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Kitabı oku: «Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten», sayfa 7

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XI

Unser Rittmeister war ein Prachtkerl, aber nervös und aufbrausend. Er war schlagfertig und klug, konnte sich aber nicht beherrschen, und seine Redegabe war echt militärisch: er verstand wohl zu befehlen, aber nicht zu erzählen und seine Gedanken darzulegen.

So war er auch in diesem Augenblick. Er riß seine Halsbinde von sich und warf uns allen wütende Blicke zu.

»Nun, das sind schöne Geschichten, nicht wahr?« wandte er sich an den Pfarrer.

Dieser sagte nur »Ja, ja, ja« und nickte.

»Das ist es eben: ja, ja, ja! Gute Werke haben schöne Folgen!«

Der Pfarrer sagte wieder: »Ja, ja, ja.«

»Das wäre aber eigentlich Ihre Sache!«

»Was denn?«

»Uns ganz andere Stimmungen beizubringen …«

»Ja.«

»Sie haben aber gar keinen Einfluß auf uns.«

»Unsinn!«

»Es ist kein Unsinn. Was sind Sie jetzt hergekommen? Viel notwendiger braucht man jetzt einen Küster, damit er bei der Leiche die Psalmen liest.«

»Wie steht es? Was sollen wir tun?« drangen die Offiziere in ihn. »Der Oberst ist fort, und Sie sind aufgeregt und machen dem Pfarrer eine Szene … Würden wir denn auf ihn hören, wenn er uns bekehren wollte? .. Wo ist der Pole? Weiß der Teufel, ob er das Geld überhaupt gehabt hat. Was treibt er jetzt allein auf seinem Zimmer? Sagen Sie bitte, was Sie beschlossen haben! Wer ist der Schuldige?«

»Der Teufel ist der Schuldige! Sonst gibt es keinen Schuldigen!« antwortete der Rittmeister.

»Aber dieser Pole …«

»Der Pole ist über jeden Verdacht erhaben …«

»Wer hat Ihnen das eröffnet?«

»Wir selbst, meine Herren, wir selbst! Ich und unser Regimentskommandeur bürgen für ihn. Wir behaupten nicht, daß er der ehrlichste Mensch ist, wir sehen aber, daß er die Wahrheit spricht, daß er das Geld gehabt hat und daß es verschwunden ist. Nur der Teufel allein kann es gestohlen haben … Daß das Geld tatsächlich vorhanden war, folgt schon daraus, daß, als der Oberst, der jeden Skandal vermeiden möchte, ihm hier in meiner Gegenwart die zwölftausend Rubel anbot, er auf sie verzichtete …«

»Er verzichtete?«

»Ja, und noch mehr als das: er verpflichtete sich aus eigenem Antrieb, keine Anzeige über den Verlust zu erstatten und keinem Menschen auch nur ein Sterbenswort von dieser verfluchten Angelegenheit zu sagen. Kurz, er benahm sich so korrekt, vornehm und feinfühlend, wie man es nur wünschen kann.«

»Ja, ja, ja!« versetzte der Pfarrer.

»Der Oberst und ich gaben ihm im Namen aller das Wort, daß wir ihm unser volles Vertrauen entgegenbringen und uns während eines ganzen Jahres als seine Schuldner betrachten werden; wenn die Sache sich vor Ablauf dieses Jahres nicht aufklärt und das Geld nicht zum Vorschein kommt, so bezahlen wir ihm die zwölftausend Rubel, und er verpflichtet sich, sie anzunehmen …«

»Selbstverständlich nehmen wir diese Schuld auf uns und werden sie gewissenhaft abzahlen«, fielen ihm die Offiziere ins Wort.

»Meine Herren«, fuhr der Rittmeister etwas leiser fort, »er ist aber fest überzeugt, daß wir nichts zu zahlen brauchen werden; er behauptet, daß das Geld sich finden wird. Er sagt das so bestimmt und mit solcher Überzeugung, daß, wenn wahrhaftig der Glaube Berge versetzen kann, seine Erwartung sicher in Erfüllung gehen muß. Ja, sie muß sich erfüllen, denn sie ist mit Blut erkauft … Er hat mit seinem Glauben auch mich und den Kommandeur angesteckt. Er bat uns zwar, ihn zu durchsuchen, wir verzichteten aber darauf … Wenn Sie es aber wünschen, so können Sie es noch nachholen; er sitzt in seinem Zimmer und erwartet Sie, Sie können es tun. Ich stelle Ihnen aber eine Bedingung: alles muß unter uns bleiben. Sie müssen sich dazu mit Ihrem Ehrenwort verpflichten.«

Wir gaben ihm das Ehrenwort, durchsuchten aber den Polen nicht. Wir gingen nur alle zu ihm ins Zimmer und drückten ihm stumm die Hand.

XII

Und doch blieb in uns allen neben der Trauer um den Kameraden ein schwerer Zweifel zurück. An Saschas Leiche wurde aber indessen die Sektion vorgenommen, man fälschte den Tatbestand und schrieb ins Protokoll, daß er den Selbstmord »in einem Anfall von Wahnsinn« verübt habe; der Pfarrer segnete die Leiche ein, und der Küster las eintönig den Psalm: »Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir.«

Wir alle waren in gedrückter Stimmung. Wir gingen auf und ab, rauchten bis zur Bewußtlosigkeit und weinten sogar ab und zu. Eine solche Jugend, eine solche Frische mußte erlöschen! .. So wenig hatte er vom Honig gekostet und mußte schon sterben!

Wir alle, in Schlachten erprobte oder jedenfalls zu Schlachten bestimmte Männer waren auf einmal zu Waschlappen geworden. Der Pole verschob seine Abreise: er wollte mit uns Sascha zum Grabe geleiten und dessen Vater sehen, der, gleich am Morgen benachrichtigt, gegen Abend ankommen sollte.

Wenn der Zimmerkellner Marko nicht gewesen wäre, so hätten wir wohl die Stunden der Mahlzeiten vergessen; er aber sorgte für uns und auch für die Leiche. Er wusch und kleidete sie ein, sagte uns, was und wo man kaufen müsse und redete auf uns ein, wir sollten uns beruhigen.

»Alles geht nach dem Willen Gottes.« pflegte er zu sagen. »Wir sind wie Gras.«

Er war immer auf dem Sprung und machte allerlei Besorgungen. Man verhaftete die Hotelbediensteten unter verschiedenen Vorwänden und durchsuchte ihre Sachen. Auch Saschas Bursche wurde durchsucht und verhört, ob der Selbstmörder ihm vor dem Tode nichts übergeben hätte.

Der Soldat schien die Frage im ersten Augenblick nicht verstanden zu haben. Nach einer Weile antwortete er aber:

»Der Herr Kornett hat mir keinerlei Geld übergeben.«

»Weißt du, was auf Hehlerei steht?«

»Jawohl.«

Selbstverständlich wurde er nicht von uns, sondern von den Gerichtsbeamten verhört, denen man bekanntlich keinen Überfluß an Zartgefühl vorwerfen kann.

Man ließ den Burschen laufen, und bald darauf sah man ihn schon mit dem Putzen von Saschas Reservestiefeln beschäftigt.

XIII

Abends kam der Vater, ein noch nicht sehr alter, etwa zweiundfünfzigjähriger Herr von angenehmem Äußeren. Er hatte eine militärische Haltung, trug die Uniform eines verabschiedeten Offiziers und Sporen, aber keinen Schnurrbart. Wir kannten ihn noch nicht und merkten garnicht, wie er in das Zimmer seines Sohnes trat; wir sahen ihn erst, als er wieder herauskam.

Gleich nach seiner Ankunft fragte er nach dem Burschen, ließ sich von ihm ins Sterbezimmer führen und verblieb dort mit ihm unter vier Augen mehrere Minuten. Als er dann zu uns in den Saal trat, mußten wir über die stille Majestät in seinen Zügen staunen.

»Meine Herren,« sagte er, sich vor uns verbeugend, »ich stelle mich Ihnen vor: ich bin der Vater Ihres unglücklichen Kameraden. Mein Sohn ist tot, er hat selbst Hand an sich gelegt und mich und seine Mutter in namenloses Unglück gestürzt … Aber er konnte nicht anders, meine Herren … Er starb wie ein Mann von Ehre und Gewissen … Und dies ist, glauben Sie es mir, mein einziger Trost …«

Mit diesen Worten ließ sich der alte Herr, der unsere Herzen sofort gefangen genommen hatte, in einen Sessel vor dem runden Tisch sinken, vergrub das Gesicht in die Hände und begann laut wie ein Kind zu schluchzen.

Ich reichte ihm mit zitternder Hand ein Glas Wasser.

Er trank davon zwei Schluck, drückte mir freundlich die Hand und sagte:

»Ich danke Ihnen allen, meine Herren!«

Dann fuhr er sich mit dem Tuch über das Gesicht und sagte:

»Das ist noch nicht das Schwerste … Was bin ich? Aber wie soll ich es meiner Frau sagen? … Das Mutterherz wird es nicht ertragen können!«

Er wischte sich wieder die Tränen aus den Augen und begab sich zum Obersten, um sich ihm vorzustellen.

Auch zum Obersten sagte er, daß Sascha »wie ein Mann von Ehre und Gewissen« gestorben sei und daß er anders gar nicht hätte handeln können.

Der Oberst starrte ihn lange an, lutschte dabei, wie es seine Gewohnheit war, an einem Bonbon und sagte schließlich:

»Sie wissen doch, daß dem Selbstmorde ein gewisser unglücklicher Umstand vorangegangen war … Wir sind ja miteinander verwandt, und ich kann und muß Ihnen alles sagen. Ich glaube an nichts, aber das Benehmen des Kornetts war immerhin etwas sonderbar …«

»Sein Benehmen war durchaus korrekt, Herr Oberst!«

»Ich glaube es Ihnen; wenn Sie aber doch den Schleier, der das Geheimnis vor uns verdeckt, ein wenig lüften wollten …«

»Ich kann es nicht, Herr Oberst …«

Der Oberst zuckte die Achseln.

»Was soll man machen?!« sagte er. »Nun, mag es so bleiben.«

»Nur noch eines, Herr Oberst. Der fürstliche Generalbevollmächtigte wird sein Geld nicht vom Regiment, sondern von mir bekommen. Dies ist mein trauriges Vorrecht.«

»Ich wage nicht zu widersprechen.«

Saschas Vater überreichte an diesem selben Tag dem Polen unter vier Augen die zwölftausend Rubel.

Awgust Matwejitsch nahm das Geld in die Hand, sagte: »Um nichts in der Welt!« und steckte es dem Alten in die Tasche. Dann setzten sie sich einander gegenüber und fingen beide zu weinen an.

»Großer Gott! Großer Gott!« rief der Alte. »Er hat so ehrenhaft, so vornehm gehandelt, und doch ist noch ein Bösewicht im Spiele, der den Diebstahl verübt hat.«

»Man wird ihn schon finden.«

»Ja, aber mein Sohn wird nicht wieder lebendig!«

XIV

Worin bestand nun das Geheimnis?

Damit meine Erzählung endlich einmal verständlich wird, muß ich es nun verraten:

Sascha trug an seiner Brust das Aquarellbildnis seiner geliebten rosigen Kusine Anna, die nun die Frau seines Obersten war und just in dem Augenblick, in dem Sascha sich das Leben genommen, einem neuen menschlichen Wesen das Leben geschenkt hatte.

Dieses Bildnis war weniger das Pfand leidenschaftlicher Liebe als unschuldsvoller kindlicher Freundschaft und keuscher Gelübde; die rosige Anna war aber die Frau des Obersten geworden, dieser wurde auf ihren Vetter eifersüchtig, und Sascha mußte die Qualen eines Don Carlos erdulden. Als diese Qual ihn schon beinahe wahnsinnig gemacht hatte, kam die Geschichte mit dem Geld und der Durchsuchung, der obendrein auch noch der Oberst beiwohnte, dazwischen.

Sascha hatte das Geheimnis seiner Kusine treu bewahrt.

Als er die Pistole schon vor die Brust hielt, händigte er das Bildnis seinem Burschen ein und sagte ihm:

»Ich beschwöre dich bei Gott: übergib es dem Vater.«

Dieser gab es auch dem Vater vor dem Sarge des Sohnes.

Der Vater sagte, daß der Sohn wie ein Mann von Ehre und Gewissen gestorben sei.

Das Bildnis war unschuldig, ziemlich unähnlich und trug in winziger Schrift die Widmung: »Dem lieben Sascha seine treue Anna.«

Und kein Wort mehr …

Heute erscheint es komisch, vielleicht sogar dumm! Vielleicht ist es auch wirklich dumm. »Jede Zeit hat ihre Vögel, jeder Vogel hat sein Lied.« Ich will nichts rechtfertigen und nichts kritisieren; ich will nur von den Männern sprechen, die den Frauen interessant erschienen.

Was war eigentlich dieser Kornett Sascha? Eine Null, oder sehr wenig, – ein rosiger Knabe, ein Junker, ein gemästetes Muttersöhnchen in Uniform. Er hatte keinerlei bezaubernde Gaben außer der Gabe der Jugend und des … unbeugsamen Gefühls für die persönliche Ehre der Frau … Sie werden wohl sagen: ist denn das wert, daß man davor anbetend in die Knie sinkt? Ich will Ihnen aber erzählen, wie die Leute aufs Angesicht fielen!

Das Geheimnis, das ich Ihnen eben zum Verständnis der Geschichte eröffnen mußte, war damals natürlich keinem Menschen in der Stadt bekannt; der Bursche kannte es nur zum Teil, und nur der Vater begriff es vollkommen. Außerdem kam noch ein neuer Umstand hinzu, der die Sache noch dunkler und verworrener erscheinen lassen mußte: der Zimmerkellner Marko erzählte vielen Leuten unter Diskretion, daß er mit eigenen Augen gesehen habe, wie der Bursche des Verstorbenen dem Vater etwas eingehändigt hätte. Was mochte es wohl sein, das der eine so geheimnisvoll übergeben und der andere ebenso geheimnisvoll eingesteckt hatte? … Das weiß Gott allein! Marko bekreuzigte sich und sagte:

»Ich will keine Sünde auf meine Seele nehmen, – ich konnte nicht sehen, was es war; ich sah nur ein in Papier eingewickeltes Paketchen.«

War das vielleicht das Geld? Warum sollte man unter diesen Umständen, die von Augenblick zu Augenblick verworrener wurden und den demoralisierenden Verdacht immer weiter um sich verbreiteten, nicht auch an eine solche Möglichkeit denken? … Ist denn nicht ein jeder, der ein Paar Hände hat, auch imstande, sich mit ihnen das Geld anzueignen? Den Dieb ausfindig zu machen, – das ist die wichtigste Aufgabe: und die Pflicht eines jeden ist, keinen noch so winzigen verdächtigen Umstand außer Acht zu lassen …

Ja, die Pflicht eines jeden, dessen argwöhnische Augen besser sehen als das lichte Auge eines rührseligen Herzens; die Menschheit ist aber zu ihrem großen Glück auch seelischen Offenbarungen zugänglich; die Menschen betasten gleichsam die unsichtbare Wahrheit und ehren, durch nichts gehemmt, einem elementaren Triebe gehorchend, das Unglück mit ihren Tränen. Das sind heilige Stürme, die herabgesandt werden, um den dicken erstickenden Nebel zu zerreißen; sie sind ein Hauch aus dem Jenseits, sie sind eine Offenbarung, in der alles Verworrene klar wird.

Man ließ Marko nicht viel erzählen, was er alles gesehen haben wollte. Alle wußten, daß der Bursche dem Vater des unglücklichen Sascha ein weibliches Bildnis übergeben hatte. Keine einzige Menschenseele wollte daran auch nur einen Augenblick zweifeln; davon zeugte das Licht, wenn es ins Fenster des Zimmers blickte, in dem die geheimnisvolle Übergabe stattgefunden hatte; jeder Windhauch bestätigte es, und die Lerche sang davon, in die Lüfte steigend …

Saschas Beerdigung war nicht feierlich und nicht einmal rührend, sondern erschreckend. Sie haben wohl alle, meine Herren, sogenannte »prunkvolle« Beerdigungen gesehen. Ich meine garnicht die Beerdigungen mit großer Parade, in denen sich nur die menschliche Eitelkeit äußert. Denken Sie aber an die uns aus Beschreibungen bekannte Beerdigung Gogols, Nekrassows oder Dostojewskijs, die allgemein als »weltgeschichtliche Ereignisse« angesehen wurden. Sicher war in allen diesen Fällen auch viel aufrichtiges Gefühl dabei, die Aufrichtigkeit wurde aber von Nebensächlichkeiten erdrückt. Ich selbst habe der Beerdigung des Generals Skobelew in Moskau beigewohnt. In diesem Falle war vielleicht etwas mehr echte Trauer zum Durchbruch gekommen … Sie können, wenn Sie wollen, mich auslachen, ich muß aber sagen, daß Saschas Beerdigung auf mich einen unvergleichlich tieferen Eindruck gemacht hat als jede andere … Auch er wurde als Offizier mit allen vorgeschriebenen militärischen Ehren beerdigt, aber alle diese Zeremonien standen nicht im Vordergrund und wurden von den meisten überhaupt nicht beachtet. Die echte Trauer der Menschen, die von überall herbeigeströmt waren, um beim Anblick seines jugendlichen, totenblassen Gesichts zu weinen und vor Kummer zu vergehen, hatte alles andere erdrückt und die ganze Luft in Beben versetzt.

XV

Wir hatten zu dieser Beerdigung niemand außer den Angehörigen der Schwadron, in der der Verstorbene gedient hatte, eingeladen; die Leute strömten aber auch ungeladen von allen Seiten herbei. Auf dem ganzen Wege vom Hotel bis zur Friedhofskirche standen Menschen aller Stände Spalier. Die Frauen waren in der Mehrzahl. Niemand hatte ihnen erklärt, was sie zu beweinen hätten. Sie wußten es aber selbst und trauerten um das junge Leben, das sich aus »Adliger Gesinnung« selbst vernichtet hatte. Ich gebrauche gerade dieses Wort, das damals in aller Munde war:

»Der Arme ist für seine adlige Gesinnung gestorben!«

»Hat sich für sein Herzliebchen aufgeopfert!«

Da steht so eine alte Tante aus der Vorstadt und jammert:

»Der Liebe, Herzige … hat aus adliger Gesinnung das Leben hingegeben …«

Und wo man auch lauschte, überall konnte man nur ähnliche warme, herzliche Worte hören. Alle duzten ihn dabei und bemühten sich, möglichst freundlich zu sprechen, gleichsam sein Herz zu liebkosen:

»Mein lieber Kleiner! … Du Junger, Edler! …«

»Du mein gefühlvoller Engel! … Wie sollte man dich nicht lieben?!«

Alles in diesem Sinne. Damen vom Adel, Kaufmannsfrauen, Popentöchter, Kleinbürgerinnen, Dienstmädchen und Varieté-Zigeunerinnen – diese letzteren als Meisterinnen und Priesterinnen des tragischen Stils in der Liebe in erster Linie – alle stammeln mit bebenden Lippen herzliche Worte und beweinen ihn wie ihren besten Freund, wie ihren eigenen Geliebten, als ob sie ihn zum letzten Male in ihren Armen hielten und liebkosten.

Alle diese Frauen waren aber in keiner Beziehung hervorragend; sie kannten Sascha auch garnicht, hatten ihn vorher noch nie gesehen und hätten ihn vielleicht auch nicht lieb gewonnen, wenn sie ihn, so wie er im Leben war, mit allen seinen guten und schlechten Eigenschaften gekannt hätten. Aber jetzt, wo sie wußten, daß er aus »adliger Gesinnung« für sein »Herzliebchen« gestorben war, hatten sie gar keine Zeit, sich durch irgendwelche Überlegungen zu ernüchtern: sie konnten nur weinen und klagen … Jede Seele verging vor Wehmut.

Der bekannte Kanzelredner, Erzbischof Innokentij rührte einmal alle Herzen, als er statt einer richtigen Grabpredigt nur die Worte sagte: »Er liegt im Sarge, – laßt uns weinen.« Nur diese Worte sagte er, und alle flossen in Tränen. Ein Fieber hatte alle Herzen ergriffen. Als die Frauen Sascha im Sarge sahen (in unseren Städten werden die Toten in offenen Särgen zum Friedhof getragen), fanden sie sein durchaus gewöhnliches Gesicht erhaben und herrlich … Sie sagten: »In diesem Gesicht steht geschrieben: Treue bis in den Tod!«

Es ist ganz gleichgültig, ob in seinem Gesicht tatsächlich das oder etwas ganz anderes geschrieben stand. Sie lasen nur das, was ihre Augen sahen, und das genügt.

Alle Lippen zittern, und alle Gesichter sind feucht von Tränen; alle sind gerührt und alle sprechen zu ihm:

»Schlaf, schlaf, du Märtyrer!«

In der Kirche herrscht eine andere, noch stärkere Stimmung. Keine Predigt wagt den heiligen Schauer der Grabgesänge des Johannes von Damaskus zu stören. Seine poetischen Wehklagen brennen und heilen zugleich die Wunde.

Ich muß Ihnen, meine Herren, sagen, daß wir uns wirklich vor dem Herrn niederwarfen! … Wie groß Saschas Vergehen, vom Standpunkte der theologischen Wissenschaft aus betrachtet, war, konnten die ihn Beweinenden nicht beurteilen; sie flehten aber den Herrn so inständig an, ihn »in seine himmlischen Wohnungen aufzunehmen,« daß ich gar nicht weiß, wie man diese Herzensschreie mit den Gründen jener Wissenschaft in Einklang bringen soll. Ich kann es jedenfalls nicht.

Es wird oft behauptet, daß es heute keinen guten Prediger mehr gäbe. Ist dieser Vorwurf auch gerechtfertigt? Man versteht allerdings nicht gut zu predigen, es ist aber auch gar nicht nötig, überall, wo es die Sitte verlangt, zu reden. Es gibt Fälle, wo es besser ist, einfach zu weinen, wo ein gewöhnliches »Vergib!« oder »Nimm ihn auf!« viel eindringlicher ist als jede Predigt, die zuweilen mit verstiegenen Worten entweder die Vernunft oder das Gefühl verletzt. Denken Sie nur an den Großinquisitor bei Schiller. Darum ziehe ich auch die Beerdigung nach orientalischem Ritus vor. Man kommt und geht wie auf den Ruf des Propheten Jesajas: »So kommt und laßt uns miteinander rechten …« Wie soll man aber mit Ihm rechten? Es ist ja klar, wer siegen wird. Du kannst aber alles, Du hast den Menschen berufen … vergiß, verzeih und vergib ihm alles, worin er sich vor Dir nicht rechtfertigen kann …

Man denkt an die Parabel vom Mächtigen, der nichts fürchtete und nichts scheute; als man aber mit großem Eifer in ihn drang, da sagte er: »Ich werde es tun.« Und man fühlt sich beruhigt.

Und Er, der das Ohr erschaffen hat, um alles zu hören, kann Er denn einschlafen und dem Flehen so vieler gerührter Herzen kein Gehör schenken? …

Bei Saschas Beerdigung gab es einen Zwischenfall mit einer Dame, der Witwe eines bekannten Staatsmannes. Die Dame war von altem Adel, sehr klug, sehr wohlerzogen, hatte aber den Zunamen: »Schlange«. Dieser Zuname war eigentlich recht ungeschickt gewählt: man nannte sie so, nicht weil sie böse war – nein, sie tat niemand etwas zu Leide! – sondern weil sie so furchtbar spöttisch war. Diese Dame mochte nichts Russisches: weder die Sprache, noch die Religion, noch die Sitten; sie verachtete das alles und zwar nicht aus Leichtsinn oder Originalitätssucht, sondern tief, aufrichtig und bewußt. Sie tadelte nichts und verwarf nichts, sie war einfach der Meinung, daß alles Russische nicht die geringste Beachtung verdiene … Sie wunderte sich sogar, daß die Geographen es für nötig hielten, dieses Land in die Landkarten einzuzeichnen. Ja, solche Damen hat es damals gegeben! Als diese »Schlange« hörte, daß alle Leute irgendeinen Offizier beweinten, der sich aus »adliger Gesinnung« erschossen hatte, ließ sie die Doppeltüre ihres Balkons, an dem der Leichenzug vorbeiging, aufmachen und trat mit einem Lorgnon in der Hand hinaus. Ich kann mich an sie noch gut erinnern: schlank, in einem roten, mit Zobel gefütterten Mantel steht sie auf dem Balkon und blickt durch ihr Lorgnon herab.

Unser jugendlich schöner Sascha schwimmt aber wie ein vom Winde abgebrochener Zweig über das Meer der Menschenköpfe vor ihren Blicken vorbei.

Die Schlange unterdrückt einen Seufzer und wendet sich an die Engländerin, die neben ihr steht:

»Die Jugend ist überall wahnsinnig, der Wahnsinn gleicht oft dem Heldentume, und das Heldentum gefällt der Menge.«

Die Engländerin erwidert:

»O yes!« Dann sagt sie noch, daß das allgemeine Gefühl, von dem diese ganze Menge ergriffen sei, sie interessiere. Der Ausländerin zu Gefallen läßt sich die Schlange herab, mit ihr in die Kirche zu gehen, wo der Hammer des Sargtischlers den letzten Punkt hinter diese Geschichte setzen wird.

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13 ekim 2017
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