Kitabı oku: «Der Wunsch bleibt. Doch dann ... Die Geschichte eines Paares», sayfa 2
Das „richtige“ Verhalten
Im Herbst 2006 hatte ich dienstlich in Düsseldorf zu tun. Ich wusste, dass meine Regel bevorstand. Nahm noch zu Hause eine Schmerztablette ein, denn ohne ging es schon seit Jahren nicht mehr. Im Zug verstärkten sich die Kopfschmerzen derartig, dass ich zu einer weiteren greifen musste. Aber es half alles nichts.
So war in Düsseldorf als erstes die Apotheke meine Anlaufstelle. Nachdem ich mein Leid und das Eingenommene erklärt hatte, erhielt ich frei verkäufliche Tabletten und von der freundlichen Dame hinter dem Tresen den gut gemeinten Rat: „Wenn ich Sie wäre, würde ich mir überlegen, ob ich nicht besser die Pille einnähme. Damit hätten Sie dieses Dilemma nicht!“
Ich lächelte zurück.
Erwiderte nichts.
Fand blitzschnell zu mir.
Im vorigen Jahr hatte ich diese künstlichen Befruchtungen über mich ergehen lassen, die bisher nichts Positives brachten. Aber nun sollte ich, bei unserem unbedingten Kinderwunsch, gegen Schmerzen zeitweilig die Pille nehmen? Die Welt ist ganz schön schräg. Innerlich musste ich lachen. Wenigstens lebt er, mein schwarzer Humor. Dem ich sehr danke. Hätte die Dame gewusst, …, es wäre ihr sicher peinlich gewesen.
Im Wartezimmer der Gynäkologin: Ich sitze inmitten sehr verschiedener Frauen. Eine davon ist jung, ist schwanger, dem Bauch nach zu urteilen, dauert es nicht mehr lange.
Mein Baby wird wohl nie geboren, denke ich.
Eine andere zeigt ihr Neugeborenes vor, die Sprechstundenhilfen treten neugierig hinzu und himmeln es an.
Mein Baby wird wohl niemand bewundern können, schade.
Dass ich heute hier bin, hat mit der Nachuntersuchung zur Bauchspiegelung zu tun. Nachdem der Eingriff gut verlaufen war, teilte mir die Ärztin die eigentlich tolle Nachricht mit, dass ich gesund bin. Dass von meinen Krankheiten, die 2006 aktuell waren, Gebärmutter und Eierstöcke weiterhin verschont geblieben sind.
Werde ich wohl auch noch so einen Bauch haben dürfen, wie diese Frau gegenüber?
Eher nicht, geht mir bedauerlicherweise durch den Kopf.
Dabei habe ich immer auf mich geachtet, ein gesundes Leben konsequent favorisiert. Ich habe Sport getrieben, nicht geraucht, kaum Alkohol getrunken, stets versucht, mich ausgewogen zu ernähren.
Bin ich womöglich aus irgendeinem Grund von vornherein abgestempelt, kein eigenes Kind zu gebären? Habe ich vielleicht irgendetwas Unrechtes in meinem Leben getan? Ich kann diese Strafe, diese Ungerechtigkeit an meiner Person nicht begreifen. Warum passiert mir das? Warum ausgerechnet ich? Doch kenne ich keine Antwort.
Tröstet es, dass um mich herum noch andere Frauen sitzen? Ich weiß nicht. Warum sind sie hier? Es ist ihnen nicht anzusehen. Könnte sie ein ähnliches Schicksal ereilt haben? Vielleicht hat diese oder jene Krebs. Möglicherweise geht es bei einer anderen gar um Abtreibung. Und was ist mit der Frau, die gerade jetzt zur Tür hereinkommt, musste sie vielleicht schon über eine Totgeburt wehklagen?
Ich weiß nicht, warum sie alle hier sitzen. Ich will es auch nicht wissen. Zudem hat nicht jede einen Babybauch oder das Neugeborene dabei. Es ist schon so, den Frauen mit den schweren Krankheiten merkt man es oft nicht an.
Ein wenig tröstet mich, dass meine Gynäkologin sich entsprechend Zeit für jede einzelne nimmt, damit diese Frauen die Aufmerksamkeit bekommen, die sie benötigen, die ihnen zusteht. Ich ahne, wie sie mit den Trauernden trauert, weiß, dass sie Trost spendet und wie sehr sie sich über das Glück eines Babys mitfreuen kann.
Hier bin ich richtig. Ein gutes Gefühl zu wissen, als eigenständige Person, als Frau, als eine mit solchem Schicksal, angenommen zu werden.
Das „Richtige“ in Angriff nehmen
Nachdenken? Freilich habe ich lange mit meinem Schicksal gehadert. Jahre zuvor hatte ich mir eine Zeit lang sogar Babykosmetik gekauft. Natürlich weil sie gut ist, doch auch, weil ich damit meinen Wunschtraum kompensierte: Während ich zunächst keineswegs daran zweifelte, zwei Kinder zu bekommen – wahrscheinlich erst ein Mädchen und später einen Jungen. Nur kam es anders. Erfüllte sich nicht.
Der Wunsch aber bleibt.
Fernsehen? Sendungen über Probleme des Zusammenlebens, Heirat oder auch „Unser Baby ist bald da“, kann ich nicht schauen. Stoße ich beim Zappen zufällig darauf, merke ich sofort, wie sehr mich das berührt, ergreift, entkräftet.
Das muss ich mir nicht mit anschauen, das ist mir zu viel.
Einkaufen? Wird in den Discountern, die ich aufsuche, denn etwa keine Babynahrung angeboten? Ich schätze schon. Aber diese Gänge kenne ich nicht. Diese Gänge gehe ich nicht. Ich bin immer schon einen Gang weiter.
Schreiben? Eines Tages stellte mein Mann fest, wie eifrig ich schrieb, wie wichtig es mir wurde, schnellstens an den Computer zu gehen. Alles Mögliche schrieb ich mir von der Seele.
Bis ich meinem Mann – auf sein Nachfragen hin – gestand, dass es wohl ein Buch werden wird. Seine Antwort: „Das habe ich mir schon fast gedacht.“
Von da ab schaute mein Mann regelmäßig zu mir ins Büro, die flüchtigen Besuche taten mir sehr gut. Es gab ein kleines schwarzes Notizbuch, mein ständiger Begleiter, ob im Lokal, im Bus oder im Auto. Dafür fuhr ich schon mal rechts ran.
Mit dem Schreiben des Buches kam ein Stück Motivation zurück. Jetzt hatte ich mich anders mit dem Thema und meinem, unserem Schicksal auseinanderzusetzen. Es musste doch einen Sinn ergeben. Mein Mann und ich waren da in der letzten Phase unserer Planung. Eine Planung, die auch zum Inhalt hatte, 2008 mit einem Wohnmobil nach Irland zu reisen.
Eine „richtige“ Bande. Herr Trauer
Manchmal bekomme ich Besuch.
Diesmal ist es Herr Trauer. Er steht vor der Tür, weil er gerade in letzter Zeit in meinem Umfeld reichlich zu tun hatte.
Das hab ich kommen sehen, ich nicke verständig und lasse ihn ein.
Herr Trauer überträgt seinen Zustand automatisch auf mich. Das ist eine seiner leichtesten Küren, er vereinnahmt gern, spielt nicht nur den Seriösen in seinem Schwarz, sondern hat auch immer ein Taschentuch parat. Er geht auf mich ein.
Das lasse ich mir gefallen.
In all der langen Zeit habe ich ihn noch nie lachen sehen, vermutlich kann er das gar nicht und jetzt, da er mir so nahe ist, stelle ich fest, dass seine dunkle Kleidung keinerlei Farbtöne mehr hat. Im Gegenteil, vernachlässigt, verwaschen und schluderig kommt er mir vor. Aber für Herrn Trauer sind weder das Äußere noch die Ernährung wichtig, er hängt als hagerer Trauerkloß umher, genau wie seine Haare, die schon lange keine Schere mehr gesehen haben.
Das erlaubt auch mir, mich hängen zu lassen.
Herr Trauer hat immer Geschenke mit. Er trägt sie gebündelt als psychosomatische Symptome im Gepäck. Die er großzügig zu verteilen gedenkt.
Je stärker der Verlust, den man erlitten, desto spendabler tritt Herr Trauer auf. Über ein gewisses Grundsortiment verfügt er ständig, so hält er Nervosität, Depressionen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen stets parat.
Ich habe festgestellt, bei den Besuchen von Herrn Trauer durchläuft man mehrere Phasen.
Die erste Begegnung ist meist ein Schock. Ein Nicht-wahrhaben-Wollen.
Anschließend braucht man die unbedingte Kontrolle über sich selbst und gerät in die Überaktivität.
Bis man in die Regression, in das Sich-gehen-Lassen hineinfällt.
Herr Trauer dringt tief in die Seele ein. Es vollzieht sich ein innerpsychologischer Vorgang, währenddessen man sich nur allmählich von dem Verlust lösen kann, es vollzieht sich Trauerarbeit.
Jedes Mal, wenn Herr Trauer bei uns vor der Tür stand, ging es um die Trauer eines von uns geliebten, gezeugten Erdenbürgers, der allerdings noch gar nicht vorhanden war – einerseits. Andererseits war gleichzeitig damit eine weitere schwierige Sache verbunden: das Abschied nehmen.
Abschied vom eigenen Wunschkind, von Plänen des erwarteten Familienglücks.
„Richtig“ verschworen. Frau Wut
Ein weiteres beharrliches Mitglied dieser Bande ist Frau Wut.
Ich weiß nicht einmal, ob sie etwas miteinander haben, der Herr Trauer und die Frau Wut, aber sie scheinen schon sehr eng miteinander verbandelt zu sein.
Mir ist Frau Wut vollkommen unsympathisch; sehe ich sie, könnte ich selbst vor Wut schäumen. Manchmal muss ich über sie lachen, besonders, wenn ihre krausen Haare nach allen Seiten abstehen und sie immer so ungesteuert und hektisch herum rennt. Ob sie überhaupt jemals in sich selbst ruhen kann?
Mich jedenfalls macht ihre Anwesenheit dermaßen wütend, dass mir die Haare mit zu Berge stehen, dass ich mich ungeheuer betrogen fühle auf der Suche nach unserem Familienglück, betrogen von unseren Körpern, betrogen von diesen einfach normalen Träumen, betrogen von der ganzen Welt. Auch von den durchlittenen Krankheiten mit ihren Folgen, auch von all den anderen, die uns immer und immer wieder weismachten, dass Leben zu schenken das Normalste auf der Welt sei. Dass es das Mindeste sei, was man erwarten kann, dass es quasi als Aufgabe der Erdbewohner anzusehen sei, damit die Menschheit weiter existieren kann.
Betrogen außerdem um die Möglichkeit, den Zeitpunkt festzulegen, wann das neue Leben denn einmal eintreffen soll – nun zieht sich die Situation, obwohl noch gar nicht vorhanden, über Monate und Jahre dahin – und der Vergleich drängt sich auf, weniger zu können, ja, fast geringer noch zu sein, als jedes andere Lebewesen, als jede andere Art.
Oh, diese Wut!
Ich lasse ihr freien Lauf.
Ich kann kein Leben schenken. Wut. Ich werde keine Nachkommen haben. Wut. Keine Nachkommen, in denen mein Blut weiterleben wird. Wut.
Schreie im Wald! Wut, Wut, Wut.
Joggen im Freien. Wut, Wut, Wut.
Schwimmen gehen. Vielleicht trägt das Wasser? Wut, Wut, Wut.
In die Pedalen treten. Wut, Wut, Wut.
Manchmal will Frau Wut überhaupt nicht wieder gehen.
Dann bin ich ihr geradezu auf den Fersen, bin ihr ganz nah, schäume über und schüttele sie und raufe mit meinem Partner und schüttele und raufe, bis mir schließlich die Tränen in die Augen steigen …
… dann, irgendwie steht auch gleich schon Herr Trauer daneben und holt, höflich und diskret, die Frau Wut ab.
Also ich weiß nicht, irgendetwas müssen die doch miteinander haben.
Die „richtige“ Reihenfolge
Gern hätte ich sie gehabt. Die richtige Abfolge der Besucher. Hätten sie mich einzeln besucht, hätte ich mich besser auf sie einstellen können und die Gespräche wären sicher anders verlaufen. Aber den Gefallen taten mir die Gäste beileibe nicht. Ihre Besuche und die damit verbundenen Lebensphasen kannten keinerlei Schema. Zumindest lag dieser Schluss nahe.
Nie war ich im Vorfeld auf die Besuche und die Heftigkeit, die damit einherging, vorbereitet. Andererseits gab es Situationen, da wusste ich von gar nichts, es war, als führten die Besucher regelrechte Attacken gegen mich im Schilde. Wie war ich plötzlich überrascht, wenn sich schon wieder einer von denen eingeschlichen hatte!
Manchmal überwog das Gefühl, mein Haus platzt vor Besuch aus den Nähten, es war so übervoll, dass ich keine Ruhe mehr fand. Die ganze Bande belagerte das Gebäude. Durch die Massenbesuche fühlte ich mich selbst in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr wohl. Unglaublich aufgewühlt war ich wieder und wieder und hätte mich doch am liebsten in die allerletzte, hinterste Ecke verkrochen.
Waren wirklich einmal alle gegangen, dann stand es trotzdem schlimm. Um die Wohnung? Ja, um die Wohnung. Und um mich. Warum auch sollte ich aus meinem Bett aufstehen? Wo zuerst – und weshalb überhaupt – das Chaos beseitigen?
All das brauchte Zeit.
Sehr viel später erst wurde mir bewusst, dass damit nur eine besondere Phase vorübergezogen war; eine, die ich durchlebt hatte. War sie endlich abgeschlossen, kam die Erinnerung und mir wurde klar, wie viel Kraft ich eigentlich vorher dazu aufgewendet hatte, um so was ja nicht an mich heranzulassen, um gerade das nicht erfahren zu müssen, um all diese Besuche am liebsten zu umgehen.
Das „richtige“ Zusammenspiel I
Mit der Phase der Traurigkeit und dem Besuch von Herrn Trauer hatte es begonnen, irgendwie stand das an erster Stelle. Unendlich war ich traurig – über die Untersuchungsergebnisse, die unerfüllten Wünsche, die veränderte Lebensplanung und vieles mehr. Manchmal raubte mir die Trauer die Sprache und kein Wort kam über meine Lippen. Ich spürte Schmerz und Ohnmacht und konnte meine Gedanken nicht mehr sortieren. Das ging solange, bis Frau Wut zu Besuch kam. Sie kam immer plötzlich und unberechenbar. Doch als Gastgeber muss man lernen, sich im Zaum zu halten. Wie hätte ich schreien, etwas zerschlagen, an einen Baum, an eine Wand treten können! Besonders, wenn ich hysterisch und ungerecht wurde, konnten mein Mann und auch Außenstehende durchaus spüren, dass Frau Wut mal wieder bei mir ein- und ausging.
In Gesprächen mit meinem Mann gelang es von mal zu mal mehr, mich selbst zu reflektieren …
Frau Wut ist jetzt bei mir eingezogen. Fraglos. Ich könnte nur so um mich hauen. Gelte als unerträglich, ungenießbar, gehe Freunden aus dem Weg und will auch selbst keinen sehen. Wütend, verletzt, sauer und traurig kann ich die vielen tollen Leute mitsamt ihren Kindern nicht mehr ertragen. Die Welt ist grausam. Es ist gemein, so wie es ist und ich hoffe nur, dass mein Mann diese Phase mit mir gut durchsteht. Der nächste Heulkrampf ist nicht weit. Ich sollte mich nicht zu sehr in meine Gedanken fallen lassen. Ich sollte laufen gehen, Meilen schaffen, mich abreagieren. Die kleinste Übertretung, der kleinste Fehler von irgendjemandem und ich gehe in die Luft! Ich kann mich selbst nicht ausstehen. Die Welt ist schrecklich. Das Kindergeheule heute im Bus; ich hätte die Mutter anschreien mögen, sie solle doch ihr Kind endlich beruhigen! Meine Nerven liegen blank.
Die Zeit des Wartens ist qualvoll. Das ewige Warten macht mürbe. Warten auf irgendetwas, nicht Beeinflussbares – auf den Zyklus, auf die Termine, darauf, dass das Leben doch endlich beginnen soll …
Statt dessen soll ich immer nur vernünftig sein! Stark sein, alles meistern können. Soll jede Phase mit Bravour durchlaufen, es nicht merken, mir nicht ansehen lassen, was wirklich los ist.
Wo es doch Menschen gibt, denen es viel schlechter geht.
Was ich jetzt aber gar nicht wissen will!
„Richtig“ schnittig. Herr Abschied
Im ersten Moment sieht Herr Abschied aus wie jedermann. Vielleicht ist er nur ein klein wenig akkurater, etwas schnittiger gekleidet. Mit Sicherheit aber zeichnen ihn ganz spezifische Besonderheiten aus. Auf der einen Seite winkt er sehr viel, hat ein Lächeln auf den Lippen und entfernt sich Stück für Stück immer ein wenig weiter weg von mir. Auf der anderen kann ihn ein plötzliches Weinen überkommen. Das geschieht häufig und passiert ihm auf solche Art, dass es bei einem Mann überrascht. Obwohl ich ihm dann am liebsten aus dem Weg gehen würde. Aber er hält die Arme bereits so ausgebreitet vor mir, dass ich keine Chance mehr habe, an ihm noch vorbeizukommen. Herr Abschied drückt mich vereinnahmend fest an sich, auf dass wir eine gewisse Zeit gemeinsam weitergehen und auf diesem Stück Lebensweg wahrhaftig annehmen, miteinander glücklich zu sein.
Nach längerer Zeit jedoch versucht Herr Abschied mir etwas begreiflich zu machen. Erst fasse ich es gar nicht. Je öfter er aber nach meiner Hand langt, um mir beizubringen, mit welcher Geste auch ich mich eines Tages von ihm werde verabschieden müssen, leuchtet es mir schließlich ein. Trotzdem ist es vertrackt und die ersten Winkversuche scheitern schon im Ansatz. Alles, was mit ihm zu tun hat, fällt mir außerordentlich schwer.
Bis ich schließlich irgendwann erkenne, dass ich mir für eine Person wie ihn, ob ich will oder nicht, entsprechend Zeit nehmen muss. Ehe es dann später, nach unzähligen Versuchen, fast geschafft zu sein scheint – denn da reißt er sich von mir los. Er winkt und rennt und rennt und winkt und lacht und weint darüber, dass meine befreiende Kraft groß genug war, dass ich nicht an ihm kleben geblieben bin.
Bis dahin aber ist es ein weiter Weg und in der Regel ziemlich anstrengend, immerfort gastfreundlich zu Herrn Abschied zu sein. Sein Handwerkszeug ist die Schere und er trennt alles, was einem lieb und teuer geworden ist. Gleich, ob es sich um Partner, Freund, Vater, Mutter oder Kind handelt. Er bringt sie alle auf eine Ebene. Was mich schmerzt. Wobei es sich manchmal um eine gewöhnliche Trennung handelt, manchmal jedoch verhandelt er sogar über den dauerhaftesten aller Abschiede, den Tod.
Wobei, wenn der Tod auf jemanden trifft, der schon in die Jahre gekommen ist und ein gesegnetes Leben vorweisen kann, hilft dieses Alter sehr, Herrn Abschied hereinzulassen.
Sich jedoch von einem jungen Menschen zu verabschieden, ist viel schmerzhafter.
Und wie müsste dann der Abschied aussehen von einem Menschen, der das Licht der Welt noch gar nicht erblickt hat? Die Antwort ist ebenso schwierig, wie der Weg dorthin Verzweigungen aufweist.
Doch Herr Abschied hat viele Facetten. In ihm steckt die Verabschiedung von dem nie Geborenen, von den Wünschen, von den Hoffnungen.
Auch weiß er über die daraus resultierenden Schmerzen Bescheid.
Manchmal erbarmt er sich, bleibt fern und schickt stattdessen Frau Hoffnung vorbei.
„Richtig“ erfreulich. Frau Hoffnung
Es gibt Personen, die einem unglaublich wichtig werden, dass man meint, ohne sie überhaupt nicht mehr zurecht zu kommen. So ergeht es mir mit Frau Hoffnung. Die Plauderstunden mit ihr sind das Beste, was man sich vorstellen kann, und eigentlich überhaupt nicht zu beschreiben.
Frau Hoffnung lässt mich nicht im Stich. Sie begegnet mir mit einem Lächeln und einer Zufriedenheit, wie ich sie bei Menschen noch nie erlebte. So dass es immer wieder geschieht, dass sich ihre Hoffnung regelrecht auf mich überträgt. Sie kommt jedes Mal in ihrem schönen weißen Gewand daher, was mich freut, denn es ist für sie wie geschaffen und völlig unaufdringlich. Ein Gewand, das äußerst dünn wirkt, aber haltbar zu sein scheint, obwohl transparent. Außerdem ist es so geformt, dass sich ihre sanften Bewegungen gern mit dem Lichteinfall mischen, so schön, dass ich einfach ständig zu ihr hinschauen muss. Mal zu ihr hinauf, mal zu ihr hinaus, je nachdem, wie nah Frau Hoffnung mir gerade ist.
Ich bin froh, dass es diese Frau Hoffnung gibt. Ich zeuge ihr Respekt und bin entzückt über jeden ihrer Besuche. Weil sie als eine der wenigen die große Gabe hat, Ängstliche und Verzweifelte in die entgegengesetzte Stimmung zu bringen. Frau Hoffnung ist großzügig. Sie schenkt sich selbst. Sie gibt Hoffnung bei den anfallenden Entscheidungen, gibt Hoffnung auf den seltsamen Wegen, die plötzlich zu gehen sind und hat immer wieder eine große Portion Hoffnung parat, wenn es gilt, trotz aller Umstände den Familienbestand zu erhalten.
Sie ist pünktlich. Sie ist diszipliniert. Das schätze ich sehr an ihr. Damit kann ich umgehen. Bei jedem neuen Arzttermin ist Frau Hoffnung mit dabei und gibt mir die Kraft, die unzähligen medizinischen Strapazen und Therapien zu überstehen.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt sie von sich selbst.
Was ich ihr voll und ganz glaube.
Außerdem sind wir uns schon sehr nah und zu eng befreundet, um gegenseitig irgendetwas anzuzweifeln.
Manchmal sieht sie mich mit einem eigenartigen Blick an und da passiert es, dass sie mir steckt:
„Ehrlich, du meinst, du bist allein, viel zu allein. Aber schau dich doch mal um! Es gibt auch die umgekehrte, analoge Situation. Durchaus. Es gibt genauso Kinder, die von ihren Eltern im Stich gelassen werden. Die ausgeliefert und allein sind.“
Ob sie auf Pflege- oder Adoptivkinder hinaus will? Die es niemals gäbe, wenn sich Frau Hoffnung mit ihrem Engagement nicht so einsetzte.
Ich weiß zwar nicht recht, ob ich solche Geschichten überhaupt hören will. Aber ich höre ihr trotzdem zu. Das ist man sich unter Freundinnen schließlich schuldig.
Vielleicht will sie ja nur, dass auch ich weiß, dass es da noch eine andere, weitere Hoffnung gibt …
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