Kitabı oku: «Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen»

Yazı tipi:

Nele Kreyßig

Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen


Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

© 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Warum es Bullshit ist andere ändern zu wollen« von Nele Kreyßig, © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-970-9

ISBN ePUB 978-3-95623-928-1

Lektorat: Eva Gößwein, Berlin | www.textstudio-goesswein.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelbild: Irina Fischer / AdobeStock

Autorenfoto: Johannes Meger

Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

www.gabal-verlag.de

www.facebook.com/Gabalbuecher

www.twitter.com/gabalbuecher

www.instagram.com/gabalbuecher

INHALT

Einführung: Warum Sie nicht glücklich werden, solange Sie andere ändern wollen

1 In der Bewertungsfalle

»Die spinnen doch!« Der tägliche Frust zu Hause und am Arbeitsplatz: Nervende Vorgesetzte und Socken unterm Bett

»Du bist ja total Neunziger!« Warum wir ständig werten und woher unsere Urteile stammen

Der Blick in den Spiegel. Test »Was für ein Wertungstyp sind Sie?« und Selbstbeobachtung

»Ich weiß, was gut für dich ist!« Von Hobbypsychologen, Besserwissern und den Tücken guter Ratschläge

»Wenn nur alle so wären, wie ich das will …« Wie die Welt aussähe, wenn unser Traum wirklich in Erfüllung ginge

2 Mehr Durchblick für Gelassenheit

Unternehmen Sie eine Reise in die Welt der Persönlichkeit

Motive: Unser emotionaler Antrieb

Werte und Verhaltensmuster: Bewährt, gewohnt und dennoch manchmal hinderlich

Erfahrungen: Geschichten, die uns prägen – Geschichten, die wir prägen

3 Mehr Spaß im Zoo des Lebens

Entdecken Sie das Geheimrezept, handeln Sie selbst anders!

Blicken Sie hinter die Kulissen, reagieren Sie klüger!

Gehen Sie außen rum statt mit dem Kopf durch die Wand: 7 Tipps

4 Entspannter leben – privat und beruflich

In der Paarbeziehung: Die Tücken der romantischen Liebe

Im Freundes- und Bekanntenkreis: Wo die Freundschaft plötzlich aufhört

In der Familie: Wenn Lebensmodelle verteidigt werden

Im Unternehmen: Die Chancen der Vielfalt

Schluss: Erste Hilfe, wenn andere doch mal wieder nerven

Danke von Herzen

Anmerkungen

Kostenfreie Downloads zum Buch

Literaturverzeichnis

Personen- und Stichwortverzeichnis

Über die Autorin

Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.

Erich Fromm

EINFÜHRUNG: WARUM SIE NICHT GLÜCKLICH WERDEN, SOLANGE SIE ANDERE ÄNDERN WOLLEN

Ich könnte sie schütteln, die Frau an der Supermarktkasse vor mir. Es ist Freitagabend, ich bin müde und habe es eilig. Schlechte Kombination. Und da höre ich, wie die Frau zur Kassiererin sagt: »44,89? Das müsste ich passend haben.« In aller Seelenruhe, so kommt es mir vor, rührt sie nun in ihrem Portemonnaie herum, kramt kupferfarbene Münzen hervor, beäugt sie prüfend: »Vier, sechs, sieben … Ach nein, passt doch nicht.« Dass die Schlange hinter ihr inzwischen noch länger geworden ist, scheint sie gar nicht zu bemerken. Nach einer gefühlten Ewigkeit findet sie endlich einen Fünfzig-Euro-Schein im hinteren Teil ihrer Börse. Geht das nicht ein bisschen schneller? Inzwischen ist meine Laune auf dem Tiefpunkt.

So richtig gut begonnen hat der Tag ohnehin nicht. Auf mein – wie ich fand – tolles Seminarkonzept hin rief mich die Assistentin des Personalleiters an. Alles sei wunderbar, nun müsse ich nur noch das Ganze in das dafür vorgesehene Formular der Personal-abteilung eintragen. »Sie verstehen, Frau Kreyßig, die Vorschriften. Ich maile Ihnen mal den Bogen. Den brauchen wir möglichst heute noch zurück, um das Go des Chefs zu bekommen.« Als ich den Anhang öffnete, stieß ich auf ein achtseitiges Formblatt mit vielen Kästen, Ausfüllblöcken und Winzigschrift. Na prima. Müssen die so bürokratisch sein? Während ich mich durch die Seiten kämpfte, der Anruf einer Freundin: Sie organisiert den Junggesellinnenabschied einer gemeinsamen Freundin und wollte nun Ideen mit mir durchsprechen. Ob ich rote oder rosa T-Shirts besser fände? Ich atmete tief durch und entschied mich für Rot. »Warum das denn? Also, ich fänd ja Rosa besser.« Meine Güte, hat die nichts Besseres zu tun? Ich versuchte, das Gespräch abzukürzen, und erntete ein pikiertes: »Du hast ja nie Zeit!« Ich legte auf und kämpfte den Rest des Nachmittags mit meinem schlechten Gewissen und dem Ausfüllformular. Und jetzt auch noch die Kleingeldfetischistin vor mir.

Wenn die anderen uns das Leben schwer machen …

Kommt Ihnen das bekannt vor? Wir verbuchen das schnell unter »mieser Tag«. Glück sieht anders aus. Wenn die anderen sich nur ändern würden, schneller wären, unbürokratischer, weniger kompliziert! Unser Leben wäre so viel einfacher. Doch was ist eigentlich passiert? An der Supermarktkasse hat es zwei Minuten länger gedauert, am Freitagabend keine große Überraschung. Das Konzept wird vermutlich angenommen, es gibt nur noch eine überschaubare Hürde. Und in drei Wochen wird es eine rauschende Party geben, auf die ich mich eigentlich freue. Und doch kennen wir wohl alle den Gedanken, unser Leben wäre leichter und letztlich auch glücklicher, wenn »die anderen« uns nicht immer wieder kleinere oder größere Knüppel zwischen die Beine werfen würden. Langsame Mitkunden oder nervige Formulare sind da noch das geringste Übel. Wie viele Eltern hadern mit ihren längst erwachsenen Kindern, beispielsweise weil die nicht so ehrgeizig sind wie erhofft und statt Arzt lieber Eventmanager werden? Wie viele erwachsene Kinder besuchen ihre vermeintlich »spießigen« Eltern nur noch aus Pflichtgefühl und leiden unter den immer gleichen Themen und Vorhaltungen am Kaffeetisch? Wie viele Führungskräfte schimpfen über die Azubis von heute, die alles über Apps und Smartphones wissen, aber noch nie was von Kommasetzung gehört haben? Wie viele Beziehungen zerbrechen an unterschiedlichen Vorstellungen davon, was ein »gelungener Abend« ist und wie penibel es im Haushalt zugehen muss? Ganz zu schweigen davon, wie man »richtig« Weihnachten feiert und die Grundsatzfrage »Bei deinen oder meinen Eltern?« löst.

Der Änderungswunsch ist gegenseitig und er ist überall. Doch wenn ich will, dass du dich änderst, und du willst, dass ich mich ändere, finden wir uns gemeinsam in einer Sackgasse wieder. Und dann? Stillstand, Sprachlosigkeit, im schlimmsten Fall Entfremdung und Trennung. Mein persönlicher Schlüsselmoment war ein einziger Satz, der eine langjährige Freundschaft zerstörte, die zu meiner Hamburger Freundin Katja. Wir kannten uns seit unserem elften Lebensjahr. Hatten zusammen unsere Jugend verbracht, Boygroup-Sänger angeschmachtet, getanzt, gelacht, geweint, gestritten, uns wieder vertragen, unzählige gemeinsame Urlaube, Abende, Tage, Nächte und Stunden miteinander erlebt und richtig viel Spaß miteinander gehabt. Eines Abends vor einigen Jahren – wir hatten uns gerade noch prächtig amüsiert – erzählte ich ihr, dass ich mich entschieden hätte: Ich würde von Hamburg nach Freiburg ziehen. Meine große Liebe lebte dort, und ich genoss jede Sekunde in dieser Stadt und Region. Katjas Reaktion machte mich erst einmal sprachlos: »In Freiburg kannst du doch niemals glücklich werden!«

Pause. Ich glaubte nicht richtig zu hören, zwang mich, durchzuatmen. Wie bitte?! Kein »Oh, ich freue mich, dass du dein Glück gefunden hast!«. Kein »Cool, wann kann ich dich besuchen kommen?«. Kein »Wann geht’s los? Brauchst du Hilfe beim Umzug?«. Schlagartig schien die Raumtemperatur um zehn Grad gefallen zu sein. Wenig später verabschiedete ich mich kühl. Ein paar höfliche Telefonate später war es vorbei mit unserer Freundschaft. Das tat richtig weh, doch mit Katja darüber reden oder ihr verzeihen konnte ich damals nicht. Mir ist natürlich bewusst, dass nicht dieser eine Satz unsere Freundschaft zerstörte. Es gab eine Vorgeschichte der schleichenden Entfremdung, zu der auch ich meinen Teil beigetragen habe, keine Frage.

Warum der Änderungswunsch in eine Sackgasse führt …

Bis ich anfing, mich intensiv mit Persönlichkeit und ihren Wurzeln zu beschäftigen, wusste ich nicht, was ich hätte anders machen sollen. Heute ist mir klar: Katjas kompromissloses Urteil und der Wunsch, der andere möge sich ändern, sind Kehrseiten derselben Medaille – der Medaille unserer persönlichen Prägung, unserer Werte und Gewohnheiten, unserer Erfahrung und nicht zuletzt auch unserer Gene. All das bestimmt, wie wir die Welt sehen. Das Vertrackte dabei: Wir unterstellen, die oder der andere müsse »die« Welt doch genauso sehen. Und wundern uns, warum sie oder er so merkwürdig anders reagiert und urteilt. In Katjas Vorstellung war Hamburg der Nabel der Welt. Ihr Vater, ein begnadeter Musiker, war hier geboren und erfolgreich geworden, hatte alle Höhen und Tiefen eines Künstlerlebens in Hamburg durchlebt. Dass es nirgendwo anders schöner sein konnte als in dieser Stadt, war in Katjas Welt vollkommen klar. Hamburg war der sichere und inspirierende Hafen, den man nicht verlassen sollte und wollte. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich verständnisvoller reagiert. Ich hätte Katjas Statement nicht als herzlos gedeutet, sondern die Angst herausgehört, mich als Freundin zu verlieren. Ich hätte darüber gesprochen, wie sehr ich mir wünsche, dass unsere Freundschaft die Entfernung überlebt. Vermutlich hätte ich Katja und mir selbst viel Traurigkeit erspart. Mein Leben wäre phasenweise sehr viel glücklicher gewesen. Und Katja zählte vermutlich noch heute zu meinem Freundeskreis.

… und wie es sich gelassener lebt.

Inzwischen bin ich überzeugt: Wer sich mit echter innerer Überzeugung von der Idee verabschiedet, andere müssten die eigene Weltsicht teilen und sich so verhalten, wie man selbst sich das vorstellt, lebt zufriedener und glücklicher. Sie oder er hat bessere Beziehungen und bekommt mehr Anerkennung und Wertschätzung als jemals zuvor – eine der wichtigsten Glücksquellen überhaupt. Dabei geht es nicht um Gleichgültigkeit, sondern um Verstehenwollen, um ein Verständnis, das zugleich die Chance bietet, gemeinsam aus der Sackgasse gegenseitiger Vorurteile und Forderungen herauszufinden. Dieses Buch ist als Wegweiser dazu gedacht. Es bündelt mein Wissen über Persönlichkeit und nimmt Sie mit auf eine Reise, die spannender ist als jeder Abenteuerurlaub: die Reise ins eigene Ich und in die Welt unseres Gegenübers. Im Kapitel 2 gibt es einige Übungen, die Sie auf dieser Reise unterstützen werden. Die Übungen stehen Ihnen zusätzlich als kostenfreier Download zur Verfügung, Sie finden Hinweise an den entsprechenden Stellen im Buch.

Viel Spaß dabei wünscht Ihnen

Ihre Nele Kreyßig

Freiburg im Breisgau, Herbst 2019

Vollkommen liebenswert und vollkommen hassenswert sind nur die Menschen, die man nicht kennt.

Evelyn Waugh

1IN DER BEWERTUNGSFALLE

Kennen Sie Rumpel? Das ist der Griesgram in der Sesamstraße. Neben Schrott und Müll liebt er Leute, die schlechte Laune haben. Wenn jemand gut drauf ist oder gar begeistert, bringt ihn das aus dem Konzept. Wir alle kennen solche Rumpels: den Onkel, der jede Familienfeier mit Dauerschimpfen über die Politik, die Wirtschaft, die EU oder auch die Jugend von heute beglückt. Die Nachbarin, die ein Haar in jeder Suppe findet (Treppe nicht geputzt, Staubsaugen in der Mittagsruhe oder die Neuen, die sich noch nicht vorgestellt haben). Die Bekannte, die auf die arglose Frage »Wie geht’s?« jedes Mal haarklein berichtet, was ihre Chefin (oder auch ihr Mann, der Handwerker, die Klassenlehrerin) wieder alles falsch gemacht hat. Was wir dabei gern übersehen, ist der Rumpel in uns selbst. Und der kann uns das Leben hin und wieder ganz schön vermiesen.

»Die spinnen doch!«
Der tägliche Frust zu Hause und am Arbeitsplatz: Nervende Vorgesetzte und Socken unterm Bett

Moni ist einfach nur wütend. Jeden Tag das gleiche Spiel: Handtücher zusammengeknäult auf der Badewannenkante, schmutzige Socken im Schlafzimmer und die Kaffeetasse vom Frühstück in der Spüle statt in der Spülmaschine, die Luftlinie etwa 30 Zentimeter entfernt ist. Was denkt sich ihr Mann Jens nur dabei? Als sie an einem trüben Herbstmorgen das Haus verlässt, ist sie bereits kurz davor zu platzen. Es ist Montag und besonders gut geschlafen hat sie nicht. Den Bus erwischt sie gerade noch, aber der Busfahrer fährt so ruckartig an, dass sie beinahe stürzt. Macht der das extra? Im Büro angekommen, findet sie eine Notiz ihres Chefs vor: »Frau Wagner, wir müssen noch mal über den Messestand reden!« Kein Gruß, kein »Hallo, Frau Wagner«. So ein Blödmann. Oder ob sie einen Fehler gemacht hat? Hoffentlich ist da nicht mehr im Busch …

Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk, ein wahrer Supercomputer. Es navigiert uns sicher durch den Alltag, lässt uns blitzschnell nach der Haltestange greifen, wenn der Bus ruckartig anfährt. Es versorgt uns mit Ideen zum neuen Messestand, speichert die Vorlieben des Chefs, lässt uns die Morgenroutine schlafwandlerisch bewältigen, während wir über alles Mögliche nachdenken, vom Geburtstagsgeschenk für die Freundin bis zur anstehenden Gehaltsverhandlung. Aber ist es auch so objektiv und zuverlässig, wie wir bewusst oder unbewusst unterstellen? Nehmen wir Moni – dieselbe Montagssituation, aber ein anderes Szenario:

Moni hatte einen wunderbaren Sonntag. Ihr Mann Jens hat sie zum Hochzeitstag mit einem Armreif überrascht, den sie beim letzten Schaufensterbummel bewundert hatte. Wie aufmerksam von ihm! Als sie am Montagmorgen gut ausgeschlafen ins Bad kommt, muss sie schmunzeln. Das mit den Handtüchern wird ihr Jens in diesem Leben wohl nicht mehr lernen, genauso wie das mit den Socken oder der Kaffeetasse. Aber schließlich hat sie sich auch wegen seiner Schusseligkeit in ihn verliebt. Auf der Fahrt ins Büro hat sie Glück. Sie erwischt einen Bus früher, der offenbar verspätet ist und ordentlich Gas gibt. Und ihr Chef hat endlich ihr Messekonzept gelesen und will mit ihr darüber sprechen.

Ob Sie sich ärgern, entscheiden Sie.

Rein äußerlich hat sich am Montag nichts geändert. Was sich verändert hat, sind Monis Reaktionen. Sie interpretiert die Dinge anders. Ihr Gehirn lässt problemlos die eine Wertung zu (zerknautschte Handtücher = rücksichtslos) wie die ganz andere (zerknautschte Handtücher = liebenswert schusselig). Nun gibt es nicht an jedem Sonntag schöne Überraschungen und liebevoll ausgesuchte Geschenke. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Monis Montagsärger im ersten Szenario wie auch ihre Freude im zweiten Szenario hausgemacht sind. Im Alltagsverständnis sind es jedoch die anderen, die uns ärgern, und wir reagieren nur auf die von außen an uns herangetragenen tagtäglichen Zumutungen: Teenager, die morgens nicht aus dem Bett kommen, Ehepartnerinnen und -partner, die sich beim Frühstück hinter der Zeitung vergraben, Unbekannte, die uns den letzten Parkplatz vor der Nase wegschnappen. All das bewerten wir, und wenn es gegen unsere eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse verstößt, ärgern wir uns eben. Und zwar je nach persönlichem Temperament mehr oder weniger.

Griesgram und Sonnenkind wohnen Tür an Tür.

Schon die Temperamentsfrage lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob wirklich »die anderen« schuld sind am Alltagsfrust. Der eine Kollege im Büro hat die berüchtigte kurze Lunte und geht schon bei Kleinigkeiten an die Decke. Eine Kollegin dagegen lächelt die gleichen Ärgernisse einfach weg. Bereits die Antike unterschied den reizbaren Choleriker vom gleichmütigen Phlegmatiker, den grüblerischen Melancholiker vom heiteren Sanguiniker. Die Bereitschaft der Menschen, sich zu ärgern, ist ganz offensichtlich unterschiedlich, auch wenn wir heute Persönlichkeit differenzierter sehen als die antiken Philosophen (vgl. dazu Kapitel 2). Dass die Neigung zum Ärgern unterschiedlich ist, führen uns ja auch die Griesgrame und Sonnenkinder in unserem Umfeld vor Augen. Für die ersten ist die Welt eine einzige Provokation, für die zweiten ein Geschenk. Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, dass beide auf demselben Planeten leben, manchmal sogar Tür an Tür oder Büro an Büro. Entscheidend ist neben der Persönlichkeit auch die Tagesform. An manchen Tagen kann uns vermeintlicher Ärger nichts anhaben, an anderen sind wir dünnhäutiger. Wer frisch verliebt ist, dem ist ein unfreundlicher Busfahrer ziemlich egal. Doch wer sich am Frühstückstisch schon gezofft hat, nimmt dasselbe Verhalten womöglich sehr persönlich.

Der Zwilling des Ärgers ist der Wunsch, die oder der andere möge sich ändern, sich doch bitte schön unseren Vorstellungen anpassen, etwas freundlicher, ordentlicher, zuverlässiger, rücksichtsvoller, schneller, langsamer, weniger empfindlich und dergleichen mehr sein. Die Liste ließe sich endlos verlängern. Doch wäre wirklich alles gut, wenn Monis Mann ab sofort die Socken zum Wäschekorb trüge und die Handtücher ordentlich aufhängte? Aller Wahrscheinlichkeit nach gäbe es auch dann noch genügend andere Ärgernisse. Und geht es bei der ganzen Sache tatsächlich nur um Schmutzwäsche und ein ordentliches Badezimmer? Der eigentliche Auslöser des Ärgers sind ja nicht Socken oder Handtücher am falschen Platz, sondern das, was Moni hineininterpretiert, ihre Bewertung: dass Jens keine Rücksicht nimmt, sich darauf verlässt, dass sie hinter ihm herräumt, oder Ähnliches. »Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen« heißt ein Buch des bekannten Philosophen Paul Watzlawick, der sich intensiv damit beschäftigt hat, wie jeder von uns seine eigene Wirklichkeit konstruiert, also auf typische Weise interpretiert (zum »Konstruktivismus« später mehr). Auf diese Weise taugt sogar Knoblauch als Liebesbeweis und eine schmutzige Socke als Kriegserklärung. Einen Gefallen tun wir uns damit nicht.

Wer sich regelmäßig ärgert und aufregt, schadet damit am allermeisten sich selbst. Man kann sich tatsächlich krankärgern, wie Ärzte wissen. Und dabei geht es nicht nur um Magengeschwüre, sondern auch um Verspannungen, Rücken- oder Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Schlafstörungen oder Herzprobleme. Wenn wir uns ärgern, schüttet unser Gehirn Stresshormone (z. B. Adrenalin, Kortisol) aus. Geschieht das häufig und gelingt es uns nicht, den Stress wirksam abzubauen, werden wir krank. »Wer öfter ausrastet, ist früher tot«, schreibt die Wirtschaftswoche unter Berufung auf eine Metastudie von US-Forschern, die etliche Untersuchungen aus fünf Jahrzehnten zusammenfasst und einen Zusammenhang zwischen »intensiven negativen Emotionen« und einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere ernste Erkrankungen herstellt.1 Das heißt natürlich nicht, dass jeder morgen umkippt, der sich heute zu viel geärgert hat. Es zeigt aber, dass ein Leben, in dem wir uns weniger über andere aufregen und uns seltener wünschen, sie wären anders, nicht nur schöner, sondern auch gesünder ist.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
180 s. 17 illüstrasyon
ISBN:
9783956239281
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Ses
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre