Kitabı oku: «Die Baumweisen von Chikiyan - Heilung der Inneren Kinder»
Die Baumweisen von Chikiyan
1 Die Baumweisen von Chikiyan - Heilung der Inneren Kinder
2 Vorwort
3 Teil I: Kinderbuch
4 Teil II: Erwachsenenbuch
5 Impressum
Die Baumweisen von Chikiyan - Heilung der Inneren Kinder
Über den Aufbau des Buches...
Im ersten Teil des Buches – dem Teil für Kinder – wird der junge Leser in einer fantastischen Reise zur Welt Chikiyan im Inneren eines Berges entführt, in der die Baumweisen ihrem Auftrag nachgehen, die Inneren Kinder der Menschheit zu heilen.
Im zweiten Teil des Buches – dem Teil für den erwachsenen Leser – erzählt die Autorin autobiografisch über ihre Arbeit mit dem eigenen Inneren Kind.
Über den Hintergrund des Buches...
Das Buch spielt in einem Waldgebiet in der Nähe der chilenischen Hauptstadt Santiago. Das Territorium wurde vor der Eroberung durch die Inkas und die Spanier vom Volksstamm der Chiquillanes bewohnt, daher rührt der Name. Der Stamm galt als besonders grausam und rücksichtslos, auch den eigenen Kindern gegenüber. Der Ort bekommt nun in meiner Geschichte als Raum der Heilung eine neue Bedeutung.
„Wenn alle Inneren Kinder von allen Menschen heilen, werden wir in Frieden mit uns selbst und miteinander leben.“ Die Autorin
Vorwort
Im Wald von Chikiyan, in der Nähe von Santiago de Chile, verbrachte ich mehrere Wochen meines Lebens. Viele Tage durchstreifte ich das Wegenetz am Berg und gab mich der Mystik dieses Ortes hin.
In dieser Zeit lernte ich schließlich mein Inneres Kind kennen, das diese ausgeprägte Nähe zur Natur und die Streifzüge mit mir gemeinsam genoss. Das Kind fühlte sich dort mit dem ganzen Leben verbunden.
Wir machten uns an die Arbeit, uns besser kennenzulernen. Gemeinsam mit dem Kind habe ich intensiv meine Bedürfnisse und Wünsche erforscht. Wir alle sehnen uns danach frei zu sein. Diese Freiheit kann uns das Kind schenken.
Unser Inneres Kind gerät schnell in Vergessenheit, wenn wir erwachsen werden und überwiegend nach unserem Verstand leben.
Wenn wir den Raum schaffen, in dem das Innere Kind und der Innere Erwachsene wieder in einen Dialog kommen, können wir beide Seiten unseres Selbst - unsere kreative, freie und liebende sowie unsere rationale, vernünftige Seite - wieder zusammenführen und ein selbstbestimmtes Leben leben.
Selbstwerdung ist eine Lebensaufgabe. Ich habe diese Herausforderung angenommen. Jeder Mensch trägt in Krisensituationen die Lösung selbst in sich. Der Kern der Arbeit ist die Stärkung des Inneren Erwachsenen und die Pflege einer guten und starken Selbstbeziehung, um an diese Lösungen heranzukommen. Dies läuft zum Beispiel über einen bewussten, liebevollen inneren Dialog. Das Innere Kind in uns, das für unsere Gefühle steht, braucht eine sichere Führung und dies geschieht im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit. Es geschieht durch unseren Inneren Erwachsenen, der seinen Selbstwert erkennt und sein Selbstwertgefühl von innen her stärkt.
Im Heute haben wir als erwachsene Personen die Wahl ein authentisches Leben zu führen, in dem wir uns entscheiden, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Wenn wir alte Glaubenssätze ablegen, unsere Stärken und Werte präsent haben, können wir jederzeit in unserer Mitte sein und sind unabhängig von äußerer Bestätigung.
Dabei ist irrelevant was konkret im Detail in der Vergangenheit unseres Lebens geschehen ist. Es geht vielmehr darum, zu schauen, welche Potentiale und Ressourcen sind heute vorhanden, die uns stärken können und uns weiterbringen in unserer ganz persönlichen Entwicklung.
Wir alle wollen Freude am Leben haben und uns entfalten. Dies ist möglich, sobald wir eine gute und stabile innere Verbindung zu uns selbst aufgebaut haben. Wenn dem so ist, spüren wir unser Urvertrauen, unsere Weisheit und unsere individuelle Kreativität. Selbst wenn zu einem früheren Zeitpunkt unseres Lebens diese innere Verbindung geschwächt wurde oder sogar verloren gegangen ist, haben wir heute als Erwachsene alle Macht, sie wieder herzustellen.
Wir tun dies, in dem wir in eine „Ich bin verantwortlich für mich selbst“ - Haltung gehen. Das heißt, wir suchen den Grund für unsere Gefühle nicht in jemandem oder etwas, sondern nur in uns selbst. Traurig, wütend, ängstlich oder voller Scham fühlen wir uns immer dann, wenn wir nicht im Sinne unseres Herzens – also nicht unseren wahren Bedürfnissen und Werten entsprechend – handeln. Sobald wir uns verbiegen tut es weh. Und ja, WIR verbiegen uns selbst, nicht die anderen verbiegen uns.
Sobald wir uns erlauben wir selbst zu sein, unsere Meinung zu sagen, unsere Bedürfnisse frei und ohne Vorwürfe oder Schuldgefühle zu äußern, Nein und Ja an den für uns richtigen Stellen zu sagen, dann festigen wir unsere innere Verbindung, dann schlägt unser Herz voller Freude.
Die Lösung liegt in uns.
Teil I: Kinderbuch
1
Von der Terrasse aus bestaunte Malen mit großen Augen das sich weit öffnende Tal. Die Berge leuchteten glänzend in der glühenden Hitze. Die Hänge, die von der Mittagssonne beschienen wurden, waren kaum bewachsen. Steinlawinen hatten Teile des Berges abgetragen. Das Geröll zog sich wie ein Fluss den Berg hinab.
Auf der gegenüberliegenden Talseite sah es ganz anders aus. Die Hänge waren mit niedrigen Laubbäumen bewachsen, die sich wie ein tief grüner Teppich über die Berge zogen. In der Höhe ragten mächtige Felsen in den Himmel. Im Tal, dort wo die Straße verlief, weideten Pferde auf einer weitläufigen Wiese. Das kleine Dorf versteckte sich unter Bäumen. Die Häuser waren kaum zu sehen. Nur der weiße Kirchturm leuchtete jenseits der Straße.
Malen schreckte auf. Unter ohrenbetäubendem Dröhnen einer Hupe fuhr plötzlich ein Schwerlaster die Straße entlang. Der Motor heulte, die Straße bebte unter der Last des Transporters. Es folgte ein weiterer Schwerlaster, ein weiterer und ein weiterer.
Malen hielt sich die Ohren zu. Sie wusste, das waren die Transporter, die das Gestein aus dem oberen Flusstal von der Baustelle abtransportierten.
Ihr Vater hatte ihr das erklärt. Er arbeitete seit einem Jahr auf der großen Baustelle. Er baute mit seinen Arbeitern mehrere große Tunnel durch die Berge. Die Tunnel wurden dann mit Wasser gefüllt, und aus der Kraft des Wassers wurde elektrischer Strom erzeugt.
„Die Menschen verbrauchen immer mehr elektrischen Strom. Für alles was sie machen benötigen sie Elektrizität. Unser Projekt ist wichtig und erforderlich“, das sagte ihr Vater immer wieder. Aber sie wusste, dass er insgeheim die Notwendigkeit anzweifelte, weil er zu Hause häufig stundenlang über den Bau von Solaranlagen und Windrädern nachlas.
Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass ihr Vater ein Arbeitstier sei.
„Was bedeutet das?“ hatte Malen ihre Mutter gefragt.
„Das bedeutet, dass er lieber arbeitet als mit uns seine Freizeit zu verbringen.“
Vor ein paar Wochen hatte Malen erfahren, dass sie umziehen würden. Das Bauprojekt würde noch einige Jahre weiter laufen. Da ihr Vater nicht nach Hause kam, hatten ihre Eltern sich darauf geeinigt, dass Malen und ihre Mutter zu ihm zogen. Tagelang hatten sie all ihre Kleidung, Möbel, Bilder, Bücher in unzählige Kisten verpackt, damit diese mit dem Schiff über den Ozean gebracht wurden.
Gestern endlich waren nun auch Malen und ihre Mutter, nach einem langen Flug, in der Hauptstadt angekommen. Da sie nicht auf dem Werksgelände der Baustelle wohnen durften, so wie Malens Vater, hatte die Firma kurzfristig ein kleines Häuschen ein paar Kilometer von der Baustelle entfernt für Malen und ihre Mutter angemietet. Später, wenn alle ihre Sachen in den Kisten mit dem Schiff ankamen, würden sie in die große Stadt ziehen und wieder zu dritt wohnen. Zunächst war Malen sehr traurig gewesen, all ihre Freunde und Freundinnen zurück zu lassen. Auch die Lehrer in der Schule würde sie vermissen. Ihr Vater hatte ihr versprochen, dass es ein großes Abenteuer werden würde, das sie gemeinsam erleben.
Malen war jedoch mit gemischten Gefühlen angekommen. Lust auf Abenteuer hatte sie schon. Aber was, wenn ihr Vater wieder keine Zeit hatte für sie, weil er immer arbeiten musste?
All diese Gedanken waren in weite Ferne gerückt, als Malen von der Terrasse aus ins Tal blickte. Sie mochte diesen Ort, das wusste sie sofort.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht drehte sie sich um und sah wie ihre Eltern am Tisch diskutierten.
„Karla, ich kann nicht hierher zu euch ziehen. Ich werde jede Minute auf der Baustelle gebraucht. Wenn irgendetwas schief läuft, muss ich sofort zur Stelle sein“, ihr Vater fuchtelte wild mit seinen Armen in der Luft herum, während er Malens Mutter seine Situation erklärte.
Malen hätte sich fast wieder die Finger in die Ohren gesteckt, um den Streit nicht anzuhören, doch ein lautes Klopfen an der Tür hielt sie davon ab. Auch ihre Eltern unterbrachen ihr Gespräch.
An der Tür stand ein kräftiger Mann, etwa in dem Alter von Malens Vater.
„Hola Jefe, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?“
Der Mann zog schnell seinen Bauarbeiterhelm vom Kopf.
„Hola Carlos, danke. Es geht allen gut. Das ist meine Frau Karla, und hier ist meine Tochter Malen.“
Der Mann begrüßte die beiden mit einem Kopfnicken von der Tür aus.
„Karla, das ist Carlos. Er und seine Familie wohnen zwei Häuser weiter. Carlos hat organisiert, dass ihr beiden hier wohnen könnt. Er hat einen Sohn in Malens Alter. Javier heißt er. Ihr werdet ihn sicher bald kennen lernen. Und natürlich auch Maria, die Frau von Carlos.“
Malens Vater nahm nun ebenfalls seinen Helm in die Hand und drehte sich zum Abschied zu Malen und ihrer Mutter um: „Wir sehen uns später.“
Als er schon fast bei seinem Auto angekommen war, lief Malens Mutter zur Tür und rief: „Raul, wann genau ist später?“
Malens Vater zuckte mit den Schultern und antwortete: „Das weiß man hier nie.“
Karla seufzte. Malen nahm die Hand ihrer Mutter und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen: „Ach Mama, wenigstens sind wir nun schon mal hier. Schau mal die schöne Aussicht.“
Sie zog ihre Mutter auf die Terrasse.
„Du hast recht. Wenigstens sind wir nun schon mal hier.“
Karla schloss die Augen und holte tief Luft.
2
Die nächsten Tage verliefen sehr ruhig. Karla und Malen erkundeten den kleinen Ort im Tal. Sie kauften Obst und Gemüse beim Gemüsehändler und fanden gleich neben der kleinen Kirche ein Lädchen, wo sie Brot und Käse bekamen. Einmal fuhren sie in den nächst größeren Ort, um die Schule zu besichtigen, die Malen nach den großen Ferien besuchen würde. Abends kam Raul, um mit ihnen gemeinsam zu essen. Er erzählte von der Baustelle, wie langsam alles voran ging, und wie schwierig es war, die Arbeiter zu motivieren.
„Wenn ich nicht vor Ort bin, tanzen die mir auf der Nase herum.“
Malen nickte nur. Sie wusste, dass sie sowieso nichts an der Situation ändern konnte. Sie wollte einfach die Zeit genießen, die ihr Vater bei ihnen war.
Am vierten Tag nach ihrer Ankunft fuhr Karla am Morgen in die Hauptstadt. Sie musste ein paar Wege erledigen, Papierkram, wie sie sagte. Malen blieb allein im Haus zurück. Schließlich war sie schon dreizehn.
Kurz nachdem ihre Mutter Karla weggegangen war, hörte Malen von draußen die Stimme eines Jungen rufen. Neugierig ging sie zum Fenster und sah, dass er vor ihrer Haustür stand. Er war etwa in ihrem Alter. Sein etwas längeres Haar war zu einem Zopf gebunden. Etwas unschlüssig öffnete Malen die Tür. Der Junge grinste sie an.
„Hola, ich bin Javier. Der Sohn von Carlos. Meine Mutter hat mir aufgetragen, dich zu fragen, ob du mit uns Mittagessen möchtest.“
Malen dachte kurz nach und sagte dann einfach: „Okay.“
Gemeinsam stiegen sie langsamen Schrittes nebeneinander den Berg hinauf. Schweigend. Als sie am Haus ankamen, lief eine Horde Hunde auf sie zu. Sie begrüßten Javier stürmisch und anschließend auch Malen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und musste lachen. So freudig hatte sie noch nie jemand begrüßt.
Javiers Mutter kam aus dem Haus. Sie lächelte und sagte, sie sei Maria. Malen stellte sich ebenfalls vor und bedankte sich für die Einladung zum Essen. Zu dritt betraten sie das einladend wirkende Holzhaus. Unerwartet lag die Küche gleich am Eingang des Hauses. In der Mitte stand ein riesiger Holztisch mit acht Stühlen. Auf dem Herd dampfte es aus einem großen Topf heraus. Es roch angenehm nach gedünstetem Gemüse und frischem Brot.
Schon war Maria dabei, das Brot aus dem Ofen zu holen. Geschickt legte sie den heißen Laib auf ein großes Holzbrett, um es vor den Augen der Kinder frisch aufzuschneiden. Dann holte sie einen Schöpflöffel und füllte drei tiefe Teller mit einer Gemüsesuppe aus dem Topf, der auf dem Herd stand.
Javier saß schon am Tisch und Maria wies Malen an, sich ihm gegenüber zu setzen. Sie stellte den beiden die dampfenden Teller hin und reichte jedem eine Scheibe frisches Brot. Dann nahm sie ihren eigenen Teller und setzte sich an den Kopf des Tisches.
„Wir können gleich in den Wald gehen“, sagte Javier aufgeregt zu Malen.
Maria schaute ihn warnend an. „Erst einmal essen wir jetzt und du weißt, es wartet noch Arbeit auf dich.“
Sie lächelte Malen an. Sie aßen schweigend. Die Suppe war köstlich, ebenso das Brot.
3
Nach dem Essen musste Javier die Straße fegen. Widerwillig machte er seine Arbeit. Malen wusste nicht genau, ob sie einfach zurück in ihr Haus gehen sollte. Unschlüssig druckste sie umher und spielte mit den Hunden. Nach einer Unendlichkeit stellte Javier endlich den Besen an die Hauswand und sagte etwas außer Atem zu Malen: „Kommst du mit in den Wald? Dort gibt es Felsen zum Klettern. Es ist nicht weit, nur den Weg hier herauf, und dann laufen wir ein kleines Stück am Kanal entlang.“
Malen hatte große Lust die Gegend zu erkunden und nickte entschlossen. Javier lächelte breit.
Sie liefen den Berg hinauf. Malen kam kaum hinterher, so schnell und leichtfüßig war Javier. Sie war es nicht gewohnt, so zügig zu gehen.Normalerweise war sie mit ihrer Mutter unterwegs und diese schlenderte meistens. Der Weg verengte sich an einer Stelle und ein sandiger Pfad führte sie zu einem Kanal, der sich gemütlich den Hang entlang schlängelte. Der kleine Wasserlauf war an den Seiten mit Schilfpflanzen bewachsen, die sich leicht im aufkommenden Wind hin und her bewegten.
Ungestüm rannte Javier voraus. Der Pfad führte direkt am Kanal weiter. Hin und wieder konnte Malen einen Blick auf das Tal erspähen. Dann blieb Javier abrupt stehen und zeigte begeistert auf einen Baum. Malen verstand sofort, dass es ein besonderer Baum war. Seine roten Blätter leuchteten grell im Sonnenlicht. Einzigartig stach er aus dem Bild des grünen Waldes heraus.
„Hier ist der Eingang“, sagte Javier begeistert.
„Der Eingang von was?“
Malen sah ihn fragend an.
„Der Eingang zum Zauberwald.“ Der Junge schaute sie geheimnisvoll an.
„Und was ist so besonders an dem Zauberwald?“
Malen verschränkte fragend die Arme vor der Brust.
„Da gibt es Felsen und Bäume zum Klettern.“
Malen nickte beruhigt, das klang harmlos.
Sie gingen, nun etwas langsamer, weiter am kleinen Fluss entlang bis zu einer schmalen Brücke. Javier war schon auf der anderen Seite angekommen, als Malen noch zögernd den dünnen Holzbalken anschaute. Langsam betrat sie, etwas unsicher, das Brückchen. Sie lief seitwärts über den Steg, um sicherer zu sein. Dann hatte auch sie es geschafft.
Ein sich weiter nach oben windender Pfad führte sie durch einen niedrigen Wald. Malen bestaunte neugierig die Blätter und Früchte. Es waren ganz andere Bäume als die, die sie von zu Hause kannte. Einige Meter voraus wartete Javier geduldig und beobachtete Malen aus der Entfernung. Währenddessen band er sein Haar erneut zu einem Zopf.
Sie erreichten bald zwei verschlungene Felsen, die sich eng gegenüberstanden und eine kleine kurze Schlucht bildeten. Die Schlucht führte auf einen weiteren Felsen zu, der aussah, als sei er eine sich überschlagende Welle, die auf die beiden anderen Felsen brach. Fasziniert schaute Malen das Gestein an. Javier kletterte schon an der Welle in die Höhe auf eine kleine Plattform, die sich am Felsen herausgebildet hatte. Er winkte Malen zu, sie solle ebenfalls hoch klettern. Doch sie schaute nur zweifelnd nach oben und schüttelte den Kopf. Das sah ziemlich hoch aus, und sie hatte so etwas noch nie gemacht.
Sie streifte mit ihren Händen über das Gestein. Es fühlte sich warm und ein wenig sandig an. Mit ihren Fingern fühlte sie in einen kleinen Vorsprung. Aber sie traute sich nicht, sich an ihm hochzuziehen. Javier war schon wieder unten und fasste sie an die Hüften, um sie am Felsen anzuheben. „Nein, ich kann das nicht.“ Malen ließ die Arme fallen und trat vom Felsen zurück. „Dann probieren wir es an dem anderen Felsen dort hinten.“
Javier lief zu einem Felsen, der zwar glatter, aber nicht ganz so steil war. Malen zeigte guten Willen und suchte nach Stellen, um sich festzuhalten. Sie fühlte ihre Unsicherheit. Um sich besser zu sichern, griff sie nach einem dünnen Baum, um sich an seinem Stamm hochzuziehen. Als sie schon die halbe Felsenhöhe erreicht hatte, hörte sie plötzlich ein lautes Stöhnen, das anscheinend von dem Baum kam. Voller Schreck ließ sie unbedacht den Baum los und fiel nach unten. Javier hatte die Szene von unten beobachtet, und auch er hatte das Seufzen des Baumes gehört. Er schaffte es noch, Malen bei ihrem Sturz abzufangen. Ungeschickt hielt er sie im Arm und setzte sie auf dem Boden ab. „Alles in Ordnung?“
„Ich glaube schon.“ Malen stand unsicher auf und merkte dabei, dass sie sich den rechten Fuß während des Falls am Felsen angestoßen hatte. Er tat weh. Als sie ihren Schuh auszog, schwoll er sofort dick und rot an. „Hast du auch das Seufzen gehört?“ fragte Malen. Javier nickte. Dann sagten sie erst einmal nichts mehr.
„Gehen wir besser zurück, damit du deinen Fuß kühlen kannst“, schlug Javier ein wenig bedrückt vor. Malen versuchte zu gehen, doch sie spürte bei jedem Schritt einen stechenden Schmerz in ihrem Fuß. Sie stützte sich notgedrungen auf Javier. Langsam stiegen sie den Berg hinab. Der Weg über die Brücke war der schwierigste Teil. Malen biss die Zähne zusammen und ging mutig unter Schmerzen über den Steg. Ein paar Meter weiter ließ sie sich erschöpft nieder. Javier setzte sich neben sie.
So saßen sie ein paar Minuten schweigend nebeneinander, jeder in seine Gedanken versunken. Javier dachte, dass er auf jeden Fall Ärger mit seinen Eltern bekommen würde. Der erste Tag mit der Tochter des Chefs und dann so etwas. Malen hingegen überlegte, wie sie überhaupt wieder zurück kommen sollte. Sie stellte sich vor, dass Javier nach Hause ging, um ihren Vater Raul zu holen. Der würde sie dann nach Hause tragen. Er musste einfach von der Baustelle geholt werden, um ihr zu helfen.
Nachdem sie eine Weile so saßen, begann Javier die Rinde des Baumes zu betrachten, der direkt neben ihnen stand. Auch dieser Baum unterschied sich von den anderen. Er war groß und verschlungen. Seine Blätter brachen auf eine seltsame Art und Weise das Sonnenlicht. Die Rinde war wuchtig und schimmerte hell grün. Nun begann auch Malen den Baumstamm anzuschauen.
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