Kitabı oku: «Franz von Assisi - Freiheit und Geschwisterlichkeit in der Kirche», sayfa 2

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Geschichte im Dialog mit heute

Immer mehr Menschen legen ihren Kindheitsglauben ab und bezeichnen sich, erwachsen geworden, als „nicht praktizierende“ Christinnen oder Christen. Viele Eltern taufen ihre Kinder nicht mehr, um ihnen die Entscheidung für oder gegen Religion einmal selbst zu überlassen. In Deutschland deklariert sich im Jahr 2013 rund ein Drittel der Bevölkerung als konfessionslos und von den Menschen unter 30 nur gerade ein Viertel als religiös im weitesten Sinn. In der Schweiz sind die Mitgliederzahlen beider Landeskirchen im gleichen Jahr je unter 30 Prozent gesunken, wobei keine 10 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer häufiger als „einbis zweimal pro Monat“ in die Kirche gehen.

Wie hat sich mein eigener Glaube entwickelt: in der Kindheit und durch die Pubertät hindurch? Was ist zurückgeblieben und was hat meine Religiosität erwachsen gemacht?

Franziskus’ junges Leben ermutigt moderne Menschen, die selbst lange Zeit ohne Religion auskommen, denn der Gott, den er im Gefolge einer Krise finden wird, zeigt sich geduldig und kann warten, bis Menschen ihn suchen.

Giovanna Pica scheint ihrem Sohn religiöse Werte zu vermitteln, doch kommt dieser dadurch noch zu keiner persönlichen Gottesbeziehung. Wie gehe ich, von der Kraft des Glaubens überzeugt, mit Kindern oder Enkeln, Partner oder Freundinnen um, die sich weder für Gott noch für Kirche und Religion interessieren? Wie gelingt es, den Glauben so zu leben, dass Angehörige oder Freunde später einmal von meinem Beispiel ermutigt nach tieferen Quellen suchen?

„Niemand begleitete mein Suchen“ – Kirche präsent und nicht gefragt

So fern der romanische Weltengott und Endzeitrichter bürgerlichen Menschen um 1200 auch erscheint und so unreligiös Franziskus später sein junges Leben empfindet, die Kirche zeigt im kleinen Stadtstaat Assisi eine erstaunlich dichte Präsenz. Rund ein Dutzend kirchliche Zentren lassen sich für die Jugendzeit des Poverello innerhalb der Stadtmauern nachweisen. Die meisten werden von religiösen Gemeinschaften betreut. In der Unterstadt, dem Lebensraum der reichen Bürger und des Arbeiterstandes, sind dies die Bischofskirche Santa Maria Maggiore mit der Residenz des Ortsbischofs Guido I., die Marktkirche San Niccolò am neuen Hauptplatz der Stadtgemeinde, das Benediktinerpriorat San Paolo gleich hinter dieser und die Pfarrkirche Santo Stefano sowie vor dem südlichen Tor das Hospital San Giorgio mit der Schule der Kanoniker von San Rufino. Deren Gemeinschaft lebt beim entstehenden Dom in der aristokratischen Oberstadt, die mit den Benediktinerprioraten San Donato im Minervatempel und San Giacomo di Muro Rupto über zwei weitere Zentren verfügt. Im adeligen Stadtteil kommen Santa Maria delle Rose und Sant’Andrea dazu. Unmittelbar vor Assisis Mauern liegen damals die nahe Cluniazenserabtei San Pietro und das Benediktinerkloster San Vittorino sul Tescio unten an der Flussbrücke sowie das Antoniterhospital am Weg zum Subasio.


© Aschendorff Verlag

Im näheren Umfeld der Stadt trifft der junge Franziskus auf dem Weg zu umliegenden Märkten auf das Benediktinerpriorat San Masseo, das Hospital San Salvatore der Kreuzträger, das Leprosenheim San Lazzaro mit Hospitalgemeinschaft draußen in der Ebene, die reiche Nonnenabtei von San Paolo delle Abbadesse im Westen, die ländlichen Benediktinerklöster von San Niccolò di Campolongo, San Benedetto di Satriano, Sant’Angelo di Limigiano und Santa Maria in Valfabbrica im Norden, die Mönchsabteien San Crispolto und San Quirico bei Bettona sowie das Männerkloster Sant’Apollinare del Sambro im Süden, während San Benedetto al Subasio und die bedeutende Kamaldulensergemeinschaft San Silvestro an der Ostflanke des Berges weit abseits der Durchgangsstraßen liegen. Nicht gezählt sind hier neue religiöse Frauengemeinschaften wie die von Sant’Angelo di Panzo, von denen damals im kleinen städtischen Bistum Assisi mehrere noch ohne klösterliche Strukturen entstehen.6

Mit Blick auf dieses dichte Netz kirchlicher Zentren in der Stadt und ihrem Umfeld überrascht die Aussage des Franziskus, in den Jahren seiner Suche hätte ihm „niemand gezeigt, was er tun soll“: der Höchste selbst hätte ihm seinen Weg schrittweise offenbart (vgl. Test 1–14, FQ 59 f). Auslöser ist ein unerwarteter Bruch in der Biografie des ehrgeizigen Kaufmanns. Als der Konflikt zwischen Adeligen und Bürgern Assisis im Herbst 1202 im Städtekrieg gegen die rivalisierende Stadt Perugia eskaliert, zieht Franziskus hoch zu Pferd mit in den Kampf. Sein Vater dürfte für die Ausrüstung seines Sohnes einen Bauernhof geopfert haben. Die Schlacht zwischen dem Dorf Collestrada und Ponte San Giovanni am Tiber wird zum Debakel. Freunde bleiben tot am Ort des Gemetzels liegen, während Franziskus mit anderen für ein Jahr in die Gefangenschaft Perugias gerät. Von dort kehrt er mit schwer erschütterter Gesundheit in ein gedemütigtes Assisi zurück: Die Bürgerschaft muss zuvor einen Frieden unterzeichnen, der dem Adel alte Rechte zurückgibt und den Wiederaufbau seiner Paläste verfügt. Der Vertrag vom Herbst 1203 wird jahrelange innere Konflikte provozieren.7

Zurück in seinem Elternhaus, leidet Franziskus monatelang an einer schweren Krankheit und stürzt sich kurz darauf in ein neues Kriegsunternehmen. Diesmal sucht er seinen Traum vom Ritterwerden im Dienst des französischen Feldherrn Walter III. de Brienne-le-Château zu erfüllen, der in Süditalien im päpstlichen Auftrag kämpft. Jedoch bereits nach einem Tagesritt kehrt Franziskus ohne Pferd, Rüstung und Waffen in seine Heimatstadt zurück. Eine unruhige Nacht in Spoleto hat ihm deutlich gemacht, dass er zerbrochenen Idealen folgt und vor sich selbst davonläuft. In Assisi engagiert sich der Kaufmann wieder im Handelshaus und ist als Festkönig begehrt. Der Stadtstaat und sein buntes Leben hätten jedoch ihren Reiz gänzlich verloren, wird der Biograf später darlegen (vgl. 1 C 3–6, FQ 201–203): Thomas von Celano schildert Zeichen einer tiefen Sinnkrise. Franziskus stellt sich nach dem abgebrochenen Apulienzug seiner inneren Unruhe, ohne jedoch in einem der kirchlichen Kompetenzzentren für Sinnsuchende anzuklopfen. Dies lässt sich insofern verstehen, als die meisten Gemeinschaften monastische Klöster sind, in denen adelige Mönche das Gotteslob singen, während Knechte und Leibeigene die Handarbeiten und Landwirtschaft besorgen. Auch die gebildeten Kanoniker in der Stadt und der Bischof gehören der aristokratischen Oberschicht an. Als Sohn der aufsteigenden Bürgerschicht steht Franziskus einer seinem Milieu fremden und statischen Kirche gegenüber, die den Sprung in die neue urbane, demokratische und mobile Kultur noch nicht schafft.

Geschichte im Dialog mit heute

Dass Kirche zum Stadt- und Dorfbild gehört und dass sie als Institution zwar präsent, doch bei vielen Menschen nicht mehr gefragt ist, haben die religionssoziologischen Sinus-Milieu-Studien der letzten Jahre auch hierzulande deutlich aufgezeigt. Von den zehn aktuell beschreibbaren Milieus unserer Gesellschaft sind die großen Kirchen gerade noch mit zwei bis drei verbunden. Kirchliche Angebote werden von den anderen Milieus nur noch sehr selektiv wahrgenommen.

Wie sieht meine persönliche Geschichte mit der Kirche aus? Zeigt sie Zeiten größerer Nähe und auch Phasen der Distanz?

Kennen Sie vertraute Orte, die Ihnen Heimat und Halt bieten? Kennen Sie kirchliche Kraftorte, Zentren der Einkehr und Seelsorgende, denen Sie sich anvertrauen können? Oder suchen Sie in spirituellen Fragen wie der junge Franziskus zunächst auf sich gestellt – und anderswo?

Wenn Sie selbst in der Kirche arbeiten oder engagiert sind: Welche Milieus der Gesellschaft sind ihnen vertraut, welche fremd? Wie gehen Sie damit um, dass die Institution Kirche in vielen Kreisen nicht mehr gefragt ist? Was unternimmt Ihre Gemeinde oder Gemeinschaft, um im Wandel der Zeit nicht zurückzubleiben, sich für Neues zu öffnen und postmoderne Menschen zu erreichen?

„Da ist mein Herz erwacht“ – Dreifache Liebeskunst

Die Sinnkrise, die den jungen Kaufmann auch mitten in rauschenden Festen einholt (vgl. 2 C 7, FQ 303), treibt ihn nach der Rückkehr von Spoleto immer wieder für Stunden aus seiner bewegten Alltagswelt vor die Stadt hinaus. Hier macht er im Lauf von einigen Monaten entscheidende Neuland-Erfahrungen, die schließlich zu einer grundlegend neuen Sicht auf die urbane Gesellschaft und sein eigenes Leben führen. In Sichtweite der Via Petrosa, einer der vier Straßen, die Assisi mit den Hauptachsen im Tal verbinden, liegt das Priorat San Masseo. Es gehört der reichen Benediktinerabtei Sassovivo in den Bergen hinter Foligno und steht damals verlassen. Franziskus entdeckt eines Tages dessen Krypta, die heute wieder von Mönchen der ökumenisch-geschwisterlichen Reformabtei Bose zugänglich gehalten wird. Der stille Ort lädt zur Sammlung ein und entspricht mit seinem Halbdunkel offensichtlich der inneren Verfassung des Kaufmannssohnes. Immer wieder zieht es ihn hierher. Die Stille wird seine erste Begleiterin auf der Sinnsuche. Bisweilen nimmt er einen Freund mit, der aber draußen bleibt und mit dem er sich nicht über das Geschehen in der Krypta austauscht (vgl. 1 C 6, FQ 203 f).

San Masseo wird zu einem Ort, an dem Franziskus sich seinen Fragen stellen kann und wo er zu sich selbst findet. In solchen Stunden beginnt der Suchende wohl auch jenes Gebet zu formulieren, das seine tiefe Sehnsucht in dichte Worte fasst.8 Die Erfahrungen menschlicher Zerbrechlichkeit, Gefährdung und Vergänglichkeit, die Krieg, Kerker und Krankheit dem jungen Mann erschütternd aufgezeigt haben, lassen ihn in einem städtischen Gottesdienst aufhorchen, als das Hohelied des Neuen Testaments vorgelesen wird: alles menschliche Tun und Können vergehe, und „was bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei“ (1 Kor 13). Franziskus spürt, wie sehr sein eigenes Denken und Planen in einer Sackgasse stecken. Vielleicht hilft ihm der Glaube der Kirche weiter? Der Boden unter seinen Füßen hat nachgegeben, als er in Krieg und Krankheit ins Leere stürzte: Wo findet er Hoffnung, die auch in aller Gefährdung Halt gibt? Seine Zunft, seine Familie und er selbst führen ein reichlich egozentrisches Leben, das Arbeiter ausnutzt, neue Formen der Armut schafft und Menschen ausgrenzt. Echte Liebe aber kann sich nicht auf einen engen Kreis Privilegierter beschränken. Franziskus formt den biblischen Vers aus dem Paulusbrief zum Gebet seiner Sehnsucht aus:

Höchster, lichtvoller Gott,

erleuchte die Finsternis meines Herzens

und schenke mir

einen Glauben, der weiterführt,

eine Hoffnung, die durch alles trägt,

und eine Liebe, die auf jeden Menschen zugeht.

Lass mich spüren, wer du bist,

und erkennen, welchen Weg du mir zeigst.

(Gebet vor dem Kreuz von San Damiano, übersetzt von N. K.)

In der Fortsetzung der Via Petrosa, welche die Talstraße Via Francesca kurz nach San Masseo kreuzt und zur großen Durchgangsachse Via Antica führt, liegt der nächste Ort bewegend neuer Erfahrungen: das Aussätzigenhospital San Lazzaro. Heute erinnert nur noch das Kirchlein, seit 1300 der Santa Maddalena geweiht, an den einstigen Ort des Elends. Die Lepra verbreitet sich mit den Kreuzzügen überall im Abendland und weckt vielerorts panische Angst vor Ansteckung. Stellt jemand verdächtige Symptome fest, werden Betroffene in einer Art Bestattungsritual aus der Stadt und den eigenen Familien ausgeschlossen. Egal ob Adelige, Bürger oder Bäuerinnen, ob Jugendliche oder Mütter kleiner Kinder: speziell gekleidet, finden sie mit Glück Aufnahme im Leprosorium, wo sie ein klosterähnliches Leben führen und von Spenden leben. Reichen diese nicht aus, dürfen die Aussätzigen fern der Stadt an Wegen betteln, müssen mit Klappern jedoch alle Gesunden auf Distanz halten und jede Berührung mit ihnen vermeiden.

Franziskus erlebt auf einem Ritt durch die Gegend eine unverhoffte und unvermeidbare Begegnung mit einem dieser Leprosen. Er überwindet sich, steigt vom Pferd und erfährt von Angesicht zu Angesicht mit dem Kranken, dass sich Angst und Ekel in noch nie erfahrene innere „Süßigkeit“ verwandeln. Es folgen weitere Besuche im Leprosorium, wo Franziskus auch mit den Aussätzigen isst. Gott selbst, wird er später in seinem Testament schreiben, „der Höchste hat mich unter die Geringsten geführt, und in der Begegnung mit ihnen ist mein Herz erwacht“ (Test 1–3, frei übersetzt, vgl. FQ 59). San Lazzaro lehrt Franziskus eine bisher nie gekannte Nächstenliebe.

Wenige Wochen nachdem Franziskus Aussätzige zu Freunden gewonnen hat, ereignet sich unweit von San Masseo ein dritter Durchbruch. Erneut ist der Schauplatz ein verlassenes Kirchlein, das von einem Landpriester betreut und zugleich einsturzgefährdet ist. In San Damiano tritt Franziskus im Halbdunkel vor ein Ikonenkreuz (vgl. Gef 13, FQ 619). Es verdankt sich der orientalischen Bildkunst: Schülern einer ursprünglich aus Syrien geflohenen Eremitenkolonie auf dem Monteluco bei Spoleto. Die Ikone fasst das christliche Credo in ein Gesamtbild und zeigt den Gottessohn als zentrale Gestalt mit offenen Augen, einem offenen Ohr, weit offenen Armen und einem offenen Herzen.9 Hier erfüllt sich das Gebet der Sinnsuche überraschend: An den „Höchsten, lichtvollen Gott“, den romanischen Herrn der Welt gerichtet, findet es Antwort im liebevollen Blick eines überraschend menschlichen Christus, der Franziskus in der Ikone auf Augenhöhe erscheint. Die Kapelle bestand damals nur aus dem Chorraum der heutigen Kirche, und die Ikone, ihr einziger Schmuck, fand sich ganz vorne in der Apsis direkt über dem Altar, wie das Fresko der Giottoschule es noch heute in der Oberkirche von San Francesco darstellt.

Kein Weltenherrscher, sondern Gottes Sohn auf Erden überrascht, erwartet und umarmt Franziskus im Kirchlein San Damiano, das zum Ort einer neuen Gottesliebe wird: Den Fußspuren des armen Christus wird Franziskus folgen (vgl. Leo, FQ 107), und „den armen Christus“ wird Klara hier später „arm umarmen“ (vgl. 2 Agn 18, KQ 28).

Geschichte im Dialog mit heute

Auf seiner Sinnsuche macht Franziskus an kirchlichen Orten entscheidende Entdeckungen. Es handelt sich zwar um unbedeutende oder unansehnliche Landkirchen, ein verlassenes Priorat, das zu meidende Leprosarium und das verwahrloste San Damiano, doch ihr Dreieck steht für einen grundlegenden Dreiklang: In San Masseo lernt der Kaufmannssohn eine gesunde Selbstliebe, in San Lazzaro eine radikale Nächstenliebe und in San Damiano eine neuartige Gottesliebe. „Liebe Gott mit all deinen Kräften“ und „Liebe den Nächsten wie dich selbst“ nennt Jesus die zentralsten Weisungen in Gottes Bund mit Israel: eine dreifache Liebeskunst, die von Gottes Liebe getragen beim Ich beginnt, zum Du jedes Mitmenschen führt und über allem Gott selbst antwortet – „mit ganzem Herzen und ganzer Seele“ (Mk 12,28–33).

Welche Orte laden mich ein, mir selbst gutzutun und mich ganzheitlich wahrzunehmen, mich zu sammeln und meine innere Stimme zu hören?

Welche Orte haben meine Nächstenliebe entfaltet, und welche Erfahrungen haben mein Herz für Liebste und auch für Ungeliebte geweckt?

Wo begegne ich dem Göttlichen ganz persönlich? Wo bete ich wie Franziskus zu einem göttlichen Du über allem? Wo zu einem Du mit uns? Das Schöne an Franziskus ist, dass das Göttliche dabei nicht ein Es bleibt, sondern ein Du, das er als solches anspricht mit weiblichen Namen (vgl. LobGott; FQ 37–38).

„Unser Vater ist im Himmel“ – Welt und Gesellschaft durch-schauen

Auf dem Weg von San Masseo über San Lazzaro und San Damiano – alles Orte unterhalb Assisis und Zufluchtsstätten bedürftiger Menschen am sozialen Rand – zurück in seine Heimatstadt wird Franziskus deutlich, wie exklusiv und ausgrenzend die städtische Gesellschaft lebt. Wehe, wer arbeitsuntauglich wird, wer betagt und ohne Angehörige zum Betteln gezwungen ist! Wehe, wer zu wenig Geld aufbringt, um in der Stadt Fuß zu fassen! Wehe, wer wegen Krankheit oder einer Straftat aus Assisi verbannt wird! In der Stadt kämpfen Adelige und Bürger um Macht und Privilegien und gleiten Arbeitende in neue Armut ab, während Geschäftstüchtige rücksichtslos den eigenen sozialen Aufstieg erstreben.

Die überwältigenden Erfahrungen mit sich selbst, mit den Ärmsten und mit dem „armen Christus“ an Orten außerhalb Assisis bewirken in Franziskus eine eigentliche „metanoia“, wie die Evangelien ein radikales Umdenken, die Umkehr vertrauter Werte und eine grundlegende Neuorientierung nennen (Mk 1,15). Bewegt von der überraschenden Zuwendung Gottes in San Damiano, verkauft er kostbare Textilien, um das ärmliche Kirchlein zu schmücken und die Ikone mit brennenden Kerzen zu versorgen. Als der fassungslose Vater gewalttätig reagiert, verbirgt sich der Sohn wochenlang bei San Damiano und erscheint schließlich wegen Veruntreuung des Geldes angeklagt vor dem bischöflichen Gericht (vgl. 1 C 10–15, FQ 205–208 und Gef 16–20, FQ 621–623).


© S. Diller, www.assisi.de, 1986

Das Fresko der Giottoschule bringt das Geschehen vor der bischöflichen Residenz auf den Punkt: Vor versammelter Bürgerschaft und unter den Augen des Ortsbischofs Guido I. enterbt sich Franziskus öffentlich und steigt damit aus seiner Familie, seiner Zunft und der städtischen Bürgerschaft aus. Hört alle und versteht … Unser Vater (ist) im Himmel (Gef 20, FQ 623), bekennt der Aussteiger nackt vor allen Versammelten. Die Hand des himmlischen Vaters, direkt über dem irdischen Vater gemalt, segnet und verbindet mitten in dieser dramatischen Szene nicht nur Vater und Sohn, sondern auch Adelige und Bürger, Reiche und Einfache, Laien und Kleriker, Bischof, Priester und Franziskus, der mit diesem Schritt in den kirchlichen Stand der poenitentes (Büßer) wechselt. Vor dem allen gemeinsamen Vater im Himmel gibt es nur Geschwister. Die bürgerliche Gleichheit, in der kommunalen Revolution Assisis erkämpft und noch immer nicht ganz durchgesetzt, radikalisiert sich im Glauben an den einen Vater: Gleichwertige Geschwisterlichkeit misst sich nicht an Besitz und Macht, verbindet Reichste und Ärmste auf gleicher Ebene und endet auch nicht an der Stadtmauer. Die Taufe macht Kinder von Königen und von Bettlern, von freien Bürgern und leibeigenen Bäuerinnen zu Töchtern und Söhnen Gottes.

Mit dieser prophetischen Botschaft vor versammelter Stadt kehrt Franziskus nach San Damiano zurück. Hier hat er Gottes Zuwendung erfahren: die Gegenwart jenes Gottessohnes, der vor der Stadt Betlehem in einer Notunterkunft geboren und draußen vor Jerusalems Toren unter Verbrechern gestorben ist. Indem er das ärmliche Landkirchlein zusammen mit Randständigen aufbaut, provoziert Franziskus die städtische Gesellschaft und Kirche wortlos: Christus hat er nicht im Prachtdom Assisis gefunden, seit achtzig Jahren eine Großbaustelle und ein Prestigeprojekt der Stadt, sondern er findet ihn draußen unter den Abgeschriebenen.

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