Kitabı oku: «Abschied einer Mörderin», sayfa 3
Kapitel 6
Jansen rief Heim an.
Der BKA-Mann war sofort am Apparat, als ob er das Telefon schon in der Hand gehalten hätte. Jansen hörte im Hintergrund die Stimme von Heims Frau, die leise auf ihn einredete. Es ging um seinen Ruhestand. Nach ein paar Schritten weg von der Stimme räusperte sich der ältere Kollege.
»Werner Heim«, meldete er sich von der Festnetz-Nummer, die Jansen gewählt hatte.
»Ich hätte eine entlaufene Mörderin für Sie, Heim«, trug Jansen ohne Umschweife sein Anliegen vor. »Ich brauche die Hilfe von Interpol, am besten helfen Sie mir, dort selbst offiziell eingestellt zu werden. Ostfriesland wird langsam zu klein für mich.«
»Sind Sie das, Jansen?«, fragte Heim. »Ich brauche keine Mörderin, ich bin schon verheiratet. Oder was meinten Sie? Sie sind im Auto unterwegs, oder? Was ist denn so eilig? Ich bin hier gerade bei einem wichtigen Gespräch.«
»Die Kroll lebt, Heim. Viola Kroll. Ich habe sie gerade getroffen, quicklebendig und wehrhaft wie eh und je, in Schottland. Nur dass sie jetzt anders aussieht und heißt. Vanessa Hemsford.«
»Die Kroll?« Jansen meinte zu hören, wie Heim der Mund offen stehen blieb. »Die ist doch tot, Jansen. Autounfall. Wollen Sie mich verarschen? War zwar nett, damals, die Jagd nach ihr und die Entführung in der Schweiz, aber mit Erinnerungen kriegen Sie mich nicht mehr vom Hocker. Außerdem werde ich wohl nicht mehr lange bei Interpol bleiben. Ich hab’s hinter mir, Jansen, irgendwann reicht es. Ich bin inzwischen zu alt für all das.«
Jansen erinnerte sich an die mahnenden Worte des Älteren. Die unermüdlichen Einsätze machen die Ehe kaputt, hatte er gesagt. Passen Sie auf, dass es Ihnen nicht genauso geht. Das wollte er natürlich nicht. Andererseits brauchte er Heim, um die Kroll ein weiteres Mal zu schnappen.
»Nee, keine Verarschung, Heim. Die hat ihr Ende vorgetäuscht, glaube ich. Sie hat einen anderen Namen, andere Haare und eine neue Augenfarbe, sie spricht Englisch und hat sich einen anderen Gang angewöhnt. Ihre Stimme war noch die gleiche, das hat sie entlarvt. Ich habe sie von hinten auf Deutsch mit ihrem Namen angesprochen, und sie hat sofort darauf reagiert und sich damit verraten. Sie war das, glauben Sie mir. Bei meinem letzten Urlaub habe ich sie auch gesehen, in New York auf dem Flughafen. Da war ich mir noch nicht sicher, jetzt schon. Die erfreut sich des Lebens und hat was vor. Die bringt wieder Leute um, Heim, irgendeine Schweinerei ist da im Gange. Der Fall ist wieder ungelöst, Heim. Wir müssen da ran. Die lebt.«
Der alte Kommissar schnaubte. »Sie wollen doch nicht etwa, dass ich mich darum kümmere, oder? Ich war eigentlich ganz froh, dass das abgeschlossen ist. Von mir aus darf das auch gern so bleiben.«
Jansen hörte ein schabendes Geräusch. Heim kratzte sich wohl die karge verbliebene Haarpracht.
»Sind Sie wirklich sicher, dass die Frau die Kroll war?«, fragte er schließlich. Aha, dachte ich. Jetzt habe ich ihn am Haken, das wird ihn nicht ruhen lassen.
»Sehr sicher. Erst dachte ich, sie hätte vielleicht eine Schwester. Andere Augen und Haare, anders zurechtgemacht, etwas anderer Gang und eine rauchige Stimme. Dann hab ich’s einfach ausprobiert und sie von hinten mit ihrem richtigen Namen angesprochen, Viola«, wiederholte Jansen. »Sie hat reagiert, war stinksauer, hat sofort wieder von Deutsch auf Englisch umgeschaltet und einen Heidenaufstand gemacht, damit sie mich loswird. Ich hätte ihr an den Arsch gefasst und so.«
»Und? Haben Sie?«, hörte Jansen ihn grinsend sagen.
»Nö. Natürlich nicht. Die war in Panik und wollte mich so schnell wie möglich loswerden. Sie war es. Hundert Pro.«
Heim dachte kurz nach. »Hm. Spannend, auch wenn mir das nicht in den Kram passt. Lassen Sie mich darüber nachdenken, Jansen. Spannend. Wo war das?«
»In Schottland. In einer Destillerie in Pitlochry. Ich war da bei einem Zwischenstopp auf dem Flug auf die Kapverden. Wir machen da Urlaub, Lisa und die Zwillinge. Und ab morgen auch ich.«
»Gut, ich werde darüber nachdenken. So ein dicker Fisch geht einem ja selten ins Netz. Wäre es wert.«
»So dick war sie übrigens gar nicht«, erwiderte Jansen.
Heim überging seinen Einwand.
»Hören Sie, Jansen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie folgen der Spur dort. Ich selbst versuche, an die Ermittlungsergebnisse der italienischen Kollegen ranzukommen. Wenn sie es nicht war, muss da jemand anderes umgekommen sein und irgendwo vermisst werden. Ich melde mich dazu. Und wenn das wahr ist, was sie behaupten, machen wir uns gemeinsam auf die Pirsch. Der Einstieg bei Interpol für Sie, für mich mein letzter Fall. Den Fisch angeln wir uns. Wenn Sie recht haben.«
Jansen brummte Zustimmung.
»Ich habe in Italien noch ein paar verlässliche Kontakte, Jansen. Lassen Sie mich das in Ruhe verfolgen, so viel Zeit sollte ja sein. Machen Sie Ihren Urlaub, der wird ja sicher eine Weile dauern, dann hören wir voneinander.«
Jansen verabschiedete sich und eilte zu seinem Flugsteig. Es gab wieder etwas zu tun für ihn.
*
Drei Tage vor dem Ende seines Urlaubs zeigte sein Handy drei entgangene Anrufe an, als Jansen mit seinem Sohn aus den Wellen des Atlantiks an den Pool zurückkam.
»Mein Telefon hat dreimal geklingelt, warum gehst du nicht ran, Lisa?«, beschwerte er sich bei seiner Frau.
»Weil ich mit Ella hier im Pool plantsche und ihr Schwimmen beibringe, und weil wir Urlaub haben und es bestimmt wieder nichts Wichtiges war. Wenn es was Berufliches war, sind wir nicht erreichbar, das hatten wir so vereinbart, schon vergessen, Lukas? Und wenn es deine Eltern waren, können wir jederzeit zurückrufen.«
»Genau«, schob seine Tochter hinterher. »Ist doch dein Telefon, Papa.«
Jansen brummelte etwas Unverständliches zurück. »Ruf mal den Kellner, Onno, ja? Wir brauchen was zu trinken.«
Während der Sechsjährige mit seinem Auftrag davonlief, öffnete Jansen per Gesichtserkennung sein Gerät.
Heim. Damit ging er besser weiter weg, sonst bekam er Ärger mit seiner Frau. Wir sind im Urlaub und nicht im Dienst und so. Auf dem Weg ins Gebäude traf er auf Sohn Onno und den Kellner.
»Bringen Sie mir bitte ein kaltes Bier«, trug er ihm auf. »Onno, geh schon mal vor zu Mami, ich muss eben mal telefonieren, komme gleich wieder zu euch.«
»Ich möchte ein Eis«, sagte der. »Am Pool.«
Kellner und Sohn eilten davon.
Jansen tippte den Rückruf an und wartete. Heim ging sofort ran.
»Sie hatten recht, Jansen«, eröffnete er ihm. »Wir hatten ein Riesenglück. Die Kollegen in Rom hatten genügend Hinweise auf die Identität von der Kroll gefunden. Sie hatte das Auto ja auch gemietet, war also naheliegend. Alle Beweise sind inzwischen vernichtet worden, andere Hinweise gab es nicht mehr.«
»Sie ist also doch tot«, schloss Jansen enttäuscht aus seinen Worten.
»Eben nicht.« Der Ältere freute sich hörbar. »Die verkohlte Leiche ist nämlich als Kuriosität und Beispiel für Brandopfer in die Anatomie der Sapienza University gekommen, das ist eine Art Hochschule für Chirurgen in der Ewigen Stadt, Jansen. Und die waren so freundlich, eine Tiefenuntersuchung des Leichnams vorzunehmen. Sie haben schließlich im Rückenmark noch DNA-Spuren sichern können, was sie selbst kaum noch erwartet hatten. Aber es waren welche da, und sie waren nicht identisch mit den Genspuren von der Kroll. Die hatten wir ja damals schon gesichert. Sie war es also tatsächlich nicht, die da verbrannt ist. Sie könnte wirklich noch am Leben sein.«
Jansen setzte sich und atmete schwer. Er hatte das zwar vermutet, aber im Hinterkopf angenommen, dass er falschliegen würde. Jetzt war alles wieder weit offen. Die Beute lebte und war zum Abschuss freigegeben.
»Wow«, brachte er schließlich heraus. »Das ist der Hammer, echt, Heim.«
»Die römische Polizei hat den Fall daraufhin wiedereröffnet«, freute sich Heim am Telefon. »Viola Kroll wird dort jetzt wieder offiziell gesucht, als Mörderin. Außerdem sucht die Polizei nach der Besitzerin der gefundenen DNA, der wirklichen Toten. Das wirft natürlich viele Fragen auf, Jansen.«
»Wer sie war«, begann der Jüngere aufzuzählen. »Wie die Kroll sie dazu gebracht hat, sich als sie auszugeben. Ob diese andere Frau gewusst hat, dass sie sterben soll, oder nur manipuliert worden ist. Will mir nicht in den Kopf, dass sich jemand freiwillig für eine Mörderin umbringt. Und noch was. Die Spuren, die damals gefunden worden sind, kann die Kroll ja gelegt haben, das sieht nach einem Plan aus. Aber wie sicher konnte sie sein, dass die Polizei nicht auch die DNA der anderen Frau findet? Irgendwie alles sehr unwahrscheinlich, wenn Sie mich fragen.«
»Trotzdem hat sie uns alle für Jahre an der Nase herumgeführt«, sagte Heim, nicht ohne einen Ton der Bewunderung. »Vielleicht kannte sie jemanden bei der Spurensuche, direkt oder indirekt, der die Indizien entsprechend ausgewählt hat.«
»Wäre eine Spur, die wir verfolgen könnten«, fand Jansen. »Auch wenn ich befürchte, dass wir damit nicht sehr weit kommen werden. Die werden jeden Verdacht von sich weisen.«
»Ja, Korruption ist dort kein Fremdwort«, bestätigte Heim. »Da gibt es viele Seilschaften und Verbindungen zu mafiösen Organisationen, die halten dicht.« Heim machte eine kurze Sprechpause. »Andererseits frage ich mich, ob es nicht auch Kreise gibt, die an der Aufklärung Interesse haben könnten.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Wut und Ehrgeiz da eine Rolle spielen«, sagte Jansen. »Die lassen sich genauso ungern verarschen wie wir. Es muss doch Leute geben, die an der Aufklärung interessiert sind, oder? Und abgesehen davon, hatte die Dame nicht auch Kontakte zur ’Ndrangheta, hatten wir da nicht einen von denen auf dem Schirm? Derjenige, der das Buch bekommen sollte, das wir gefunden haben? Wie hieß der noch gleich?«
»Und Sie glauben, dass der wissen könnte, wo sie steckt?«, fragte Heim. »Könnte natürlich sein. Die haben Mittel und Wege, jemanden verschwinden zu lassen oder unsichtbar zu machen. Haben die schon mit vielen polizeilich gesuchten Personen geschafft, die dann nie einer gefunden hat. So eine Art Zeugenschutzprogramm, nur von den Bösen, nicht von uns.«
»Dann haben die kein Interesse daran, ausgerechnet uns dabei zu helfen, sie ausfindig zu machen, Heim. Die werden uns was husten, wenn wir überhaupt an sie rankommen.«
»Giovanni de Luca«, fiel Heim der Name wieder ein. »Dem hatte sie das Buch gewidmet, das Sie geklaut hatten, Jansen.«
»Richtig.« Jansen seufzte, als er sich vorstellte, wie schwierig es werden würde, an diesen Mann heranzukommen. »Vielleicht erzählt er uns etwas über sie, wenn wir ihn unter Druck setzen. Er schien ja etwas mit den Morden zu tun zu haben, die die Kroll in ihrem Bildband dargestellt hat. Sie wissen schon.«
»Die Skulpturen«, erinnerte sich Heim. »Der Typ hat dieses grausame Werk für sie vermarktet, glaube ich. War es nicht so?«
»Ich glaube schon«, bestätigte Jansen. »Sie hat sich doch bei ihm bedankt.«
»Dann hätten wir zumindest einen Ansatz. Der andere ist die Identität der wahren Toten. Vielleicht sagt uns das auch etwas darüber, was aus der Kroll geworden ist. Sie haben sie ja gesehen, Jansen. Wir wissen zumindest, wie sie aussieht, einen Namen haben wir auch. Das ist schon eine ganze Menge. Wissen Sie was? Ich klemme mich hinter die Italiener, vielleicht finden die was über die Identität der Toten heraus und wissen etwas über de Luca. Und Sie, Jansen, kümmern sich um ihren Namen, sie wird ja irgendwo gemeldet sein, um diese Whisky-Destille, die sie kaufen will oder schon gekauft hat, und setzen sich mit den britischen Kollegen zusammen. Wir lassen Phantombilder anfertigen und legen sie denen vor. Ich kenne einen genialen Zeichner in Amsterdam, der Ihnen gleich eine ganze Palette von Möglichkeiten, wie sie sich zurechtmachen kann, aufstellt. Vielleicht hat sie ja auch in England wieder jemanden umgebracht und die Kollegen dort suchen auch nach Hinweisen.«
Heim klang zufrieden mit seiner Analyse. Jansen dagegen druckste herum. »Alles gut und schön, Heim, so könnten wir vorgehen. Nur bin ich hier noch gut drei Tage auf Urlaub, ohne richtigen Zugang zu allem, und meine Frau reißt mir den Kopf ab, wenn ich mich um diesen alten Fall statt um die Familie kümmere. Ich kann das erst nach meiner Rückkehr anpacken, Heim.«
»Ist schon gut, Jansen«, beruhigte ihn der ältere Polizist. »Solange kümmere ich mich. Ich sende Ihnen dann Mails mit Zwischenergebnissen.«
»Prima«, sagte Jansen erleichtert. »Ich muss auch wieder zurück. Wir hören voneinander.«
»Mit Sicherheit«, freute sich Heim. »Diesmal kriegen wir sie. Ich freue mich schon. Ach ja; vielen Dank übrigens für den Whisky, obwohl ich eigentlich keinen mehr trinke. Nett von Ihnen.«
Kapitel 7
Der römischen Polizei war die Nachricht, dass sie sich hatte irreführen lassen, gar nicht gut runtergegangen. Entweder war geschlampt worden oder jemand hatte die Spurensicherung beeinflusst, beides war absolut nicht in Ordnung.
Untersuchungen und Befragungen folgten, doch da die meisten Belege nicht mehr vorhanden waren, weil der Fall als gelöst galt und die Polizei an großer Platznot im Asservatenbereich litt, führten die Bestrebungen zunächst zu nichts. Der Fall wurde als kalte Spur einem älteren Commissario übertragen, der sich mit viel Ruhe und Geduld langsam an die Arbeit begab.
Jemand anderen riss die Nachricht der Wiederaufnahme der Untersuchung des Verkehrsunfalls komplett aus seiner gewohnten Routine. Giovanni de Luca, der ’Ndrangheta-Mann, der Viola den Selbstmord befohlen hatte, besaß seine eigenen Kanäle bei der Polizei. Schon einen Tag nach der Anfrage Heims bei der Universität lagen dieselben Ergebnisse auch auf seinem Schreibtisch.
Zwei Dinge trieben ihn an. Einmal fühlte auch er sich hinters Licht geführt. Seine Organisation hatte damals beschlossen, Viola Kroll verschwinden zu lassen, weil sie die heilige Gesellschaft in Misskredit gebracht hatte, und dem war Folge zu leisten. Er, inzwischen Finanzchef des römischen Ablegers der ’Ndrangheta, hatte somit versagt. Er musste dieses Versagen unbedingt wiedergutmachen, wenn er nicht selbst unter Beschuss kommen wollte.
Zum anderen hatte de Luca Viola Kroll, seine Muse und Geliebte, immer sehr gemocht. Es hatte ihm das Herz gebrochen, sie in den Tod zu schicken, aber so waren die Regeln nun einmal. Gern hätte er sie jetzt, Jahre später, wo alles nicht mehr so heiß gekocht wurde, wiedergesehen und die alte Beziehung wiederhergestellt. Was nicht ging. Was er dennoch gern wollte. Zwei Seelen pochten in seiner Brust, er wusste nur nicht, welcher er folgen sollte.
In einem waren sich beide einig; er musste Viola so oder so finden und zur Rede stellen. Ob er sie dann liebte oder tötete oder beides, das würde sich ergeben.
De Luca stellte seine eigenen Ermittlungen an. Wenn Viola eine andere Frau an ihre Stelle gesetzt hatte, war das ein Meisterwerk gewesen, denn sie hatte weniger als drei Tage Zeit dazu gehabt. Sie war in Rom gewesen, sie hatte einen schnellen Sportwagen als Mietwagen benutzt, wozu er ihr geraten hatte.
Sie musste die andere Frau telefonisch oder per Mail dazu gebracht haben, sich für sie ans Steuer zu setzen und ihre Rolle zu spielen. De Luca wusste, wie gut sie im Manipulieren anderer Menschen war; das würde sie geschafft haben.
Hatte sie die Rolle mit dieser anderen Frau getauscht? Dann würde sie ihren Namen und Pass benutzt haben, um Rom zu verlassen. Er musste diese andere Frau finden, um an Viola heranzukommen.
Vielleicht war die DNA der Toten doch irgendwo bekannt. Das musste er herausfinden. Und er brauchte eine Liste ihrer Anrufe und ihrer sonstigen Aktivitäten in der fraglichen Zeit vor ihrem vorgetäuschten Tod. Hatte sie Besuch erhalten? War sie irgendwohin gefahren, um jemanden zu treffen? Mit wem hatte sie telefoniert oder auf anderem Wege kommuniziert? All das musste er herausfinden.
De Luca machte sich an die Arbeit. Viel Hoffnung machte er sich nicht; Telefonverbindungsnachweise wurden nach einem Monat gelöscht, an ihre Mail kam er ebenfalls nicht heran. Was noch länger aufgehoben wurde, waren Dinge, die steuerlich relevant sein konnten; dort galten sieben Jahre als Aufbewahrungsfrist. Also konnte er Hotelbuchungen, Flugbuchungen und Konto- und Kreditkartenbewegungen mit viel Glück noch einsehen und Schlüsse daraus ziehen.
Das würde eine ziemliche Puzzlearbeit werden. De Luca nahm sich eine Woche frei und recherchierte. Einige der Aufgaben spielte er über seine Gewährsleute an die Polizei weiter, andere, darunter alle finanziellen Informationen, übernahm er selbst.
Zwei Tage später wusste er, dass Viola damals einen Flug nach Zürich gebucht hatte und von dort fast sofort wieder zurückgeflogen war. Sie hatte dort etwas erledigt, das dringend war; was war das gewesen?
Er versetzte sich in ihre Lage. Wenn sie ihren Tod vortäuschen wollte, musste sie sich um eine neue Identität kümmern. Also brauchte sie neue Konten, Ausweise, Kreditkarten. Zürich sprach für Bankgeschäfte; vermutlich hatte sie neue Konten und Karten unter anderem Namen organisiert, das war möglich.
Neue Pässe und Identitäten dagegen waren in so kurzer Zeit nicht so einfach zu beschaffen. De Luca kannte jemanden, der alle Passfälscher aufzählen konnte; in Zürich gab es niemanden, der das Metier gut genug beherrschte und schnell genug war. Also hatte sie vorher vorgesorgt und in einem Schließfach Ersatzpässe bereitliegen gehabt, etwas, das er auch selbst so machte. Hatte er ihr davon nicht sogar mal in einer stillen Stunde erzählt? Sie auf diesen Gedanken gebracht?
So weit, so gut. Er ließ seine Beziehungen spielen und fragte die Zürcher Banker, die er kannte oder die er indirekt befragen konnte. Aber so gut waren seine Beziehungen dann doch nicht, dass jemand das Bankgeheimnis für ihn gelüftet hätte; er tappte weiter im Dunkeln.
Auch von der Universität kam nichts Neues. Die DNA der Toten blieb unbekannt. Es war eine vermutlich blonde Frau mit mutmaßlich blauen Augen zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig gewesen, mehr war bei der Analyse nicht herausgekommen. Demnach hätte sie auch von Viola stammen können, das war jedoch ausgeschlossen worden. Ein weiteres Enigma; oder war die DNA-Datei, die die Polizei von der echten Viola besaß, falsch? Dann konnte es sich bei der Toten doch um sie gehandelt haben, und sie hatte die Bullen vorher an der Nase herumgeführt.
All das brachte ihn nicht weiter.
Eine einzige Spur hatte ein Ergebnis gezeitigt. Er selbst hatte Viola eine Suite in einem guten Hotel in Fiumicino gebucht, und die wurde von einer Raumpflegerin betreut, die sich vage daran erinnern konnte, dass die nette Frau, die den tödlichen Autounfall erlitten hatte, vorher Besuch von einer anderen Frau bekommen hatte, die ihr sehr ähnlich sah. Rotblond und blauäugig, hübsche Figur, etwas kleiner; vielleicht eine ältere Schwester, sagte sie aus.
Das musste die Frau gewesen sein, die an Violas Stelle gestorben war. Leider hatte sie nicht im Hotel eingecheckt, sondern sich im Zimmer von Viola nur aufgehalten oder sogar eine Nacht verbracht, das konnte die kalabrische Putzfrau nicht mehr sagen.
De Luca kam nicht weiter. Er hatte das dumme Gefühl, dass er irgendetwas Wichtiges übersehen hatte, das ihm weitergeholfen hätte.
Nur kam er nicht drauf.
Trotzdem fühlte er sich erleichtert. Die Polizei hatte damals den Bildband gefunden, den Viola für ihn angefertigt hatte, mit einer Widmung mit seinem Namen darin. Ein Umstand, den die Capos der heiligen Gesellschaft als Grund genug gesehen hatten, sie als Risiko zu beseitigen und Giovanni selbst den Job zu übertragen.
Die Polizei war indes nicht an ihn herangetreten, als ihren Sponsor und Kunsthändler. Anscheinend war sie nur an Viola selbst interessiert gewesen; also gab es eigentlich keinen Grund mehr, sie jetzt wirklich umzubringen; eine Gefahr für die Familie hatte sich nicht mehr ergeben.
Wenn sie jetzt unter anderem Namen lebte, gab es auch keinen Grund mehr, ihn selbst wegen eines schlecht erledigten Jobs zu belangen. So hochrangig, wie er jetzt war, machte man ihm auch nicht so schnell Vorwürfe für Dinge, die Jahre zurücklagen.
Sollte er Viola wiederfinden?
Es juckte de Luca in den Fingern. Klar, sie war eine äußerst attraktive Frau, kaltblütig und klug, genau das richtige Material für einen wie ihn. Andererseits hatte sie ihn betrogen und verarscht. So etwas ließ sich ein Kalabreser nicht gefallen. Vielleicht sollte er ein paar Tage mit ihr spielen, wenn er sie gefunden hatte, ein paar wunderbare Stunden mit ihr verbringen, sie noch einmal bis zur Neige auskosten, um sie in einem letzten Akt des Genusses dann doch zu töten. Das war eine Sache der Ehre.
Gut. Das hatte er geklärt. Jetzt musste er sie nur noch finden. Wenn er doch nur wüsste, was ihm bei seinen Überlegungen entgangen war!
Einer Spur konnte er noch folgen, auch wenn er wusste, wie wenig wahrscheinlich sie zu einem Ergebnis führen würde. Er ließ sich die Passagierdaten der Flüge geben, die am Tag des vorgeblichen Todes von Viola und am Tag davor in Fiumicino angekommen waren. Eine davon konnte die tatsächliche Tote sein, die auf der Autostrada gestorben war. Einige tausend Personen, davon vierzig Prozent weiblich, und darunter immer noch sechshundert im Altersbereich von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig.
De Luca übertrug die Fleißarbeit, das Aussehen dieser Personen zu ermitteln, an einen Assistenten. Der sollte herausfinden, über Facebook und andere Quellen wie Firmenwebseiten, ob sie weitergereist waren, in welchen Hotels sie abgestiegen waren, ob sie allein oder in Begleitung gereist waren. Dann würden nicht viele blonde und blauäugige Frauen übrigbleiben. Etwas kleiner als Viola, also kannte er in etwa auch die Körpergröße der Gesuchten. Er suchte nach einer, die nicht weitergereist, zurückgeflogen oder in Hotels übernachtet hatte.
Viel Hoffnungen auf einen Sucherfolg machte er sich trotzdem nicht, denn alle Passagierlisten alle Flüge hatte er gar nicht mehr bekommen können.