aber sie sagten nichts, weil die Frau ihnen leidtat.

Es war nämlich so, dass der Mann von Sissy kürzlich gestorben war. Manche munkelten, dass sie nachgeholfen hatte, doch das war sicher nur ein böses Gerücht. Fakt war, dass sie nicht alle Steine auf der Schleuder hatte. Jeder merkte es sofort, der mit ihr sprach. Alles an ihr war langsam und bedächtig. Beinahe schien es so, als bewege sie sich grundsätzlich nur im Zeitlupentempo, einschließlich ihrer Lippen. Dadurch kam man sich selbst bescheuert vor, denn sie sprach mit einem, wie mit einem minderbemittelten Kind. Wahrscheinlich tat man ihr unrecht, und sie war nur ein armes, einsames, altes Weib. Aber so sind die Menschen nun mal. Alles Andersartige wird misstrauisch beäugt. Und so wurde Sissy Schulte wegen ihres seltsamen Verhaltens und ihrem Hang zu speziellen Pflanzen hinter vorgehaltener Hand nur die „Kräuterhexe“ genannt.

Doch so harmlos sie auch wirkte, eins konnte sie dennoch: Sich umfangreich beschweren! In diesem Fall war es ihr Nachbar Momo, der die Salve abbekam – in langatmigem, leierndem Tempo.

Das könne doch nicht sein, dass da Kunstwerke im Herminenpark ausgestellt würden und die Öffentlichkeit nichts davon mitbekäme, lamentierte sie an seiner Haustür in der Schillerstraße. Momo Dietsch wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah, versprach aber, die Angelegenheit umgehend in Augenschein zu nehmen. Er selbst hatte nicht das Geringste davon gehört.

„Um wie viel Uhr haben Sie das Kunstwerk denn entdeckt?“, fragte er mit einem Blick auf die Uhr und unterdrückte ein Gähnen. Es war eben erst halb neun, und er hatte bis tief in die Nacht an diversen Reportagen geschrieben.

„Muss so halb sechs gewesen sein“, informierte ihn die Kräuterhexe.

„Haben Sie vielleicht ein Foto gemacht?“, hakte Dietsch nach.

Ein irres Lachen folgte. „Glauben Sie vielleicht, ich trage immer einen Apparat bei mir?“

„Nee, ich dachte mehr an ein Smartphone, mit dem man mal just ein Bild machen kann“, erwiderte Dietsch.

„Meinen Sie im Ernst, ich würde mich gefährlicher Handystrahlung aussetzen? So ein Ding habe ich nicht.“

„Können Sie mir den Engel dann vielleicht beschreiben? Vor allem, wo er liegt?“, bat der Journalist.

„Na, wie ein Rauschgoldengel so aussieht. Blond, lockig mit einem weißen Hemdchen …“ Sie stutzte plötzlich. „Ich kann mich nicht erinnern, ob er Flügel hatte. Auf jeden Fall lag er im Bereich unterhalb des Sees.“

„Gut, ich werde mich der Sache annehmen und auch bei der Redaktion nachhaken“, versprach Dietsch. „Dann melde ich mich wieder bei Ihnen.“

„Vielen Dank“, sagte Sissy Schulte. „Bitte erkundigen Sie sich auch, ob zu den nächsten Adventssonntagen weitere Installationen geplant sind. So etwas muss die Bevölkerung doch wissen, wenn sie die Werke bewundern soll.“

„Ja, ja“, sagte Dietsch und dachte sich seinen Teil. Nie im Leben glaubte er an das, was sich die Alte zusammenfantasierte. Die hatte nicht alle Tassen im Schrank. Trotzdem war er in seiner Journalistenseele angefixt, denn die Entdeckung, die die Kräuterhexe gemacht hatte, konnte eigentlich nur eines bedeuten: Sie hatte unwissentlich eine Tote entdeckt.

Um aber ganz sicher zu gehen, dass er es nicht doch mit einem weiteren Spinner zu tun hatte, der sich als Künstler verstand und Frauen im Schnee drapierte, rief er schnell in der Redaktion an. Natürlich erst, nachdem sich das knochige Gestell entfernt hatte. Puh, an der war wirklich nichts dran. Ein Wunder, dass sie überhaupt lebte. Wobei, wenn er’s recht bedachte, ihr Geist auch nicht viel schlimmer aussehen könnte.

Nachforschungen

In der Redaktion spitzte man die Ohren, als Momo dort anrief. Von einer Adventsausstellung in der Natur des Herminenparks wusste man ebenso wenig wie von der Installation eines Performance-Künstlers. Das klang mehr als spannend. Von Behördenseite war allerdings auch keine Information hinsichtlich eines Leichenfundes eingegangen. Entweder wollte man die Presse bewusst im Dunklen lassen oder war noch nicht dazu gekommen, diesen Fall zu melden. Normalerweise war der Draht zwischen Kripo und Landeszeitung gut, was nicht hieß, dass man die Füße stillhielt, wenn man offiziell noch nichts wissen sollte.

Momo nahm sich vor, mal so ganz zufällig im Herminenpark spazieren zu gehen. Mit einem Hund und ohne Kamera wäre das noch glaubwürdiger gewesen, aber vielleicht machte er hier viel Wirbel um nichts, und die Alte hatte einfach nur eine Halluzination gehabt.

Das glaubte er allerdings nicht mehr, als er unterhalb des Sees um die Ecke kam und weiße Michelinmännchen eifrig in einem abgeriegelten Bereich unter einem Zeltdach herumwuseln sah. Den mit dem üppigen roten Bart und der Glatze kannte er nämlich. SpuSi-Seppi hielt seine Platte derzeit unter einer quietschgrünen Mütze und der Kapuze des Schutzanzugs verborgen. Man erkannte ihn trotzdem auf den ersten Blick. Momo jubilierte innerlich. Er war an was Fettem dran und winkte Seppi lässig zu.

„Wer hat dich denn verständigt?“, wunderte sich der Chef der Spurensicherung. „Ich dachte, es sollte erst mal alles zurückgehalten werden.“

Momo zuckte mit den Achseln. „Wie denn? Mitten im Park in der Innenstadt … Wundert mich eh, dass nicht noch mehr Gaffer hier rumlungern.“

„Zu kalt“, sagte Seppi und grinste. „Sonst wär natürlich mehr los.“

„Man sieht ja auch nicht wirklich was“, erwiderte Momo nach einem Blick durch sein Riesenrohr von Objektiv.

„Wir machen nur langweilige Spurenrecherche. Kleinste Dinge suchen wir, die man nicht mal mit bloßem Auge sieht. Fragmente, von denen wir nicht ahnen, dass sie vorhanden sein könnten“, philosophierte Seppi.

„Toll“, freute sich Momo ehrlich. „Eine Kunst für sich ist das. Aber sag mal, warum puzzelt ihr da rum? Ich möchte das schon gerne wissen. Ist eine Leiche gefunden worden?“

Seppi sah Momo über den Mundschutz hinweg an. Er verbarg seinen roten Bart nur mühsam.

„Ich glaube, du setzt dich lieber mit den Kollegen in der Ulmenallee auseinander“, schlug der Beamte vor. „Die Sache ist sensibel, so kurz vor Weihnachten. Da will man nur an das Besinnliche und Schöne glauben.“

„Komm, Seppi, wenigstens ein kleiner Tipp unter Freunden“, bat Momo, doch der schüttelte den Kopf.

„Wie lange bist du denn schon hier draußen?“, wollte Momo noch wissen. So schnell gab er nicht auf. „Du hast schon Eis an den Augenbrauen. Steht dir!“

„Zu lange“, kam es nun wortkarg zurück. „Wir packen schon ein. Kannst dich gleich selber umschauen, wenn du Licht dabei hast.“

Seppi hatte recht. Es fing schon an zu dämmern.

„Nee, vielen Dank, wenn ich aus dir nichts rauskriege, versuche ich es auf der Dienststelle. Irgendwer wird mir was sagen, bevor ich wilde Mutmaßungen anstelle und einen spektakulären, spekulativen Bericht für die Zeitung schreibe“, überlegte Momo laut. „Scheint auf jeden Fall eine heiße Kiste zu sein, wenn du dich so zierst.“

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht“, erwiderte Seppi und winkte beim Gehen. Seine Füße waren Eiszapfen. Es wurde Zeit, dass er aus der Kälte kam.

Keine Informationen

Momo Dietsch wusste so viel wie vorher. Nun gut, dass da irgendwas im Busche war, ließ sich natürlich nicht verbergen, weil die Beamten vor Ort ermittelten, aber wenn er mehr wissen wollte, musste er es bei den Kommissaren in der Ulmenallee versuchen. Sie waren meist sehr kooperativ, und wenn er sich recht erinnerte, stand der eine von denen auf Fast-Food. Ein echter Gourmand, denn er aß vor allem viel. Momo hatte ihn einmal bei „Bückeburg kocht über“ beobachtet. Unglaublich, was für große Mengen an Spanferkel ein Mensch essen konnte. Okay, der Mirko vom „Jetenburger Hof“ war für diese Spezialität vom Grill bekannt, aber normalerweise hatte auch ein Rossmagen Grenzen. Der von diesem Oberkommissar Kruse schien sich aber in den gesamten Bauchraum ausdehnen zu können.

Mit klammen Fingern steckte er seine Kamera samt Objektiv in die Winterjacke und verließ den Herminenpark unterhalb des Palais’. Es war nur ein Stück die Straße herunter bis zur Bückeburger Dienststelle. Zu Fuß war er schneller, als wenn er erst noch seinen Wagen oder sein Fahrrad geholt hätte.

Kurze Zeit später klingelte er an der Tür und wurde per Summer eingelassen. Der diensthabende Beamte verwies ihn auf seine Nachfrage an die Kollegen von der Kripo, aber Momo war sowieso nicht davon ausgegangen, dass sie ihm hier unten etwas stecken würden. Äußerlich ruhig, aber innerlich angespannt, setzte er sich auf die Bank im Flur. Wenn seine Journalistenspürnase erst Witterung aufgenommen hatte, ließ er nicht locker. Hinter dem Tresen hörte er den Beamten telefonieren, aber der sprach so leise, dass Momo nichts verstehen konnte. Schade auch!

„Ey, da ist so ein Fuzzi von der Presse, der euch ausfragen will“, sagte Roland Krieger zu Detlef. „Ich glaube, ihr kennt den auch. Der war schon öfter hier. Wollt ihr mit ihm sprechen? Sonst schicke ich ihn wieder weg.“

„Nee, nee“, erwiderte Detlef, „ich komme ihn holen. Wenn die Presse bereits Wind davon bekommen hat, ist es besser, sie mit ein paar vagen Informationen zu füttern. Andernfalls denken die sich selbst was aus, und das kann schlimmer sein als die Realität.“

„Schon klar“, stimmte Krieger zu und legte auf. „Kommt gleich jemand“, rief er dem Wartenden zu.

Momo nickte. Damit hatte er gerechnet.

Oben ging ein leises Stöhnen durch den Raum.

„Wie haben die das denn schon wieder mitgekriegt?“, wunderte sich Peter. „Die müssen besondere Antennen haben. Wollen wir knobeln?“

„Wieso knobeln?“, erkundigte sich Nadine.

„Na, wer den Dietsch übernimmt“, sagte Peter und grinste frech. „Ich wette, er ist es. Niemand hat so einen guten Riecher für Sensationsmeldungen wie er. Außerdem ist er ganz in Ordnung.“

„Ich glaube, du hast dir deine Frage eben selbst beantwortet“, mischte Niklas sich ein. „Wie ich dich kenne, bist du mit dem längst per Du.“

Peter brummte unwillig. Er hatte Hunger und wollte nach Hause, aber er musste zugeben, dass er mit diesem Momo Dietsch schon mal ein, zwei Bierchen getrunken hatte. Wenn er sich auch nicht mehr daran erinnern konnte, ob das im „Lilly’s“ oder im „Bistro“ gewesen war. Möglicherweise auch in der „Falle“.

„Ist doch prima“, freute sich Detlef und klopfte ihm auf die Schulter. „So ein Vertrauensverhältnis muss man ausnutzen.“

„Ich will aber doch gar nichts von ihm“, wandte Peter ein.

„Vielleicht doch“, überlegte Detlef, „man weiß ja nie. Möglicherweise hat er was gehört oder gesehen. Frag ihn einfach. Ich mache jetzt Feierabend. War ein langer Tag.“

Nadine seufzte. „Stimmt, wir schließen uns an. Du kommst den Moment doch alleine klar, oder?“

„Ja, ja, haut ruhig alle ab“, brummelte Peter, meinte es aber nicht so. Lange würde er sich mit dem Pressefritzen sowieso nicht aufhalten, weil sie beschlossen hatten, kaum etwas preiszugeben. Schwerfällig stapfte er die Treppen hinab. Vom langen Sitzen war er etwas steif geworden. Es war tatsächlich Dietsch, der da unten im Flur saß und auf ihn wartete.

„Na, dann mal rein in die gute Stube“, sagte er und wies ihm den Weg.

Falls Momo gehofft hatte, irgendwelche Fotos oder Spekulationen an den Wänden zu entdecken, musste er enttäuscht sein. Peter brachte ihn in einen Raum, in dem nichts vom aktuellen Fall zu sehen war.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte Peter.

„Komm, jetzt tu nicht so scheinheilig“, antwortete Momo. „Wen habt ihr heute im Herminenpark gefunden?“

Peter stellte sich doof und zuckte mit den Schultern. „Wie meinst du das?“

„Erzähl mir nicht, dass ihr da das große Programm fahrt, wenn es nur um Körperverletzung oder Raub geht. Ich habe den Seppi von der SpuSi gesehen. Das ist ja wohl eindeutig. Es geht um Mord.“

„Dann weißt du mehr als wir“, hielt Peter ihn hin. „Selbst wenn da einer tot lag, gibt es immer mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel Unfall, Totschlag, um nur zwei zu nennen.“

„Du bist nicht sehr kooperativ“, beschwerte sich Momo. „Könnte sein, dass ich euch weiterhelfen kann. Ich weiß nämlich längst, dass es sich um eine tote Frau handeln muss, jung und schön wahrscheinlich.“

Jetzt war Peter verdutzt. „Schießt du hier einen Versuchsballon ab, oder was?“

„Nee, was denkst du, warum ich hier bin. Ich hatte eine Informantin, wenn auch eher durch die Blume.“

„Ich verstehe nur Bahnhof“, gab Peter zu.

„Gibst du zu, dass ihr eine Tote gefunden habt?“, hakte Momo nach.

„Na gut, das ist ja nicht länger zu verheimlichen“, lenkte Peter ein. „Woher weißt du das?“

Momo schmunzelte. „Ich hab da so eine verhuschte Alte als Nachbarin. Die hat sie wahrscheinlich als Erste gesehen, aber falsch interpretiert.“

„Wie kann man eine Leiche fehlinterpretieren? Tot ist tot“, bemerkte Peter.

„Ich nehme mal an, die Frau war verkleidet?“, wollte Momo wissen.

Peter fehlten die Worte. „Äh, ähm, also …“

„Also ja“, nahm Momo ihm den Satz ab. „Und wie sah sie genau aus?“

„Tut mir leid, aber von den Details soll noch nichts nach außen dringen“, berichtete Peter.

„Ist es aber längst“, erklärte Momo. „Euren Engel könnt ihr nicht mehr geheim halten.“

„Scheiße“, entfuhr es Peter, und Momo war mehr als zufrieden mit diesem Zugeständnis.

„Ist halt Schicksal, wenn betagte Frauen mit seniler Bettflucht frühmorgens durch Parks geistern“, sagte der Journalist.

Peter atmete einmal tief durch.

„Weißt du, ich bin fair und sage dir jetzt, dass die Alte meint, einen Rauschgoldengel gesehen zu haben. Sie hat es für eine Art Installation gehalten. Moderne Kunst zum Advent in Lebensgröße. Ich ahne natürlich, dass es sich um eine lockige Blonde gehandelt haben muss, die jemand um die Ecke gebracht hat. Wozu sonst dieser Aufwand mit der künstlerischen Darstellung? So was macht doch niemand.“

Momo sah Peter eindringlich an. „Also? Arbeiten wir Hand in Hand? Ich verspreche auch, nichts preiszugeben, was nicht bekannt werden soll.“

Peter dachte kurz über die Möglichkeit nach, dass Momo selbst der Täter sein könnte, verwarf diese aber im selben Atemzug. Die Fantasie brächte er vielleicht auf, aber nicht die kriminelle Energie.

„Okay, Deal“, sagte er. „Komm mit!“ Dann führte er Momo in den Besprechungsraum. Als dieser die Fotos vom Fundort sah, wurde ihm ganz anders.

„Wenn die nicht so blau wäre, würde ich sagen, sie lebt noch“, staunte Momo Dietsch. „Wisst ihr, wer sie ist?“

„Leider nein“, gab Peter zu, „aber wir wollen erst mal noch nicht mit einem Foto an die Öffentlichkeit.“

„Sag mal, steht da oben über ihrem Kopf was geschrieben?“, erkundigte sich Momo.

Peter nickte. „Ja, aber was, womit keiner was anfangen kann.“

„Willst du’s mir verraten?“, fragte der Journalist. „Vielleicht fällt mir was ein.“

„Von mir aus“, sagte Peter. „Da steht ,ALDRIG MOR’. Bist du jetzt schlauer?“

„Nicht die Bohne“, musste Momo zugeben und stellte all die Überlegungen an, die sie im Team auch erörtert hatten.

„So schlau waren wir auch schon“, informierte Peter ihn. „Hast du nix Besseres auf Lager?“

„Noch nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ich schlage vor, wir bleiben in Verbindung.“ Er zückte seine Visitenkarte und Peter gab ihm seine.

„Stillschweigen über alles, klar?“, machte Peter noch einmal deutlich.

Aber obwohl Momo nickte und winkte, war er längst mit seinen Gedanken ganz weit fort, als er die Treppe hinabstieg. Vielleicht hatte jeder der Anfangsbuchstaben etwas zu bedeuten und verbarg einen Satz, der die Ermittler weiterbrachte. Das schien ihm die wahrscheinlichste Möglichkeit zu sein – ein Rätsel – und er wollte es entschlüsseln.

Nächtliche Grübeleien

Manchmal nervte es Nadja extrem, dass bestimmte Untersuchungen in ihrem Institut so ewig dauerten. Wie lahmgelegt fühlte sie sich dann, zum Warten verdammt. In dieser Zeit konnte sie zwar andere Dinge tun oder Mutmaßungen anstellen, aber es waren doch oft nur Spekulationen, die nicht in die richtige Richtung führten, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen.

Auch jetzt lag sie nachts wach, obwohl sie eigentlich hundemüde war, weil der Fall sie nicht losließ. Das mochte damit zu tun haben, dass sie selbst nach einer Eileiterschwangerschaft nie mehr Kinder haben konnte. Dieser Fall erinnerte sie wieder an die Vergangenheit. Mist, dachte sie, in den Ovarien habe ich überhaupt nicht nachgesehen. Der erhöhte HCG-Wert könnte natürlich auch bei dieser Frau auf so eine Komplikation hindeuten, wenn sich in der Gebärmutter nichts eingenistet hatte. Aber warum war sie dann entfernt und hineingelegt, aber nicht aufgeschnitten worden?, wenn einer Gewissheit haben wollte. So wusste er gar nichts. Sicher, ein Ultraschall hätte den leeren Raum gezeigt, doch bestimmt hatte der Mörder kein solch kostspieliges Gerät zur Verfügung. Und warum hatte er sich nicht sicher sein wollen? Wenn ein Schwangerschaftstest nun auf die Gravidität hingewiesen hätte, überlegte sie, hätte man doch normalerweise darauf vertraut, dass das so stimmt. Doch hier war es nicht so. Abnorme Verläufe waren im Vergleich selten. Darum fragte sie sich: Wie ließen sich die Aktionen des Täters deuten? Sie spielte folgende Gedankenmodelle durch:

Variante A: Eine Schwangerschaft war nicht gewollt. Der Täter entfernt das Organ und trennt es damit von seinen lebenserhaltenden Versorgungsadern. Wäre ein Fötus darin, würde er absterben. Läge er in den Eileitern, würden die sowieso platzen, wenn man es nicht rechtzeitig erkennen würde. War die Frau verblutet, weil man sie einfach nach der Durchtrennung der Arterien und Venen nicht weiter beachtet hatte? Nadja hatte zwar auf den äußeren Gefäßwänden Zeichen gefunden, die den Einsatz von Klemmen erklären würden, aber keine mehr im Bauchraum entdeckt. War der Tod des Embryos, nicht der der Mutter gewollt gewesen? War etwas schiefgegangen?

Variante B: Von der Schwangerschaft war noch nichts bekannt gewesen. Sie war einem Irren zum Opfer gefallen.

Variante C: Sie war eine Prostituierte, die man zu einem unseriösen Schwangerschaftsabbruch im osteuropäischen Ausland genötigt hatte, aber warum lag sie dann im Herminenpark?

Doch so sehr sei auch grübelte, Nadja fand keine sinnvolle Lösung für das Heraustrennen einer Gebärmutter, die man dann doch an ihrem Platz gelassen hatte, ohne zu wissen, was sich darin befand. Es war auch aberwitzig, dass man die Bauchdecke danach wieder mit einer Naht geschlossen hatte. Warum war das geschehen?

Noch konnte Nadja nicht sagen, ob sie post mortem erfolgt war. Ihrer Meinung nach hätte die Frau aber mit dem Entfernen des Uterus ausbluten müssen. War das nicht geschehen, wusste sie im Moment auch nicht weiter. Es war ein wenig schwierig mit der Geduld, wenn man unbedingt eine schnelle Lösung finden wollte.

Ihre Gedanken schweiften ab zu den schwach entwässerten Zellen, zu der Blutleere und der Substanz. Sie tappten noch völlig im Dunklen. Auch draußen war es schwärzeste Nacht. Dichte Schneewolken verbargen jegliches Licht, und irgendwo gab es jemanden, der nicht verstand. Nicht, wo er war, nicht, was geschah, während ein anderer bangte.

Auch Wolf Hetzer lag wach. Er versuchte, das große Ganze zu sehen und hatte vor seinem geistigen Auge eine schöne Schwangere, die ihm plötzlich das Bild einer Mutter Gottes auf einem Altarbild suggerierte. Vielleicht war das der Schlüssel? Möglicherweise sollten sie diese Verbindung erkennen. Die Frau, die vor ihnen gelegen hatte, war eventuell nicht als Engel drapiert worden, sondern als Mutter Maria mit dem Jesuskind. Wo aber war dieses Kind, das für den Verursacher des Stilllebens so eine große Bedeutung haben musste, wenn er richtig lag?

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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
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9783827183903
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