Kitabı oku: «Pumamädchen»

Yazı tipi:

Pumamädchen

1  Pumamädchen

2  Wichtige Zitate

3  Stammesregeln der Pumamädchen

4  Impressum

Pumamädchen

1

Im Gegenlicht sah ich den steilen Berg vor mir liegen. Blinzelnd hob ich meine Hand an die Stirn, um meine Augen vor den brennenden Sonnenstrahlen zu schützen. Ich atmete tief aus. Mein Rucksack wurde mir schon jetzt zu schwer, und dabei stand ich noch ganz am Anfang meines Vorhabens. Zweifel kamen in mir auf, ob ich wirklich drei Tage und Nächte lang allein in einer unbekannten Wildnis verbringen wollte. Wie war ich nur auf diese Idee gekommen? Ich bemerkte, wie sich meine Stirn runzelte. Trotzdem begann ich einen Fuß nach dem anderen den Hang hinaufzusetzen.

Die Vegetation wurde schon nach wenigen Höhenmetern karger. Die sandfarbenen Felsen lagen nackt im Sonnenlicht. Der kleine Pfad, dem ich folgte, war staubig. Fast unentwegt schaute ich zu Boden, um zwischen hervorstehendem Gestein und losem Geröll nicht zu stolpern. Hin und wieder blieb ich stehen, um mich umzusehen. Das Tal veränderte sich mit jedem Meter. Immer wieder nahm es andere Gesichter an. Ich schnaufte mit meinem Gepäck auf dem Rücken. Das Zelt, mein Schlafsack, warme Kleidung, der kleine Gaskocher, Geschirr, das Essen, Wasser, es hatte sich allerhand angesammelt. Dazu das Pfefferspray gegen wilde Tiere, Sonnenschutz, eine kleine Erste Hilfe Tasche. Nicht zu vergessen, das Büchlein über die Geschichte der Ureinwohner dieser Gegend, das ich in meinem Hotel aus der kleinen Bibliothek mitgenommen hatte. Ich würde erst bei meiner Rückkehr wissen, was aus dieser Sammlung hilfreich und was überflüssig war.

Vom Tal her vernahm ich noch weit entfernt den Verkehr der Straße und ein paar Vogelstimmen. Der Wind wurde nun immer stärker. Ich genoss den angenehmen kühlen Luftzug. Irgendwie erreichte ich den Gipfel, so dass ich das sehen konnte, was bisher im Verborgenen lag: Das Hinterland. Ein weitläufiges Gebirge erstreckte sich vor meinen Augen. Es war atemberaubend schön. Kleine grüne Täler wechselten sich mit schroffen kilometerhohen Bergrücken ab. In der Ferne schätzte ich den höchsten Berg auf 5.000 Höhenmeter. Der Gipfel war auch jetzt im Hochsommer noch mit Schnee bedeckt.

Ich schaute umher, um im Grünen eine kleine Ebene zu finden, auf der ich mein Lager aufschlagen konnte. Meine Schritte bahnten sich schon bald durch niedriges Gebüsch, denn der Pfad verlief wieder bergab. Das Freiheitsgefühl, das ich auf dem Gipfel hatte, wechselte nun in eine Beklommenheit. Die Berge um mich herum schüchterten mich ein. Trotzdem ging ich immer weiter. Nach zwei Stunden hatte ich endlich genug: Vom Laufen, vom Tragen und von noch mehr Abstand zur Zivilisation nehmen. Ich blickte mich entschlossen um, hier und jetzt meinen Platz zu finden. Mein Rucksack lag schon auf dem Boden, als ich links von mir eine kleine ebene Fläche entdeckte. Der perfekte Untergrund für mein Zelt. Zwar konnte ich es auf dem kargen Boden nicht mit den Haken befestigen, doch meine Sachen würden es so beschweren, dass es nicht wegrutschen konnte. Gesagt, getan. Nach nur ein paar Minuten stand mein kleines Häuschen. Einige Momente später lagen Luftmatratze, Schlafsack, Kleidung und der restliche Inhalt des Rucksacks im Zeltinnenraum. Fertig. Jetzt musste ich nur noch innerlich ankommen.

2

Ich setzte mich vor mein Zelt. Mein Blick schweifte umher. Der Wind hatte sich gelegt und Stille umgab mich. War es nicht das, was ich gesucht hatte? Natur, Stille, Verbindung. Abschalten vom Alltag, Ankommen bei mir selbst. Es konnte losgehen.

Die vergangenen Monate war es drunter und drüber gegangen. An meiner Arbeitsstelle hatte ich zahlreiche Konflikte mit meiner Vorgesetzten gehabt. Schon wenn ich morgens das Institut betrat, zog sich mir das Herz zusammen. Dann noch die ständigen Diskussionen mit meinem Freund. Es war so anstrengend. Hatte ich tagsüber die Auseinandersetzungen mit meiner Chefin überstanden, ging es abends zu Hause weiter. Mein Körper war ständig verspannt. Ich konnte kaum durchschlafen, weil mich immer wieder Gedanken auf der Suche nach Auswegen aus dieser Situation aufweckten. Doch ich fand sie nicht, die Auswege.

Also hatte ich für eine Woche ein Hotelzimmer in den Bergen gebucht, um ein bisschen Abstand zu finden. Und schließlich hatte ich sogar diesen abenteuerlichen Ausflug geplant. Da ich mich von nichts und niemandem ablenken lassen wollte, war ein Rückzug in die Natur die logische Folge. Und hier war ich nun.

Mit all diesen Gedanken im Kopf bemerkte ich meine tiefe Erschöpfung. Ich hatte das Gefühl, nicht einmal mehr mein Abendbrot zu mir nehmen zu können. Ich schloss den Reißverschluss des Zeltes, kroch in meinen Schlafsack und schlief ein.

Mitten in der Nacht erwachte ich aufgrund eines Geräusches in der Nähe meines Zeltes. Ein Rascheln, dann ein Fauchen. Etwas prallte gegen die Zeltwand und entfernte sich wieder. Dann war es still. Ich lauschte nach draußen. Nichts, ich hörte nichts mehr, auch nicht in der Ferne. Angst überkam mich. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen. So lag ich stundenlang. Hellwach. Immer wieder schaute ich auf die Uhr, bis ich schließlich meine Taschenlampe nahm und das kleine Büchlein suchte, das ich mir aus dem Hotel mitgebracht hatte.

Ich legte mich auf den Bauch und zielte mit dem Lichtstrahl auf das Deckblatt des Buches. „Das Leben der Chiquillanes: Chiles Ureinwohner im Fokus.“ Beiliegend: „Die Legende der Pumamädchen“.

Das Buchcover bildete einen springenden Puma ab. Innen lag ein schmales Heftchen bei, in dem die Legende abgedruckt war. Um auf andere Gedanken zu kommen, begann ich zu lesen.

3

Die Chiquillanes waren ein indigenes Nomadenvolk, das auf der Suche nach Nahrung fortwährend die Anden zwischen Chile und Argentinien kreuzte. Ihr Lebensraum in Chile erstreckte sich im Andengebirge zwischen der Hauptstadt Santiago und der rund 400 Kilometer südlich gelegenen Stadt Chillán. Die Indigenen verständigten sich in der Sprache Millkayak. Je nach Jahreszeit hielten sich die Indianer in den Tälern oder dem Hochgebirge auf. Sie trieben auch Handel mit anderen Stämmen und tauschten Salz aus den Gebirgslagunen gegen andere Waren. Sie lebten in kleinen Stämmen, nicht größer als hundert Mann, und waren Sammler und Jäger. Sie sammelten Nüsse, Samen, Kräuter und jagten Guanacos und Ñandús – Lamas und Strauße. Ihre Körpergröße überragte die der anderen Stämme.

Angeblich waren die Chiquillanes ein grausames Volk. Sie überfielen häufig die Dörfer, die auf ihrem Zugweg lagen, um Nahrung und Frauen zu rauben. Ihre Toten bedeckten die Indigenen mit Steinen, oft innerhalb von Höhlen, und legten den Verstorbenen persönliche Dinge für die Reise ins Jenseits zur Seite. So wie viele andere Völker dieser Erde, hatten sie den Brauch, die Mädchen ihres Stammes kurz nach der Geburt zu töten.

Die Legende besagt,...

...dass die Schamanin des Stammes eines Tages mit dem jungen Häuptling am Feuer saß. Sie war die einzige Frau im Stamm, deren Stimme zählte. Die Männer hatten Respekt vor ihr. So auch der neue Häuptling, dessen Vater vor einigen Tagen in das Totenreich übergegangen war.

Die Schamanin war dem alten Oberhaupt während seines Ablebens eine treue Begleiterin gewesen. Sie hatte seine Schmerzen mit Pflanzenextrakten gelindert und seine Angst vor dem Tod beschwichtigt. Zuletzt war er in Frieden gegangen.

Sie sprach zu seinem Sohn, der nun das neue Oberhaupt des Stammes war: „Dein Vater hat kurz vor seinem Tod eine Vision gehabt: Ich soll die neugeborenen Mädchen von nun an in das Tal der Pumas bringen, um sie dort aufzuziehen. Dieses Gebiet muss von unseren Männern gemieden werden.“

Es sei wie du es meinst, Schamanin. Nimm die Mädchen und bring sie fort.“ Der Häuptling nickte, während er das sagte. In tiefer Trauer um seinen verstorbenen Vater wirkte er abwesend. Die Schamanin erhob sich und zog sich in ihr Lager zurück.

Keine der ihr vorangegangenen Schamaninnen – so stark ihre Macht auch gewesen war – hatte etwas gegen den Brauch unternehmen können, der besagte, die neugeborenen Mädchen zu töten. Die Verwirklichung der Vision des verstorbenen Häuptlings würde nun endlich einen Wendepunkt setzen. Gleichzeitig war offensichtlich geworden, dass immer noch nicht der Zeitpunkt gekommen war, die Mädchen als den wertvollen Teil des Stammes anzusehen, der sie waren: Das natürliche Komplement der männlichen Energie. Die Männer waren einfach noch nicht bereit umzudenken. Ihre Angst war zu groß.

Ich legte erschöpft das Buch nieder und versuchte, mir die Schamanin bildlich vorzustellen, als ich schließlich im Morgengrauen tief und fest einschlief. Ohrenbetäubendes Vogelgezwitscher weckte mich am späten Vormittag. Ich schreckte hoch und schaute verwirrt auf die Uhr. Ich hatte tatsächlich den halben Tag verschlafen. Das Öffnen meines Zeltreißverschlusses ließ einen Schwarm von Loicas aufschrecken. Das waren also die Krawallmacher gewesen. Neugierig kreisten die Vögel über meinem Lager. Ihre rotes Brustgefieder leuchtete. Es sah wundervoll aus. Ich lächelte und merkte, wie sich meine Muskeln entspannten. Das bedrohliche Fauchen, das ich in der Nacht vernommen hatte, kam mir plötzlich unwirklich vor. Alles war so friedlich und die Idylle um mich herum ließ nicht zu, dass auch nur ein Funken Unwohlsein oder Angst in mir aufkam.

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